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  Bundeskanzler

  Bundeskanzler     Engelbert Dollfuß                     INHALTSVERZEICHNIS   1. Einleitung   2. Wer war Engelbert Dollfuß?   2.1 Seine Kindheit und Jugend 2.2 Seine spätere Laufbahn 2.3 Sein Charakter   3.

Dollfuß wird Bundeskanzler   3.1 Die Vorgeschichte 3.2 Die Ernennung   4. Dollfuß als Bundeskanzler   4.1 Die Lausanner Anleihe 4.2 Die allmähliche Übernahme der staatlichen Machtmittel 4.

3 Die Ausschaltung des Nationalrates 4.4 Maßnahmen gegen die politischen Gegner 4.5 Die Lage spitzt sich zu 4.6 Der Bürgerkrieg 4.7 Ausbau des totalitären Staates und der Vaterländischen Front   5. Die Ermordung Dollfuß‘ - Juliputsch 1934   6.

Nach dem Tod Dolfuss‘   7. Mussolini - Dollfuß   8. Schlussbetrachtung  ANHANG: Zeittafel, Verwendete Literatur 1. EINLEITUNG       In der folgenden Arbeit werde ich mich mit einer der umstrittensten Personen der Österreichischen Geschichte befassen, Bundeskanzler Engelbert Dollfuß.   Umstritten deshalb, da er von den einen als „Verteidiger des christlichen Österreichs“ gefeiert und als „erstes Opfer des Nationalsozialismus“ bedauert, von den anderen als „Arbeitmörder und Wegbereiter der Nazis“ bezichtigt wird.     Ich habe für diese Arbeit unter anderem, neutralem Material, daher sowohl Gedyes „Als die Bastionen fielen“, als auch „mein Vater“ von Eva Dollfuß verwendet.

Während Gedye vom politischen Selbstmord Dollfuß‘ durch die „Vernichtung“ der Sozialdemokraten schreibt und die Zeit des Bürgerkrieges in einem Kapitel mit dem Namen „Dollfuß vernichtet Österreich“ abhandelt, ist das Buch von Eva Dollfuß von Achtung und Ehrfurcht gegenüber ihrem Vater gezeichnet, bei der das Bürgerkriegs - Kapitel „Ich muss es tun...“ heißt. Sie beide sind Zeitzeugen der Dollfuß – Diktatur.   Gedye war ein zu dieser Zeit aktiver Journalist und hatte so die Möglichkeit bei wichtigen Geschehnissen stets dabeizusein und versuchte schon aus beruflichen Gründen immer genauest über den Stand der Dinge informiert zu sein.

Sein Buch bringt eine recht sachliche Betrachtung der Dinge – läßt Dollfuß aber nicht gerade gut darstehen. Ich werde versuchen, eine möglichst sachlich – neutrale Arbeit über Dollfuß zu schreiben – mich aber des öfteren auf Gedye berufen, dessen Werk meine persönliche Meinung über Dollfuß stark geprägt hat.   Auch Eva Dollfuß konnte diese mit ihrer Lobeshymne an ihren Vater nicht mehr besonders verbessern – Sie zeigt jedoch eindeutig, dass Dollfuß den Schaden, den er anrichtete stets mit dem Glauben im Allgemeinwohl zu handeln und nicht unter den Motiven eines herrschsüchtigen Wahnsinnigen verschuldete. Da ihr Buch aber alles andere als sachlich geschrieben ist, werde ich dieses Hauptsächlich für das erste Kapitel – Die Person Dollfuß verwenden. Zur Erörterung seines politischen Weges und dessen Folgen für Österreich werde ich meine restlichen Quellen zu Nutze ziehen.   Die Zeit unter Dollfuß umfasst den Abbau des Parlamentarismus in Österreich, die Einleitung schwerer Repressionen gegen die Arbeiterschaft, den Bürgerkrieg und den Aufbau eines kleriko - faschistischen Systems.

    2. Wer war Engelbert Dollfuß?    2.1 Seine Kindheit und Jugend     Engelbert Dollfuß wurde am 4. Oktober 1892 in Texing bei Mank, 20 Kilometer südlich von Melk in Niederösterreich geboren. Der patriarchalische Bauer freut sich nicht über diese uneheliche Kind seiner Tochter Josefa Dollfuß und Josef Weningers.     Der 23 Jahre alte Josef Weninger stammte aus einem relativ wohlhabenden Bauerngeschlecht aus dieser Gegend.

Aufgrund unglücklicher Erbschaft und der Verschuldung seines Vormundes Leopold Schlager, dem Mann seiner Tante, verarmte er jedoch.     Da Engelberts Großvater aus Stolz – und nach einem alten Bauernbrauch verlangte, dass seine Tochter auf einem „ordentlichen“ Hof heiratet, was der Müllergeselle Josef Weninger nicht bieten kann, musste Josefa schließlich einen Mann heiraten, den ihr Vater aussuchte – Leopold Schmutz, der den Hof seiner Eltern in Kirnberg übernahm. Noch bevor Engelbert ein Jahr alt wurde heirateten sie.   Engelbert wird bis zum Ende seiner Schulzeit „Engel“ genannt“. Seine ersten 12 Lebensjahre verbrachte Dollfuß zu Hause. Er hatte drei Brüder und eine kleine Schwester.


Sie alle mussten ihre Eltern mit „Sie“ ansprechen. Engelbert hatte ein sehr enges Verhältnis zu seiner Mutter, die ihn sehr umsorgte, sein Vater war hingegen ein geiziger Nörgler, der zwar gut für die Familie sorgte, jedoch sehr streng besonders Engelbert, der ja nicht sein leiblicher Sohn war, gegenüber. Mit sechseinhalb Jahren kam Dollfuß in die Schule und ministrierte in Kirnberg. In der Schule hat er gute Noten und will während dieser Zeit Priester werden.   Er besuchte das erzbischöflichen Knabenseminar in Hollabrunn, wo er das ersten Jahr auf Grund der starken Unterschiede zur Dorfschule mit einem „Nicht genügend“ in Latein und Mathematik abschloss. Er musste das Jahr als Externist wiederholen was bedeutete, dass Kost und Logis in der Nähe der Schule gefunden werden mussten.

Engelbert wiederholte das Jahr, schloss mit einem Vorzug ab und wurde wieder aufgenommen. Daraufhin besuchte er jedes Jahr, gemeinsam mit seiner Mutter zu Fuß den Wallfahrtsort Maria Taferl. Die Professoren beeinflussten sein Weltbild in vielfältiger Weise. Er spielte bis zum Abschluss des Gymnasiums auf allen Konzerten und Veranstaltungen die Klarinette. Er besuchte eine Theatergruppe, Rede und Disputation lagen ihm schon damals. Er war ein begeisterter Kegler.

1913 bestand er die Matura. Aufgrund der zu strengen Regeln brach er das nach der Matura begonnene Theologiestudium am erzbischöflichen Priesterseminar ab und fand Unterkunft bei einer Familie, deren Tochter er Nachhilfe gegeben hatte. Als äußeres Zeichen seiner Wandlung läßt er sich einen Schnurrbart wachsen. 2.2 Seine spätere Laufbahn     1914 meldete er sich der sehr klein gewachsene Dollfuß freiwillig zum Militärdienst. Hier wurde er bei den Kaiserschützen Oberleutnant und erhielt mehrere Kriegsauszeichnungen im 1.

Weltkrieg. Er war hochdekorierter Teilnehmer des 1. Weltkrieges (Kaiserschütze) und brachte den Frontgeist der (im Felde niemals besiegten) Offiziere, die sich von der Heimat verraten fühlten (Dolchstoß- Legende), mit ein in das zivile Leben und in die Politik. Seine Begeisterung für das Österreichtum schwand angesichts der österreichischen Schlamperei und Untüchtigkeit während des Krieges und der österreichischen Schwäche und Hilflosigkeit nach dem Zusammenbruch.   Nach dem verlorenen Krieg kam er nach Wien zurück und inskribierte wieder Jus an der Universität in Wien. Er arbeitete auch in der Invalidenentschädigungskommission.

Mit Interesse und Begeisterung widmet er sich weiterhin der katholischen Soziallehre.   1919 wird er Sekretär des Niederösterreichischen Bauernbundes.   Kurze Zeit später, um 1920, zog er wegen seines Studiums nach Berlin. (Der Bauernbund schickte ihn zum Studium des Genossenschaftswesens, das in Deutschland besser ausgebaut war als in Österreich, dorthin.) Dort lernt er im Sommer 1921 in der Preußenkassa (Staatsbank) Alwine Glienke kennen. Am 10.

