Spezialgebiet
Friedrich Dürrenmatt wurde am 5. Januar 1921 in Konolfingen (Kanton Bern) geboren. Pfarrer Reinhold Dürrenmatt und seine Frau Hulda Dürrenmatt-Zimmermann hatten lange auf Kindersegen gewartet und 1924 wurde ihnen noch die Tochter Vroni geboren.
Reinhold Dürrenmatt galt als guter Seelsorger und besuchte bis ins hohe Alter die Kranken. Mit den Interessen seines Sohnes war er niemals einverstanden, und Fritz, wie Friedrich Dürrenmatt von den Eltern und Spielkameraden genannt wurde, respektierte seinen Vater aber von einer innigen Beziehung konnte keine Rede sein.
Als "Fritz" Schriftsteller wurde, besuchte sein Vater nur die ersten Premieren, die moderne Literatur blieb ihm fremd.
In der Familie führte die Mutter das Regiment. Auch im Dorf und dessen Umgebung gab sie den Ton an. Sie organisierte Pfarrfrauentagungen und Mütterabende, hielt Vorträge, kümmerte sich um Notleidende, zwischen ihr und Fritz aber war eine Mauer. Dem Sohn mißfielen ihre gespielte Bescheidenheit und ihr unentwegtes leidenschaftliches Beten, da für Hulda Dürrenmatt der Mensch alles nur Gott verdanken konnte - auch Fritz später seine Erfolge!
Konolfingen war ein Mischdorf, bestehend aus Bauernhöfen und kleinen Fabriken. Alle kennen einander, wissen voneinander. Es gibt keine bessere Schule für das Leben als das Dorf!
Von Friedrich Dürrenmatt wurde als Pfarrerssohn ein exzellent gutes Benehmen erwartet, und wenn er dem nicht entsprach, wurde ihm das besonders angekreidet.
Viele gingen ihm aus dem Weg, die Bauernjungen versuchten ihn zu verprügeln.
So wurde er zur Einzelgängerei gezwungen, hatte Zeit, seinen eigenen Gedanken und Träumen nachzugehen.Im Dorf lebten drei Maler. Allen dreien schaute der Knabe über die Schulter, war aber enttäuscht, daß der jüngste von ihnen lediglich brave Landschaften malte. Ein anderer porträtierte ihn und schenkte ihm fürs Stillsitzen Malkartons. Auf diese hat Dürrenmatt seine ersten Schlachten gemalt und einmal auch eine Sintflut.
In der Bibliothek seines Vaters fand er eine Shakespeare-Ausgabe, illustriert vornehmlich mit Darstellungen von schwerterschwingenden Helden, und ein Buch über Michelangelo.
Einer seiner Lehrer machte ihn mit der Sternenwelt bekannt. Schon als Achtjähriger konnte er sämtliche Sternbilder mit Namen nennen. Er bastelte sich selbst ein Fernrohr - die Liebe zur Wissenschaft ist ihm geblieben.
Als er vierzehn war zog die Familie um nach Bern und er besuchte ein Freies Gymnasium und dann das Humboldtianum. Er war ein miserabler Schüler.
Er konnte sich nicht auf den Lernstoff konzentrieren. Lieber zeichnete er und saß in Kinos und Cafés, las Karl May, "Gullivers Reisen", Wieland, Lessings "Laokoon", Schopenhauer, Nietzsche. Schließlich trat die Berufswahl an den jungen Mann heran. Dürrenmatt wollte Maler werden, ein anderer Beruf kam nicht in Betracht. Er machte Abitur und wollte die Kunsthochschule besuchen. Aber Frau Dürrenmatt "bestellte" professionelle Maler, die fanden, daß der junge Mann weitab vom gängigen Stil zeichne und rieten ihm von einem Besuch der Kunsthochschule ab.
Entmutigt entschloß er sich Philosophie zu studieren. Herbst 1941 bis Herbst 1942 studierte er in Bern Germanistik und Philosophie, dann zwei Semester Philosophie und Naturwissenschaften in Zürich, jedenfalls war er dort als Student eingeschrieben. Mehr als auf der Universität glaubte er im Atelier des Malers Walter Jonas zu lernen. Durch Jonas lernte Dürrenmatt die deutsche Expressionisten kennen, auch den Namen Kafka hörte er zum ersten Mal. Dürrenmatt begann zu schreiben. Damals nannte er sich "nihilistischer Dichter".
Zurück in Bern, studierte er ohne besonderes Ziel bis 1946 vorallem Kierkegaard und Platon. Während des letzten Semesters reifte sein Entschluß, Schriftsteller zu werden.Der Student Dürrenmatt erlebte den Krieg und schrieb Untergangs- und Endzeitgeschichten. Der erste erhaltengebliebene Prosatext"Weihnacht" entstand Weihnachten 1942 und 1943 schrieb er "der Folterknecht".Als Weltuntergangskomödie bezeichnet er sein erstes kurzes Theaterstück "Untergang und neues Leben". Diese Arbeit begann er schon 1941 und im Sommer 1943 schrieb er das Stück zu Ende.
Die Erzählung "Der Alte" ist seine erste Publikation(1945).
Zwei weitere Erzählungen entstanden 1945: "Das Bild des Sisyphos" und "Der Theaterdirektor".
Friedrich Dürrenmatt liest die griechischen Tragiker, Aristophanes, Shakespeare, sein Liebligsklassiker ist Lessing, später liest er Kafka, Wedekind und Jünger, Sartre und Camus.
Zwischen Mitte 1945 und März 1946 schreibt er "Es steht geschrieben", "Ein Drama" und das Hörspiel "Der Doppelgänger".Im Sommer 1946 lernt Dürrenmatt die Schauspielerin Lotti Geißler aus Ins kennen. Sie studiert in Bern eine Hörspielrolle ein und spielt in dem Film "Vreneli vom Thunersee".
Lotti Geißler und Friedrich Dürrenmatt heiraten am 11. Oktober 1946 zivilgerecht in Bern. Das Paar zieht nach Basel. Lotti ist eine leidenschaftliche Schauspielerin, gibt aber ihren Beruf ihrem Mann und ihren Kindern zuliebe alsbald auf. ( 1947 Geburt des Sohnes Peter)
Am 19.April 1947 wird im Schauspielhaus Zürich Dürrenmatts abendfüllendes Stück "Es steht geschrieben (Ein Drama)" uraufgeführtt.
Dem Stück liegt die Wiedetäufer-Episode im westfälischen Münster zugrunde. Es gibt Parallelen zur nationalsozialistischen Schreckensherrschaft. Dürrenmatt wollte aber sein Stück auf jedes Terrorregime bezogen wissen:
Johann Bockelson, Schneidergeselle und Schauspieler aus Leyden, und Bürgermeister Bernhard Knipperdollinck in Münster, Dürrenmatts Hauptpersonen, sind historische Gestalten. Die revolutionäre Wiedertäuferbewegung ging 1525 von Zürich aus, verbreitete sich über halb Europa, gelangte 1534 in Münster an die Macht und errichtete dort das "Neue Jerusalem", das bald in Despotismus ausartete. Sie konnte vom Heer des rechtmäßigen katholischen Bischofs von Münster erst nach einer Belagerung von 16 Monaten im Juni 1535 gebrochen werden. Die Anführer fielen oder wurden zu Tode gefoltert.
Die eisernen Käfige, in denen ihre Leichname ausgestellt wurden, hängen noch heute am Turm der Lambertkirche. - Die geschichtlichen Vorgänge waren Dürrenmatt Anlaß und Hintergrund für einen großangelegten historisch-phantastischen Bilderbogen, für ein üppig ausuferndes barockes Welttheater, für sein eigenes nihilistisch-pessimistisches Welt-Bild. Das personenreiche Drama löst sich auf in 31 Szenen, aber die Gegenspieler Bockelson und Knipperdollinck treffen nur dreimal aufeinander. Sie vertauschen ihre Rollen. Der reichste Mann Münsters Knipperdollinck verzichtet auf Hab und Gut und Bockelson aus Leyden eignet sich Knipperdollincks Schätze ( einschließlich Frau und Tochter) an.
"Der Blinde (Ein Drama)" wurde am 10.
Januar 1948 in Basel uraufgeführt:
Der blinde Herzog hält die Welt für schön,fruchtbar sich selbst für reich und mächtig.
Er ist glücklich, über glückliche Menschen zu herrschen. Die Welt aber ist in Wirklichkeit (gegen Ende des 30-jährigen Krieges) zerstört, kaputt und die Menschen sind Gesindel, Verräter, Sadisten, am Rande des Untergangs. Der italienische Edelmann Negro da Ponte stellt dem Publikum sein "Heer" vor und wird vom Herzog zum Stadthalter seines vermeintlich blühenden Reiches ernannt. Der blinde Herzo wird dem Publikum menschlich nicht nahegebracht. Er ist eine Gestalt aus Gedanken und Prinzipien.
