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  Das dramatische werk gerhart hauptmanns

Das dramatische Werk Gerhart Hauptmanns                                                     Spezialgebiet aus Deutsch: © Robert Adelmayer   Inhaltsverzeichnis      Der Naturalismus 3 Die dramatische Dichtung im Naturalismus 3 Biographie 4 Gerhart Hauptmanns Werk und Persönlichkeit 5 Der Dramatiker 6 Dramatische Werke 7 Vor Sonnenaufgang 7 Die Weber 8 Die Ratten 10 Rose Bernd 11 Vor Sonnenuntergang 11 Michael Kramer 11 Der Bieberpelz 11 Und Pippa tanzt! 11 Der Naturalismus   Die Naturalisten, sie nennen sich in ihren Anfängen die „Modernen“ oder „Jüngstdeutsche“, wenden sich gegen etablierte Schriftsteller der Gründerzeit (z. B. Felix Dahn, Paul Heyse, Emanuel Geibel) und deren Repräsentationskunst. Sie verachten das Wirtschaftswunder der Bismarck-Ära, welches das Großbürgertum vermögend macht, das Proletariat aber verarmen läßt. Was quasi als kleinster gemeinsamer Nenner alle jungen Künstler dieser Schaffensperiode verband, war das ästhetische Ziel, die Natur getreu wiederzugeben und dabei konsequenter zu verfahren als die „bürgerlichen Realisten“. Sie machten keinen Halt vor dem Niedrigen, Häßlichen, ja Ekelhaften.

So wurden Armut, Schmutz, Elend, Brutalität, Krankheit und Wahnsinn zu literarischen Themen. Man stellte große Laster dar: Alkoholismus, sexuelle Ausschweifung und Hörigkeit. Nach dem Vorbild der Naturwissenschaften versuchte man ein Gesetz für die Kunst zu entwickeln, nach dem man ein Werk wie ein wissenschaftliches Experiment auf Beobachtung und sich daraus ergebenden Folgerungen aufbauen konnte. Arno Holz ist es gelungen, ein geschlossenes System zu formulieren. Sein Kunstgesetz, das er in „Die Kunst. Ihr Wesen und ihre Gesetze“ 1891 veröffentlicht hat, gilt als Grundlage des Naturalismus.

Die dramatische Dichtung im Naturalismus Der Dialog hat die Epik in die Nähe des Dramas gedrückt und umgekehrt wächst das Drama aus der Erzähltechnik. Es entsteht ein episiertes Drama, das die alten Grenzen der Gattungen verschwimmen läßt. Die Handlung wird reduziert zugunsten der Milieudarstellung. Der Zustand ersetzt die Tat, aus dem Helden wird das Opfer. Der unfreie Mensch ist den Zwängen seiner Umwelt und seiner Psyche ausgesetzt. Es trifft ihn keine Verantwortung, er kann nicht tragisch schuldig werden, denn er ist eine Willenlose Marionette.

Die neue Weltsicht verlangt auch eine veränderte Form: Es entfällt eine Abgerundete Handlung, Anfang und Ende bleiben häufig offen. So wird das Drama zu einer Folge von aneinandergereihter Szenen. Die Grundforderung aller naturalistischer Theoretiker ist die Lebensechtheit der Figuren, ihrer Sprache und der Handlung. Ansonsten beziehen sie die unterschiedlichsten Positionen. Doch es erscheint klar, daß die naturalistische Bewegung ihre Erfolge und ihr Überleben bis zum heutigen Tag dem Dramatiker Gerhart Hauptmann verdankt. Er ist der künstlerisch größte Exponent des Naturalismus und sein Überwinder zugleich, denn er kommt zu der Erkenntnis: „Der Zweck aller Kunst ist nicht die absolute Nachahmung der Natur, weil diese letztere eine Unmögliche ist.

Wäre sie möglich, so fiele sie mit der Natur zusammen, und die Kunst wäre ausgeschaltet.“   Biographie Als Sohn eines Gastwirts und Hotelbesitzers wurde Gerhart Hauptmann am 15. November 1862 in Bad Obersalzbrunn geboren. Früh schon lernte er das Leben der einfachen Menschen – Fuhrleute, Bergarbeiter, Häusler – ebenso kennen wie das der vornehmen Kurgäste. Seine erste Bildung erhielt er in der Dorfschule. Ab 1874 besuchte er die Städtische Realschule in Breslau, mußte sie aber vier Jahre später wegen materieller Schwierigkeiten seiner Eltern wieder verlassen.

Die Schule bedeutete für ihn mehr Zwang und Kerker als wirkliche Lebensbildung. Er verließ sie – nach eigenen Worten – mit dem Gefühl eines entlassenen Sträflings. Die folgende Zeit ist durch Kampf mit widrigen Lebensumständen und qualvollen inneren Auseinandersetzungen gekennzeichnet. Einer knapp zweijährigen Tätigkeit als Landwirtschaftseleve auf dem Gut seines Onkels in Lederose folgte der Besuch der Bildhauerklasse der Kunst- und Gewerbeschule in Breslau bis 1882 und zwei Semester Studium an der Universität Jena schlossen sich an. Von einer erfolglosen Reise nach Italien zurückgekehrt, hörte er Vorlesungen an der Universität in Berlin, nahm Schauspielunterricht und stürzte sich in das Gesellschaftliche Leben der Weltstadt. 1885 heiratete er die Tochter eines Großkaufmanns.