August verlobten sie sich und heirateten am 31. Dezember 1921 in Kirnberg, bei den Eltern Dollfuß‘. Als er aus Deutschland zurückkam war er begeistert von der „deutschen Tüchtigkeit, Charakterfestigkeit und Ehrlichkeit“ und empfand eine enorme Begeisterung für den Anschluss. Aber es war das republikanische Deutschland, das er bewunderte. In den ersten Nachkriegsjahren war er ein begeisterter Anhänger der Demokratie. Er promotivierte Jus und Nationalökonomie im Juli 1922.

  1927 wurde er Direktor der niederösterreichischen Landes- Landwirtschaftskammer, wo er seine Laufbahn als Sekretär eines dort tätigen Beamten im Juli 1922 begonnen hatte und blieb es bis zu seinem Lebensende. Er gründete die österreichische Landarbeiterversicherung und eignete sich in dieser Zeit große Kenntnisse als Agrarfachmann an.   1930 wurde Dollfuß zum Präsidenten der Verwaltungskomission der österreichischen Bundesbahnen gewählt.   Am 18. März 1931 berief ihn Bundeskanzler Ender als Minister in sein Kabinett. ® 1931 & 1932 war Dollfuß Minister für Land- und Forstwirtschaft.

    2.3 Sein Charakter   Sein impulsiver Charakter wurde auf der einen Seite durch seine Angehörigkeit der CV geprägt. Die CV war ein katholischer, akademischer Verband. Sie verschaffte, wie es in solchen Verbänden Gang und Gebe war, dem winzigen Dollfuß seine Stellung im öffentlichen Leben. Er nutzte daher seinerseits seine politische Stellung wieder dazu, möglichst vielen seiner Kollegen aus seiner Verbindung reichlich Posten und Einfluss zu verschaffen und versäumte es so wohl des öfteren besser qualifizierten Leuten den Vorzug zu geben. Die andere Seite war von seinen Studien in Deutschland und seiner Ehe mit einem preußischen Bauernmädchen protestantischer Herkunft, Alwine Dollfuß, beeinflusst.

Zwischen den zwei Stühlen des österreichischen Katholizismus und des deutschen Protestantismus sollte der kleine Kanzler zu Fall kommen.   Ein großer Nachteil Dollfuß waren sein aufflammendes Temprament und seine maßlose Eitelkeit. Sein kleiner Körperwuchs (151 cm), verbunden mit dem ausgeprägten Willen zur Macht, brachte ihm bei den Gegnern den Spitznamen „Millimetternich“ ein.   In Parlamentsdebatten war es sehr leicht, den Zorn des winzigen Mannes zu erregen, was eine besondere Spezialität des Führers der sozialdemokratischen Partei, Otto Bauers war. Dollfuß war wohl geistig beweglich, jedoch nur an der Oberfläche glänzend begabt – der Sohn eines Bauern - und konnte sich so nie den Respekt von Bauer verschaffen. Dies führte schließlich soweit, dass Dollfuß das Parlament verließ, sobald Otto Bauer sprach.

Trotzdem konnte Bauer ihn weiterhin mit sarkastischen Zwischenrufen zur Weißglut bringen. Dieser ewige Streit förderte die mehr als schlechte Einstellung Dollfuß‘ gegenüber der sozialdemokratischen Partei, die für ihn so gut wie eigentlich überhaupt nicht existierte.   Am Abend bevor er ermordet wurde, befahl er die Hinrichtung des zwanzigjährigen Sozialisten Josef Gerl, der versucht hatte, an einer wenig benützen Eisenbahnlinie einen Signalmast zu sprengen und bei dessen Verhaftung ein Polizist verletzt worden war. So wurde ein Sozialist zum ersten Opfer der strengen Notverordnungsgesetze, die zur Bekämpfung des Naziterrors erlassen worden waren. In den vorigen 12 Monaten hatten hunderte Nazi zerstört und des öfteren sogar gemordet. Doch obwohl fast alle ihrer Verbrechen unter das Notverordnungsgesetz fielen, wurde nichteinmal einer von ihnen hingerichtet.

Hier drohte Dollfuß nur immer wieder. Die ersten Nazi die zum Tod verurteilt wurden waren Planetta und Holzweber, die Anführer es Juliputsches und Mörder Dollfuß‘.....

  Gedye vermutet, dass Dollfuß aufgrund seiner deutschnationalen Vergangenheit nur mit halbem Herzen bei der Bekämpfung des Naziterrors vorging. Laut Eva Dollfuß hingegen kämpfte er „mit seiner ganzen Kraft und Persönlichkeit“ gegen den Nationalsozialismus und gegen die „Ein Volk – Ein Reich – Ein Führer“ – Ideologie.       3.Dollfuß wird Bundeskanzler:   3.1 DIE VORGESCHICHTE   Ab Ende 1920 befanden sich die Sozialisten nicht mehr in der Regierung. Im Jahre 1923 erreichten sie 36 % der abgegebenen Stimmen, im Jahre 1927 schon 42 % und im Jahre 1930 wurden sie stimmenstärkste Partei mit 41 % der abgegebenen Stimmen, während die Christlichsozialen 7 Mandate an den Heimatblock (die kandidierenden Heimwehren) abgeben mußten.

Durch das ständige Ausgrenzen der sozialistischen Partei wurde also auch einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung die Stimme geraubt. Die starken Gegensätze zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen wurden noch ausgeprägter, es entstanden bewaffnete Selbstschutzorganisationen, die rechten Heimwehren und der republikanische Schutzbund der Sozialdemokraten. Die Heimwehr war nach dem 1. Weltkrieg aus dem Grenzkampf (Kärnten 1919) und dem Kampf gegen kommunistische Umsturzversuche hervorgegangen. Sie entwickelte sich besonders nach den blutigen Unruhen in Wien am 15.7.

1927 zu einer politischen Kampfbewegung. Auf Seiten der Christlichsozialen fand man immer mehr Gefallen an den faschistischen Ideen des Vorbilds Italien. Hierbei übernahmen die Vertreter der katholischen Kirche stets sehr wichtige, aktive Positionen ein (Klerikofaschismus). Schon der Pfriemer-Putsch 1931 war ein von den Heimwehren unternommener Versuch, die Demokratie zu beseitigen. Die Hauptstadt Wien, seit 1922 ein eigenes Bundesland, stand aufgrund ihrer vortrefflichen sozialen Entwicklung in großem internationalen Ansehen. Auch die schürte die schlechte Stimmung zwischen der sozialistischen Bundeshauptstadt und den christlichsozialen Bundesländer, Stellvertretend für die Stadt – Land Gegensätze.

  Bei der Wahl im Jahre 1930 waren die Nationalsozialisten noch unwesentlich, doch die Gemeindewahlen am 24. April 1932 zeigten, dass der Naziflügel unter den Faschisten mächtiger geworden war, auf Kosten der Christlich Sozialen (in Wien von 27000 auf 200000 Stimmen). Dies bedeutete eine nationale Krise. Überall konnte man von heute auf morgen Braunhemden und Hackenkreuzbinden sehen. Die Nazi hatten den Christlichsozialen zwar nicht viele Sitze abgenommen, aber genügend um ihre ohnehin schon unsichere Vormachtstellung im Parlament (wegen nebensächlicher Streitfragen mit der Heimwehr) zu erschüttern. Es war klar, dass die Parlamentswahlen eine aussichtslose Zersplitterung der Reaktion mit sich bringen und die Sozialdemokratische Partei als Siegerin hervorgehen würden; sie hätte die Macht dazu besessen, der ganzen antirepublikanischen Bewegung Einhalt zu bieten und die konterrevolutionäre Heimwehr zu entwaffnen.

.         3.2 DIE ERNENNUNG   Also stellten die Sozialdemokraten auf Grund ihrer großen Chancen bei einer Neuwahl am 28.April 1932 die Forderung nach Auflösung des Parlaments. Großdeutsche und Heimatblock stimmten zu, daher wäre in dieser Abstimmung die Heimwehr der entscheidende Faktor gewesen. Um Zeit zu gewinnen, trat der Kanzler Dr.