"Der Blinde" findet auf einer geistigen Ebene statt, schwebend über dem Publikum, das vom wahren Gehalt wenig begreift. Auch mit diesem Stück setzt sich Dürrenmatt mit dem Glauben an sich, der Gnade Gottes, auseinander.
"Romulus der Große ( Eine ungeschichtliche historische Komödie in vier Akten)":
Am 6.August 1947 war dem Ehepaar Dürrenmatt der Sohn Peter geboren worden, und Dürrenmatt hatte sich zum Ziel gesetzt, allein mit seiner schriftstellerischen Arbeit die Familie zu ernähren, ein höchst wagemutiges Unterfangen sei. Nach dem Mißerfolg "Der Blinde" konnte sich die Familie in Basel nicht mehr halten und zog im Juli 1948 zur Schwiegermutter nach Schernelz am Bieler See. Aber die finanziellen Sorgen blieben.
Dürrenmatts Romolus hat 20 Jahre lang das Römische Reich regiert oder vielmehr nicht regiert. Sein Reich ist geschrumpft und die Germanen erobern es Stück für Stück und stehen kurz vor Rom. Romulus unternimmt nichts. Wer Macht ausübt, läd Schuld auf sich! Die römische Kultur ist am Ende, zu retten ist nichts mehr. Der Kaiser rechnet mit seiner Ermordung. Seine Tochter Rea ist bereit den verabscheuten Hosenfabrikanten Cäsar Rupf zu heiraten.
Der macht nämlich die Bedingung, wenn er mit seinen Milliarden Rom vor den Barbaren retten soll. Romulus sagt nein! Rea ist verlobt mit einem jungen Mann, den die Germanen bis zum Nichtwiedererkennen geschunden haben und der selbst mit Reas Opfer einverstanden ist, aus Staatsräson. Nichts ist Romulus wiederlicher als das. Den Kaiser umzubringen mißlingt. Eines Tages bietet Odoaker Romulus freindlich die Herrschaft über Germanien an aber Romulus lehnt ab.
Der Mensch hat wenig Einfluß auf den Gang der Geschichte, er ist nur Werkzeug.
Romulus geht in Pension.Seine Sippschaft ertrinkt.
Dieser Romulus Augustulus hat wirklich gelebt, aber nur ein Jahr regiert. Er wurde von Odoaker abgesetzt und ausreichend dotiert mit einer Leibrente von 6000 Goldmünzen und einer Villa. Aus dem einen Regierungsjahr machte Dürrenmatt in seinem Stück zwanzig, da die Komödie einen geschichtlichen Hintergrund haben mußte.
Im Spätsommer 1949 mußte Frau Lotti, als sie kurz vor der Geburt ihres zweiten Kindes stand, in einer Klinik behandelt werden.
Das kostete Geld. Dürrenmatt, zuckerkrank, mußte in dasselbe Krankenhaus. Dei Familie stand vor einer finanziellen Katastrophe.
Am 19. September 1949 wurde Tochter Barbara geboren. Nun wurde es bei der Schwiegermutter zu eng, und die Familie mietete ein Haus oberhalb Ligerz am Bieler See.
Schließlich schrieb er für den "Beobachter" den Kriminalroman "Der Richter und sein Henker", der in acht Folgen erschien. Um des Geldes willen geschrieben, ist er gleichwohl ein Meisterwerk.Für die Buchausgabe überarbeitet, wurde er ein Welterfolg. Bis heute sind weit über eine Million Exemplare verkauft worden.
DER RICHTER UND SEIN HENKER
1.Kapitel:
Am 3.
November 1948 findet der Polizist des Schweizer Dorfes Twann am Rande der Landstraße in einem blauen Mercedes eine männliche Leiche. Die Schläfen des Mannes sind durchschossen. Er trägt unter seinem dunkelgrauen Mantel einen eleganten Abendanzug. Man hat ihn nicht ausgeraubt, und so läßt sich die Identität an Hand der mitgeführten Papiere feststellen: es handelt sich um Ulrich Schmied, Polizeileutnant im Dienste der Stadt Bern. Der Polizist schiebt den Toten auf den Beifahrersitz, setzt sich ans Steuer und bringt ihn in die nächstgelegene Stadt.
In Bern informiert man den Vorgesetzten des Ermordeten, den bejahrten Kommissär Bärlach.
Dieser braucht seine ganze Autorität, um die Angelegenheit während der nächsten Tage als geheim behandeln zu lassen. Er trifft bei diesem Begehren vor allem auf den Widerstand seines Vorgesetzten, des Untersuchungsrichters Dr. Lucius Lutz.
Noch am gleichen Tag begibt sich Bärlach zu Schmieds Wohnung, der bei Familie Schönler untergemietet hatte. unter dem Vorwand, Schmied halte sich im Ausland auf,
und er müsse ihm etwas nachsenden nimmt er eine Mappe mit Akten mit.
2.
Kapitel:
Bei seiner Mittagsmahlzeit blättert und liest Bärlach darin. Im Bureau hört Bärlach, der Leichnam sei inzwischen nach Bern gelangt. Aber er mag den Toten nicht sehen. Statt ihn aufzusuchen, begibt er sich - ebenfalls höchst ungern, aber ohne dem aus dem Wge gehen zu können - in das Bureau des Untersuchungsrichters Dr. Lutz. Es liegen keine neuen Erkenntnisse vor.
Lutz nimmt dies einmal mehr zum Anlaß, die Fähigleiten der Schweizer Dorfpolizei in Zweifel zu ziehen. Bärlach widerspricht, gibt zu, einen bestimmten Verdacht zu haben, ist aber noch nicht bereit, darüber zu reden. Lutz mahnt zum Eifer und verweist auf seine in Amerika gesammelten Erfahrungen.
Bärlach nutzt die Gelegenheit und ersucht unter Hinweis auf seine ständigen Magenbeschwerden um die Beiordnung des Kriminalbeamten Tschanz als Stellvertreter. Lutz stimmt dem zu.
Noch am Nachmittag fährt Bärlach zum Tatort.
Der Dorfpolizist, der Schmied nach Biel geschafft hat, ist eines Rüffels gewärtig. Aber zu seiner Verwunderung lobt der Kommissär die bewiesenen Eigeninitiative.
In Twann - so ist festgestellt worden - hat man nächtlicherweile wohl den laufenden Motor des Mercedes gehört, aber keine Schüsse.
Durch Zufall findet Bärlach am Tatort eine Revolverkugel.
3.Kapitel:
Nach einer mit Magenbeschwerden verbrachte Nacht empfängt Bärlach seinen neuen Assistenten Tschanz.
In der äußeren Erscheinung erinnert dieser sehr an den ermordeten Schmied, so daß der Kommissär im ersten Augenblick regelrecht erschrocken ist.
Schmieds Lob aus dem Munde Bärlachs vernimmt Tschanz mit augenscheinlicher Zurückhaltung. Man bespricht den Stand der Ermittlungen, allerdings gibt es da nicht viel zu besprechen. Einzig die Revolverkugel vom Tatort ist da. Über Schmieds Reisegrund ist nichts bekannt.
Immerhin trägt Tschanz eine glaubhafte Theorie vor, die sich auf konkrete Tatsachen stützt: Schmied muß den Mörder gekannt haben, die rechte Wagentür geöffnet haben, um ihn aufzunehmen und ist ohne Ahnung gewesen, daß er sich in Gefahr befand.
Erst jetzt, aus dem Munde von Tschanz hört Bärlach, daß der Tote Gesellschaftskleidung getragen hat. Der Assistent sieht darin einen Ansatzpunkt, den Grund für Schmieds Reise herauszufinden, zumal für den fraglichen Tag und eine Reihe weiterer in dessen Notizbuch ein G notiert ist. Er bittet Bärlach vergeblich, dieser möge seien Verdacht präzisieren. Dem fehlen, wie erklärt, die nötigen Indizien.
Tschanz will die vermutliche Fahrstecke von Schmied abfahren, weil für den Tag dieses Gesprächs ebenfalls ein G notiert ist. Bärlach wird ihn begleiten.
Man verabredet sich für die gleiche Zeit, zu der auch Schmied aufzubrechen pflegte.
4.Kapitel:
Um sieben Uhr abends ersheint Tschanz bei Bärlach. Die Tür ist unverschlossen. Bärlach trägt schon den Mantel, scheint aber noch ein Schläfchen auf dem Divan seiner Bibliothek zu halten.
Auf dem Schreibtisch liegt ein als Schlange geformtes Messer, das Bärlach einst aus der Türkei mitgebracht hat.
Er erzählt, man habe ihn damit einmal töten wollen.
Unterwegs ist die Rede von der Art, wie der tote Schmied den blauen Mercedes chauffiert; sogar einen Namen aus der Mythologie hatte er ihm gegeben: der blaue Charon.