Mit Versdichtungen hatte der Schüler begonnen, 1887 erschien die erste der bedeutenden Erzählungen, die Novelle „Fasching“, aber schon durch die 1889 erfolgte Aufführung des Dramas „Vor Sonnenaufgang“ rückte Hauptmann in die erste Reihe der deutschen Schriftsteller. Nun entstand in schneller Folge Werk auf Werk. Vielfältig waren die öffentlichen Ehrungen, die der inzwischen weltbekannte Gerhart Hauptmann erfuhr. Während ihm durch Einspruch Wilhelms II., der ihm „Die Weber“ (1892) nicht verzeihen konnte, der Schillerpreis verweigert wurde, verlieh ihm die Akademie der Wissenschaften drei mal den Grillparzerpreis. 1905 ernannte ihn die Universität Oxford zum Ehrendoktor, später folgten andere Universitäten diesem Beispiel.

Als damals bedeutendste Auszeichnung wurde ihm 1912 der Nobelpreis zugesprochen. Nach Ausbruch des ersten Weltkriegs forderte der französische humanistische Schriftsteller Romain Rolland in einem öffentlichen Brief Hauptmann zur Verurteilung der barbarischen deutschen Kriegführung im neutralen Belgien auf. Wie viele bürgerliche Intellektuelle war aber auch Gerhart Hauptmann der deutschen Kriegspropaganda erlegen und lehnte diese Aufforderung ab. Hauptmann trat wiederholt als Mahner für Humanität und Einigkeit auf, ohne sich aber einer bestimmten politischen Richtung anzuschließen. Als Kranker erlebte er im Februar 1945 den Bombenangriff auf Dresden. Von dieser Erschütterung erholte er sich nicht mehr.

Unmittelbar vor dem Übersiedeln nach Berlin, am 6. Juni 1946, starb der Dichter. Ende Juli wurde er, wie es sein Wunsch gewesen war, kurz vor Sonnenaufgang in Kloster auf Hinddensee begraben. Gerhart Haupmann (1862 – 1946) gelang, was Arno Holz angestrebt hatte: Er eroberte – sehr zum Verdruß des weniger erfolgreichen – die Bühne für den Naturalismus und schuf Musterbeispiele des neuen Dramas, die über die Produkte seiner Zeitgenossen weit hinausragten und internationalen Rang erreichten. Dabei war sein Weg zum Dramatiker steinig, voller Umwege und von Unsicherheit und Zweifel geprägt. Sein Leben war in den ersten fünfundzwanzig Jahren „ohne sichtbares Steuer und ohne sichtbaren Kompaß“.

Auf seiner Suche nach seiner Lebensaufgabe versagte der körperlich und seelisch labile Träumer ein ums andere Mal: als Schüler, als Landwirtschaftseleve, Kunststudent, Bildhauer, Schauspieler. Er schwankte lange ernsthaft zwischen der Bildhauerkunst und der Poesie und fühlte sich zeitlebens der bildenden Kunst eng verbunden. Sie wirkte vielfältig auf sein literarisches Schaffen ein. Hauptmanns soziales Engagement geht auf eigene Erfahrung zurück. Er lernte als Heranwachsender Hunger und Not am eigenen Leib kennen, nachdem sein Vater, ein Gastwirt in dem schlesischen Badeort Salzbrunn, den Gasthof aufgeben mußte verarmte. Als Student kam er mit sozialreformerischen und weltverbesserischen Ideen in Berührung, und auf einer von seiner Braut finanzierten Reise nach Spanien und Italien begegnete er erneut dem menschlichen Elend, das ihn schwer bedrückte und tiefes Mitleid in ihm weckte.

Die Heirat mit der großbürgerlichen Kaufmannstochter Marie Thienemann machte ihn wirtschaftlich unabhängig. Er konnte sich in Berlin und dessen näherer Umgebung im Freundeskreis mit sozialen, naturwissenschaftlichen, religiösen und künstlerischen Fragen beschäftigen. Hier lernte er auch die Naturalisten kennen, vor allem Arno Holz, und schloß sich der Literaturvereinigung „Durch“ an, die wöchentlich im Hinterzimmer einer Kneipe tagte. Gerhart Hauptmanns Werk und Persönlichkeit Gerhart Hauptmanns Werk und Persönlichkeit sind über die seelen- und geistesgeschichtlichen Zusammenhänge zu verstehen, in denen Europa und Deutschland seit 1770 und neuerdings seit der technischen Revolution von 1870 stehen. Schon um 1770 hatte Herder den Darwinschen Gedanken gedacht. Goethe hat ihn wiedergedacht.

Seine Entdeckungen, Arbeiten und Experimente haben naturwissenschaftliche Theorien dann gesellschaftsfähig und spruchreif gemacht. An der Geburtsstätte der ästhetischen Wissenschaften, im Jena der Romantiker, bildeten später vielbelächelte naturwissenschaftliche Versuche die entscheidende Diskussionsgrundlage für Geisteswissenschaftler und Philosophen. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein hieß Naturwissenschaft immer auch Geisteswissenschaft und bedeutete einen Fortschritt in ihren Disziplinen zugleich eine Steigerung der schöpferischen, künstlerischen Leistungen. Der allgemeine Prozeß des Sich-Einfühlens, Sich-Eindenkens in die Natur ging Hand in Hand mit der technischen Entwicklung der Zeit. Die technische Revolution um 1870 setzte über die natürlich gesteuerte, von schöpferischen Impulsen maßgeblich beeinflußte Welt eine ausschließlich von wissenschaftlichen Denken bestimmte technische Welt.