Buresch (Christl.- Soz. Partei) zurück – was automatisch die Abstimmung über die Auflösung aufschob – und benutzte die Atempause um sich mit der Heimwehr zu verständigen. An die Stelle Dr. Bureschs trat der Landwirtschaftsminister der vierzigjährige Engelbert Dollfuß. Er war damit jüngster Bundeskanzler der österreichischen Geschichte.

Er wurde von Bundepräsident Miklas mit der Regierungsbildung betraut. Nach anfänglichen Mißerfolgen gelang ihm doch noch eine Regierungsbildung mit Hilfe der Heimwehren. Das Kabinett Dollfuß‘ verfügte nur über eine Mehrheit von einer Stimme im Parlament (83:82)! So wurde die Möglichkeit von Neuwahlen und eines Sieges der Sozialdemokraten schließlich doch noch erfolgreich verhindert.   4. Dollfuß als Bundeskanzler    4.1 Die Lausanner Anleihe  Gleich nachdem Dollfuß Bundeskanzler geworden war, unterzeichnete er im Zuge einiger Versuche wirtschaftlicher Sanierung den Vertrag von Lausanne, der für Österreich eine neue Völkerbundanleihe in Höhe von 300 Millionen Schilling mit einer Laufzeit von 20 Jahren.

Österreich verzichtete für diese Zeit auf den Anschluss an und auf eine Zollunion mit Deutschland. Der Vertrag wurde im Nationalrat auf Grund heftigster Opposition der Sozialdemokraten und der Großdeutschen nur mit einer extrem knappen Mehrheit von 82:80 Stimmen angenommen. Durch diese Abkehr von der großdeutschen Ideologie wurde die Selbständigkeit Österreichs noch stärker betont, vor allem im Kampf gegen den Nationalsozialismus, der, als von außen gelenkte Bewegung, zu einem neuen, sehr aktiven Gegner heranwuchs. 4.2 Die allmähliche Übernahme der staatlichen Machtmittel  Dollfuß bildete innerhalb von 10 Tagen ein antisozialistisches Kabinett. Dieses bestand aus der Christlichsozialen Partei, dem Bauernbund und der Heimwehr.

Die Großdeutschen machten durch übertriebene Forderungen an Regierungsposten Probleme, die Sozialdemokratie, die größte Partei des Landes wurde von Dollfuß natürlich nicht einmal eingeladen. Schließlich wurde er von der Heimwehr gegen seine Überzeugung dazu gezwungen, das Unterrichtsministerium einem Mann zu überlassen, dem er persönlich mißtraute – dem verschlagenen Doktor Anton Rintelen, dem Landeshauptmann der Steiermark, der später im Juliputsch noch eine wichtige Rolle übernehmen sollte. Im Herbst 1932 zeichnete sich der neue Weg des Bundeskanzlers durch die Anwendung des Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes anläßlich der Creditanstalt – Krise bereits deutlich ab. Österreich drohte die Gefahr einer permanenten Ausnahmegesetzgebung. Der österreichische Regierungschef musste sich mit heftigen Angriffen des deutschen Reichs auseinandersetzen; seit Hitlers Machtübernahme versuchten die Nationalsozialisten in Österreich massiv an Macht zu gewinnen und bekämpften Dollfuß hartnäckig. So kühlten die Beziehungen zu Deutschland weiter ab, die Verbindungen zu Italien vertieften sich hingegen.

  4.3 Die Ausschaltung des Nationalrates Die parlamentarische Regierungsform kam in Österreich am 4.März 1933 zu einem jähen Ende, als ein sozialdemokratischer Abgeordneter, einem menschlichen Bedürfnis folgend, einen Parteigenossen ersuchte, an seiner Stelle den Stimmzettel abzugeben, während er auf die Toilette ging. Es ist ein trauriger Gedanke, daß sechs Millionen Menschen wegen der Blasenschwäche eines Mannes ihre Freiheit verlieren mussten.   Am 4. März 1933 trat der Nationalrat in einer auf allen Seiten gereizten Stimmung zusammen.

Schuld daran war die Hirtenberger Waffenaffaire (Schmuggel von Waffen über österr. Gebiet von Italien nach Ungarn mit Hilfe des österr. Waffenproduzenten Mandl und zu Gunsten der Heimwehr) und ein Streik der Eisenbahner, der auch von den christlichen und nationalen Gewerkschaften unterstützt worden war. Diesen Streik hatte Dollfuß mit Waffengewalt gebrochen. Bei der zu erwartenden Parlamentsabstimmung ging es um die Amnestierung der Anführer des Streiks. Da einige Mitglieder der Regierungskoalition erkrankt waren, ging der Antrag auf Amnestierung durch.

Wegen des sozialistischen Abgeordneten auf der Toilette kam es zu einem Fehler beim Abstimmungsvorgang (2 Stimmzettel mit dem gleichen Namen) und es wurde eine Wiederholung der Abstimmung verlangt. Der sozialistische 1. Vorsitzende Renner wollte dem nicht zustimmen. Als nun doch eine Wiederholung unumgänglich schien, riet der sozialistische Klub dem Vorsitzenden zurückzutreten (es würde der christlichsoziale Ramek auf den Vorsitz nachrücken, der Vorsitzende sei aber nicht stimmberechtigt und somit die Mehrheit weiter ausgebaut). Letztlich wollte Ramek auch nicht mehr den Vorsitz und auch der 3. Vorsitzende (der Großdeutsche Straffner) trat zurück.

Die Sitzung endete im allgemeinen Tumult, ohne ordnungsgemäß geschlossen worden zu sein.   Niemand maß dem Vorfall viel Bedeutung bei – doch Dollfuß sah darin sofort die Möglichkeit, die ihm verhasste Einrichtung loszuwerden und sich so von der irritierenden Kritik Otto Bauers und der Gefahr der Naziforderung nach Neuwahlen zu befreien ohne eine Antinazikoalition mit den Sozialdemokraten eingehen zu müssen. Es folgten einige streng vertrauliche Besprechungen zwischen Dollfuß und General Vaugoin. Diesen wurde ein jüdischer Staatsbeamter namens Hecht hinzugezogen.Dr. Hecht war ein seltsamer Vogel, ein Kasuistiker mit großer juristischer Begabung.

Nachdem er sich mit Dollfuß und ein paar anderen 48 Stunden lang unterredet hatte, teilte man der überraschten österreichischen Bevölkerung am 6.März mit, dass die demokratische Regierungsform zu Ende war und der Kanzler einen unblutigen „kalten Putsch“ durchgeführt hatte. Ab sofort regierte Dollfuss durch ein schwer veraltetes, von einem Herrn Dr. Hecht entdeckten, „Kriegsermächtigungsgesetz“ aus der Zeit der österreichisch – ungarischen Monarchie, das die kaiserliche Regierung vom Jahr 1916 dazu ermächtigte, in Kriegszeiten gewisse dringende Wirtschaftsangelegenheiten ohne Zustimmung des Parlaments durch Verordnungen zu regeln. Diese mussten jedoch im nachhinein vom Parlament sanktioniert werden. Dieses Gesetz diente während des 1.

Weltkrieges zum Regieren ohne Parlament. Zu einer solchen Sanktion kam es unter Dollfuß aber nie – durch die diktatorische Maiverfassung von 1934 wurde das Parlament schließlich vollkommen beseitigt. Bundespräsident Miklas unterstützte Dollfuß, indem er Straffner in einem Brief ersuchte, von der Einberufung des Parlamentes abzusehen. Straffner wollte sich seiner Pflicht jedoch nicht entziehen. Für 15. März 1933 rief der 3.

Präsident des Nationalrates eine Sitzung ein, doch die Regierung bezeichnete dies sofort als verfassungswidrig und Dollfuß versuchte die Sitzung mit Gewalt zu verhindern - mit Hilfe der Kriminalpolizei die Abgeordneten einfach nicht ins Parlament lies. Die Sozialdemokratische Partei hatte als Vorbereitung für eine Gegenaktion ihre Parteimitglieder informiert, dass im Falle der Verhaftung eines einzigen Abgeordneten die Straßenbahnen als Signal für den Generalstreik eingestellt werden sollten. Doch Dollfuß, als Meister der Umgehungstaktik tat ihnen diesen Gefallen nicht. Um 2:30 sperrten die Kriminalbeamten den Sitzungssaal, indem sich jedoch bereits eine beschlussfähige Zahl von Abgeordneten versammelt hatte. Sozialisten und Großdeutsche hatten die Sperre umgangen, indem sie sich schon eine halbe Stunde früher trafen, wobei Straffner das Zusammentreffen angesetzt hatte, um die vorangegangene Sitzung vom 4. März 1933 ordnungsgemäß zu schließen.