Nach eben diesem Namen erkundigt sich Tschanz bei den Tankwarten am Wege. Nach etlichen Versuchen, die vergeblich bleiben, erinnert sich einer: am Montagabend sei so ein Kunde dagewesen. Der Beweis ist erbracht, meint Tschanz, daß Schmied diesen Weg gefahren sei. Bärlach muß ihm das zugestehen, scheint aber den Nutzen dieser Erkenntnis nicht recht einzusehen.
Tschanz fragt einen Passanten nach dem Lamboinger Abzweig. Zwanzig vor acht ist man an Ort und Stelle. Tschanz schaltet das Licht aus. Der Wagen hält an der Straße von Twann nach Lamboing.
5.Kapitel:
Als nichts geschieht, will Bärlach wissen, was Tschanz vorhat.
Dieser setzt darauf, daß man einen Frack nur dort trägt, wo eine größere Gesellschaft zusammenkommt. Also müßten wohl Gäste über die von Schmied benutzte Autostraße herbei fahren. Bärlach gibt sich skeptisch, muß sich aber bald eines Besseren belehren lassen, denn tatsächlich fahren meherere vollbesetzte Limousinen in Richtung Lamboing an ihnen vorüber. Tschanz folgt ihnen nach bis zu einem großen, einsam stehenden Haus, das von einer niedriegen Mauer umfriedet ist. Das Türschild zeigt nur ein großes G.
Tschanz weiß es zu deuten.
Er hat im Telefonbuch nachgeschlagen. Der Besitzer heißt Gastmann. Es gibt nur noch ein weiteres G im Lamboinger Teilnehmerverzeichnis, nämlich die Gendarmerie!
6.Kapitel:
Verwundert darüber, daß die ortsansässige Polizei nicht auf diesen Gastmann gekommen sei, dessen Haus doch so auffällig im offenen Felde liege, trennen sich die beiden Beobachter, um in verschiedenen Richtungen um das Grundstück herumzugehen.
Im Hause spielt jemand Bach auf dem Flügel.
Plötzlich wird Bärlach von einem riesigen Hund angegriffen, der sich in den schützend vor seiner Kehle gehaltenen linken Arm verbeißt.
Ein Schuß aus Tschanz Revolver macht dem Tier den Garaus. Mühsam, aber unverletzt erhebt sich der alte Mann. Bärlach ist selten bewaffnet.
Im Haus hat man den Schuß gehört. Die Musik ist verstummt. An den Fenstern stehen die Damen und Herren der Gesellschaft, ihre Neugier dem Geschehen zugewandt.
Bärlach und Tschanz gehen zum Eingangstor zurück. Dort werden sie von Nationalrat und zugleich Oberst von Schwendi, seines Zeichens Gastmann Advokat, erwartet. Offensichtlich angetrunken, behandelt er sie zunächst hocherfahren, beinahe verächtlich. Erst der Hinweis auf den Polizeistatus der nächtlichen Besucher kühlt den Nationalrat etwas ab. Gastmann ist für sie nicht zu sprechen, aber von Schwendi sichert für den nächsten Tag sein Erscheinen bei der Polizei zu. Mit Gastmann will er vorher sprechen.
Er läßt sich ein Bild von Schmied geben und verschwindet im Haus.
Bevor sie die Rückfahrt antreten, wird Tschanz mit dem Lamboinger Polizisten über Gastmann reden, Bärlach aber in einem Gasthaus am Anfang der Schlucht eine kleine Stärkung zu sich nehmen. Sein Magen bereitet ihm wieder Kummer.
Tschanz erfährt von seinem Kollegen nur, daß man noch immer keine Spur habe von einer Gesellschaft. Ein Herr Gastmann habe zwar dergleichen Gesellschaften gegeben, aber er hatte nicht einmal den Namen Schmied gekannt. Ein Besuch Schmieds bei Gastmann sei einfach nicht möglich gewesen.
Tschanz rät, noch weitere Gäste von Gastmann zu befragen. Das sei geschehen, wird ihm versichert. Zum Beispiel einen Schriftsteller. Auch der hätte nichts von Schmied gewußt.
Der Polizist beschreibt Gastmann als einen wohlhabenen Nichtstuer, der sich ungeteilter Beliebtheit erfreut, da er die Steuern für das ganze Dorf Lamboing bezahlt.
7.
Kapitel:
Ehe Tschanz zum Restaurant fährt, um Bärlach abzuholen, macht er noch einmal bei Gastmanns Haus halt. Das Fet scheint anzudauern. Jedoch den toten Tierkörper hat in der Zwischenzeit jemand beseitigt. Bärlach ist schon gegangen. Kaum fünf Minuten habe er sich aufgehalten, versichert die Wirtin, um dann zu Fuß in Richtung Twann aufzubrechen.
Tschanz setzt die Fahrt fort.
Ungefähr am Tatort gibt ihm eine dunkle Gestalt plötzlich das Haltezeichen. Als er anhält und die rechte Wagentür öffnet, wird er sich plötzlich bewußt, daß Schmied bei der gleichen Handlung ums Leben gekommen ist. Entsetzten packt ihn, und es verläßt ihn auch dann nicht, als er in dem Anhalter Bärlach entdeckt.
Von diesem Augenblick an dutzt Bärlach Tschanz!
Nach längerem Schweigen erkundigt sich der Kommissär nach den Auskünften, die in Lamboing zu erhalten waren. Den Schriftsteller, meint er dann, werde er noch selber sprechen.
Vor seinem Haus angekommen, steigt Bärlach aus.
Noch einmal stellt er beim Abschied fest, Tschanz habe ihm das Leben gerettet.
Doch dann geschieht Merkwürdiges. In der Halle mit den Büchern nimmt er aus der Manteltasche einen schweren Revolver. Und unter dem Wintermantel hatte er den linken Arm mit dicken Tüchern umwickelt, wie es Scheintäter bei der Hundeabrichtung vorsorglich zu tun pflegen.
8.Kapitel:
Am anderen Morgen erscheint von Schwendi im Bureau von Dr.
Lutz, dem diese Intervention - noch dazu von einem beziehungsreichen Parteifreund vorgebracht - ausgesprochen unangenehm ist.
Von Schwendi geht es gar nicht um den getöteten Hund sondern vielmehr um die Frage, wieso Schmied unter falschem Namen in Gastmanns Haus Ermittlungen geführt habe.
Lutz ist gänzlich ahnungslos. Er hat nie davon gehört, daß Schmied als vorgeblicher Privatdozent Dr. Pranti tätig geworden ist. Es kann sich also nur um ein rein persönlich motiviertes Unternehmen gehandelt haben.
Von Schwendi liefert jetzt seinerseits eine Deutung der Geschehnisse und beschuldigt den Ermordeten, für eine fremde Macht spioniert zu haben. Er fordert rundweg, die Polizei möge die Finger von seinem Klienten Gastmann lassen. Dr. Lutz hält dem entgegen, Gastmann sei durch die Ermordung Schmieds in den Kreis derer geraten, die einvernommen werden müssen, es sei denn, der Anwalt könnte völlig einwandfrei erklären, warum Schmied im Haus e Gastmann unter fremden Namen aufgetreten sei. Von Schwendi legt jetzt eine Gästeliste vor.
Im Auftrag der Industriellen ist von Schwendi gekommen, um die Polizei von dem hochpolitischen Charakter der Vorgänge um den getöteten Schmied in Kenntnis zu setzen.
9.Kapitel:
Als Dr. Lutz erkennt, wo er da hineingeraten ist, fühlt er sich völlig hilflos. Der Nationalrat hat jetzt leichtes Spiel mit ihm. Zwar versucht Lutz noch einmal, die ganze Sache zu bagatellisieren: Selbstverständlich hätten die Industriellen das Recht zu privaten Verhandlungen. Die Polizei mische sich da nicht ein.
Schmied sei privat bei Gastmann gewesen und überdies ja nicht allein, sondern neben einer Reihe von Künstlern.
Von Schwendi läßt dies nicht gelten. Die Künstler seien nur zur Tarnung dagewesen für die eigentlichen Verhandlungen. Aber ein Polizist, der dabeisitzt, könne alles erfahren. Für die Schweiz sei es daher ehrevoller, Schmied gelte als Spion und nicht als Polizeispitzel.
Gastmanns Rolle erklärt der Advokat so: Als jahrelanger Gesandter Argentiniens in China besäße es das Vertrauen der fremden Macht, als ehemaliger Verwaltungspräsident des Blechtrusts dasjenige der Industriellen.
Überdies läge sein Haus in dem unbekannten Nest Lamboing besonders unauffällig. Man möge ihn daher mit polizeilichen Maßnahmen in Ruhe lassen.
Dr. Lutz verspricht das. Auch eine Hausdurchuntersuchung wird es nicht geben. Sollte ein Gespräch tatsächlich unvermeidlich sein, wird es den Charakter einer Plauderei über Kunst tragen.