In ihr zu leben erforderte jenes Sehen, gegen das sich Goethe so beharrlich gewehrt hatte, mit ihr zu leben jedoch, das hieß: „naturalistisch“ denken lernen. Für den Dichter allerdings konnte „naturalistisch“ nie etwas anderes sein, als: die zergliedernde wissenschaftliche Denkart kompositorisch zu verwerten. Für den traditionsbewußten deutschen Bürger, den geistigen Europäer allgemein aber bedeutete „naturalistisch“: Auseinandersetzung mit den sozialen, den allgemeinmenschlichen Problemen, wie sie die technische Revolution mit sich gebracht hatte. Die literarische Revolution um 1890 kennzeichnet die erste Phase dieser Auseinandersetzung. Einer ihrer Wortführer war Gerhart Hauptmann. Der fünfundzwanzigjährige, sehr schmächtige „Revolutionär“ hatte die Welt mit neuen Augen sehen gelernt.

Eine harte Lebensschule hatte ihn „sehend“ gemacht. Das Ereignis Maschine mußte für den religiös, ja weltreformatorisch gesinnten jungen Menschen Verwirtschaftlichung, Entmythisierung bedeuten. Für den Dichter jedoch war das Ereignis ein Aufruf zur seelischen Tat: im Zeichen der Technik das Menschliche, menschliche Urbilder, das Mythische in der Welt zu erneuern. Mit utopischen Weltverbesserungsplänen in der Tasche beobachtete der junge Hauptmann deshalb wissenschaftlich genau, sah er „naturalistisch“, durchdachte er „real“ und verbot sich gegenstandsloses Schwärmen. Das war Hauptmann der Naturalist. So sehr sich der angehende Weltreformator bemühte, möglichst schonungslos „naturalistisch“ zu sehen und zu denken, hatte er die Welt vom ersten Augenblick an dichterisch empfunden.

Er hatte sie über das Bild des Volkes und der Religion und sein leicht empfindsames Gemüt erlebt. Gerhart Hauptmann war ein genialer Träumer mit einer fast unbegrenzten Vorstellungsgabe und einem ebensolchen Einfühlungsvermögen. Der Dramatiker Gerhart ist vor allem Dramatiker. Sein Bild als solcher ist von dem Jahrhundert, das ihn feierte, völlig verzeichnet und entstellt worden. Hauptmanns Dramen als Unterhaltungsstoff verstehen, als Publikumsreißer oder geeignete Filmthemen, heißt sie mißverstehen. Wohl sind in ihnen so manche Zugeständnisse an Publikum und Gemeinde, einiges erscheint uns heute „unmodern“ oder vielleicht sogar geschmacklos.

Einige Bemerkungen des Dramatikers zu seiner Disziplin überzeugen uns davon: der Dramatiker Hauptmann verstand unter Drama und Dichtung etwas ganz anderes als Literaturgeschichte, Kritik, Mode und Publikum aus ihnen machen. Wie Goethe wußte er von der tiefen Kluft, die ihn von allem Publikum trennte, und Goethe schätzte er sich glücklich, nicht genau wissen zu müssen, wie tief diese Kluft war. Und wie Goethe hat er wenig dazu getan, diese Kluft von sich aus zu überbrücken, schon weil er wußte, wie unmöglich das war. Damit haben wir uns abzufinden. Das eigentliche dramatische Werk Hauptmanns liegt nicht in den Worten und Handlungen, die den Vordergrund ausmachen. Wort und Handlung sind nur „Signatur“ für die Sache selbst, die hinter ihnen steht.

Sie sind Zeichen, mittels der produktive Leser, jener eben, der „urteilend genießt und genießend urteilt“, sich die Seele des Werkes zu erschließen vermag.   Dramatische Werke   Vor Sonnenaufgang Gerhart Hauptmann schreibt 1889 das soziale Drama „Vor Sonnenaufgang“ und löst damit bei der Uraufführung, die in einer geschlossenen Matinee der „Freien Bühne“ stattfindet, einen Theaterskandal aus.   In einem schlesischen Dorf ist die Bauernfamilie Krause über Nacht zu Reichtum gekommen. Der Bauer Krause, jetzt Millionär, wird zum exzessiven Säufer, der gegenüber seiner Tochter zudringlich wird. Seine zweite Frau betrügt ihn und will die jüngere Tochter, Helene, mit ihrem eigenen Liebhaber verkuppeln. Die andere Tochter Krauses, Martha, ist ebenfalls Alkoholikerin und bringt ein totes Kind zur Welt.

Ihr Mann, der Ingenieur Hoffmann, ist ein skrupelloser Geschäftemacher und stellt Helene nach. In diese Familie kommt der Sozialreformer und Gesundheitsfanatiker Alfred Loth als intellektueller Außenseiter und kritisiert die sozialen Mißstände und die moralische Verdorbenheit der Familie Krause. Er verliebt sich in Helene, die als Einzige ihrer Umgebung nicht sittlich verkommen ist und sich gegen die Lasterhaftigkeit ihrer Familie wehrt, und will sie heiraten. Als er jedoch die gesamte Wahrheit über ihre Familie erfährt, verläßt er Helene aus Furcht vor möglichen Erbschäden seiner Nachkommen. Darauf nimmt sich die verlassene das Leben.   In seinem ersten Drama hat Gerhart Hauptmann naturalistische Themen aufgegriffen und ein „soziales Drama“ geschrieben.