Doktor Straffner hielt eine letzte Rede, in der er von einer Behandlung des Vorfalls in der nächsten Sitzung sprach, bei der wieder alle anwesend sein sollten, die aber nie stattfand. Dann gingen die Abgeordneten der Opposition wieder auseinander.   Die Heimwehr unterstützte diesen von Dollfuß und den Klerikalen durchgeführten Staats- streich.   Dollfuß wollte die Sozialisten nachträglich für seinen Plan, angeblich nur gegen die Nazis gerichtet, gewinnen, aber er erhielt keine eindeutige Antwort.   Während der folgenden 14 Monate sollte die Regierung Dollfuß hunderte von Verordnungen unter Berufung auf das Kriegwirtschaftliche Ermächtigungsgesetzes erlassen.                  4.

4 Maßnahmen gegen die politischen Gegner Die Regierung erließ ein Verbot gezielt gegen politische Versammlungen und eine willkürliche Vorzensur, betreffend die Presse und öffentliche Ankündigungen. Diese Bestimmungen wurden einseitig gegen die Sozialisten eingesetzt, womit bewiesen wurde, daß die Regierung Dollfuß einen vollkommen unbedeutenden Fehler benutzt hatte, um einen Verfassungsbruch zu ihrem Programm zu machen. Ende März 1933 wurde der Republikanische Schutzbund verboten, am 1. Mai durfte kein Aufmarsch mehr stattfinden.   Vorerst versuchten die Nazis mit Dollfuß einig zu werden, sie verlangten Ministerposten für ihre Leute. Dollfuß lehnte ab.

Er erließ am 10. Mai 1933 ein Verbot der Abhaltung von Gemeinde- und Landtagswahlen (Angst vor Gewinnen der Nazis), der deutsche Nazi-Minister Frank wurde, nach einer Anti-Dollfuß-Rede in Graz, des Landes verwiesen. Hitler schlug mit der “1000-Mark- Sperre” zurück (jeder nach Österreich einreisende Deutsche mußte an seinen Staat 1000 Mark abliefern). Dies war praktisch der Todesstoß für die österreichische Tourismusbranche. Es folgten zahlreiche Sprengstoffattentate der Nazis in Österreich. Nachdem im Mai die Kommunistische Partei verboten worden war, wurde im Juni 1933 die NSDAP in Österreich verboten.

  Ebenfalls im Mai 1933 erfolgte die Gründung der “Vaterländischen Front”, eine auf der Enzyklika Quadragesimo Anno basierende Gesellschaftsordnung, die auf Berufsstände aufgebaut war, durch Dollfuß. Sie hatte das Ziel, alle regierungstreuen Österreicher überparteilich zusammenzufassen. Sie war auf eine berufsständische Ordnung und auf die Betonung der Unabhängigkeit Österreichs ausgerichtet – wandte sich also hauptsächlich gegen die Ideologie des Nationalsozialismus. Zunächst stand sie neben den bisherigen Parteien, trat aber immer stärker in den Vordergrund und wurde schließlich nach Auflösung der Parteien die alleinige Trägerin der politischen Willensbildung (siehe Kapitel 4.6).   Am 26.

Mai erfolgte das Verbot der KPÖ.   Die unversöhnliche Feindschaft Hitlers zog sich Dollfuß durch das bald darauf folgende Verbot der österreichischen NSDAP im Juni 1933 zu. Sofort reagierte der deutsche Rundfunk mit Hetzreden und falschen Nachrichten über Österreich.   In der Trabrennplatzrede legte Dollfuß am 11. September 1933 sein zukünftiges Programm fest. Er wandte sich darin gegen Kapitalismus, Liberalismus, Marxismus, Nationalismus und Parteienherrschaft und sprach sich für einen sozialen, christlichen Staat auf ständischer Grundlage unter autoritärer Führung aus.

  Im Verlauf des Jahres 1933 – nach der Ausschaltung des Parlaments - erließ Dollfuß mehr als 300 verfassungswidrige und ungesetzliche Verordnungen die sich auf das von Dr. Hecht entdeckte Gesetz stützten (siehe Kapitel 4.3). Dollfuß gebrauchte es als eine willkommene Waffe im Klassenkampf, um die sozialen Rechte der Lohnempfänger zu schmälern, die Renten der Besitzenden zu erhöhen, um seinen Anhängern unter der Bauernschaft auf Kosten der Arbeiter in den Städten Zuwendungen zu machen, um die Rechte der Geschworenengerichte einzuschränken, die Presse- und Versammlungsfreiheit zu vernichten und das Briefgeheimnis aufzuheben.   4.5 Die Lage spitzt sich zu Einer autoritären Regierung stand nun nur noch die Sozialdemokratie im Weg.

Diese stützte sich auf eine mächtige Parteiorganisation und auf den Schutzbund, der trotz des Verbotes im März 1933 noch immer illegal weiterbestand. Doch alle Versuche von sozialdemokratischer Seite (auch auf christlichsozialer Seite durch Leopold Kunschak) durch Leopold Bauer, der autoritären Entwicklung Einhalt zu gebieten, blieben vergeblich. Das Jahr 1934 setzte mit einer verstärkten Terrorwelle der Nationalsozialisten ein, die Heimwehr versuchte gleichzeitig, durch die Machtübernahme in einzelnen Bundesländern das autoritäre Regime zu verbreiten. In diesen Bundesländern brannten die Arbeiter darauf, der Gewalt mit Gewalt zu entgegnen.   Der italienische Unterstaatssekretär Suvich stellte im Namen Mussolinis am 18. Jänner 1934 die Forderung endlich die Sozialdemokratie als letztes Hindernis zur Errichtung eines austro – faschistischen Staates auszuschalten.

Er fand damit besonders beim Sicherheitsminister Emil Fey Gehör. Dollfuß verstärkte daraufhin die Provokationen gegen die Sozialdemokraten: Entfernung der demokratisch gewählte Führung der Arbeiterkammern. Waffensuchaktionen. Verhaftung der militärischen Führer des aufgelösten Schutzbundes (u. a. Major A.

Eifler und Hauptmann R. Löw).   Der verbotene Schutzbund stand (auf sozialistischer Seite) in ständiger Alarmbereitschaft. Die Partei selbst nahm eine abwartende Haltung ein. Sie veröffentlichte ein Flugblatt (das sofort konfisziert wurde), dass sie das Signal zum allgemeinem Widerstand im ganzen Lande geben würden, wenn die Regierung die sozialdemokratische Partei aufgelöst, die Gewerkschaftsbewegung verboten, die Arbeiterpresse unterdrückt, das Wiener Rathaus besetzt oder eine „faschistischen Verfassung“ eingeführt werden sollte. Während am 8.

Februar das Wiener Parteihaus von bewaffneter Exekutive besetzt wurde, forderten die Heimwehren Tirols nach Einsetzung von Regierungskommissären und Vertrauensmännern der Heimwehr. Dollfuß begab sich 4 Tage vor dem Putsch – als solchen bezeichnet Gedye die Vorkommnisse des 12. Februars - nach Budapest und erhielt dort durch Suvich seine letzten Anweisungen durch Mussolini. Am Samstag, den 10. Februar kam er nach Wien zurück und hielt eine letzte Unterredung mit Fey. Am Sonntag, dem letzten Tag vor dem Beginn der Kämpfe, hielt Fey eine Ansprache bei einer Heimwehrkundgebung – „Ich habe mit Dollfuß gesprochen und kann euch nun mit Gewissheit sagen, dass er unser Mann ist.

Morgen schon werden wir mit dem Aufräumen beginnen und wir werden ganze Arbeit leisten.“ Als letzte Vorbereitung „beraubte“ Fey Karl Seitz auf vollkommen ungesetzliche Weise der Kontrolle über die Polizei, die dieser als Bürgermeister und Landeshauptmann Wiens innegehabt hatte und ersetzte ihn durch einen Sicherheitskommissär. Alle diese Umstände, von der Ausschaltung des Parlamentes an, gaben den sozialdemokratischen Aktionen vom 12. Februar 1934 eine Art Aktivlegitimation, die österreichische Bundesverfassung verteidigt zu haben. 4.6 Der Bürgerkrieg   Der Regierung Dollfuß genügte nicht nur die Tatsache des formellen Verbotes des Republikanischen Schutzbundes, sondern sie wollte diese im Untergrund weiter existierende Organisation endgültig vernichten.

