Biographie von adelbert von chamisso
Biographie von Adelbert von Chamisso
Lois-Charles-Adelaide de Chamisso kam am 30.1.1781 als vierter Sohn des
Grafen Louis Marie de Chamisso auf dem Stammsitz des alten
Adelsgeschlechts, dem Schloß Boncourt in der Cahmpagne, zur Welt. Hier
wuchs er heran, bis in seinem 9. Lebensjahr die Familie infolge der
Französischen Revolution ihre Besitzungen verließ und nach Deutschland
emigrierte. Ihr Vermögen wurde konfisziert.
In Deutschland schloß sich
Chamissos Vater den konterrevolutionären Verbänden des Marschalls
Broglie an, während die Familie in Berlin Fuß fassen konnte.
Adelbert wurde Page bei der preußischen Königin und versuchte daneben am
französischen Gymnasium die versäumte Schulbildung nachzuholen.
Späte bot sich dem adligen Emigranten die militärische Laufbahn an. Er
trat mit 17 Jahren als Fähnrich in ein Berliner Wachregiment ein und
wurde 1801 Leutnant. Doch das Leben wurde ihm auf dem preußischen
Kasernenhof langsam unerträglich.
Die einzige Freude in diesem trostlosen Dasein fand Chamisso in der
Beschäftigung mit der deutschen und französischen Literatur: Kant,
Schiller, Voltaire, Diderot und - vor allem - Rousseau waren seine
Lieblingsautoren.
Seine literarischen Neigungen waren es auch, die ihm gesellschaftliche
Kreise des Berliner Bürgertums öffneten, vornehmlich die jüdischen
Salons, die damals Zentren des geistigen Lebens und der literarischen
Bildung waren. Der mit ihm befreundete Kriminalrat Eduard Hitzig, der
sich auch als Schriftsteller und Buchhändler betätigte und Chamissos
erster Biograph wurde, führte den jungen Offizier mit Karl August
Varnhagen von Ense zusammen. Der spätere Diplomat fühlte sich Chamisso
durch die gleiche Liebe zu den schönen Künsten verbunden. Bald gesellten
sich weitere poesiebegeisterte junge Leute hinzu: so Ludwig Robert, der
Bruder von Varnhagens späterer Frau Rahel Levin, Julius Klaproth, der
spätere Geograph und Chinareisende, der Physiker Paul Erman und der
Mediziner Ferdinand Koreff. Im Herbst 1805 trat noch Fauqué dem Kreis
der Freunde bei. Diesen Freunden verdankte er die Förderung seiner
Schulbildung und die Aneignung der deutschen Sprache.
Der erste Versuch, einen Stoff in deutscher Sprache zu gestalten, war
die Dramenskizze "Faust" aus dem Jahre 1803.
Zu dern ersten lyrischen Gedichten, allerdings vorwiegend in
französischer Sprache, wurde er durch die Liebe zu Cérès Duvernay
angeregt, eine Erzieherin in einer Berliner Familie, die Chamissos
Zuneigung zu erwiedern schien.
Um die Jahrhundertwende setzte sich eine neuartige Kunstauffassung in
den literarischen Kreisen durch, die Persönlichkeiten wie Ludwig Tieck,
die Brüder Schlegel und Schleiermacher hervorbrachten.
Bald zeigte sich der Einfluß der Romantiker auf die jungen Dichter. Man
kultivierte die Freundschaft und gründete einen Bund und nannte ihn
"Polarsternbund" (in Anlehnung an Franz von Baader).
Varnhagen entwickelte mit Chamisso den Plan eines Almanachs, in dem man
die Arbeiten des Dichterbundes veröffentlichen konnte.
Chamisso
finanzierte den ersten Druck mangels williger Verleger selbst von seinem
Sold. Er erregte allerdings nur wenig Aufmerksamkeit. Aber er lenkte die
Achtung Fichtes auf den "Polarsternbund" und bot den jungen Dichtern
künftig Unterstützung an.
Chamisso beginnt auf seinen Rat hin, Griechisch zu lernen.
Als der zweite Druck vorbereitet wurde, war bereits das Ende der fast
täglichen Beziehung mit seinen Freunden gekommen, denn nahezu alle
verließen aus beruflichen Gründen Berlin.
Die Jahre des "Polarsternbundes" waren für Chamissos dichterische
Entfaltung sehr wichtig, wenn auch die Zahl der Beiträge seiner
Almanacheinträge eher gering war.