Er analysiert die Situation der Landbevölkerung Schlesiens zum Ende des 19. Jahrhunderts. Dort haben die Kohle und die Industrialisierung zu anormalen Zuständen geführt. Bauern, auf deren Grund man fündig geworden ist, sind durch den plötzlichen Reichtum demoralisiert worden, sind ihren primitivsten Trieben verfallen und haben sich dem Alkoholismus, der Völlerei und dem Inzest ergeben. Nach der positivistischen Determinationslehre werden auch die nachfolgenden Generationen unausweichlich das gleiche Schicksal erleiden, denn das Los des Menschen ist vorherbestimmt durch seine Erbmasse und das Milieu, in dem er aufwächst. Dieser Theorie zufolge ist auch Helenes Schicksal vorgezeichnet: Sie wird sich nicht auf die Dauer gegen den Alkoholismus wehren können und ihre zukünftigen Kinder erblich belasten.

Der Autor erklärt aus dieser Theorie die menschliche Handlungsweise Alfred Loths. Der selbstgerechte Idealist predigt Nächstenliebe und will die Menschheit beglücken, wendet sich aber skrupellos von dem vermeintlich bedingungslos geliebten Mädchen ab, weil es nicht in sein Gedankengebäude paßt. So muß der Utopist als feiger, pedantischer Prinzipienreiter erscheinen. Mit diesen Einschränkungen deckt Hauptmann nicht nur sein Problem auf, sondern das des naturalistischen Dramas überhaupt. Wenn auf der Bühne nur die momentane Realität fotografisch genau wiedergegeben wird, muß die Charakterisierung der Personen trotz individueller Züge unvollständig bleiben, denn man sieht ja nur Augenblicke aus ihrem Leben. Es besteht die Gefahr, daß der Mensch zum bloßen Ideenträger wird.

Im klassischen Drama dagegen kann der Held in langen Monologen – die freilich realitätsfern sind – seinen gesamten Charakter offenlegen. Oder Rückblenden verschiedener Art geben Gelegenheit, das Charakterbild zu vervollständigen. Nicht nur die Thematik ist durch den Naturalismus bestimmt, sondern auch in der Darstellungsweise folgt Hauptmann dessen Forderungen. Die Akademiker Loth und Schimmelpfennig sprechen Hochdeutsch, aber Tonfall, Pausen, unvollständige Sätze sind Mittel der Charakterisierung ihrer jeweiligen Gemütsbewegung. Die steife Sprache des Theoretikers Loth wird unsicher, stockend , wenn er seine Gefühle zu Helene auszudrücken versucht. Auch Helene redet Papierdeutsch.

Nur die ungebildeten Personen sprechen Dialekt und gewinnen dadurch an Lebensechtheit. Ein Beispiel dafür ist das Gestammel des alten Krause. Obwohl „Vor Sonnenaufgang“ ein „soziales Drama“ ist, treten die Bergarbeiter nicht leibhaftig auf. Ihr Elend wird von Helene eher beiläufig erwähnt, und als Studienobiekte des Sozialreformers Loth tauchen sie nur im Gespräch auf. Der Dichter hat nicht diese Problematik in den Mittelpunkt gestellt. Es geht ihm vor allem um die neuartige Technik des naturalistischen Dramas.

Erst in „Die Weber“ arbeitet er einen sozialen Stoff konsequent auf. Das schockierende an diesem Werk ist einmal die ungewöhnliche Thematik: die zerstörerische Wirkung plötzlichen Reichtums auf eine Bauernfamilie, aber auch die naturalistische Darstellungsart: die abstoßenden und krassen Einzelheiten – und nicht zuletzt die Sprache mit den schwer verständlichen Dialektpassagen und der gestammelten Redeweise.   Die Weber Alle Weber sind in der gleichen Situation: Das Geld reicht nicht zum Leben, sie bitten demütig um Vorschuß, weil sie wegen Krankheit in der Familie, Schwäche aus Schlafmangel, Dienste für den Gutsherrn ihre volle Arbeitsleistung nicht erbringen können. Aber der Expedient Pfeifer ist streng, gibt keinen Vorschuß und drückt den Lohn unbarmherzig, wenn er am Stoff Mängel feststellt. Die Weber unterwerfen sich demütig, nur der junge, starke Bäcker wird aufrührerisch. Es kommt zu einem Streit mit Dreißiger, und Bäcker verliert seine Arbeit.

Als ein schmächtiger Junge aus Übermüdung und Hunger zusammenbricht, werden die Weber unruhig. Der erschreckte Fabrikant rechtfertigt sich, indem er über die Sorgen der Unternehmer klagt, die unter einer Überproduktion leiden. Im zweiten Akt wird das Elend in der Hütte des alten Häuslers Wilhelm Ansorge zu Kaschbach im Eulengebirge gezeigt. Er lebt vom Korbflechten und hat die Baumerts als Mieter aufgenommen. Aber er ist hoch verschuldet, die Mieter können nicht Zahlen, so besteht die Gefahr, daß ihm der Bauer sein Häuschen nehmen wird. In einer winzigen Stube dreht die alte, vom „Reißen“ bewegungsunfähige Mutter Baumert noch das Spinnrad, während die beiden Töchter am Webstuhl sitzen und der vierjährige Enkel vor Hunger weint.

Es gibt kein Brot, kein Salz, kein Holz und keine Kohle im Haus. Alle warten auf den alten Baumert, der Ware abgeliefert hat und Lebensmittel mitbringen wird. Als er endlich kommt, ist Moritz Jäger bei ihm, ein junger Weber, der seinen Militärdienst abgeleistet hat. Der ehemalige Tunichtgut besitzt eine silberne Uhr und zehn Taler und gilt damit als reicher Mann von Welt. Die Weber sehen in ihm einen Anführer, nachdem er ihnen ihre Lage bewußt gemacht hat. Der Aufruhr steigert sich im dritten Akt.

