Walter-ludwig skolud
walter-ludwig skolud <waluliso@gmx.net>
Gedanken zu Franz Kafka
Gedankenfragmente aus Alice Miller "Du sollst nicht merken"
Kafka hat in seinen Werken nicht die Struktur der Träume nachgeahmt, sondern er hat im Schreiben geträumt. In seinen Werken konnten Erlebnisse aus früher Kindheit ihren Ausdruck finden, ohne daß er es selber wußte. (Analogie zu träumenden Normalmenschen)
Daraus resultieren zwei Möglichkeiten:
Kafka ist ein großer Visionär, der die Gesellschaft durchschaut hat .(guter Draht zum lieben Gott)
Die Wurzeln seiner dichterischen Werke sind in seiner frühen Kindheit unbewußt erlebt worden, und dort zu suchen.
Wir können uns der Wahrheit seiner Stücke nicht entziehen, weil diese aus dem Reichtum intensivster Erlebnisse der frühen Kindheit schöpfen.
Weiters hat Kafka in seiner Kindheit nie das Glück gehabt einen ihn verstehenden Menschen zu kennen.
Der Ausspruch: "Große Werke verdanken ihre Existenz der frühen Traumatisierung des Dichters", bei Kafka übernahmen seine Eltern diese Rolle."Die Schläge haben ihm (uns) gutgetan" In der Kindheit jedes Menschen gibt es Leiden, nur Kafka erlebte sie als sensibler Mensch viel stärker. Er "speicherte" die erlebten Gefühle und machte sie zum Bestandteil seiner Phantasie. Dadurch überlebten sie seine Kindheit : Die Trennung von den ersten Bezugspersonen, sowie die Verknüpfung mit neuen Phantasiefiguren garantierten das überleben der Neurose.
Es ist normalerweise unmöglich, daß ein Mensch, der als Kind die Möglichkeit gehabt hatte, seine Gefühle und Gedanken relativ frei auszudrücken, so erschütternde Werke mit dieser Intensität hätte schreiben können.
Aber es ist verständlich, daß in solchen Fällen der Erwachsene keine oder idealisierende Erinnerungen an die Kindheit hat, weil die Wahrheit für das Kind nicht ertragbar war.
These: "Glücklicherweise hatten die großen Dichter eine schwere Kindheit, sonst gäbe es ihre großen Werke nicht." A.M.: Diese Dichter wären dann ohne dieses "Gift" viel freier und produktiver gewesen. Die Gesellschaft profitiert von den Werken trotzdem, insofern sie solche Werke als "Spiegel" benutzen kann.
Neue Betrachtungsweise:
Prozeß unverständliche Schuldgefühle
Schloß Ohnmacht
Verwandlung Einsamkeit, Isolierung
Die Unzulänglichkeit Kafka mit normalen Mitteln der Psychoanalyse (Freud) zu interpretieren wird durch den Versuch Günter Meckes aufgezeigt: Nach der Triebtheorie ist der Prozeß eine sexuelle Bewährungsprobe. K. weder heterosexuell (Fr. Bürstner) noch homosexuell (Titorelli), wird von den zwei Häschern strafweise anal vergewaltigt!
Somit ergibt sich ein weiteres Problem: Kafka wäre mit konventionellen Mitteln der Psychologen nicht behandelbar gewesen. (Anmerkung von A.M.
: Gefahr durch Analytiker die den Patienten nicht verstehen können. Diese rächen sich an solchen Patienten, indem sie sie mit falschen Deutungen in den Griff zu bekommen suchen. Kreativen Menschen wird so mit der Triebtheorie ihre "schmutzigen Gedanken" nachgewiesen - diese sind gänzlich unverstanden dadurch gehemmt.)
Kafka wurde genauso schon damals von seinem Vater nicht verstanden, und dadurch verachtet, verspottet, gehaßt.
Der 29 jährige Kafka notierte, daß er beim Vorlesen seiner Erzählung "Das Urteil" am Schluß den Tränen nahe war. Er hatte, in seiner Kindheit mit allem was ihm beschäftigte, alleine gelassen, einen großen Drang zu reden.
Die Mutter Kafkas wird sehr still und gütig dargestellt.(in der Literatur) Sie hatte selber im Alter von drei Jahren ihre Mutter und auch ihre Großmutter verloren. Sie blieb ihr ganzes Leben ein stilles gefügiges Kind ihres Vaters und später ihres Mannes.
Kafkas Werke zeigen uns, wie ein Kind seiner Erlebnisintensität der Gefühle ausgesetzt ist, wenn niemand ihm beistehen kann. Kafka war in seiner Kindheit dem machtfreudigen Hauspersonal völlig ausgeliefert. Demütigungen von "oben" wurden an ihm weitergegeben.