  In allen sozialistischen Zentralen wurden überfallsartig Razzien zur Waffensuche angesetzt. Am 12. Februar 1934, bei einer solchen Durchsuchung, im Hotel Schiff, dem Sitz der Linzer Parteizentrale, gaben die lokalen Sozialisten unter R. Bernaschek nicht mehr nach, verbarrikadierten sich und es kam zu einem heftigen Schußwechsel.   Es war geschehen, worauf die Regierung Dollfuß‘ gewartet und gerechnet hatte. - bewaffneter Widerstand Der Bürgerkrieg in Österreich hatte begonnen.

  In ganz Österreich wurde durch die Sozialdemokraten der Generalstreik ausgerufen.   Wiens Bürgermeister Seitz wurde, als er das Rathaus nicht verlassen wollte, zusammen mit allen sozialdemokratischen Gemeinderäten, die Heimwehr und Polizei fassen konnten, ins Gefängnis geworfen.   Die Kämpfe weiteten sich auf die Zentren der Arbeiterschaft in ganz Österreich, insbesondere in Wien, Niederösterreich, Oberösterreich und Steiermark, aus. Dem Kampf in Linz folgten Aufstände in Wien und anderen Industrie - Orten (Steyr, St. Pölten, Weiz, Eggenberg b. Graz, Kapfenberg, Bruck a.

d. Mur, Wörgl usw.). Zentren des mit Artillerieeinsatz niedergekämpften Widerstands in Wien waren Arbeiterheime und Gemeindebauten (Karl-Marx-Hof, Goethe-, Sandleiten-, Reumannhof u. a.), bes.

in Floridsdorf (z. B. Schlingerhof).   Die unorganisierte Aufstandsbewegung scheiterte hauptsächlich daran, daß der von der Sozialdemokratischen Partei ausgerufene Generalstreik nicht durchgeführt wurde   Die Schutzbündler kämpften 3 Tage lang ohne Verbindung mit der Außenwelt, auf sich allein gestellt, verbissen, tapfer und hoffnungslos. Die Sozialdemokraten beschränkten sich darauf, sich zu verbarrikatieren und die Gemeindehäuser mit Waffengewalt zu verteidigen.   Am 15.

Februar 1934 ging alles zu Ende, die Linke in Österreich war ausgeschaltet. Die Regierungsverbände verzeichneten 105 Tote und 319 Verwundete beim Schutzbund gab es 137 Tote und 399 Verletzte. Durch Standgerichte wurden 21 Schutzbundführer zum Tode verurteilt, 9 Todesurteile wurden vollstreckt (z.B. am Floridsdorfer Feuerwehrkommandant Weissel,). Einige der Spitzen der Sozialisten und des Schutzbundes flüchteten in die Tschechei.

Darunter waren J. Deutsch, O. Bauer und R. Bernaschek.   Der Bürgerkrieg, in dem die Gegner der Staatsgewalt als Beschützer der geknechteten Verfassung auftraten, hatte die Sozialisten eher überraschend getroffen. Der Schutzbund war schlecht organisiert.

Schon Jahre zuvor hatte der Spitzenfunktionär der Sozialisten und hochdekorierte General des 1. Weltkrieges, Theodor Körner, davor gewarnt, den Schutzbund als pseudomilitärische Truppe einzurichten und hatte zu einer Art Untergrundarmee, die mit Hilfe der Massen der Straße operieren hätte sollen, geraten. Er hatte sich aber in der Parteispitze nicht durchsetzen können.         Die Regierung setzte Polizei, Militär und schwere Waffen (Kanonen) ein um die Gemeindebauten zu bombardieren .   Links der Karl – Marx – Hof         Nach dem Februaraufstand 1934 begrüßt Bundeskanzler Dollfuß vor einer Aufstellung verwundeter Soldaten den Sekretär für Landesverteidigung, Aloys Schönburg – Hartenstein. 4.

7 Der Ausbau des totalitären Staates und der Vaterländischen Front   Der militärische Sieg der Regierung machte jedoch nicht Dollfuß zum Sieger, sondern Fey, der sich auch sehr bald durch eine billige Propaganda als „Retter Österreichs feiern ließ“.   Die Ausschaltung der sozialdemokratischen Bewegung und die Beseitigung des „Roten Wien“ brachten Dollfuß jedoch nur einen Pyrrussieg. Er kostete Dollfuß manche Sympathien, selbst bei eigenen Anhängern. Außerdem wurde der Weg für den Nationalsozialismus erleichtert. Nach den Februartagen verstärkten die Nationalsozialisten daher ihre Propaganda: Flugblattaktionen, Schlägereien und Sprengstoffanschläge beunruhigten die Bevölkerung.   Nachdem Dollfuß die Sozialdemokraten also ausgeschaltet hatte, bemühte er sich Österreich in einen autoritär geführten Staat zu verwandeln, stieß dabei aber weiter auf heftigen innenpolitischen Widerstand.

  Alle Organisationen der Sozialisten bis hin zum Konsum wurden liquidiert oder von Kommissaren der Vaterländischen Front besetzt. Die Partei war verboten. Illegal arbeiteten Sozialisten und Gewerkschaften aber im Untergrund weiter.   Außer den illegalen Nationalsozialisten kamen nun illegale Gruppen der Sozialdemokraten, der revolutionären Sozialisten und die nach den Ereignissen vom Februar stark angewachsenen KPÖ hinzu.   Sogar die traditionelle Christlichsoziale Partei mußte ihre Selbstauflösung beschließen und gliederte sich größtenteils in die Vaterländische Front ein. Der Vaterländischen Front wurde nun voll zum Durchbruch verholfen.

  Den Führern der bewaffneten Heimwehr wurde dabei früher schon ein entscheidendes Mitspracherecht eingeräumt. Als Symbol wurde das sogenannte „Kruckenkreuz“ gewählt.   Nun glaubte Dollfuß, im Ständestaat für Ruhe und Ordnung gesorgt zu haben. Er ließ am 1. Mai 1934 eine neue Verfassung für Österreich verkünden (“im Namen Gottes, von dem alles Recht ausgeht”). Nicht mehr Parteien sollten den Interessen des Volkes Ausdruck geben, sondern die Berufsstände.

Diese hatten aber nur beratende Funktion. Was wirklich zu geschehen hatte, bestimmte nur die Regierung unter dem Bundeskanzlers. Der Bundespräsident sollte nur mehr von den Bürgermeistern des Landes gewählt werden. Bürgermeister konnte nur ein Mitglied der Vaterländischen Front werden. Der Bundespräsident sollte auf Vorschlag der Regierung politische Vertreter in den Staatsrat berufen. Andere Gruppen sollten Mitglieder in einen Kulturrat (Kirchen, Wissenschaft), in einen Bundeswirtschaftsrat (Berufsstände) und in einen Länderrat (Landeshauptmänner) entsenden.

  Die Sozialisten wurden zuerst durch Standgerichte, dann mittels politischer Prozesse verfolgt. Sozialisten verloren ihre Posten im öffentlichen Dienst und sogar in der Privatwirtschaft, sie wurden verfemt .   Einige 1000 Funktionäre flüchteten. In Brünn erschien die illegale Arbeiter-Zeitung, die von treuen Mitarbeitern unter höchster Gefahr nach Österreich geschmuggelt wurde. Darunter auch der spätere Bundeskanzler Bruno Kreisky.   Bis zum Sommer verschlechterte sich die Popularität Feys und des Bundeskanzlers, der stets bemüht war sich gegen widerstrebende Kräfte abzusichern, ohne freilich von den Vorbereitungen für den 25.

Juli auch nur das geringste zu ahnen.   In den Monaten Mai und Juli setze eine neue nationalsozialistische Terrorwelle ein. Die Regierung traf daraufhin energische Gegenmaßnahmen, die zu zahlreichen Verhaftungen und Einweisungen in das seit 1933 bestehende Anhaltelager Wöllersdorf führten. Es wurde das Bundesgesetz zur Wiedereinführung der Todesstrafe im ordentlichen Verfahren beschlossen.   5. Die Ermordung Dollfuß‘ - Juliputsch 1934:    Für Gedye war ab dem Beginn der Kämpfe des 12.