Der rote Bäcker und Moritz Jäger kommen mit einer Schar Weber in die Dorfschenke. Sie sind auf dem Weg zum Fabrikanten Dreißiger, um höhere Löhne zu fordern, und singen das verbotene „Blutgericht“. Im vierten Akt haben sich im Salon des Fabrikanten der Pastor und der Hauslehrer zu einem Kartenspiel eingefunden. Als wieder das Blutgericht ertönt, läßt Dreißiger den Aufrührer Moritz Jäger festnehmen. Die aufgebrachte Menge befreit ihn, verprügelt Verwalter und Gendarm und Mißhandelt schließlich auch den Pastor Kittelhaus, der vermitteln will. Dann stürmen die Rebellen die Villa, während Dreißiger mit seiner Familie flieht.

Der fünfte Akt führt wieder in eine ärmliche Weberhütte, diesmal in Langenbielau. Dort lebt der streng gläubige alte Hilse mit seiner Blinden, fast tauben Frau, seinem epileptischen Sohn Gottlieb, der Schwiegertochter Luise und der sechsjährigen Enkelin Mielchen. Als der Lumpensammler Hornig von dem Weberaufstand in Peterswaldau berichtet, kann der gottesfürchtige Mann nicht glauben, daß Menschen seiner Art plündern. Inzwischen ist der Zug der Rebellen in Langenbielau angekommen. Dort setzt er das Zerstörungswerk am Besitz des Fabrikanten Dittrich fort. Die Weber sind in einer Art Rauschzustand, denken nur noch an Rache, ans Fressen und Saufen.

Sie kommen auch in Hilses Haus, um den geachteten Mann zur Teilnahme aufzufordern. Luise folgt ihnen. Hilse läßt sich nicht in diesen chaotischen Aufstand hineinziehen, obwohl er die Fabrikanten haßt. Er weiß, daß am Ende die Weber den kürzeren ziehen müssen. Außerdem billigt er Gott allein die Rache zu. Also bleibt Hilse an seinem Webstuhl vor dem Fenster, als das Militär draußen schießt, und wird von einer Kugel tödlich getroffen.

Hurra-Rufe der Weber künden ihren Sieg über das Militär an. Hier bricht die Handlung ab. Das Ende bleibt offen.  Mit „Die Weber“ schuf Gerhart Hauptmann nicht nur ein Drama, das zur Weltliteratur gehört, sondern auch das bedeutendste soziale Drama der deutschen Literatur. Die offene Form der Dramas – beliebig einsetzender Anfang, beliebig einsetzender Schluß – entspricht ganz den Vorstellungen der Naturalisten. Es gibt auch keine fortlaufende Handlung im konventionellen Sinn und keinen Szenenwechsel innerhalb eines Aktes.

Auch untereinander sind die Akte nur locker verbunden. Nur der alte Baumert kommt in allen Aufzügen vor. Er spielt aber keine Hauptrolle. So fehlt also auch der Held im ursprünglichem Sinn. Der Held in diesem Fall ist das Kollektiv der Weber. Zusammen gehalten werden die fünf Akte durch das historisch überlieferte Lied vom „Blutgericht“.

Es durchzieht wie ein Leitmotiv das Drama und kommt in allen fünf Akten vor, von einer bloßen Erwähnung im ersten bis zum Massengesang im letzten. Unterstützt wird die Wirklichkeitsnähe auch durch den schlesischen Dialekt. Der Aufstand entsteht spontan, ihm liegt kein Programm zugrunde. Obwohl aus berechtigten Gründen entsprungen, enthemmt der Aufruhr die an sich friedliche Arbeiter, sie werden gewalttätig und entwickeln Mordgedanken. Und Leidtragender ist ein friedfertiger alter Mann, der den Aufruhr nicht unterstützt hat. Da liegt natürlich die Schlußfolgerung nahe, daß genau das der Grund für seinen Tod ist.

Oder hatte er doch Recht mit seiner ablehnenden Haltung? Deutet sein Tod auch das Ende seiner Werte an? Darf man sich vom gesellschaftlichen Kampf nicht ausschließen oder richtet er nur Unheil an? Jedenfalls regt das Drama zur Diskussion über die moralische Berechtigung eines politischen oder sozialen Aufstandes an.   Die Ratten Der ehemalige Theaterdirektor Harro Hassenreuter hat seinen Fundus in einer Mietskaserne untergebracht. Die Frau des Maurerpoliers John, die im gleiche Haus wohnt, hält die Kostüme und Ausrüstungsstücke des Fundus in Ordnung. Frau John hat das schwangere und im Stich gelassene Dienstmädchen Pauline Piperkarcka in diesem Raum untergebracht und erwartet, daß sie ihr das Kind nach der Geburt abtretet. Pauline geht aber nicht darauf ein, sondern denkt nur an ihre Rache an dem treulosen Vater. Der jüngere Bruder von Frau John unterbricht sie bei dem Versuch Pauline das Baby abkaufen zu wollen.

Nun fordert er Geld von ihr, damit er sie nicht bei Hassenreuter verrät. Doch ganz unerwartet betritt Walburga, die etwa 16jährige Tochter Hassenreuters den Raum. Bruno und Pauline verstecken sich auf dem Dachboden. Walburga gesteht eine heimliche Verabredung mit Spitta, dem Hauslehrer, zu haben. Erneut betritt ein Fremder den Raum und beide flüchten auch auf den Dachboden. Es ist Herr Hassenreuter, der kurz nach seinem Eintreten von seiner ehemaligen Geliebten, Alice, überrascht wird.

