Gary hill
Gary Hill
Biographie:
1951 in St. Monica, Kalifornien geboren
Ende der 60er Jahre Besuch der Art Student’s League in Woodstock, New York, Anfangs Bildhauerei; Er fertigt skulpturale Arbeiten aus Maschendraht.
1973 erste Videoexperimente;
1976 Die Bekanntschaft mit den beiden Poeten George Quasha und Charles Stein hat nachdrücklich sein Interesse an der Sprache und an den Strukturen des Verstehens geprägt und sind ausschlaggebend für den Beginn seiner Sprachexperimente;
um 1980 Arbeiten über die Wechselbeziehungen zwischen Bild, Ton und Sprache auf Videobändern
1979/80 Dozent an der State University of New York in Buffalo
1985-1991 Lehrtätigkeit am Cornish College of Arts in Seattle
Lebt und arbeitet seit 1985 in Seattle, Washington
Seit 1971 zahlreiche Gruppen- und Einzelausstellungen (USA, Europa, Tokyo...)
Auszeichnungen:
Sehr viele, u.
a.:
1995 - Leone d‘Oro, Preis für Skulptur, Venedig Biennale
November 2000 - Kurt-Schwitters-Preis der Niedersächsischen Sparkassenstiftung im Sprenkel Museum, Hannover
Charakteristik seiner Arbeiten:
Hills Videoarbeiten beschäftigen sich mit Wahrnehmung und kommunikativer Handlung im Wechselspiel von Bild und Sprache.
Videotechnik wird zum Durchgangsmedium in eine andere, inwendige Wirklichkeit.
Die meisten Installationen bewegen sich in der Farbpalette grau/blauer, auf das technisch notwendige reduzierter Bildröhren, die die Galerien in die vom Fernseher im Wohnzimmer vertraute Beleuchtung tauchen.
Die Installationen lassen sich von ihrer formalen Struktur in einem Blick erfassen, etwa eine Reihe gleichgroßer Monitore weit über Augenhöhe von Wand zu Wand reichend, ein Rudel verschieden großer auf die Seite gelegter Monitore oder eine in der Mitte des Raumes kreisende Röhre, die nach links und rechts ein rundes Bild projiziert.
Es braucht jedoch sehr viel Zeit, um bei jeder einzelnen Arbeit die Rhythmik einzelner Bildfolgen zu erfassen, die oft zwischen mehreren Monitoren hin- und herspringen oder über eine Reihe von Monitoren ausgedehnt werden.
Hinzu kommt der Sound, der bisweilen einen einschläfernden, lehrerhaften Ton annimmt.
Der Ton nimmt in Hills Werken einen wichtigen Platz ein, seit er Ende der sechziger Jahre den bedeutsamen Entschluss fasste, seine verschweißten Metallskulpturen zum Klingen zu bringen. Er benutzte dafür Endlosbänder, mit denen er den Klang der in den Skulpturen verwendeten Materialien aufnahm, den er dann mit dem Synthesizer verfremdete. Für Hill bedeutete es deshalb keinen großen Schritt, auch bei seinen ersten Videos mit Ton zu arbeiten, obschon dies beim damaligen Stand der Technik nur sehr wenige andere Videokünstler taten.
»Die Sprache kann eine unglaublich starke Materie sein – sie hat so etwas an sich, das, wenn es uns gelingt, sie ihrer Geschichte zu entledigen und zu ihrem eigentlichen Wesen vorzudringen, sofort seine Klauen in uns schlägt, während Bilder manchmal einfach am Rande des Bewusstseins vorüberziehen, als ob wir durch ein Autofenster blickten.«
Seine künstlerische Sprache, die sich in Videobändern, vor allem aber in Videoinstallationen manifestiert, schildert die Wirklichkeit nicht ab, sondern lässt sie im Prozess der Bilder allererst entstehen.