Im Rahmen des Abkommens, das Preußen mit Napoleon einging, löste
Chamissos Regiment im März 1806 die französische Besatzung der
Weserfestung Hameln ab. Angesichts der schwierigen Lage, in die Chamisso
im Falle einer Krieges zwischen Preußen und Frankreich geraten wäre
(seine Familie war in Frankreich), reichte er ein Entlassungsgesuch ein,
das aber abgelehnt wurde.
Wie sehr Chamisso seine Zukunft beschäftigt, zeigt das in Hameln
geschriebene Prosastück "Adelberts Fabel". In Hameln entstand auch das
dramatische Spiel "Fortunai Glückssäckel und Wunschhütlein".
Preußen erklärt Frankriech den Krieg, mußt aber kapitulieren und das
ändert damit schlagartig Chamissos Situation. Am 21.
11.1806 wurde die
Festung Hameln den Franzosen kampflos überlassen, was Chamisso einen
ernsten Gewissenkonflikt ersparte.
Im Dezember 1806 will er seine Eltern in Frankreich besuchen, die
allerdings kurz zuvor gestorben sind. Seine Schwestern wollten ihn zu
einer Geldheirat bewegen, doch Chamisso, dem adlige Titel zuwider waren,
zog nach Deutschland zu seinen Freunden zurück und baute sich mit Hilfe
der kleinen Rente seines Vaters eine bürgerliche Existenz auf.
Im Herbst 1807 reiste er nach Berlin, wo aber die alte gewohnte
Atmosphäre mit seinen Freunden verlorengegangen ist. Es wurde für ihn zu
großen Enttäuschung obwohl ihn seine Freunde sehr unterstützten.
In seiner Verzweifelung reiste er nach Frankreich (nach Paris) zurück um
dort eine Lehrstelle an einem Gymnasium anzunehmen, die dann allerdings
gestrichen wurde. Seine Enttäuschung verwand er im Umgang mit alten
Freunden, wie Alexander von Humbold und Ludwig Uhland, der in der
Pariser Nationalbibliothek folklorische Studien betrieb.
Schließlich konnte er eine Bekanntschaft aus seiner Pagenzeit wieder zum
Leben erwecken: Helmina von Chéz. Auf Schlegels Bitte begann Chamisso
gemeinsam mit Helmina seine Wiener Vorlesungen ins Französische zu
Übersetzen. Zwischen Helmina und Chamisso kam es zu einem
Liebesverhältniss, aber der Dichter mochte sich nicht an die kapriziöse,
schon zweimal geschiedene Frau binden.
Deshalb nahm er die Einladung von Frau von Staêl an: Auf ihrem Schloß
Chaumont, wohin sich die Widersacher Napoleons zurückzogen, seine Arbeit
zu vollenden.
Frau von Saêls wurde wegen der Veröffentlichung eines verbotenen Buches
allerdings 1811 des Landes verwiesen, weshalb Chamisso auf ihre
Empfehlung die Wintermonate bei den Präfekten der Vendée, Prosper
Barante verbrachte. Dort nahm er sich Barantes Bibliothek an, die ihm
reichlich Lesestoff bot.
Im September 1811 folgte Chamisso Frau von Staêls als einer der wenigen
noch Getreuen nach Genf um sie zu unterstützen. Diese jedoch floh im im
Sommer 1812 nach England. Es hielt also Chamisso nichts mehr in der
Schweiz, weswegen er wieder nach Berlin aufbrach, wo er sich im Oktober
1812 in der Berliner Uni als Medizin-Student einschreiben ließt.
Im Jahre 1814 wechselt er allerdings zur Naturwissenschaft über und
widmete sich so seinen Studien, das er das Dichten fast ganz vergaß.
Sein Eifer wurde 1813 unterbrochen, als Napoleons mißglückter
Rußlandfeldzug dem deutschen Volk das Gefühl der Unbesiegbarkeit
Frankreichs nahm und ihn zu erneuten Zweifeln hinsichtlich seiner
Nationalität bewegte, weswegen er aufs Land ging und dort die Landwehr
ausbildete. Dort (in Kunersdorf) entstand "Peter Schlemihl". Ein Buch,
mit dem er eigentlich nur die Kinder Hitzigs erfreuen wollte und das
seinen Namen bald in ganz Europa bekannt machte.
"Peter Schlemihls wundersame Geschichte" gehört in die Reihe der
Kunstmärchen, wie sie die Romantik in Gefolge von Goethes "Märchen" und
Novalis´ "Heinrich von Ofterdingen" herausbildete. Charakteristisch für
diese Gattung ist vor allem das freie Spiel mit märchenhaften Motiven
und Symbolen, wobei sich die Spätromantik in zunehmendem Maße der
inzwischen stärker fließenden Quelle der Volkspoesie bedienen konnte.