Eine eventuell unvermeidliche Frage zur Sache würde dem Anwalt vorher zur Kenntnis gebracht. Von Schwendi ist es zufrieden. Er weist nochmals darauf hin, das es um Millionen geht. Seine Gästeliste zurücklassend, trennt er sich von dem konsternierten Untersuchungsrichter.
10.Kapitel:
Bärlach kommt, um den Auftrag zu einem Besuch bei Gastmann zu holen.
Lutz verweist ihn auf den Nachmittag, weil mittlerweile die Stunde der Beerdigung Schmieds herangerückt ist. Sie fahren im Auto zum Friedhof. Es regnet in Strömen. Bärlach hat wieder Magenbeschwerden.
Als sie auf dem Friedhof ankommen, ist die Trauerfeier für Schmied schon in vollem Gange. Die Vermieterin Schönler ist da, Tschanz, neben sich ein blondes Mädchen namens Anna, eine Menge Polizisten in Zivil.
Gerade als Lutz ein paar ehrende Worte des Gedenkens sprechen will, ertönt grölender Gesang. Zwei Betrunkene, riesenhafte unangenehme Erscheinungen, wanken über den Friedhof, zwischen sich einen großen Lorbeerkranz, den sie über den Sarg werfen. Weitergrölend entfernen sie sich. Auf der Kranzschleife steht: "Unserem lieben Doktor Prantl." Da in diesem Augenblick der Regen zum Wolkenbruch sich steigert, flieht alles vom offenen Grab weg.
11.
Kapitel:
Bärlach deutet den Kranz als eine Warnung. Er läßt sich zu seinem Haus fahren. Als er in die Wohnhalle tritt, findet er hinter seinem Schreibtisch einen Mann, der Schmieds Mappe durchzublättern im Begriff ist: Gastmann.
Es zeigt sich, daß die beiden einander seit langem kennen. Daß sich der ungebetene Gast jetzt Gastmann nennt, hat Bärlach seit längerer Zeit gewußt. Auf sein Geheiß ist Schmied als Doktor Prantl bei den Gesellschaften gewesen.
Aus dem Munde seines Gegners muß Bärlach hören, daß ihm die Ärzte höchstens noch ein Jahr zu leben geben, vorausgesetzt er läßt sich unverzüglich operieren. Aber gerade dafür hat er jetzt nicht die Zeit, ist doch für ihn die letzte Gelegenheit gekommen, ein vor viezig Jahren begonnenes Vorhaben zu vollenden: den, der sich jetzt Gastmann nennt, der Verbrechen zu überführen, die seinen Lebensweg säumen.
Folgende Vorgeschichte enthüllt sich: Vor über vierzig Jahren haben sich die beiden Männer in einer gemeinsam durchzechten Nacht in einer Judenschenke am Bosporus kennengelernt, Bärlach als junger Polizeifachmann vertritt die These, Verbrechen seien Dummheiten, weil Zufälle sie zwangsläufig zumeist an den Tag brächten. Die Gegenthese des Abenteurers: Gerade die Verworrenheit menschlicher Beziehungen mache Verbrechen begehbar, die meisten würden nicht einmal entdeckt. In der Betrunkenheit kommt es zu einer Wette. Vor Bärlachs Augen soll ein Verbrechen geschehen, daß der Kriminalist seinem Wettpartner nicht würde nachweisen können.
Drei Tage später stößt dieser einen deutschen Kaufmann von der Mahmudbrücke. Bärlach muß halbertrunken seinen Rettungsversuch aufgeben. Der Mörder kommt ungeschoren davon. Von da an bleibt beider Leben auf merkwürdige Weise - in einer Art Gegenläufigkeit - miteinader verbunden. Bärlach wird ein immer besserer Kriminalist, der andere ein immer kühnerer Verbrecher, der wieder und wieder die Wege seines Verfolgers kreuzt, ohne daß diesem die Überführung in irgendeinem Falle gelungen wäre. Jetzt sind beide an ihre Ausgangsorte zurückgekehrt.
Bärlach nach Bern, der andere nach Lamboing, wo er als Dreizehnjähriger aus dem Elternhaus davongelaufen war.
Gastmann nimmt Schmieds Mappe mit sich. Spöttisch erkundigt er sich, ob Bärlach ihn nicht mit dem auf dem Schreibtisch liegenden Revolver hindern wolle, dies zu tun. "Du hast die Munition herausgenommen" vermutet der Kommissär. Ein Irrtum, wie sich dann zeigt. Allein geblieben, erleidet Bärlach einen furchtbaren Schmerzanfall.
12.Kapitel:
Einige Zeit später, wieder schmerzfrei, betritt er das Büro von Dr. Lutz. Zu dessen Erleichterung erhebt Bärlach keinerlei Einwände gegen die von Schwendi gegebenen Zusicherungen. Geduldig hört der Kommisär zu, als Lutz Gastmanns Loblied singt und den Vorfall auf dem Friedhof zu einer Art schlechten Scherz herunterspielt. Er stimmt sogar zu.
Nur als Lutz plötzlich Schmied in Verdacht zieht, bleibt Bärlach stumm.
Schon zum Gehen gewandt, bittet er um eine Woche Krankheitsunrlaub. Dr. Lutz ist einverstanden.
In Bärlachs Zimmer wartet Tschanz. Der Kommissär will zu dem Schriftsteller gefahren werden.
Wie sich zeigt, hat Tschanz das Auto des toten Leutnants Schmied auf Abzahlung gekauft. Unterwegs fragt er nach dem Inhalt der Mappe aus Schmieds Zimmer. Bärlach beschwichtigt ihn: "Nichts Amtliches, Tschanz, nur Privatsache."
13.Kapitel:
Der Schriftsteller empfängt die Gäste nicht sonderlich höflich. Er vermutet, sein Alibi soll überprüpft werden.
Bärlach gibt zu, dies sei längst geschehen und beginnt, nach Gastmann zu fragen. Man kommt auf dessen Kochkunst zu sprechen, ein Thema, das auch den Alten höchst interessiert. Als sie endlich innehalten, fragt Tschanz in die Gesprächspause hinein: "Hat Gastmann den Schmied getötet?" DerSchriftsteller kann das mit Sicherheit ausschließen, denn er war zur ungefähren Tatzeit noch mit dem Verdächtigen beisammen. Über den Verbleib der Diener zu diesem Zeitpunkt vermag er nichts zu sagen. Tschanz fragt ungeniert weiter, was für eine Art von Mensch Gastmann sei. Im weiteren Verlauf des Gesprächs, in dem Bärlach wieder die Initiative übernimmt, kommt ein Bild Gastmanns zustande, das von folgenden Zügen geprägt ist: Er ist fähig zu jedem Verbrechen, obwohl nicht der Mörder Schmieds; ein Nihilist reinsten Wasseres, der sich im Gutem wie im Bösen vom Zufall bestimmen läßt.
Er interessiert den Schriftsteller als Typ, als Beobachtungsgegenstand, als Anregung zum Nachdenken über den Menschen.
Bärlach verweist auf sein Geschäft. Er hat es nicht mit einem durch die philosophische Brille gesehenen "Bild" von Gastmann zu tun, sondern mit dem wirklichen Gastmann, dessen Geselschaft seinem Leutnant Schmied das Leben gekostet hat. Die Aufgaben eines Schriftstellers gleichen eben doch nicht denen der Polizei.
14.Kapitel:
Tschanz vermutet, man führe nun zu Gastmann.
Doch Bärlach verneint. Er verweist auf die Anordnung von Dr. Lutz. Tschanz beharrt auf seiner Meinung, Gastmann müsse man verhören, ihn und seine Diener. In der Zusage des Dr. Lutz an von Schwendi erblickt Tschanz nichts anderes, als daß man ihm eine Chance hinaufzukommen, endgültig verderben will.
Er fleht Kommisär Bärlach förmlich an, noch einmal mit Lutz zu reden.
Bärlach lehnt kategorisch ab. Er sei krank und alt, brauche seine Ruhe. Tschanz müsse sich selber helfen. Überdies werde er eine Woche Krankenurlaub in Grindelwald verbringen.Tschanz hat seine Selbstbeherrschung nur mit Mühe wiedergefunden.
15.Kapitel:
Noch am selben Abend konsultiert Bärlach den Arzt Doktor Hungertobel, mit dem zusammen er auf dem Gymnasium gewesen war. Es bestätigt sich: Bei Hungertobel ist einmal eingebrochen worden, offenkundig mit dem Ziel, Bärlachs Krankenakte einzusehen. Der Arzt bekräftigt Gastmanns höhnische Prophezeiung. Ein Jahr hat Bärlach noch zu leben, aber nur, wenn er sich innerhalb der nächsten drei Tage operieren lassen wird. Nur zwei Tage hat Bärlach noch, seine Aufgabe zu vollenden.
16.Kapitel:
Mitten in der Nacht schreckt Bärlach aus dem Schlaf. Ein Eindringling ist im Haus. Der Kommisär macht Licht und nimmt seinen Revolver. Durch einen absichtlich herbeigeführten Kurzschluß sorgt der Fremde für Dunkelheit. Die beiden Gegner belauern einander.