Doch auch sie werden unterbrochen und Alice verschwindet in der Bibliothek. Spitta, eigentlich Walburga erwartend, tritt ein. Er ergreift die Gelegenheit Herrn Hassenreuter davon zu unterrichten, daß er sein Theologiestudium aufgibt und Schauspieler werden will. Herr Hassenreuter rät ihm ab und schleppt ihm fast mit Gewalt fort. Währenddessen hat bei Pauline infolge der Aufregung die Geburt begonnen. Frau John beruhigt Walburga und schickt sie Heim.

  Der zweite Akt spielt in der Wohnug der Maurerpoliers John. Frau John hatte ihren Plan in die Realität umgesetzt und das Kind zu sich geholt. Früher hatte sich Frau John gerne des 14jährigen Kindes, Selma, angenommen doch jetzt verstößt sie es. Ihr Mann ist etwas beunruhigt, weil Frau John das Kind, das noch nicht getauft ist, mit dem Namen ihres früher verstorbenen Kindes anspricht. Die Familie Hassenreuter kommt zu Besuch, um die junge Mutter zu beglückwünschen. Frau John bekommt einen Milchapparat geschenkt.

Auf die Frage nach dem Namen, entfacht ein Streit, weil Frau John ihn Bruno taufen lassen will, womit ihr Mann überhaupt nicht einverstanden ist. Spitta und zwei Schüler Hassenreuters schließen sich den Glückwünschen an. Nach einer Weile verabschieden sich alle bis auf Walburga und Spitta. Walburga erzählt von einer Kartenlegerin, die ihr eine Ehe mit einem Schauspieler prophezeit hat und Spitta berichtet von dem Vorhaben seines Vaters nach Berlin zu kommen, um ihn von seinem Entschluß abzubringen. Als Piperkarcka hinzu kommt, verschließt Frau John das Kind und schickt Walburga und Spitta fort. Pauline gibt Frau John ihr Geld zurück und möchte das Kind wieder haben.

Jedoch Frau John verwehrt ihr diesen Wunsch. Hierauf erklärt ihr Pauline, daß sie schon am Standesamt gewesen ist, um ihr Kind anzumelden. Am nächsten Tag soll ein Beamter kommen um zu prüfen, ob das Kind bei Frau John in Pflege ist. Frau John verfällt in völlige Geistesabwesenheit.   Die Szene im dritten Akt ist wieder das Theatermagazin. Hassenreter gibt seinen Schüler dramatischen Unterricht.

Er hat bemerk, daß am Dachboden eine Kiste mit Kostümen fehlt und berichtet es seinem Hausmeister Quaquaro. Im weiteren Verlauf des Unterrichts entwickelt sich ein Streit zwischen Spitta und Hassenreuter. Spitta weigert sich so zu betonen, wie es von ihm verlangt wird. Quaquaro hat seine Such am Dachboden beendet und stellt die Vermutung auf, daß Obdachlose dort genächtigt hätten. Außerdem hat er ein Kinderfläschchen gefunden. Der Hausmeister rät den Diebstahl bei der Polizei zu melden.

Als er fort ist, betritt Pastor Spitta den Raum und fängt an mit Hassenreuter über die Zukunft seines Sohnes zu diskutieren. Der Pastor greift die Schauspielerei und, ohne zu wissen, daß Walburga seine Tochter ist, auch sie an. Herr Hassenreuter verteidigt seine Tochter und die Schauspielerei, verspricht aber Spitta den Unterricht zu verweigern. Als Hassenreuter mit dem Unterricht fortfahren will, wird er abermals gestört. Diesmal von Frau Kielbacke und Pauline. Sie wollen mit Frau John sprechen.

Pauline möchte ihr Baby wieder haben. Hassenreuter ist verwirrt und berichtet, daß Frau John mit ihrem Kind zu ihrer Schwägerin aufs Land gefahren sei. Als der Schutzmann hinzukommt, wird die plötzlich die Identität des Kindes in Frage gestellt. Frau Knobbe und Piperkarcka schwören, daß es sich bei dem Kind in ihren Händen um ihres handelt. Doch Hassenreuter erkennt nach kurzer Beobachtung, daß das Kind bereits tot sei. Der vierte Akt spielt wieder in der Wohnung des Maurerpoliers John.

John kommt gerade nach Hause, als Quaquaro ihn anspricht. Quaquaro erzählt ihm von den Vorgängen im Magazin und fragt ihn, wann seine Frau wieder zurück kommt und wo der Bruder seiner Frau ist, der nämlich von der Polizei gesucht wird. Doch John kann ihm keine seiner Fragen beantworten. John nützt das Eintreten von Spitta und Selma, um Quaquaro loszuwerden. Mit ihnen unterhält er sich noch über die aktuellen Geschehnisse, bevor seine Frau mit dem Kind kommt. John ist etwas verunsichert, weil seine Frau plötzlich so verstört wirkt.

Das Auftauchen von Bruno bringt John zum ausrasten, jedoch sein Frau bringt ihn zur Vernunft und er geht. Bruno erzählt Frau John, daß er Pauline ermordet hat. Sie schickt ihn fort und ist starr vor Entsetzen. Der fünfte Akt spiet in der Wohnung Johns. Frau John liegt am Sofa und schläft. Spitta und Walburger unterhalten sich.