Es entwickelte sich in ihm eine Sehnsucht (Hunger->Hungerkünstler) nach zuhörenden Menschen. Diesen Respekt kann man einem Kind nur dann zuteil werden lassen, wenn man sich selber als Person ernst nimmt. Dazu war nun seine Mutter unfähig. Das zeigt sich auch in einem Brief an Felice worin er betont wieviele Menschen gekommen sind ihn zuzuhören. Seine Mutter hörte ihm nicht zu - jetzt hören ihm aber viele zu. Allerdings hat er Angst davor nicht verstanden zu werden.
(zeigt sich in seinen Vorlesungen und in einem Traum, wo er träumt nicht eigene, sondern Flauberts Werke vorzutragen) Ein Kind schämt sich, wenn es vergeblich um Verständnis geworben hat. In den Briefen an den Vater zeigt sich wie ein sensibles Kind Situationen erleben kann, die für uns zwar normal sind, aber das Kind nicht weiß wie ihm geschieht: z.B. ein Jux, ein Spiel, eine Drohung an deren Ausführung man ja gar nicht denkt. Das Kind kann es jedoch nicht wissen, es wartet vielleicht täglich auf die angedrohte Strafe. (harmlose Szenen auf K.
s Schulweg: Kindermädchen droht ihm beim Lehrer schlechtzumachen, als sie dies trotzdem nicht tut "vertröstet" sie ihn auf den nächsten Tag)
Auswirkungen:
Prozeß K. ist morgens noch im Bett als ihm der Prozeß anngedroht wird. (Analogie zu Schulkind) Die Beweisführung ist für ihn undurchsichtig... fühlt sich schuldig und bleibt doch alleine, weiß nicht wann der Prozeß ist,.
..
Schloß ähnlich wie oben; Frage: Wann wird er endlich ein legales Mitglied der Gemeinde. Landvermesser: Wie soll sich ein Kind die Tatsache erklären, daß dieselbe Mutter die dem Kind Liebe beteuert, den wahren Bedürfnissen gegenüber ahnungslos bleibt: er kann an sie nicht herankommen, so wie der Landvermesser nie an das Schloß herankommen kann. Kafka schildert im Schloß die unendlichen Anstrengungen eines Kindes, mit Hilfe des Verstehens aus der Einsamkeit herauszukommen und den Fluch der Isolierung zu durchbrechen; die Bemühungen bei bei den belanglosen, zufälligen Gesten und Worten der Dorfbewohner Zeichen des Wohlwollens oder Ablehnung des Schlosses zu erblicken; die Hoffnung endlich einmal einen Sinn in dieser absurden Welt ausmachen zu können - einen Sinn der einen tragen und in die Gemeinschaft der Schloßherrenschaft (Eltern!) einbeziehen kann.
Vergleich: Gedanken eines Kindes: Wenn man mich geboren hat will man mich haben - Was muß ich aber nun tun, damit man sich an mich erinnert, mit mir spricht, mich ernst nimmt, etc.
Das kleinste Zeichen des Wohlwollens wird nun vom Kind ausgebaut, vielfach interpretiert bis die Hoffnung durch unbestreitbare Gleichgültigkeit der Umgebung zusammenbricht. Da ein Kind aber nicht ohne Hoffnungen und Phantasien leben kann, dauert dieser Zustand nicht an. Beispiel: Der Landvermesser baut immer wieder seine Luftschlösser auf - wenn er keine Beziehung zu den Grafen im Schloß aufbauen kann - so wenigstens zu seinen Beamten.
Wie der Landvermesser im Schloß blieb das Kind Kafka mit seinen Gedanken und Spekulationen über Beziehungen der Erwachsenen untereinander und zu ihm völlig alleine; wie der Landvermesser wurde er in der Familie nicht ernst genommen, wurde bloßgestellt, irregeführt, mit Versprechungen abgewimmelt, erniedrigt,...
ohne daß im eine Person verstehend und erklärend beigestanden wäre. Seine 9 Jahre jüngere Schwester war ihm erst später eine Hilfe. Bis dahin lebte er in einer ähnlichen Atmosphäre wie der Landvermesser im Schloß :
unverständliche, undurchschaubare Schikanen
ständige Inkonsequenzen, Widersprüche
gerufen und doch unbrauchbar
totaler Kontrolle unterworfen oder völlig unbeachtet
gedemütigt und verspottet oder zu Hoffnungen verführt
mit unbestimmten Forderungen beauftragt, die er selber erraten muß
in ständiger Unsicherheit ob er richtig geraten hat
Er muß nun einen Sinn in dieses Chaos bringen - es gelingt ihm nicht. So ergeht es nun oft einem Kinde: die Eltern nennen es "spielen", amüsieren sich, wenn das Kind vergeblich nach den Regeln des Spieles sucht, die sie ihm wie Pfeiler ihrer Macht nicht preisgeben.