Bärlach weiß, daß der Mörder für ihn das Schlangenmesser bereit hält. Er muß jetzt etwas tun, um die Gefahr abzuwenden. Drei Schüsse durchs Fenster erreichen die beabsichtigte Wirkung. In der Nachbarschaft wird Licht eingeschaltet. Zwar hat der Mörder das Schlangenmesser noch nach Bärlach geworfen, dann aber die Flucht ergriffen.
17.
Kapitel:
Eine halbe Stunde läßt der Alte noch vergehen. Dann telefoniert er nach Tschanz. Der kommt bald. Er trägt noch den Pyjama unter dem Wintermantel. Nachdem die Spuren des nächtlichen Kampfes besichtigt sind, will er wissen, ob Bärlach den Einbrecher gesehen hat. Der Kommisär verneint.
Aber er weiß genau, wer es gewesen ist. Tschanz bietet an, bei ihm wachen zu wollen. Das wird abgelehnt. Er verläßt das Haus, scheint es sich dann aber anders zu überlegen. Doch bei seiner Rückkehr ist - zum ersten Male - die Haustüre verschlossen.
Am anderen Morgen erhebt sich Bärlach, ohne geschlafen zu haben.
Das telefonisch herbeigerufene Taxi zum Bahnhof erweist sich, nachdem Bärlach eingestiegen ist, als eine Falle, die Gastmann ihm gestellt hat. Gastmann droht dem Alten und fordert ihn auf, das Spiel aufzugeben. Er habe Schmied nicht getötet! Bärlach gibt zu, das zu wissen. Aber er will Gastmann dieses unbegangenen Verbrechens überführen, nachdem es ihm nie gelungen ist, ihn der begangenen Verbrechen wegen vor Gericht zu bekommen.
Gastmann droht, ihn bei der nächsten Begegnung zu töten. Doch Bärlach bleibt unerschrocken: Gastmann werde diesen Tag nicht überleben.
Der Henker, den er für ihn ausgesucht habe, wird noch am gleichen Tag sein Werk verrichten und das Urteil vollstrecken, versichert der Kommissär auf dem Bahnhofsvorplatz stehend.
18.Kapitel:
An der Kirche wartet Tschanz auf Anna, Schmieds ehemalige Verlobte. Er verspricht ihr, noch am gleichen Tag, "Ulrichs Mörder" zu stellen, und er erhält dafür das Versprechen des Mädchens, sich mit ihm verloben zu wollen.
Mit dem Auto fährt Tschanz nach Ligerz, wo er den Wagen stehen läßt. Zu Fuß wandert er nach Lamboing zu Gastmanns Haus.
Er betritt es durch die offenstehende Haustüre und findet den Hausherren wie seine beiden ungeschlachteten Diener reisefertig. Gastmann meint bei dem Anblick von Tschanz, das also sei der Sinn von Bärlachs Drohung.
Einer der Diener schießt auf Tschanz und trifft ihn an der Schulter. Tschanz erschießt alle drei Widersacher mit der bereitgehaltenen Waffe.
19.Kapitel:
Die polizeiliche Aufnahme des Tatbestandes ergibt, daß jeder der drei Getöteten noch geschossen hat.
Eine zweite Verwundung hat Tschanz am linken Unterarm. Man wird ihm die Notwehr glauben. Am Morgen danach zeigt Lutz dem Obersten von Schwendi die Leichen der Getöteten. In der Nacht hat er Gastmanns Tagebücher gelesen. Plötzlich erscheint alles anders: Gastmann ist als Eindringling in die gehobenen Kreise entlarvt. Schmied erscheint als ein ehrgeiziger junger Polizist, der aus Karrieregründen auf eigene Faust Jagd auf Gastmann gemacht hat.
Hier liegt auch das Motiv für Schmieds Ermordung, dies um so eher, als man in der Faust eines Gastmannschen Diener die Mordwaffe gefunden hat. Als Bärlach hinzutritt, schlägt ihm Dr. Lutz vor, ihren alten Streit über moderne Kriminalistik zu beenden. Sie hätten beide nicht recht behalten. Der Fall Schmied sei abgeschlossen.
Der Alte schweigt dazu beharrlich.
Das macht Dr. Lutz verlegen. Mit den Toten allein geblieben, deckt Bärlach Gastmanns Bahre auf. Er nimtt gleichsam Abschied als Jäger von seinem Wild, das er ein Leben lang gejagt hat.
20.Kapitel:
Für den gleichen Abend acht Uhr ist Tschanz zu Bärlach bestellt.
Er findet einen festlich gedeckten Tisch. Mit Erstaunen erlebt er, wie der Alte von einem vielgängigem Mahl jeweils gigantische Portionen verschlingt. Daß er nun endlich Schmieds Mörder gestellt hat, soll gefeiert werden. Tschanz begreift, er ist dem Alten in die Falle gegangen.
Im Verlaufe dieses grotesken Mahles enthüllt sich: Tschanz hat Schmied getötet. Bärlach besitzt den Beweis - die Kugel aus dem getöteten Hund.
Er hat auch die Komödie mit dem "blauen Charon" durchschaut. Ein paar einfache Telefongespräche haben bestätigt, daß Schmied am Abend seines Todes den anderen Weg genommen hatte. Für die Vorbereitung seines Täuschungsmanövers hat Tschanz den blauen Mercedes der Pension Eiger aus Grindelwald benutz. Das Motiv war Eifersucht auf den Erfolgreichen, sein Auto, sein Mädchen, seinen Rang.
Weil Schmied Bärlachs letzte Hoffnung verkörperte, Gastmann doch noch zu stellen, hat der Alte nach Schmieds Tod den Mörder Tschanz zum Vollstrecker seines Willens gemacht, er als Richter, Tschanz als Henker.
Für einen Augenblick will Tschanz nach seiner Waffe greifen, aber auch er sieht, das hätte keinen Sinn.
Bärlach befielht ihm zu gehen. Er will keinen mehr richten. Tschanz fährt davon.
21.Kapitel:
Bei Tagesanbruch stürtzt Dr. Lutz ins Zimmer.
Er berichtet, man habe Tschanz in seinem Wagen tot aufgefunden, von einem Eisenbahnzug erfaßt.
Bärlach fühlt sich totkrank. Es ist Dienstag. Hungertobel wird benachrichtigt, damit er
ihm zu einem letzten Jahr Leben verhelfe.
Die wohlkomponierte Handlung scheint zu beweisen, daß der Autor nach einem Plan gearbeitet, daß er dieses Erzählwerk vom Endeffekt her aufgebaut, dann erst Fortsetzung für Fortsetzung geschrieben hat. Dürrenmatt, war der Plan erst einmal gemacht,muß Freude an der Ausarbeitung gemacht haben.
Stellenweise übertreibt er sehr stark, daß der Leser nicht mehr weiß, ob das noch ernst gemeint ist. Natürlich nicht. Während er einen Krimi schreibt, parodiert er dieses Genre zugleich. Die Handlung spielt in Bern, wo Dürrenmatt wohnte. Er tritt auch selbst auf, in seinem Arbeitszimmer in Ligerz, jedoch nur schattenhaft, er hockt im Gegenlicht einer winzigen Fensternische, wenn Bärlach und Tschanz ihn vehören.
Die Handlungszeit umfaßt etwa fümf oder sechs Tage im November 1948.
Die Romankomposition wird bestimmt von der Zweisträngigkeit der Handlung (Mord an Schmied / Hintergrundhandlung, die in jener Wette vierzig Jahre von den hier geschilderten Ereignissen ihren Ursprung findet - Gastmann).
Man kann das Buch auch als Satire lesen. Dürrenmatt verspottet mit Lust und Liebe - nun, man kann sagen, die ganze Schweiz, die Spießer, Künstler, Polizisten, Politiker und Gangster.
Personen:
*.) Kommissär Hans Bärlach
Er ist ein kauziger, bejahrter, totkranker, im Pensionsalter stehender Mann der partout nicht in das gängige Detektivbild passen will. ein Jahrzehnt hat er in den Diensten der Türkei gestanden und von Konstantinopel aus die Kriminalpolizei reformiert.
Später war er in der Weimarer Republik Chef der Kriminalpolizei von frankfurt am Main. Doch aus der deutschen Karriere wurde nichts, da er 1933 einen hohen Beamten ( einen arrivierten Nazi) kurzerhand geohrfeigt hat. Er muß daher nach Bern zurück - einem Deutschen hätte es wohl den Kopf gekostet.
Ein knorriger Einzelgänger ist aus ihm geworden mot absonderlichen gewohnheiten, schwer zu behandlen von Vorgesetzten, fortschrittsskeptisch und mißtrauisch gegenüber der wachenden Technisierung. Sein Haus bleibt ständig unverschlossen und hat keine klingel. Autos fahren für seinen Geschmack viel zu schnell und der ärztestand genießt sein Vertrauen ebenfalls nicht.