Februars klar, dass ein Naziputsch unausbleiblich war. - Die Regierung hatte die Arbeiter entmachtet und so der Kraft beraubt, die klerikalfaschistische Diktatur zu stürzen, die ihrerseits wieder zu schwach war, um in dem Zweifrontenkrieg gegen die beiden starken Bewegungen der Nationalsozialisten und der revolutionären Sozialisten den Sieg davonzutragen.   Bereits im Oktober 1933 war ein von deutscher Seite organisierter Anschlag auf Dollfuß ausgeübt worden. Der junge Nazi Rudolf Dertil feuerte zweimal auf ihn, als er aus dem Parlament kam. Die Polizei versuchte heftig die Parteizugehörigkeit Dertils geheimzuhalten – schon damals war Dollfuß also von Verrätern umgeben. Sie versuchte den Leuten einzureden, dass der Attentäter Sozialdemokrat gewesen wäre.

Am Vorabend des Naziputsches vom 25.Juli versprühte die Polizei noch Gerüchte über einen bevorstehenden großen „Aufstand der Roten“. Der mit Wissen dt. offizieller Stellen durchgeführte nationalsozialistische Putschversuch in Österreich (die letzten entscheidenden Besprechungen hatten am 15. und 16. Juli in München stattgefunden) begann also am 25.

Juli gegen Mittag - mit dem Überfall von 154 als Soldaten des Bundesheeres und Polizisten verkleideten SS-Leuten auf das Bundeskanzleramt. Die Drahtzieher des Putsches waren u.a. der deutsche Industrielle Weydenhammer, der Wiener Anwalt Wächter und der SS- Führer Glass.   Der Bundeskanzler war jedoch gewarnt worden und schickte die Mitglieder der Regierung aus dem Haus. So fanden die Putschisten nur den Kanzler und die Staatssekretäre Major Fey und Karwinsky vor.

Die Regierung selbst war bereits in Sicherheit im Kriegsministerium.   Gleichzeitig drang eine Gruppe von Putschisten in die Wiener Senderäume der RAVAG ein und verbreitete die falsche Nachricht, daß Dollfuß die Regierungsgeschäfte an A. Rintelen, den österreichischen Gesandten in Rom, den sie in ihrem Plan als „Übergangskanzler einer mit Nationalsozialisten besetzten Regierung vorsahen, übergeben habe. Dies sollte das Zeichen für den Aufstand der Nationalsozialisten in ganz Ö. sein, der in einigen Teilen OÖ., der Steiermark und Kärnten zu mehrtägigen Kämpfen führte (Kollerschlag).

In Innsbruck wurde der Leiter der Stadtpolizei erschossen. Kleinere Aktionen gab es in Salzburg.     Im Eckzimmer des Kanzleramts traf kurz nach 13 Uhr ein Schuss aus der Pistole Otto Planettas den Bundeskanzler. Einen zweiten Schuss feuerte ein Polizeibeamter irrtümlich auf den Kanzler, der kurz vor 16 Uhr seinen Verletzungen erlag, da ihm jegliche ärztliche Hilfe verweigert wurde. Auch der Beistand eines Priesters wurde ihm verweigert.     Unterdessen hatte eine Alarmabteilung der Polizei die Nationalsozialisten im Rundfunkgebäude überwältigt.

Unterrichtsminister Kurt Schuschnigg erhielt vom Bundespräsidenten Wilhelm Miklas den Auftrag „mit allen Machtmitteln des Staates die gesetzliche Ordnung wiederherzustellen“.     Die Putschisten bekamen freien Abzug zugesichert, falls es keine Todesopfer gäben würde. Sie öffneten nach 19 Uhr die Tore des Bundeskanzleramtes. Schuschnigg erklärte, dass auf Grund des Todes des Kanzlers die Bedingungen für einen freien Abzug nicht erfüllt worden seien und die Putschisten wurden als Gefangene in die Polizeikaserne in der Marokkanergasse gebracht.   Es wurden 13 Putschisten hingerichtet, etwa 4000 Aufständische wurden in Anhaltelager eingewiesen, viele flüchteten nach Jugoslawien. Die Putschisten Otto Planetta und Friedrich Holzweber werden am 31.

Juli nach der Verurteilung durch den Militärgerichtshof in Wien durch den Strang hingerichtet.   Auf Regierungsseite forderten die Kämpfe 107 Todesopfer, auf Seite der Aufständischen 140 Tote. Verletzt wurden insgesamt 500-600 Menschen. Für die Aburteilung der Beteiligten wurden am 26. Juli 1934 Militärgerichte geschaffen. In Wien und der Steiermark wurde das Stand- recht proklamiert, ab 26.

Juli mussten alle Haustüren ab 20 Uhr versperrt und sämtliche öffentliche Gast- und Schankstätten geräumt sein. 6. Nach dem Tod Dolfuss‘ 6.1 Reaktionen auf den Tod Dollfuß‘ Am 26. Juli übernimmt der bisherige österreichische Vizekanzler Ernst Rüdiger Starhemberg (Heimwehr) vorübergehend die Geschäfte des Bundeskanzlers. Unter seinem Vorsitz beschließt der Ministerrat auch das Bundesverfassungsgesetz über die Einführung eines Militärgerichtshofs als Ausnahmegerichtshof zur Aburteilung der im Zusammenhang mit dem Putsch begangenen strafbaren Handlungen.

Am 30. Juli wird Kurt Schuschnigg als neuer Bundeskanzler vereidigt. Noch am 26. Juli kommandierte der italienische Duce und Ministerpräsident, Benito Mussolini, 3 Armeekorps an die italienisch-österreichische Grenze und versicherte Fürst Starhemberg in einem Telegramm, dass die Unabhängigkeit Österreichs, für die Dollfuß gefallen sei, ein Grundsatz sei, den Italien verteidigen werde, da die Möglichkeit bestand, dass deutsche Truppen zur Unterstützung der Aufständischen in Österreich geschickt werden könnten. Die Ereignisse um den 25. Juli bewiesen auch, dass Österreichs internationale Stellung äußerst gefährdet war, da auch in Juguslavien und Ungarn Truppen bereitstanden, um in Österreich einmarschieren zu können, wenn ein Bürgerkrieg ausbrechen würde.

Die deutsche Reichsregierung wies jede Verantwortung für die Vorgänge in Österreich zurück, verzichtete aber, da es sich Italien zu dieser Zeit militärisch unterlegen fühlte, auf Interventionen. Die Nachrichten vom gescheiterten NS- Putsch schlagen in ganz Europa wie eine Bombe ein. Von vielen Seiten wird die eigentliche Schuld an den Vorgängen in Österreich und dem Mord an Dollfuß der nationalsozialistischen deutschen Führung zugewiesen.   Italienische, französische und britische Zeitungen stellen Deutschland als Ursprung und Drahtzieher allen Übels dar. Die angesehene liberal- republikanische pariser Abendzeitung „Journal des Debats“ wendet sich in einem wütenden Artikel gegen das „verbrecherische Deutschland“ Die im Besitz Mussolinis befindliche italienische Zeitung „Giornale d’Italia“ schreibt: ..

.Dieser österreichische Terror hat seine Grundlagen, seinen geistigen Einfluss, seine Waffen, seine Finanzierung, seine gesamte Organisation und die Leitung der Aktionen auf deutschem Gebiet... Die Hilfe der Mächte (Italien, Ungarn, Frankreich und Großbritanien werde der Regierung in Wien nicht fehlen, wenn sie ihrer Pflicht nachkomme. Das britische Daily Telegraph: .

..Die politische Unabhängigkeit Österreichs ist von vitalem Interesse für alle Mächte... .

..Das europäische Pulverfass ist vom Balkan nach Wien verlegt worden... Der liberale „Temps“, der als führendes Qualitätsblatt der dritten französischen Republik gilt, spricht von einem Verbrechen gegen Europa und die Zivilisation, das ernste Folgen mit sich bringen könnte, und erklärt kategorisch, die von Dollfuß betriebene Politik sei notwendig für den Frieden Europas und müsse fortgesetzt werden.