So leidet der Landvermesser im Schloß unter der Undurchschaubarkeit seiner Umgebung, wie ein Kind ohne begleitende Bezugsperson. Er leidet unter der Sinnlosigkeit der Bürokratie (Erziehungsprinzipien!), der Unzuverlässigkeit der Frauen und dem Prahlen der Angestellten.
(der einzige Mensch der ihm die Zusammenhänge teilweise erläutern kann ist Olga, selbst ein Opfer.) Diese Tragik, mit dem einfachsten logischen Gedanken nirgends anzukommen durchzieht Kafkas gesamtes Werk. Das Leiden des kleinen Kindes an der Mutter blieb Kafka emotional unzugänglich, er konnte es literarisch nicht verarbeiten. Dagegen konnte er Schwierigkeiten mit dem Vater (spätere Zeit) aufzeigen. Ein Mensch, der einsam in der Kindheit war, versucht zunächst seine Kindheit nachzuholen. Die Mutter hatte nicht nur keine Zeit für ihren Sohn - sie hatte keine "Antennen", kein Verständnis für ihn.
Auch Felice konnte nicht seine Welt verstehen. Er liebte sie gerade deswegen, weil sie ihn so an seine Mutter erinnerte. (Er hatte genauso zu Felice keinen Zugang wie er früher zu seiner Mutter keinen Zugang hatte, sie war ebenso kühl, sachlich, zweckorientiert wie sie,...) Für Kafka bedeutet die Sprache alles; deswegen litt er so an seiner Isolation.
Doch warum versuchte Kafka 5 Jahre lang, unter solchem Zwang seine Anstrengungen durchzusetzen? (bei Felice) Der Grund ist wieder bei der Mutter zu suchen: Ein Kind kann sich seine Mutter nicht aussuchen - es muß daher sich um einen Dialog mit seiner Mutter bemühen. Kafka konnte diesen Dialog nicht ohne weiteres haben -> krampfhafte Anstrengungen. Er brauchte ihre Gegenwart wie Luft zum Leben - klammerte sich an sie - spürte allerdings wie er sie überforderte. Er fürchtet nun daß sein Hunger nach Beziehung falsch oder unangebracht ist, nur weil seine Mutter diesen Hunger nicht stillen, ertragen konnte. Deswegen lößt er sich auch nicht von Felice, die Versagungen sind ihm ja schon bekannt gewesen.
Problematik: Kafka merkt im Unterbewußtsein schnell die Ähnlichkeit Felices mit der Mutter.
Er erhofft sich längst begrabene Hoffnungen seitens der Mutter durch sie wieder aufleben zu lassen können. Da sie dies nicht erwidern kann, ja befremdet ist, sucht er die Schuld krampfhaft bei sich.
In seinen Briefen an Felice: Zuerst Hoffen, Flehen um Zuwendung, erst später Vorwürfe gefolgt von Angst durch die Vorwürfe Felice verloren zu haben!
Wenn ein Mensch früh erfahren mußte, daß er der Mutter lästig ist, kann er sich nur schwer vorstellen, daß er anderen Menschen, die ihm lieb sind, nicht auch lästig sein sollte. Er wird nun unbewußt provozieren ihn selber schwer zu ertragen, indem er den anderen als "unentbehrlich" bezeichnet. Das überfordert natürlich den anderen, und führt zu der ursprünglich nicht gewollten, reservierten Haltung.
Felice reagierte naturgemäß mit Reserviertheit.
In einem seiner Antworfbriefe schreibt Kafka, der nun krampfhaft die Schuld bei sich selbst sucht, er sei ein lügnerischer Mensch. Er zögert aber nicht in dem gleichen Brief seine Krankheit als psychosomatisch zu beschreiben, offenbart also seine tiefsten Geheimnisse und Wahrheiten.
Kafka selber konnte nicht wissen, daß seine Schriften Erlebnisse aus seiner Kindheit darstellen. Als Schriftsteller hatte er die Fähigkeit im Konkreten das Allgemeine zu sehen. Kafka ist durch seine gespeicherten Erinnerungen und Gefühle, die die Umwelt seiner Kindheit in ihm hervorrief, zur Erkenntnis dieser urmenschlichen und im Grunde alltäglichen Situationen gekommen. Er mußte sie wie jeder Mensch von den ursprünglichen Ereignissen mit den ersten Bezugspersonen abspalten, doch sie haben sich in ihm erhalten, konnten sich in seiner Phantasie mit erfundenen Gestalten vermischen.