Man ist geneigt, ihn zu unterschätzen, dabei erweist er sich als kühler Rechner, der auch Situationen, die dazu führen könnten, daß man den Kopf verliert, mit verstandeskraft meistert.
*.) Polizist Tschanz
Er ist ein Mann, der sich bemüht kriminalistisch auf der Höhe zu bleiben. Tschanz bewundert und haßt gleichzeitig den jungen Schmied. Seine ehrgeizige Eifersucht steigert sich zu paranoiden Erscheinungsformen und wird schließlich zum Mordmotiv. Nach und nach schlüpft nach vollzogener Tat Tschanz in die Persönlichkeit seines Opfers Schmied.
Er kleidet sich á la Schmied, so daß Bärlach regelrecht erschrickt, als er seiner ansichtig wird.
Im Ansatz leidet die literarische Figur Tschanz an einer Art Blutleere. Es scheint sich um diejenige zu handeln, welche häufiger dann auftritt, wenn Autoren im dienste ihrer Pointen und Effekte die Lebenswahrscheinlichkeit aus dem Blick verlieren. Als Figur nach Bärlachs Willen fremdbestimmt über das Spielfeld geführt, bleibt Tschanz selbst dort, wo er Mannesmut beweist, in erster Linie dümmlich.
*.) Der Verbrecher Gastmann
Man sieht in ihm einen steinreichen, vornehmen, noblen "Philosophen", was als Umschreibung für "Nichtstuer" zu gelten hat.
Gesandter Argentiniens in China und Verwaltungspräsident des Blechtrusts soll er in früheren Jahren gewesen sein. Als Mann von wissenschaftlichen Verdiensten trägt er das Kreuz der Ehrenlegion und soll in die Französiche Akademie gewählt worden sein. Als unabhängiger Geist habe er diese Würdigung freilich ausgeschlagen. Gebürtig - so Dr. Lutz - sei Gastmann aus Prockau in Sachsen. Zunächsst sei er nach Südamerika ausgewandert und dort Argentinier geworden.
Später habe er die französische Staatsbürgerschsft erworben. Die Wahrheit kennt im Grunde nur Bärlach. Der sich jetzt Gastmann nennt, stammt in Wirklichkeit aus Lamboing. Als Dreizehnjähriger ist er seiner ungeliebten Mutter davongelaufen, um die Karriere der Gesetzlosigkeit einzuschlagen.
Auch die Gastmann Figur gewinnt die Aufmerksamkeit des lesers dank ihrer Widersprüchlichkeit. Der Konflikt Bärlach - Gastmann reduziert sich auf die Auseinadersetzung zwischen der Philosophie der Rechts und einer Utopie der Freiheit.
Auch in Dürrenmatts zweitem Kriminalroman "Der Verdacht", den er 1952 schrieb, spielt die Hauptrolle Kommissär Bärlach.
DER VERDACHT
Bärlach, mit Erfolg operiert, findet im Krankenbett liegend, in einer Nummer der amerikanischen Zeitschrift "Life" von 1945 ein Foto vom Vernichtungslager Stutthof bei Danzig: Lagerarzt Nehle operiert ohne Narkose. Nehle versprach den Häftlingen die Freiheit, wenn sie sich, anschließen. Aber es kam nur sehr selten einer mit dem Leben davon. In dem Arzt glaubt Bärlach den Eigentümer und Leiter der Züricher Prominentenklinik "Sonnenstein" Dr. Emmenberger zu erkennen.
Bärlachs Gegenspieler ist ein Gastmann konträrer Verbrechertyp. War Gastmann eine zwielichtige Erscheinung, ist Emmenberger das total Böse, die Verkörperung des sadistischen Faschismus. Das Sensationsfoto hat unter Lebensgefahr der Häftling Gulliver geschossen, ein von Emmenberger ebenfalls ohne Narkose operierter Jude, den Bärlach kennt, eine riesenhafte Gestalt voller Narben und Verkrüppelungen, überlebensgroß und unbehaust, in weitem Kaftan, in dem er auch schläft, sich immerwährend mit Wodka betäubend und zugleich am Leben erhaltend, eine Märchen- und Symbolfigur, die vornehmlich durch Fenster einsteigt, und sich auch wieder entfernt. Mit Hilfe von Gulliver und anderer Freunde des Kommissärs wird der Chefarzt Emmenberger in einem heimlichen Ermittlungsverfahren als SS-Folterknecht Nehle identifiziert. Verwunderlich, daß Dürrenmatt einen Schweizer zum Naziarzt macht. Der Name Emmenberger erinnert zudem an Dürrenmatts Geburtsdistrikt Emmental.
Bärlach läßt sich als Rekonvaleszent in die Höhle des Löwen verlegen, inkognito, aber ohne Rückendeckung. die Entlarvung und Verhaftung Emmenbergers soll sein letztes Meisterstück sein. Doch anläßlich Bärlachs bevostehenden Dienstaustritt erscheint in der Zeitung "Der Bund" sein Bild, und Emmenberger weiß nun, wer der neue Patient ist und errät, was er im Schilde führt. Bei der Pensionierung eines prominenten Beamten pflegt eine kleine Würdigung mit Bild zu erscheinen. Das hatte der sonst so gewitzte Kriminalist nicht bedacht.
Emmenberger läßt Bärlach in den Operationssaal verlegen.
Bärlach soll, wie jene Häftlinge in Stutthof, lebendigen Leibes seziert, getötet werden. Das ohne Narkose Zu-Tode-Sezieren war und ist Emmenbergers Leidenschaft. Seine moribunden Patienten sind Bankiers, Industrielle und Politiker, deren Mätressen und Witwen, die sich dem mörderischen Chirurgen in der trügerischen Hoffnung überlassen, ihr Leben um ein paar Tage oder auch nur Stunden zu verlängern, und viele setzen ihn aus Dankbarkeit zum Universalerben ein. Der Kommissär, ein Opfer seines Gerechtigkeits- und Leichtsinns, liegt dem Operationstisch gegenüber im Bett, durch Spritzen gelähmt, es ist Abend, und morgen früh pünktlich um sieben soll das mörderische Operieren beginnen. Wird Bärlach aus der Folterkammer lebend herauskommen?
Ihm gegenüber hängt eine Uhr, und Frau Dr. Marlok, Emmenbergers Komplicin, macht sich über den Rächer der Gemarterten lustig: ".
. . ein schönes Skelett." Die ehemalige idealistisch gesinnte Kommunistin vertraut sich ihm an: " Ich war wie Sie entschlossen, Kommissär, gegen das Böse zu kämpfen bis an meines Lebens seliges Ende." Als sie nach dem Stalin - Hitler - Pakt den Russen in die Hände fiel und von ihnen der SS ausgeliefert wurde, begann sie zu zweifeln, nicht nur an den "ausführenden Staatsorganen", auch an der Idee des Kommunismus selbst, der doch nur Sinn haben kann, wenn er eins ist mit der Idee der Nächstenliebe und der Menschlichkeit. Die Ärztin kam als Gefangene ins KZ Stutthof, wurde Emmenbergers Geliebte und glaubt an nichts mehr, an kein Ideal, an kein Gesetz.
"Wenn wir Gesetz sagen, meinen wir Macht; sprechen wir das Wort Macht aus, denken wir an Reichtum, und kommt das Wort Reichtum über unsere Lippen, so hoffen wir, die Laster der Welt zu genießen. Das Gesetz ist das Laster, das Gesetz ist der Reichtum, das Gesetz sind die Kanonen, die Trusts, die Parteien , . . . "
Die Ärztin wieder konkret:" Alles, was Emmenberger in Stutthof tat, das tut er auch hier, mitten in der Schweiz, mitten in Zürich, unberührt von der Polizei, von den Gesetzen dieses Landes, ja, sogar im Namen der Wissenschaft und der Menschlichkeit; unbeirrbar gibt er, was die Menschen von ihm wollen: Qualen, nichts als Qualen." Bärlach schreit, man müsse diesen Menschen abschaffen.
"Dann müssen Sie die Menschheit abschaffen", kontert die Ärztin. Längst hat sie es aufgegeben, zwischen Ja und Nein und Gut und Böse zu unterscheiden. Dazu sei es zu spät, nicht nur für sie, für die Welt. Dann läßt sie den Alten allein.
Mag die Handlung an manchen Stellen gewaltsam kontruiert, nach den regeln der Schauer- und Gruselliteratur zusammengeschustert wirken, Marloks und Emmenbergers Dialoge mit Bärlach gehören zu den Höhepunkten des Dürrenmattschen Gesamtwerks. Sie enthalten Marloks und Emmenbergers Credo, dem der Kommissär außer Schweigen und Stöhnen nichts entgegenzusetzen hat.
Also hat auch wohl Dürrenmatt nichts zu erwidern.