Die Polizei ist im Haus und sucht einen Verbrecher. Frau Hassenreuter findet beide und schließt sie erleichtert in ihre Arme. Frau John wacht auf und fängt an wirr vor sich her zu reden. Herr Hassenreter betritt die Wohnung und beschwert sich über einen Zeitungsartikel. Nach einem Gespräch mit der Polizei betritt John in Rage die Szene. Er läßt sich über läßt sich über Bruno, Pauline und sogar über seine Frau aus.

Hassenreuter versucht zu vermitteln. Selma kommt hinzu und trägt dazu bei, daß allmählich alle hinter das Geheimnis des Kindes kommen. Frau John will fliehen, doch sie wird von Schutzmann Schierke aufgehalten. Letztlich gelingt es ihr doch zu fliehen. Als die anderen noch über das Schicksal des Kindes grübeln, hat sich Frau John schon längst umgebracht.   Rose Bernd Rose Bernd, ein "schönes und kräftiges Bauernmädchen von 22 Jahren" ist in den Bauern Christoph Flamm verliebt, und sie erwartet ein Kind von ihm.

Er ist ein vitaler Mann, der eine gelähmte Frau im Rollstuhl hat. Der brutale Maschinist Streckmann, der auch Rose will, weiß von dem Verhältnis zu Flamm, und er erpreßt sie und vergewaltigt sie. Sie kann niemanden etwas davon sagen, weil sie niemanden hat, der ihre Position verstehen würde. Rose hofft jedoch, durch die Heirat mit dem frommen Buchhalter August Keil, den Roses frommer Vater für sie ausgesucht hat, die Schande verbergen zu können. Später versucht Streckmann noch einmal, sie zu vergewaltigen, aber dieses Mal schreit Rose, und Keil möchte sie verteidigen, aber der viel stärkere Streckmann schlägt ihm ein Auge aus. Streckmann beschuldigt sie bei dieser Auseinandersetzung mit Keil, mit allen Männern geschlafen zu haben.

Es kommt zu einem Prozeß gegen Streckmann, aber bei diesem Prozeß sagt Rose nicht, was ihr passiert ist, weil sie sich schämt. Immer wieder von Männern verfolgt, weiß sie nicht mehr, was sie tun soll, sie weiß sich nicht mehr zu helfen. Nach der Geburt ihres Kindes tötet sie es, dann sucht sie Zuflucht im Vaterhaus, wo sie dem Vater und Keil Meineid und Mord gesteht.   Vor Sonnenuntergang Der siebzigjährige Geheimrat Clausen, Großindustrieller und Inhaber eines Verlagshauses, fühlt drei Jahre nach dem Tod seiner Frau eine aufkeimende Neigung zu dem Mädchen Inken Peters, der Nichte des Gärtners auf einer seiner Besitzungen. Seine erwachsenen Kinder, Schwiegersöhne und -töchter beobachten diese Neigung mit Mißtrauen und aufsteigendem Haß gegen das Mädchen, das die Liebe des Geheimrats erwidert. Sie veranstalten ein förmliches Kesseltreiben gegen Inken, von dem sich nur Clausens jüngster Sohn Egmont zurückhält.

Die Seele der Familienfronde ist Bettina Clausen, ein hysterisches Geschöpf, die in der neuen Liebe ihres Vaters eine Schändung des Andenkens ihrer verstorbenen Mutter sieht und darin von dem mit den Clausens befreundeten Pastor Immoos bestärkt wird. Der Geheimrat seinerseits verrät seinem alten Freund, dem Cambridger Professor Geiger, daß er sich von seiner Familie verlassen fühlt. Es kommt zum offenen Bruch, als Clausen sich mit Inken verlobt; seine Kinder haben Inkens Gedeck von der Tafel entfernt und ihr damit zu verstehen gegeben, daß es in der Familiengemeinschaft keinen Platz gibt. Clausen kauft ein Haus in der Schweiz, wo er mit seiner künftigen Frau leben will - da ist der entscheidende Schlag gegen ihn schon geführt: seine Kinder haben ihn entmündigen lassen. Er gerät in furchtbare Erregung, bricht dann aber in den Armen Inkens zusammen. Halb irr vor Wut und Schmerz über das, was ihm seine Kinder angetan haben, eilt er kurz darauf nach seinem Gut Broich (wo Inkens Onkel Gärtner ist), um von dort aus seine Flucht zu betreiben, aber die Meute ist schon hinter ihm her.

Um ihr nicht in die Hände zu fallen, vergiftet er sich mit Zyankali. Der herbeigerufene Pastor sucht die Familie von dem Sterbenden fernzuhalten, aber Geiger meint bitter, man solle sie nur hereinlassen: sie habe erreicht, was sie wollten. Michael Kramer Der Kunstmaler und Akademieprofessor Michael Kramer muß sich den Vorwurf gefallen lassen, seinen Sohn Arnold mit seinem unermeßlichen Kunstanspruch zugrunde gerichtet zu haben. Arnold, außerhalb aller sozialen Bindungen stehend, verbringt die Nächte in einem bürgerlich-spießigen Lokal und fertigt dort Skizzen an. Für die geistlose Wirtshausgesellschaft wird der zum verkannten Genie hochstilisierte und später nach einem Streit vom Vater fallengelassene Paranoiker zum Stein des Anstoßes und läßt sich, zudem in eine ausweglose Liebesaffäre verstrickt, von seiner Umwelt in den Freitod treiben. In dem 1900 uraufgeführten Schauspiel thematisiert Hauptmann das brisante Verhältnis von Künstlertum und Gesellschaft.