6.2 Die Bestattung Dollfuß‘   Am 28 Juli wird Engelbert Dollfuß unter großer Beteiligung der Bevölkerung auf dem Hietzinger Friedhof in Wien beigesetzt.   Bundespräsident Miklas sagt:„Ein fluchwürdiges Verbrechen ist begangen worden, nicht nur an dem Bundeskanzler, sondern an ganz Österreich. Dr. Dollfuß ist für Österreich als Märtyrer gestorben. Er hat aber verhindert, dass Österreich zum Schlachtfeld Europas werde und schließlich in einem mitteleuropäischen Chaos untergehe.

Nicht nur Österreich hat er damit gerettet, sondern auch Europas Frieden, und diese Tat hat er anschließend mit seinem Herzensblut als Märtyrer des Österreichtums besiegelt.“ Vizekanzler Ernst Rüdiger Starhemberg (Heimwehr) hält in der Nacht vor den Beisetzungs- feierlichkeiten eine Rundfunkrede, die gegen das deutsche Volk gerichtet ist. Ihre Wortwahl erinnert jedoch eher an das Vokabular der NS – Machthaber in Berlin: „...Die Bundesregierung wird in treuester Kampfgemeinschaft mit dem toten Führer ihr bestes daransetzen, um seine Idee zum Siege zu bringen.

Verantwortungslose, zum Verbrechen geführte Elemente haben geglaubt, dass der Tod des Führers Österreichs das Signal sei, um ihre dunklen Pläne zu verwirklichen. Um deutsch zu sein und unsere deutsche Sendung in der Welt zu erfüllen und unserem Deutschtum zu dienen, dazu brauchen wir in Österreich keinen Nationalsozialismus.“    Dollfuß wird im Arbeitszimmer des Bundeskanzlers aufgebahrt; Bundesheersoldaten halten Totenwache     Für das Bundeskanzleramt in Wien, wo die tödlichen Schüsse auf Dollfuß gefallen waren, wird Trauerbeflaggung angeordnet.      Studenten vor dem Wiener Rathaus mit dem Sarg während der Ansprache von Präsident Wilhelm Miklas   Die Trauergemeinde - Mutter und Stiefvater des Ermordeten, Minister Stockinger und die Witwe Alwine Dollfuß             7. Mussolini - Dollfuß     Mussolini hatte zur Zeit des Dollfuß – Regimes großen Einfluss auf die österreichische Innenpolitik. Er hatte die fixe Vorstellung eines faschistischen Österreichs.

  Nach dem Verbot der NSDAP bedeuteten die im Untergrund wirkende österreichischen Nationalsozialisten und „Österreichische Legion“ eine ständige Gefahr für Österreich. (laufende Terroranschläge, Sabotage, Unruhen,.....

) Die „Österreichische Legion“ war eine Vereinigung der politischer Flüchtlinge in Bayern. Eine engere Anlehnung an die Schutzmacht Italien schien daher notwendig. Dollfuß suchte durch Italien also außenpolitischen Schutz - auch wenn dies gar nicht in seinen ursprünglichen Absichten gelegen war. Dollfuß sah dies wohl eher als notwendiges Übel.   Zwar gab es in der Gedankenwelt des katholisch – konservativen, antiparlamentarisch gesonnenen Dollfuß einige Elemente faschistischer Geisteshaltung, doch hatte es Dollfuß selbst stets peinlich vermieden, sich ausdrücklich zum Faschismus zu bekennen. Der Gedanke eines „christlichen Ständestaates“, der ihm vorschwebte, zeigte zwar deutlich autoritäre und totalitäre Züge, entsprach jedoch nie vollkommen dem italienischen Beispiel, was Dollfuß auch den wiederholten Tadel Mussolinis eintrug.

  Mit seinem Besuch bei Mussolini in Riccione am 19. Und 20. August 1933 festigte Dollfuß daher die Bindung an Italien.   Den Auftakt zum italienischen Druck auf die österreichische Innenpolitik gab ein Brief, den Mussolini am 1. Juli 1933 an Dollfuß schickte, in welchem deutlich erkennbar war, dass sich seine Erwägungen zu einer gezielten Absicht entwickelt hatten. In diesem Brief gab er eine Art Anleitung für den Kampf gegen den Nationalsozialismus – damit „der Narzismus.

.. aus Österreich ganz und gar verschwinde“. Er redete ihm zu „in der energischsten Weise (zu) reagieren“ und schloss sogar einen „Belagerungszustand“ nicht aus. Außerdem riet er ihm zu einer Verschärfung des Kampfes gegen die Sozialdemokraten an. Zwar ist nicht zu übersehen, dass Mussolinis Hinweis, mit dem Kampf gegen die Sozialdemokraten werde Dollfuß zugleich den Nationalsozialisten den Wind aus den Segeln nehmen, für ihn vor allem ein zusätzliches Argument bedeutete, um Dollfuß zum Vorgehen gegen die Sozialdemokraten zu veranlassen, doch bestärkte Mussolini den österreichischen Bundeskanzler zugleich in seinem Kampfwillen gegen die Nationalsozialisten.

  Auch wenn Mussolini Dollfuß stets darauf bedacht war, dass die Nationalsozialisten keine politische Macht in österreich erlangen, sah er sich als Vermittler zwischen Österreich und Deutschland und wollte so Österreichs Beziehungen zu Deutschland normalisieren.   Mussolini holte sich auch den wiederholten Tadel Deutschlands, da er, wie es die Deutschen sahen, mit einer Regierung, die den Austromarxismus nicht beseitigt hatte, gemeinsame Sache mache. Dollfuß antwortete trotz der Aufforderung Mussolinis „zu großer Eiligkeit“ erst drei Wochen später, nachdem er sich mit einigen seiner Politiker unterredet hatte. Seine Antwort viel eher ausweichend aus und versuchte auf die bereits in diese Richtung geschehen „Verbesserungen“ hinzuweisen. Er versuchte Mussolini von den Sozialdemokraten abzulenken und seine Aufmerksamkeit auf die Gefahr des Nationalsozialismus zu lenken, doch bei der Zusammenkunft in Riccione sprach Mussolini erneut von einer „neuen Entwicklung“ die in Österreich eingelenkt werden müsse – eine Stärkung der Heimwehr und eine Schwächung der Sozialdemokraten.   Den innenpolitischen Anpassungsmöglichkeiten wurden durch den Einfluss Italiens enge Grenzen gesetzt.

Die außenpolitische Manövrierfähigkeit Österreichs wurde beschränkt durch das gemeinsame Interesse Italiens, Frankreichs und Englands am Fortbestand eines unabhängigen österreichischen Staates, die innenpolitische durch das zusätzliche Interesse Italiens an einer inneren Ausrichtung Österreichs nach Italienischem Vorbild. Dollfuß begünstigte das zweite, indem er das erste aktivierte. Angesichts der festen Absicht, sein Land vom nationalsozialistischen Deutschland Unabhängig zu erhalten, blieb ihm freilich kaum eine andere Wahl, als den Preis zu zahlen, den seine Beschützer dafür verlangten.   Nach den Februarkämpfen 1934 schloß er mit dem Hl. Stuhl ein Konkordat und räumte durch die "Röm. Protokolle" mit Italien und dem ungarischen Ministerpräsidenten Gömbös, konnte aber die innenpolitische Situation in Österreich auch so nicht bessern, sondern erweiterte noch den ohnehin schon bedeutenden Einfluß Mussolinis auf die österreichische Innen- und Außenpolitik ein.

      8. SCHLUSSBETRACHTUNG     Laut Gedye war die eigentliche „Dollfußtragödie“ nicht die Ermordung des Kanzlers durch Otto Planetta, sondern die Tatsache, dass Dollfuß mit seinem ungewöhnlichen persönlichen Mut, seiner Energie und Entschlossenheit, seiner Fähigkeit die Massen für sich zu gewinnen und seiner politischen Geschicklichkeit die Möglichkeit gehabt hätte, so für die demokratischen Rechte in Österreich und die nationale Unabhängigkeit einzutreten, dass er wahrscheinlich auch Erfolg gehabt hätte. Mit einer funktionierenden Demokratie hätte er vielleicht sogar die Bürger des 3. Reichs durch Österreich als gutes Beispiel soweit beeinflussen können, dass sie sich von ihren Führern abgewandt und nach einer Demokratie mit freier Meinungsäußerung und freiem Wahlrecht - wie in ihrem Nachbarland - verlangt hätten.   Dollfuß sprach auch des öfteren von seiner demokratischen Überzeugung. -Hätte er die Demokratie wirklich über Klasseninteressen und die Interessen des politischen Katholizismus gestellt, so wäre es ihm ein leichtes gewesen, mit Hilfe der demokratischen Bauernschaft des Landes, nämlich der von Niederösterreich, bei der er persönlich sehr beliebt war, die Partnerschaft mit der militanten Heimwehr und dem reaktionären Flügel der Christlichsozialen Partei zu kündigen und mit den Bauern und den Sozialdemokraten eine große demokratische Koalition zu bilden.