Emmenberger geht einen Schritt weiter als Marlok. Kann Bärlach, will Emmenberger wissen, seinen Beruf, Verbrecher zu jagen, rechtfertigen, indem er an das Gute glaubt? Sollte er sonst nicht besser geschehen lassen, was geschieht? Natürlich glaubt der Durchschnittsmensch an irgend etwas. Bärlach wirft Emmenberger vor, er sei ein Nhilist. Er, wehrt sich der Arzt, sei viel weniger ein Nihilist als "irgendein Herr Müller oder Huber, der weder an einen Gott noch an keinen glaubt, weder an eine Hölle, noch an einen Himmel, sondern an das Recht, Geschäfte zu machen - ein Glaube, den als Credo zu postulieren sie aber zu feige sind." Und was ist Emmenbergers Credo? "Ich glaube, daß ich bin, als ein Teil dieser Materie, Atom, Kraft, Masse, Molekül wie Sie, und daß mir meine Existenz das Recht gibt, zu tun, was ich will.
. . und mein Sinn besteht darin, n u r Augenblick zu sein."
Durch das ganze Werk Dürrenmatts zieht sich seine Theorie vom Zufall. Emmenberger beruft sich sogar auf kosmische Zufälligkeiten. Daß der Zufall regiert, ist doch nur eine Ausrede.
Gewiß gibt es die "Macht des Schicksals", der der einzelne hoffnungslos ausgeliefert ist. Nicht alles ist berechenbar. Bei Dürrenmatt wird der Zudfall als Alibi für Schwäche, Verantwortungslosigkeit, Verbrechen gebraucht. Aber nicht der Zufall ist entscheidend, sondern wie der einzelne auf das Unvorhergesehene, Unvorhersehbare reagiert, ob er mit Intelligenz und Entschlossenheit den Zufall sogar für seine Zwecke zu nutzen versteht. Der Zufall kann eine stimulierende, klärende Rolle spoelen, im Endeffekt. Man fragt sich, warum Bärlach nicht wenigstens gegen die weithergeholte, auf die Spitze getriebene Glorifizierung des Zufalls durch Emmenberger protestiert.
Emmenberger findet es unsinnig, geradezu lächerlich, an einen Humanismus zu glauben und nach Wohl der Menschheit zu trachten. "Sie glauben an nichts als an das Recht zu folter!" ruft ihm der Kommissär zu.
Der Arzt ist über soviel Verständnis entzückt. Zu foltern ist für Emmenberger das höchste der Gefühle, dafür lebt er; über den Gemarterten gebeugt, fühlt er sich gottgleich, allmächtig, Herrscher der Welt.
Nun kommt Dürrenmatts genialer Einfall, ein Beispiel für die Konsequenz seines Denkens: die Möglichkeit zum Glücksumschwung. Der Arzt verspricht, Bärlach freizulassen, wenn er einen gleich großen, bedingungslosen Glauben wie er besitzt.
Er sei doch Christ, getauft! Der Getaufte weiß nichts zu sagen. Der Arzt gerät außer sich. Er braucht einen Gegenspieler. Aber Bärlach schweigt. Er starrt auf die Uhr. Angeekelt überläßt der Arzt den Todgeweihten sich selbst.
Die Diskussion geht weiter. Mit Gulliver, der als deux ex machina durchs Fenster steigt und den sadistischen Arzt ermordet. Gulliver, der, wie Dürrenmatt, daran zweifelt, daß der einzelne etwas aurichten kann und auch den Massenbewegungen und Parteien mißtraut, spricht das Schlußwort des Romans: "So sollen wir die Welt nicht zu retten suchen, sondern zu bestehen, das einzige wahrhafte Abenteuer, das uns in dieser späten Zeit noch bleibt. In dieser späten Zeit. . .
" Wird das Weltende als nahe bevorstehend angenommen?
Personen:
*.) Kommissär Bärlach
In Bärlachs anfänglichem Vorgehen offenbaren sich Spürsinn und kriminalistisches Geschick, die im Laufe eines langen Berufslebens zugewachsen sind. Schon glaubt der Leser, den planenden und weitsichtigen Bärlach wiederzufinden, der ihm aus dem ersten Roman vertraut ist, wenn der Kommissär seinem Freund Hungertobel neue Details entlockt, wenn er auf den Spuren seines Verdachts vergleichende Stilkunde betreibt und alte Beziehungen amtlichen wie obskuren Charakters nutzt, sich der Wahrheit zu nähern.
Dann aber erfolgt jener Umschlag ins Naive - die Verlegung nach Zürich -, der diesen Eindruck wieder auslöscht.
Als Wandschmuck wünscht sich der Kommissär der Dürer - Stich "Ritter, Tod und Teufel", gleichsam zur Illustration der Rolle, in der er sich selber sieht.
Als sei damit ein Schlüsselwort ausgesprochen worden, weicht fortan die Todessymbolik nicht mehr von seiner Seite.
*.) Dr. Fritz Emmenberger
Emmenberger, ein "übereleganter Sechziger" von hagerer Gestalt, auf Hormonbehandlung spezialisiert, Eigentümer der Privatklinik Sonnenstein, schien als junger Student zu den schönsten Hoffnungen zu berechtigen. Im medizinischen Fach unter den Tüchtigsten, zeichnete er sich außerdem durch vielseitige Interessen und gewandten Umgang mit dem geschriebenen wort aus. Obzwar die es gesehen hatten seinen Mut und seine Entschlußkraft bewundern mußten, mit denen er einem Wanderkameraden das Leben rettete durch eine Notoperation ohne Betäubung, sprach niemand gern darüber. Zu unheimlich wirkte es, daß der junge Chirurg diesen Umstand mit teuflischer Freude zu genießen schien.
Er bringt es schließlich zu einem hervorragenden medizinischen Abschluß, nicht aber zu Seßhaftigkeit und Bürgerlichkeit. 1932 wandert er aus der Schweiz aus nach Deutschland, von wo aus er wenig später nach Chile gegangen sein soll.
Hinter vorgehaltener Hand nennen ihn die Fachkollegen bald mit dem Spitznamen "Erbonkel", weil seine Klinik ungewöhnlich viele Vermögenserbschaften verstorbener Patienten antritt.
Die Wahrheit über den Auslandsaufenthalt enthüllt sich im Verlaufe der Romanhandlung. In Wirklichkeit nämlich tat Emmenberger unter dem Namen Nehle als SS-Arzt im KZ-Lager Stutthof Dienst. Mit dem Versprechen auf eine Lebenschance brachte er seine Opfer dazu, sich freiwillig für Vivisektionen zur Verfügung zu stellen.
Der echte Nehle weilte indessen unter dem Namen Emmenberger in Chile, wo er auch wissenschaftliche Artikel für die Fachpresse schrieb, die sich stilistisch freilich nicht annähernd mit der Sprachbrillanz des echten Namensträgers messen können.
Als im Magazin "Life" das Foto erscheint, welches den angeblichen Nehle bei einer Vivisektion in Stutthof zeigt, läßt Emmenberger sein Double aus Chile kommen. Er ermordet ihn in einem Hamburger Hafenhotel und täuscht einen Selbstmord vor.
Als wahrhafter Teufel hat Emmenberger die Klinik Sonnenstein zu einer Hölle für Reiche und Mächtige gemacht. Er verspricht die Hoffnung auf Lebensverlängerung durch Vivisektion und beerbt dann in vielen Fällen noch seine freiwilligen Opfer.
*.
) Gulliver
Der Jude Gulliver ist Bärlachs Freund und Retter und er bezeichnet sich im Schlußkapitel mit dem Namen des Ewigen Juden Ahasver. Nimmt man hinzu, daß Swifts Gulliver-Roman eine Satire ist, so scheint die Deutung erlaubt, eine satirischen Version der biblischen Gestalt des bis zum Jüngsten Gericht zu ewiger Wanderschaft verurteilten Schuhmachers Ahasver sei vom Dichter beabsichtigt.
Im Mai 1945 hat sich Gulliver bei Eisleben aus einer Leichengrube geschleppt und ist der SS entkommen. Seither gilt er amtlich als tot. Früher war er verheiratet mit einer inzwischen verstorbenen Arierin. Jetzt zieht er ungebunden von Ort zu Ort, immer im Verborgenen.
Gegen den Jahreswechsel 1944/45 kreuzt sein Leidensweg die Spuren Emmenbergers. Gulliver übersteht wie durch ein Wunder eine Magenresektion ohne Betäubung. Er wird anschließend gesundgepflegt und nach Buchenwald überstellt. Auf dem weg dorthin erfolgt seine vermeintliche Erschießung. Eine Gestalt wie aus dem Märchenbuch, wird der Riese zum Retter für Bärlach.
*.
) Dr. med. Edith Marlok
Die Morphistin, vierunddreißigjährig, von klar-vornehmer Schönheit, solange ihr nicht das Rauschmittel fehlt, dann wird sie unversehens einem alten Weibe ähnlich, ist eine Figur aus der Nehle-Vergangenheit Emmenbergers. Als Häftling 4466 wurde sie des SS-Arztes geliebte, um zu überleben. Daran hat sich nichts geändert.