Die meisten Videokunstwerke von Gary Hill zeigen Menschen, die so real wirken, dass man oft das Gefühl hat, sie befänden sich mit einem im selben Raum. Wie keinem anderen Künstler gelingt es Hill, mit den modernen Techniken die Aura von physischer Präsenz zu erzeugen.
Seine Arbeiten:
Tall Ships, 1992
Der Betrachter hat beim Durchschreiten eines länglichen Raumes immer den Eindruck, die projizierten Personen rechts und links an den Wänden würden individuell auf ihn reagieren, auf ihn zukommen, wenn er sich näherte und sich abwenden, wenn er sich wieder entfernte.
Durch die Teilnahme 1992 an der ›documenta 9‹ in Kassel (Tall Ship) und die anschließende Ausstellungsretrospektive, die in verschiedenen europäischen Museen gezeigt wurde, erreichte Garry Hill eine breitere, nicht nur auf das Medium Video spezialisierte Öffentlichkeit.
Viewer, 1996
Sehr direkt und damit auch unheimlich gestaltete sich der Kontakt mit der überlebensgroßen Front der Arbeiter in „Viewer“, 1996. In einer Reihe standen einem siebzehn Männer aller Rassen stumm gegenüber, ab und zu bewegten sie sich ein wenig, und es sah so aus, als ob sie jeden Moment losmarschieren würden.
Remarks on Color, 1994, Farbe (Bemerkungen über die Farbe)
Ein junges Mädchen auf einem Stuhl sitzend, liest aus Wittgensteins "Remarks on Color". Die Schwierigkeiten der Syntax, des ungewohnten Vokabulars und das Nichtverstehen des Textes führen zu einem monotonen Sound, der jeglichen Versuch, die Bedeutung des Textes zu vermitteln, ad absurdum führt.
Das Gefühl einer direkten körperlichen Erfahrung wird ausgelöst. Die Rezeption scheint mit dem Geschehen zu verschmelzen, man zittert mit dem kleinen Mädchen um den nächsten Satz, den es zwar vorlesen, aber offensichtlich nicht verstehen kann.
"Remarks on Color", als Videogroßprojektion ist die einzige Arbeit von Gary Hill in seiner Retrospektive von 13 großen, zumeist einen ganzen Raum einnehmenden Videoinstallationen aus den letzten zehn Jahren im Guggenheim Museum New York down-town, die wirklich farbig ist.
Circular Breathing, 1994
In einem an Ebbe und Flut erinnernden Bilderstrom über fünf hochformatige Videoprojektionen hinweg entsteht eine solche Dichte, die auch hier das Gefühl einer direkten körperlichen Erfahrung auslöst und man ist versucht, seinem Atemrhythmus den Bildersequenzen anzupassen.
Gary Hill erzählt kleine Momente, Begegnungen zwischen Menschen, die einen fast vergessen lassen, dass die anderen rein virtuell sind.
Suspension of Disbelief, 1991-92
In "Suspension of Disbelief (for Marine), 1991-1992" löst sich selbst in der Abbildung des nackten Körpers die geschlechtliche Konnotation und Zuordnung auf.
Gary Hill löst das fotografische Bild eines Menschen in seine Bestandteile auf. Er benutzt seine Bilder wie eine Sprache. Die Dekonstruktion, die Hill mit den Bildern betreibt, führt konsequent zur Rekonstruktion des Menschen, der, je freier er mit den Bildern umgehen kann, desto bereitwilliger sich selbst in ihnen entdeckt. Die lineare Anordnung der Monitore visualisiert die Scanlines, jenes technische Verfahren, mit dem bekanntlich Video- und TV-Bilder konstruiert werden.
Hill zerlegt den Körper sequenziell wie eine Scanline, auf der die Körperorgane ständig rekombiniert werden.