Prägte die Märchen der romantischen Blütezeit noch das
Verspielt-Artistische, so zeigt das Werk E.
T. A. Hoffmanns bei aller
phantastischen Verkleidung schon Ansätze zu einer kritisch-realistischen
Darstellung der Wirklichkeit. Noch wesentlich stärker kommen diese
Elemente im Märchen Camissos zum Ausdruck.
Bei seiner Kenntnis der Weltliteratur konnte es Chamisso nicht
schwerfallen, Motive, Anregungen für die Entwicklung der Fabel zu
finden. Teufelspackt und Glückssäckl waren ihm bereits geläufig vom
"Faust"-Versuch bzw.
vom "Fortunat"-Fragment her. Die Gestalt des Bösen
war in einem Roman von August Lafontaine vorgezeichnet, wo ein Man in
einer Gesellschaft alles aus seiner Tasche hervorbringen konnte, was
gewünscht wurde. Die übrigen Details lehnen sich an deutsche Märchen und
Sagen an.
Wurzelte "Peter Schlemihls wundersame Geschichte" auch noch in
romantischen Boden, wie es Stoff und Motivwahl beweisen, so wies sie in
ihrem Gehalt wie in der Gestaltung weit über die Romantik hinaus und
zeigte Möglichkeiten einer neuen realistischen Erzählungkunst.
Chamisso siedelte die Handlung nicht in der Vergangenheit oder eine
romantisch-unverbindlichen Zeit an, sondern in der Gegenwart. Das gab
ihm Gelegenheit, die gesellschaftliche Wirklichkeit des beginnenden 19.
Jahrhunderts zu beleuchten. Sehr eingehend werden die moralischen und
psychologischen Folgen des Schattenhandels gezeigt, und Chamisso
versäumte nicht, durch konkrete Angaben und genaue Details immer wieder
auf den realen Boden zu verweisen, auf dem dieses Märchen fußte.
Schlemihl hatte mit seinem Schatten das Recht auf menschliche
Gemeinschaft, die Zugehörigkeit zur Gesellschaft verloren und drohte
daran innerlich zu zerbrechen. Das Motiv des Schattenverlust erlaubte
dem Dichter außerdem, Erscheinungen des beginnenden
Kapitalisierungsprozesses und Wesenszüge der bürgerlichen Gesellschaft
darzustellen: Schlemihl verliert nicht nur den Kontakt zu rUmwelt,
sondern auch seine eigene Menschenwürde. Durch den plötzlichen Reichtum
gleichsam zu einem Parasitendasein gezwungen, entfremdet er sich von
seinem eigenen Wesen.
Nicht zu übersehen ist der autobiographische Gehalt des Werkes.
Viele
Einzelheiten und Bezüge zum Leben Chamissos wurden von seinen Freunden
wie von den Zeitgenossen sofort erkannt. So sprach man den Dichter im
vertrauten Kreis als Schlemihl an, und selbst auf den Straßen Berlins
soll er von den Kindern nach seinem Schatten gefragt worden sein. Auch
das wissenschaftliche Interesse Schlemihls hat Chamisso mit seinem
Helden gemein, so wie die Kurtka Schlemihls ihr Urbild in dem vom
Dichter besonders gern getragenen Kleidungsstück hatte.
Unter diesen Umständen lag natürlich nichts näher, als die
Schattenlosigkeit, um die von Anfang an gerätselt wurde, mit der
persönlichen Situation Chamissos, der jahrelang zwischen Deutschland und
Frankreich hin und her geirrt war, in Verbindung zu bringen.Ohne
Schatten ist derjenige, der keinen Beruf hat, der sich keiner Nation
zugehörig fühlt und keine Bindung zu einer Gesellschaftsschicht besitzt.
Die Problematik seiner Existenz, der es an einer fest umrissenen soliden
Laufbahn ebenso gebrach, wie an bestimmten Zukunftsaussichten, hatte
Chamisso das Mißtrauen und die heimliche Verachtung derer spüren lassen,
die einen breiten, sozusagen gut-bürgerlichen Schatten besaßen.
Unter
solchen Bedingungen waren alle Bemühungen um persönliche Entfaltung zum
Scheitern verurteilt.