Ausgangspunkt des Konflikts ist die tiefe Kluft zwischen dem absoluten Kunstanspruch Michael Kramers und der verständnislosen "Durchschnittlichkeit" der bürgerlichen Gesellschaft. Die Vorwürfe, die gegen das Werk erhoben wurden, bezogen sich auf seine geringe dramatische Kraft, die Unausgeführtheit mancher Charaktere wie etwa der Lachmanns und Michaline, die selbst zu wenig in das Geschehen eingreifen. Andererseits wurde die Tiefe der ausgesprochenen Gedanken und Reflexionen gewürdigt. Ob das dargestellte Vater-Sohn-Verhältnis, das Generationsproblem als spannend, dramatisch und zeitgemäß bezeichnet werden kann liegt im Auge des Betrachters.   Der Bieberpelz Während „Die Weber“ das Elend und die Hilflosigkeit der Proletarier widerspiegeln, zeigt der „Biberpelz“ (1893) ihren Lebenswillen und ihre Durchsetzungskraft im Kampf ums Dasein. Hauptmanns "Biberpelz" ist eine der großen klassischen Komödien der deutschen Theatergeschichte - und auch in der niederdeutschen Fassung sind Mutter Wolffen, die ein paar kleine Diebereien benötigt, um ihre Haushaltskasse aufzubessern, und der preußisch strenge Amtsvorsteher Wehrhahn zwei brillant komische Antipoden.

  Dem „Biberpelz“ fehlt ein fünfter Akt, der Schluß ist offen, die Probleme bleiben ungelöst wie im wirklichen Leben. Es gibt weder eine Strafe für die Diebereien noch für das Versagen im Amt. Darin zeigt sich der Versuch Hauptmanns, eine Komödie mit den Mitteln seiner Zeit zu verwirklichen. Zugleich werden aber auch die Grenzen deutlich, die das konsequent naturalistische Programm dem Lustspiel setzt. Die eigentlichen Taten, wie die Diebstähle, finden zwischen den Akten statt oder bleiben völlig im Dunkeln. Das Gewicht verschiebt sich von der Aktion auf die Motivation, von den Taten auf die Charaktere und Gedanken der Personen.

Im allgemeinen ist die Sprache im „Biberpelz“ jedoch ein Mittel, um Realität vorzutäuschen. Die gebildeten, Wehrhahn und Dr. Fleischer sprechen Hochdeutsch. Mutter Wolffen hat hingegen einen mit schlesischen Ausdrücken durchsetzten Berliner Jargon.   Und Pippa tanzt! Das „Glashüttenmärchen“ Und Pippa tanzt!, uraufgeführt am 19.1.

1906 am Lessing-Theater Berlin, wurde im Herbst 1905 in nur wenigen Wochen niedergeschrieben. Eigentliche Märchenmotive fehlen oder werden nur ironisch zitiert. Dennoch erlebt der Leser das Geschehen des II.-IV. Akts als Märchenhaft oder mythisch. Die Wirklichkeit selbst wird zu Märchen, weil sie auf eine bestimmte Weise angeschaut wird.

Bei alledem ist nicht zu übersehen, daß Hauptmanns Umgang mit Zeit, Raum, Handlung auch in diesem seinem modernsten Drama den Grundgesetzen der dramatischen Tradition treu bleibt. Unmittelbar nach Pippas erstem Auftreten läßt der Doktor sie aus seinem Champagnerglas trinken. Die gestische Zuordnung wird sogleich verbalisiert. „Schlanke Winde! Schlanke Winde! Auch eine Venezianerin!“, sagt der Doktor. Huhn zerbricht ein Glas im selben Moment, in dem Pippa stirbt. Wolle man eine entsprechende Sichtweise auf das Glashüttenmärchen anwenden, so käme man auf mindesten vier Personen, deren Wünsche, Ängste, Vorstellungen im dramatischen Geschehen Gestalt annehmen.

Es sind dies in erster Linie Hellriegel und Wann, in zweiter der Direktor und Huhn. Quellenverzeichnis   Gerhart Hauptmanns Werke Band 1; Verlag „Das Bergland-Buch“ Salzburg/Stuttgart 1956; Herausgeber und Verfasser: Gerhard Stenzel; Deutsche Literaturgeschichte in einem Band; Herausgegeben von Professor Dr. Hans Jürgen Geerdts; Volk und Wissen Volkseigener Verlag Berlin 1967; Stichwort Literatur; Herausgegeben von Gerald Rainer, Norbert Kern und Eva Rainer; Veritas-Verlag Linz; 5. Auflage (1997) Rowohlts Monographien: Gerhart Hauptmann dargestellt von Kurt Lothar Tank; Veröffentlicht im Rowohlt Taschenbuch Verlag Gmbh, Hamburg, Mai 1959 Gerhart Hauptmann, Epoche-Werk-Wirkung; Herausgegeben von Peter Sprengel; Verlag C.H. Beck München Erläuterungen zu Gerhart Hauptmann Die Ratten von Karl Brinkmann, neu bearbeitet von Reiner Poppe; C.

Bange Verlag – Hollfeld Erläuterungen zu Gerhart Hauptmann Michael Kramer von Dr. Ipke Nommensen/Dr. Edgar Neis, neu bearbeitet von Reiner Poppe; C. Bange Verlag Gerhart Hauptmann: Die Weber, Grundlagen und Gedanken zum Verständnis des Dramas von Gerhart Schildberg-Schroth; Verlag Moritz Diesterweg Frankfurt am Main

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