Aber für Dollfuß existierten die Sozialdemokraten nicht; er kam nie auf eine solche Idee. Er machte durch die Februarkämpfe 1934 ein Bündnis mit der großen Masse der Arbeiter gegen die Nazi unmöglich.   Stattdessen vernichtete er sozusagen die österreichische Freiheit im Namen der Unabhängigkeit. Dollfuß war verantwortlich für die faschistische Entwicklung in Österreich und das Bündnis mit Mussolini (siehe Kapitel 7). Er trug Schuld an der Exekution sozialdemokratischer Arbeiter. Während seines Regimes und unter seinem Nachfolger Schuschnigg wurde die Diktatur zwar nicht mit der gleichen Perfektion wie unter Hitler praktiziert, aber die Pressefreiheit und die Parteien waren verboten und wer sich gegen das Regime stellte, wurde zumindest ins Gefängnis geworfen: all das waren Elemente der Diktatur.

 Nach Gedye hielt die Dollfuß – Diktatur überhaupt nur deshalb so „lange“, weil ihre beiden Feinde einander mehr hassten als das klerikalfaschistische Regime. Nach allgemeiner Ansicht der Arbeiter hielt man die Folgen des braunen Terrors für schlimmer als die des schwarzen. Zugutehalten muss man ihm, dass er sich, auch wenn er innenpolitisch nicht immer mit letzter Konsequenz gegen die Nazis vorging, doch immer wieder ausdrücklich vor allem gegen den deutschen Nationalssozialismus aussprach. In seinem Antwort – Brief an Mussolini (siehe Kapitel 7) schrieb er zum Beispiel „ein freundschaftlches Verhältnis mit Deutschland“, an dem „Österreich das größte Interesse habe“, sei nur möglich, wenn die „Selbstständigkeit Österreichs von Seiten der deutschen Reichsregierung und ihren Organen vorbehaltlos geleistet und geachtet werde“. Zunächst müsse sich „die Reichsregierung bzw. die mit ihr synonyme Führung der NSDAP“ entschließen, „die nationalsozialistische Bewegung in Österreich als österreichische .

.. Bewegung anzusehen und zu behandeln“, sowie „von jeder Einmischung in die inneren Verhältnisse Österreichs endgültig und restlos Abstand nehmen“.   Er bewirkte auch einige positive wirtschaftliche Sanktionen, wie zum Beispiel die Sicherung der Lausanner Anleihe für Österreich (siehe Kapitel 4.1).   Die Entscheidung Dollfuß’ das Parlament „abzuschaffen“, muß auch dahingehend betrachtet werden, daß Hitler, der im Jänner 1933 die Macht in Deutschland übernommen hatte, bei den Wahlen in Deutschland am 5.

März 1933 seinen absoluten Sieg feiern konnte.   Dollfuß hinterläßt auch ein politisches Erbe. Einzelne politische Maßnahmen aus dieser Zeit haben sich, in abgewandelter Form, bis in unsere Tage erhalten (Kammern- und Bündewesen).   Solange er bei der Landwirtschaftskammer aktiv tätig war bewegte er einiges in der Landwirtschaft und brachte viele Verbesserungen. „Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass mein Vater zwischen den Jahren 1922 und 1931 die österreichische Landwirtschaft revolutioniert hat. Er erreichte wirtschaftliche und soziale Verbesserungen dadurch, dass er sich nicht scheute, an die Änderung ökonomischer Grundstrukturen zu gehen.

“ Dollfuß – Zeittafel    1892 4. Oktober Engelbert Dollfuß wird in Texing in Niederösterreich als Sohn einer Bauerntochter Josefa Dollfuß und des Müllergesellen Josef Weninger geboren. 1893 13. Juli Josefa Dollfuß heiratet den Bauern Leopold Schmutz 1899-1904   Engelbert Dollfuß besucht die Volksschule in Kirnberg 1904   Eintritt ins Knabenseminar Hollabrunn 1913   Matura; Eintritt ins erzbischöfliche Priesterseminar in Wien, Theologiestudium an der Universität Wien. 1914 Jänner Austritt aus dem Priesterseminar Februar Wechsel zum Jusstudium 28. Juli Beginn des 1.

Weltkrieges August Dollfuß sucht um Assentierung an und wird dem Landesschützenregiment Nr. II zugeteilt Mai 1915 – November 1918 Kriegsdienst an der italienischen Front. Dollfuß wird mehrmals ausgezeichnet; am 1. Februar 1918 wird er zum Oberleutnant befördert. 1919 Dollfuß wird Sekretär des Niederösterreichischen Bauern-bundes 1920/1921 Studienaufenthalt in Berlin, Dollfuß lernt Alwine Glienke kennen 1921 31. Dezember Hochzeit von Engelbert Dollfuß und Alwine Glienke in Kirnberg 1922 1.

Juli Dollfuß wird Sekretär der Niederösterreichischen Landes-Landwirtschaftskammer 1923 10. Juli Promotion zum Dr.jur. 1927 28. Juni Dollfuß wird Direktor der Niederösterreichischen Landes-Landwirtschaftskammer 7. Juli Geburt seiner Tochter Hannerl 1928 14.

Juli Hannerl stirbt an Gehirnhautentzündung 2. September Geburt seiner Tochter Eva 1930 1. Oktober Dollfuß wird Bundesbahnpräsident 2. Dezember Geburt des Sohnes Rudolf 1931 18. März Dollfuß tritt als Landwirtschaftsminister in die Regierung ein 1932 24. April Landtagswahlen in Niederösterreich, Salzbur und Wien.

Erstmals starke Stimmengewinne der Nationalsozialisten 20. Mai Dollfuß wird Bundeskanzler 15. Juli Unterzeichnung der Lausanner Anleihe 17. Oktober Major Emil Fey tritt in die Regierung ein 1933 30. Jänner Adolf Hitler wird deutscher Reichskanzler 4. März Rücktritt der drei Präsidenten des Nationalrates.

Geschäftsordnungskrise 5. März Reichtagswahlen in Deutschland bringen der NSDAP und einer mit ihr verbündeten Partei die absolute Mehrheit. Verstärkte Propagandatätigkeit der österreichischen Nationalsozialisten 1933 7. März Die Regierung erläßt erste Notverordnungen nach dem Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetz (Einschränkung der Presse- und Versammlungsfreiheit) 8. März Dollfuß teilt dem Sozialdemokraten Danneberg die weiteren Pläne der Regierung mit: Verfassungsänderung im Einvernehmen der Parteien, dann Wiedereinberufung des Parlaments 15. März Der Versuch der Großdeutschen und Sozialdemokraten, eine Nationalratssitzung abzuhalten, wird auf Anordnung der Regierung von der Polizei verhindert 31.

März Auflösung des Republikanischen Schutzbundes, der illegal weiterbesteht 15. Mai Ausweisung des deutschen Reichsjustizkommissärs Frank Juni Beginn einer Serie nationalsozialistischer Anschläge 19. Juni Verbot der NSDAP 19./20. August Treffen Dollfuß – Mussolini in Riccione. Mussolini sagt Unterstützung gegen Deutschland zu 11.

September In der „Trabrennplatzrede“ kündigt Dollfuß eine neue Verfassung an und ruft zum Einsatz für die Erhaltung eines unabhängigen Österreichs auf 3. Oktober Dollfuß wird bei einem Revolverattentat verletzt 1934 Jänner Beginn einer neuen nationalsozialistischen Terrorwelle 18. Jänner Dollfuß fordert in einer Rede die „ehrlichen Arbeiterführer“ zur Zusammenarbeit im Kampf um Österreichs Unabhängigkeit auf 12.–15. Februar Nach einer Waffensuche im sozialdemokratischen Parteiheim in Linz Aufstand des Schutzbundes in Wien und mehreren Bundesländern, der von Bundesheer, Exekutive und Heimwehrtruppen niedergeschlagen

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