Franz kafka
FRANZ KAFKA
(1883 - 1924)
Biographie:
Franz Kafka wurde am 3. Juli 1883 in Prag geboren, wo er auch die Volksschule und das humanistische Gymnasium besuchte; damals ein reines Trainingsinstitut für die beiden klassischen Sprachen, denen die Hälfte aller Stunden gewidmet war - Kunst, Musik und moderne Fremdsprachen gab es nicht als Fächer, Deutsch lediglich als dreistündigen Lesebuchkursus: Gedichte "memorieren", poetische Gattungen lernen. Ein verlogenes System, das sich ausdrücklich (so Kafkas Klassenlehrer wörtlich) gegen Schüler richtete, "welche die Kunst des Fabulierens von Haus aus mitbringen". Das Gymnasium war nicht geeignet, wie Kafka schrieb, auch nur einen Funken Anteilnahme zu erwecken, ebenso die wenigen erzieherischen Bemühungen der Eltern. "Unberaten" sei er damals gewesen, schreibt Kafka später. So gewannen weltanschauliche Fragen schon früh Bedeutung: Der Schüler liest Darwin, Haeckel, Nietzsche und abonniert den von Ferdinand Avenarius herausgegebenen "Kunstwart", schließt sich den Zielen des antikleralen Vereins "Freie Schule" an und beschäftigt sich mit Fragen des Sozialismus.
Die Konstellation scheint früh ausgeprägt gewesen zu sein: Ein starkes Interesse an allgemeinen (literarischen, politischen oder sozialen) Fragen, aber Unsicherheit, Angst, "Unberatenheit" dort, wo diese Fragen sich materialisieren oder personalisieren: wo aus Heiratsüberlegungen ein Verlobungszeremoniell werden soll, aus politischen Gedanken ein beruflicher Entschluß, aus Überdruß ein Ortswechsel. Und diese Untentschiedenheit war wiederum Anlaß zu jener fortwährenden Selbstkritik, die die Tagebücher und Briefe Kafkas füllt.
Nach dem Abitur (1901) studierte Kafka im ersten Semester zuerst Chemie, dann Jura und Kunstgeschichte, im zweiten Semester Germanistik, Kunstgeschichte und Psychologie. Im Herbst 1902 wollte Kafka das Germanistikstudium in München fortsetzen, ein Plan, dem sich offenbar der Vater widersetzte. So blieb Kafka in Prag und studierte Jura: Römisches, kanonisches und deutsches Rechts, ”österreichisches Zivil- und Strafrecht, allgemeines und österreichisches Staatsrecht, Völkerrecht, politische Ökonomie. 1906 wurde Kafka zum Dr.
jur. promoviert, anschließend leistete er die vorgeschriebene einjährige Gerichtspraxis ab (je ein halbes Jahr Landgericht und Strafgericht).
Danach wieder ein Versuch, Prag zu verlassen, die "Hoffnung selbst auf den Sesseln sehr entfernter Länder einmal zu sitzen" - so ein Brief aus dem Jahr 1907. Feststeht, daß Kafka jedenfalls nicht das werden wollte, was er später wurde: österreichischer Beamter. Damals hießen die Ziele Wien, Madrid oder Südafrika. Aber es blieb bei Prag, bei der Anstellung als Aushilfskraft bei der Prager Dependance des Versicherungskonzernes "Assicurazioni Generali", dessen übernationale Ausbreitung zumindest noch eine geringe Hoffnung ließ auf die Sessel sehr entfernter Länder.
Die Arbeit in der "Assicurazioni Generali" war unbefriedigend; schon wenige Monate später besuchte Kafka einen Kursus für Arbeiterversicherung an der Prager Handelsakademie, die Vorbereitung auf seinen Eintritt in die "Arbeiter-Unfall-Versicherungsanstalt für das Königreich Böhmen in Prag" im Juli 1908.
Im gleichen Jahr veröffentlichte Kafka die ersten Prosastücke in Franz Bleis Zeitschrift "Hyperion", acht kurze texte, die später in den ersten Band, "Betrachtung" (1912) übernommen wurden. Zu schreiben begonnen hatte Kafka bereits als Schüler; später notierte er: "Mit welchem Jammer...habe ich angefangen! Welche Kälte verfolgte mich aus dem Geschriebenen tagelang! .