"Der Verdacht" erschien im "Beobachter" vom September 1951 bis zum Februar 1952.
Unter dem Titel "Die Stadt" erschien 1952 ein Sammelband mit den Erzählungen Weihnacht, Der Folterknecht, Das Bild des Sisyphos, Der Theaterdirektor, Die Stadt, Die Falle, Der Hund, Der Tunnel und Pilatus.
Zu Pilatus: Die Passion Jesu Christi wird aus der Sicht des Pilatus wiedergegeben. Pilatus erkennt auf den ersten Blick, daß der ihm vorgeführte Gefangene ein Gott ist, hat aber eine ganz andere Vorstellung von einem Gott. Um den Gott zu reizen, endlich seine wahre Gestalt anzunehmen, gibt er die Befehle zur Geißelung und Kreuzigung. Golgatha hinaufreitend, erwartet er, den neuen Gott in Glorie neben dem Kreuz stehen zu sehen, und sieht einen Elendsmann am kreuz hängen. Drei Tage später starrt er ins leere Grab.
Pilatus spürt, daß er verloren hat.
Der Tunnel beginnt mit einem satirischen Selbstporträt des Autors. Ein junger Mann steigt eines Sonntagnachmittags in einen Zug, um anderntags ein Seminar zu besuchen.Die Sonne schien - jedoch zum letztenmal für die Insassen des Eilzuges Bern - Zürich. Ein kurzer, sonst kaum beachteter Tunnel nimmt auf dieser Fahrt kein Ende. Der Zug rast ins Erdinnere, von Minute zu Minute schneller und steiler hinab.
Der Lokomotivführer ist beizeiten abgesprungen. Der Zugführer gerät in Panik. Die Reisenden dagegen unterhalten sich oder spielen Schach, . . .Gegenüber ihrem Untergang verhält sich die Menschheit gleichgültig.
In der Erzählung Der Hund gesellt sich zu einem Heilsprediger ein Wolfstier. Dürrenmatts Verhältnis zu Hunden ist zwiespältig, da sich 1935 ein Wolfshund in seinen Armen und Beinen verbiß.
Unter dem nachwirkenden Eindruck dieses Erlebnisses habe er die Erzählung Der Theaterdirektor geschrieben.
Die Falle, 1946 entstanden, war unter dem Titel Der Nihilist in der Holunderpresse Horgen-Zürich erschienen. Der Nihilist vertraut dem Erzähler seine Selbstmordabsichten an. Er erschießt aber eine Frau.
Auch dies vertraut er dem Erzähler an, macht ihn so zum Mitwisser seines Verbrechens, will ihn beseitigen, findet dann doch die Kraft, sich selbst zu erschießen. Hauptteil der Geschichte ist die Wiedergabe eines Traumes des Nihilisten, eine Untergangsvision Dürrenmatts.
Die Stadt wurde ebenfalls 1946 geschrieben. Der Ich-Erzähler schildert die Stadt, ihre Menschenmassen, ihre gesellschaftliche Struktur: Verwaltung, Arbeiterheere, Gefangene, Wärter, . . .
Aus nichtigem Anlaß entsteht ein Aufstand, der Erzähler läuft mit. Aber der Aufstand gegen die unsichtbare Verwaltung löst sich auf, als sei nichts gewesen.
"Die Ehe des Herrn Mississippi (Eine Komödie)" im wesentlichen 1950 geschrieben, wird von den Schweizer Bühnen zurückgewiesen. Am 6. Oktober 1951 wird den Dürrenmatts die Tochter Ruth geboren. Das Haus in Ligerz wird zu klein.
Am 1. März 1952 zog die Familie von Ligerz in das Haus Pertuis du Sault 34 oberhalb Neuchâtel.
Die Landschaft um Ligerz war idyllisch. Dürrenmatt haßt die Idylle. Die Gegend um Neuchâtel ist herber, felsiger, urtümlicher.
Die Anfänge zum Mississippi gehen auf den Herbst 1949 zurück.
Damals zeigte er Max Frisch die ersten beiden Akte. Die Autoren suchten über Jahre Freundschaft zu halten, vertrauten einander ihre Projekte an.
1960 schrieb Dürrenmatt das Drehbuch zum Mississippi-Film, der durchfiel.
Florestan Mississippi, Staatsanwalt und Gerechtigkeitsfanatiker, ist stolz 350 Todesurteile durchgeboxt zu haben. Da nach alttestamentischem Gesetz auch Ehebruch mit dem Tode bestraft wird, vergiftet er seine Gattin. Die absolute Gerechtigkeit verpflichtete ihn zu dieser privaten Hinrichtung.
Die drei Idealisten, Utopisten, Spinner, Weltverbesserer scheitern und alles geht weiter wie zuvor. Zwischen ihnen steht Anastasia, die auch ihren Ehemann umgebracht hat. Alle lieben sie und Anastasia liebt alle. Anastasia brachte ihren Gatten aus schnöder Eifersucht um, jedoch mit dem gleichen Gift, mit dem Mississippi seine Frau ermordet hatt. Er weiß davon. Nun hat aber Anastasias Mann Anastasia ausgerechnet mit Frau Mississippi betrogen! Der Ring ist geschlossen.
Die Pointe: Der Mörder macht der Mörderin einen Heiratsantrag.
Es spricht für das Künstlertum Dürrenmatts, daß er mit vollem Einsatz arbeitete, und er beklagte sich, daß seine Hörspiele zuwenig beachtet wurden (z.B: Der Prozeß um des Esels Schatten, das Nächtliche Gespräch mit einem verachteten Menschen, Ein Kurs für Zeitgenossen, Das Unternehmen der Wega, . . )
Dürrenmatts "Panne" gibt es in vierfacher Form: als Hörspiel, Erzählung, Fernsehspiel und Komödie. Vier Pensionäre treiben als Spiel, Spaß und Jux, was sie früher berufsmäßig ausübten: Sie sitzen zu Gericht.
Ihr Opfer ist der nach einer Autopanne zufällig hereingeschneite und zur Übernachtung eingeladene Alfredo Traps, ein Karrieretyp, im übrigen Durchschnittsbürger. Richter, Staatsanwalt, Verteidiger und Henker knöpfen ihn sich bei einem Festmahl vor. Die vier Greise bohren, stöbern, forschen in Trab´s Vorleben, Leben, Sexual- und Geschäftspraktiken,. . . Sie entdecken da so manchen dunklen Punkt: Verbrechen im sittlichen Sinn, sie entdecken sogar einen psychologischen Mord.
Der Richter ermächtigt sich zu einem Todesurteil. Traps akzeptiert. Großer Umtrunk. Ekstase. In der Erzählung stolpert der demontierte Traps allein in sein Zimmer, und als die Herren ihm eine gute Nacht wünschen wollen, hat der sich am Fensterkreuz aufgehängt.
"Ein Engel kommt nach Babylon (Eine fragmentarische Komödie in drei Akten): In dem gemormten Leben der Weltstadt Babylon ist der Bettler Akki der einzige Mensch, der sich die Freiheit des Abenteuers bewahrt hat - und zu bewahren gedenkt.
Alle anderen Bettler hat der reformsüchtige König Nebukadnezar zu pensionsberechtigten Steuereinnehmern gemacht. Um Akki von der Sinnlosigkeit seines anachistischen Lebenswandels zu überzeugen, verkleidet sich der König als Bettler aus Ninive und tritt mit Akki in einen Bettlerwettstreit, den Akki haushoch gewinnt. Die erbettelte Summe wirft der Siegreiche in den Fluß. Es ist ihm um ein freies Leben voller Poesie zu tun, nicht um materiellen Besitz. Nun flattert ein Engel auf die Erde hinab, mit ihm das Gotteskind Kurrubi, das die Gnade verkörpert und dem ärmsten Menschen von Babylon zugesprochen werden soll. Dieser ärmste Mensch ist aber nach der Wette nach der verkleidete König.
Auftragsgemäß liebt Kurrubi den Bettler von Ninive. Also ruft der gekränkte Nebukadnezar den Henker herbei, Kurrubi den Kopf abzuschlagen. Akki hat mit dem Henker längst die Rollen getauscht und zieht mit Kurrubi von dannen. Der enttäuschte König erkennt: Gott läßt ihn fallen, Gott ist sein Feind.
"Grieche sucht Griechin (Eine Prosakomödie)": Der Griechin suchende Grieche ist ein Buchhalter auf der untesten Stufe der Hirarchie eines Mammutunternehmens in einer wahrhaft internationalen Metropole - Paris plus Zürich plus London: Europa-City. Per Annonce sucht der Grieche, 45, simpel, schmuddelig, miserabel behaust, aber voller Grundsätze und Religiosität, eine Landsmännin zwecks Heirat.
Es meldet sich Chloé, 31, die erfo
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