Mit einer rein biographischen Deutung kann man dem Gesamtgehalt des
Werkes jedoch nicht grecht werden. Dafür spricht schon allein die
Tatsache, daß die Bedeutung des dichterischen Symbols im Kunstmärchen
ungleich größer ist, als in anderen literarischenGenres. Chamisso selbst
trug nichts zur Erleichterung der Interpretation des "Peter Schlemihl"
und zur Enträtselung des Hauptmotivs vom "Schlagschatten" bei. Daß es
dabei jedoch um mehr ging als um seine persönliche Problematik, beweist
das zwanzig Jahre später entstandene Gedicht "An meinen Freund Peter
Schlemihl", das gleichermaßen Identifikation und Distanzierung
ausdrückt. (Zu finden im Vorwort unseres Buches.
)
Von entscheidender Bedeutung ist dagegen eine andere Gemeinsamkeit
zwischen Chamisso und seinem Helden: Wie Schlemihl gelang es auch dem
Dichter, die romantische Lebenshaltung zu überwinden und zur Realität
zurückzufinden. Beide widmen sich der Natwurwissenschaft und finden ihre
Aufgaben in praktischer Tätigkeit. Dieses Bekenntnis wurde bestimmt für
Chamissos künftige Leben und Werk, das ihm künstlerische Bestätigung und
weltweiten Erfolg eintrug.
Im Herbst 1814 setzt Chamisso sein Studium fort und wird dann 1815 von
Eduard Hitzig überredet, als wissenschaftlicher Begleiter, im Juli
selben Jahres zu einer 3-jährigen Expedition zum nördlichen Polarmeer
mitzukommen.
Wegen des einbrechenden Winters fährt er dann aber an der amerikanischen
Küste entlang und ihm gelingen wertvolle botanische Entdeckungen. Hier
schließt er auch die denkwürdige Freundschaft mit dem "Wilden", dem
"braunen Kadu", mit dessen Hilfe er linguistische Sprachstudien betrieb.
Während seiner Reise, die unbeabsichtigt zu einer Weltreise geworden
war, hat Chamisso seinen Kontakt zu seinen Freunden nach Deutschland
nicht abreißen lassen.
Im November 1818 langte er wieder in Berlin an und aufgrund seiner Reise
wurden ihm verschiedene Ehren in der Welt der Wissenschaft zuteil.
Endlich war seine Existenz gesichert, und er konnte an die Erfüllung des
langgehegten Wunsches nach Heim und Familie denken. Im September 1819
heratete er die achtzenhjährige Antonie Piaste, eine Pflegetochter
Hitzigs. Auch in seiner beruflichen Tätigkeit fand er Erfüllung, nicht
zuletzt durch den herzlichen Kontakt zu den Kollegen.
Im Jahre 1823 wanderte er nach Greifswald, wo er barometrische Messungen
anstellen und Torfmoore untersuchen sollte.
Nach seiner Rückkehr
gründete Eduard Hitzig den Zirkel "Mittwochsgesellschaft". Hier trafen
sich viele Angehörige des ehemaligen "Polarsternbundes".
In den Jahren nach der Frankreichkrise (1825) entstanden die meisten und
bedeutensten Gedichte Chamissos. Die 2. Auflage seines erfolgreichen
"Peter Schlemihl", die 1827 erschien, war durch einige Proben seiner
Lyrik erweitert. Das Echo des Bandes war außerordentlich.
Später schrieb Chamisso auch politisch und sozial orientierte Gedichte,
in denen er die Situation der Bevölkerung Deutschlands und Frankreichs
charakterisierte. Aber er schrieb auch Gedichte über den Freiheitskampf
des griechischen Volkes oder er schrieb über die fernen Länder, die er
während seiner Reise kennengelernt hat. Gedichte wie "Der Stein der
Mutter" sollen die Situation der Indianer in Amerika aufzeigen und
kritisieren, die durch die europäischen Besatzungsmächte eingetreten
ist.
Der Höhepunkt in Chamissos künstlerischer Laufbahn, war zweifellos, 1833
die Übernahme der Redaktion des 1830 von Amadeus Wendt gegründeten
Almanach, den er als "Deutscher Musenalmanach" bis zu seinem Tode
betreute.
Im Jahre 1833 hatte den Dichter ein quälender Husten befallen, der
Beginn eines Bronchialleides war, welches seine letzten Lebensjahre
überschattet und zunehmend an den heimischen Schreibtisch fesselt.
Chamissos letzte literarische Arbeit war die im Frühjahr 1833 Auswahl
und Übertragung von Liedern Bérangers ins Deutsche.
Mit dem Tode seiner Frau im Frühjahr 1837 war Chamisso seiner stärksten
Stütze beraubt worden. Und die Arbeit am "Deutschen Musenalmanach"
zehrte seine letzten Kräfte auf, und nach kurzer Krankheit starb er am
21. August 1838.
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