..ich bekam selbst innerhalb des Familiengefühls einen Einblick in den kalten Raum unserer Welt, den ich mit einem Feuer erwärmen müßte, das ich erst suchen wollte" (Tagebücher). Der erste größere Text, der sich erhalten hat, entstand während des Studiums: "Beschreibung eines Kampfes", eine sehr locker konstituierte, betrachtende Prosa, "chinesisch" und französisierend im Genre der Zeit, freilich bereits mit kafkascher Thematik, mit dem Staunen über die "Festigkeit, mit der die Menschen das Leben zu tragen wissen", der kaum ertragbaren "Anstrengung, die Dinge der Erde um mich zu sehn".
Franz Blei, Schriftsteller und Literaturhistoriker, Vermittler der zeitgenössischen französischen Literatur und Vertreter eines galanten Jugendstils, hat um diese Zeit (neben dem lebenslangen Freund Max Brod) großen Einfluß auf Kafka ausgeübt, durch die beiden erotischen Zeitschriften "Amethyst" und "Die Opale" (Privatdrucke, 1906 und 1907), durch den (zweimaligen) Abdruck in der Zeitschrift "Hyperion", durch die Verbindung zu Carl Sternheim, dem späteren Mitherausgeber der Zeitschrift "Marsyas", durch die Zeitschrift "Die weißen Blätter" (in der später Kafkas "Die Verwandlung" erschien). Franz Blei machte Kafka wohl auf den Roman "Der Garten der Qualen" von Oktave Mirbeau aufmerksam, einer der Hauptquellen für die "Strafkolonie"; möglicherweise kam der Hinweis auf Regina von Wladiczeks "Fieberschule der Amalgamisten" ebenfalls von Blei.
In den ersten Berufsjahren sind Kafkas Interessen sehr vielseitig. Gemeinsame Ferienreisen mit Max Brod nach Oberitalien, Paris und Weimar. Ausflüge in die nähere Prager Umgebung, Besuche in Cafés und Chantants. Teilnahme an Vorträgen über Psychoanalyse, Theosophie, Relativitätstheorie und Quantentheorie. Zahlreiche Besuche der Aufführungen einer jiddischen Schauspielgruppe. Lektüre von Kleist, Flaubert, Robert Walser.
Im Gegensatz zu anderen prager-deutschen Schriftstellern besuchte Kafka häufig tschechische Wahlversammlungen, so besonders die der Nationaldemokraten, Sozialdemokraten und der Sozialisten, die tschechische Tagespolitik verfolgte er in der Zeitung "Cas". Bemerkenswert schließlich Kafkas Beziehung zum "Klub Mladych" (der pazifistische und antiklerale Ziele vertrat), zur "Tschechischen Anarchistischen Bewegung"; er besuchte Protestversammlungen gegen die Hinrichtung des Begründers der "Modernen Schule" Francisco Ferrer und die des Pariser Arbeiterführers Liabeuf, eine Gedenkfeier für die Pariser Kommune; liest Peter Kropotkin, Michail Bakunin, Lily Braun, Alexander Herzen.
Das Jahr 1912 hat Kafka als Lebenswende angesehen: Es beginnen die "Heiratsversuche" (im August lernt er bei Max Brod Felice Bauer kennen), es entstehen eine erste und Teile einer zweiten Fassung des Romans "Der Verschollene" (Nach Kafkas Tod von Max Brod als "Amerika" veröffentlicht) sowie die Geschichten "Das Urteil" und "Die Verwandlung"; es erscheint das erste Buch ("Betrachtung"). 1913 entstehen keine größeren Werke; die riesige Korrespondenz mit Felice erdrückt jede Produktion. Am 6. September führt Kafka nach Wien zu einem "Internationalen Kongreß für Rettungswesen und Unfallverhütung", danach, "grenzenlos unglücklich", nach Venedig und Riva am Gardasee; die Korrespondenz mit Felice bricht ab.
Im Sanatorium Hartungen in Riva verliebt sich Kafka in die Schweizerin Gerti Wasner, eine Liebe, über die er lebenslang Stillschweigen bewahrt. Am 29. Oktober der erste Brief an Felice: "Ein dauerndes Zusammenleben ist für mich ohne Lüge ebenso unmöglich wie ohne Wahrheit."