Für Kafka war es nun leichter sich gegen die Ansprüche eines polternden Vaters zu wehren, doch wie hätte er der liebevollen Mutter erklären können ( sie bezeichnete ihn als "der glücklichste unter den Sterbenden" ), daß sie die wichtigsten Bedürfnisse ihres Sohnes nicht sieht. Er kann es ihr nicht erklären - sie wird ihn ja doch nicht verstehen. ("Versuche jemanden die Hungerkunst zu erklären")
Verwandlung: Gefühle des kleinen Franz als Säugling (Käfer): kann nicht kommunizieren, unendlose Hilflosigkeit, klein, schwach. Spürt die rührenden Versuche der Schwester und der Mutter die Ekelschranke zu überwinden. Spürt die unbarmherzige Trennung von der ganzen Umwelt, die Schande die er über die Familie bringt. Er selber: Angst, Schuldgefühle, Vernichtungswünsche, Scham vor anderen Menschen.
Er fühlt sich unfähig sich zu artikulieren ist er von den anderen nicht verstanden und zum Tode verurteilt, wenn nicht doch eine Person sich seiner annehmen würde und eine Kommunikation, die schwierig ist, doch noch anstellen könnte.
Die Verwandlung beschreibt das Lebensgefühl eines, wenn man so will, neurotischen Menschen, der sich von den anderen isoliert fühlt, keine gemeinsame Sprache mit ihnen hat, auf ihr volles Verständnis angewiesen ist, das er nie findet, der seine Tragik nie formulieren kann und stumm bleiben muß, sich von den anderen gehaßt und verachtet fühlt sobald sie sein wahres Selbst erblicken, owohl sie ihm noch kurz davor, als er im falschen angepaßten Selbst des guten, braven Sohnes lebte, wie ihresgleichen behandelt haben, ohne sich je zu fragen, wer er wirklich sei.
Kafka erlebt sich in seinem Brief an den Vater als ein kleines Gerippe welches unsicher neben dem großen Vater steht. (Schwimmbad "Schande des öffentlichen Auftretens") Die Haltung entsteht durch den sichtbaren, unsichtbaren vor allem inneren Blick des Vaters. Kafkas Vater war als Sohn eines starken Vaters genötigt für ihn schwer zu arbeiten. (Respektsperson, ließ seinen Kindern ihre Schwäche spüren) Der Vater konnte dadurch Kafkas schwaches Wesen nicht akzeptieren und dadurch stärken, mußte diesen schwachen Teil ablehnen.
Er selber hatte durch eigene Stärke bei seinem Vater überlebt, und sich die Stärke als Lebensphilosophie zurechtgeschmiedet. Kafka konnte dies als sensibles Kind nicht entgehen.
Sein Vater war ein impulsiver Mensch, oft überlastet, ungeduldig und durch seine schwere Kindheit geprägt: er verschaffte sich über seinen einzigen Sohn "Erleichterung". Er schlug zwar seinen Sohn sicher nicht regelmäßig, aber Franzi hatte ebenso sicher keine Ahnung, worin seine Schuld lag, wenn er gezüchtigt wurde. (Glas Wasser in der Nacht)
Urteil:
A.M.
sieht in dem Vater den realen Vater aus der frühen Kindheit, der, wie viele andere Väter mit dieser Vorgeschichte, das Opfer des kleinen Sohnes brauchen. So geht Georg statt in die Verlobung in den Tod, wie Kafka in die Lungenkrankheit, die ihn, wie er mehrmals schrieb, "von der Verlobung rettete" Darüber hinaus zeigt Das Urteil auch die Einsicht in die Funktion der Söhne als Opfer ihrer Väter.
Seine Briefe zeigen einen inneren Kampf zwischen der Furcht, den geliebten Menschen zu verlieren, wenn man sich selber treu bliebe, und der panischen Angst, sein Selbst zu verlieren, wenn man sich verleugnen würde.
Ein Kind muß sich anpassen, weil es alleine nicht überleben kann. Bei Felice läuft die Handlung nun ähnlich wie bei der Mutter. Nur weiß Kafka am Ende der Beziehung, daß er das Schreiben nicht aufgeben kann, ohne sich selbst aufzugeben und nimmt die Konsequenz auf sich.
Da dies aber in der Welt aus der er kommt, nicht ohne Schuldgefühle möglich ist, bezahlt er für seinen Entschluß mit der Krankheit.
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