I believe it is an Image in Light of the other, 1991-92
(mixed media installation)
Videoprojektionen von Gesichtern auf die Seiten aufgeschlagener Bücher - wirft vielleicht ein Licht auf die komplexen Fragestellungen, ist das Vertrauen ins Medium einmal erschüttert. Sicher ist jedes Videobild, egal in welcher technischen Norm, ob 25 oder 30 Bilder pro Sekunde oder willkürlich festgelegt, ein Bild im Licht des vorigen Bildes. Dieses vorige Bild ist aber auch schon mit Worten und Gedanken, Text, versehen. Die Videokamera selbst ist ein Apparat, der Wirklichkeit abbildet. Also ist auch dieses Bild schon mit Empfindungen, Gedanken, Text beladen.
Cut Pipe, 1992
Die Arbeit »Cut Pipe« besteht aus zwei Abschnitten eines starken Aluminiumrohres, die sich in einem Abstand von ca. 20 cm auf dem Boden gegenüber liegen. Eine der Öffnungen wurde mit einem runden Lautsprecher verschlossen, auf dessen Oberfläche ein schwarz-weißes Videobild aus der gegenüberliegenden Öffnung heraus projiziert wird. Man sieht zwei Hände die einen Lautsprecher ertasten. Begleitet wird dieser Loop von einem von Hill verfassten und gesprochenen Text. Er erklingt aus einem Lautsprecher, der - nicht sichtbar- im Inneren der zweiten Röhre fixiert wurde.
Der Text beschreibt in einfacher Syntax den Vorgang des Ertasten, ist Reflexion und Kommentar zur Rückbezüglichkeit von Videobild und den skulpturalen Elementen.
Withershins, 1995 (interaktive Soundinstallation mit Videoprojektion)
Auf der Biennale 1995 in Venedig präsentiert er ein Labyrinth mit „Wörtern“, welche durch die Präsenz von Besuchern aktiviert werden. Sie erzeugen verschiede Reden, je nachdem welchen Weg sie wählen.
Primarily Speaking,1981-83, 1992
Zwei sprechende Bildschirmwände sind dialogisch gegenüber komponiert.
Hill beschränkte den Text vornehmlich auf Redewendungen. Durch ihre Verwendung zeigt Hill auf, dass Sprache häufig nicht an sich informativ ist, dass die Bedeutung zum Großteil auf abgenutzten Formen wie floskelhaften Phrasen beruht und, stärker noch, auf Kontext anstatt immanentem Inhalt.
Dervish 1993-95
Eine in der Mitte des Raumes kreisende Röhre, die nach links und rechts ein rundes Bild projiziert.
Hill zeigt uns an einer 180 Grad gerundeten Wand zwei flackernde unvermutet hin und her springende Sequenzen, in denen Bilder eines scheinbar abstürzenden Flugzeuges, einer Hand, die eine Tischlampe anknipst, oder eines Gesichts, das von einem Händepaar bedeckt ist, untermalt werden von einer den ganzen Körper erfassenden ungeheuren Soundkulisse, die später in eine sufistisch geprägte Musik übergeht, wie sie Derwische zur Herbeiführung ekstatischer Rauschzustände benützen. Dazu ertönt das an- und aufschwellende Rattern von Spiegelrotoren, die vor den Projektoren angebracht wurden, und je nachdem, wie schnell sie sich drehen, schemenhaft dunkle oder entsprechend klarere Bilder an die Wand werfen. Auch bei Gary Hill wird sich der Betrachter seiner Ortlosigkeit sehr deutlich bewusst. Zwischen den herumspringenden und sich überlagernden Bildfolgen gibt es nur einen idealen Betrachterstandort. Der aber ist von der Projektionsmaschinerie besetzt.
Zusätzlich fühlt man sich durch das Rattern der Spiegelkarusselle und die sepiafarbene Unschärfe der Bilder aber auch in die Frühzeit des Kinos versetzt, als die Bilder mühsam das Laufen lernten. Ganz zum Schluss steigert sich die Geschwindigkeit noch einmal, und wir sehen Teile eines männlichen und eines weiblichen Körpers bei dem Versuch sich zu lieben. Danach wird es ganz dunkel. Dann glimmt ein winziges Glühlämpchen im Raum auf, und wir sind wieder allein - mit uns und der Welt.
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