(1914)
Im Winter 1916/17 bezieht Kafka ein von seiner jüngsten Schwester Ottla gemietetes kleines Häuschen in der Alchimistengasse auf der Prager Burg; dort entstehen die meisten der "Landarzt"- Erzählungen. Im Juli 1917 verlobt sich Kafka zum zweitenmal mit Felice Bauer; der Ausbruch der Lungentuberkulose im Herbst desselben Jahres ist dann der "offizielle" Grund für die endgültige Lösung des Verlöbnisses. "Falls ich in nächster Zeit sterben oder gänzlich lebensunfähig werden sollte - .
.. so darf ich sagen, daß ich mich selbst zerrissen habe. Die Welt - Felice ist ihr Repräsentant - und mein Ich zerreißen in unlösbarem Widerstreit meinen Körper" (Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande und andere Prosa aus dem Nachlaß). Es war so, daß das Gehirn die ihm auferlegten Sorgen und Schmerzen nicht mehr ertragen konnte. Es sagte 'Ich gebe es auf; ist hier aber noch jemand, dem an der Erhaltung des Ganzen etwas liegt, dann möge er mir etwas von meiner Last abnehmen und es wird noch ein Weilchen gehn.
' Da meldete sich die Lunge, viel zu verlieren hatte sie ja wohl nicht." (Briefe an Milena)
Im Herbst 1917 übersiedelt Kafka zu seiner Schwester Ottla, die in Zörau (Nordwestböhmen) auf einem Bauernhof arbeitete. Im Sommer 1918 in Prag, im Herbst erneuter Urlaub, in Schelesen, wo er Julie Wohryzek kennenlernt, mit der er sich verlobt. Im November 1919 entsteht der "Brief an den Vater". 1920 beginnt der Briefwechsel und die Freundschaft mit seiner tschechischen Übersetzerin Milena Jesenska. Entlobung mit Julie.
Zahlreiche Erzählungen entstehen.
1922 wird Kafka (wegen des fortgeschrittenen Stadiums seiner Lungentuberkulose) endgültig pensioniert. Es entsteht, in Prag und in Plana (bei seiner Schwester Ottla), der Roman "Das Schloß", der im Herbst aufgegeben wird. Danach lebt Kafka wieder in Prag, bis zu seinem Sommerurlaub 1923 in Müritz an der Ostsee, wo er Dora Diamant kennenlernt, mit der er im September nach Berlin übersiedelt. Anfang April 1924 wird Kafka schwerkrank in ein Sanatorium bei Wien gebracht, wo er am 3. Juli im Alter von 41 Jahren stirbt.
Milena Jesenska: "Gewiß steht die Sache so, daß wir alle dem Augenschein nach fähig sind zu leben, weil wir irgendwann zur Lüge geflohen sind, zur Blindheit, zur Begeisterung ... Aber er ist nie in ein schützendes Asyl geflohen ...
Darum ist er allem ausgesetzt, wovor wir geschützt sind. Er ist wie ein Nackter unter Angekleideten."
Die Eltern:
Seine Eltern, die beide erst um 1880 aus der böhmischen Provinz nach Prag übersiedelten, repräsentieren geradezu das gesellschaftliche und sprachliche Gemisch der damaligen k.k. Landeshauptstadt: Der Vater, Hermann Kafka, stammte aus dem tschechisch-jüdischen Provinzproletariat, einer Fleischhauerfamilie im winzigen südböhmischen Ort Wossek, die Mutter Julie aus einer vermögenden deutsch-jüdischen Tuchhändler- und Brauerfamilie in Podiebrad an der Elbe. 93 Prozent der Einwohner Prags zu dieser Zeit sprachen tschechisch - die 7 Prozent Deutschsprechenden repräsentierten aber zugleich die Oberschicht: Beamte, Industrielle, Offiziere, Kaufleute, Bankiers.
So wurden die Kinder der Familie Kafka (der Sohn Franz und drei Töchter Elli, Valli und Ottla), deutsch erzogen, um ihr bürgerliches Fortkommen zu sichern.
Kafkas Vater hatte in seinem sich immer mehr vergrößernden Galanteriewarengeschäft ein polterndes Domizil aufgeschlagen, die Angestellten galten ihm als "Vieh" oder "Hunde"; die gütige und kluge Mutter hatte ihm dort oder beim abendlichen Kartenspiel stets Gesellschaft zu leisten. Das Kind wuchs unter der Obhut von Köchinnen, Ammen und Dienstmädchen auf, die Erziehung durch die Eltern beschränkte sich auf Anweisungen bei Tisch und Befehle.
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