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  Ideologische entwicklung bert brechts

Ideologische Entwicklung Bert Brechts   Wenn man die politische Philosophie, Entwicklung und Aktivitäten Bertold Brechts in seinem Leben, also während der Faschismus, der Kapitalismus und der Sozialismus, besser versteht will, muß man zunächst die persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen dieses beeindruckenden Dichters und Dramatiker genau kennen. Man muß sich zwingenderweise die Frage stellen, welche gesellschaftliche, politische und persönliche Zustände und Veränderungen in dieser Zeitspanne (1898-1956) Brecht dazu bewogen haben die marxistische Ideologie als das Ideal des menschlichen Daseins zu begründen. Aus diesem Grund werde ich in den folgenden Abschnitten die ideologische Entwicklung - begleitet mit Einschnitten in das Leben von Bertold Brecht - erläutern, damit schnell klar wird, wie er zu dieser politisch radikal-linke Denkweise gekommen ist. Der junge RebellDer junge Brecht, der damals Eugen als Vornamen hatte, war schon als Gymnasiast in seinem Heimatstadt Augsburg als ein selbstbewußter Rebell und Anarchist bekannt. Der Aufständige, der sich gegen das vorherrschende Milieu währte, gehörte überraschenderweise zu einer der wohlhabenden und bürgerlichen Familien. Sein Vater und sein Bruder Walter, führende Fachmänner in der damaligen Papierherstellungsindustrie, waren bezeichnend für die Zugehörigkeit der Familie zum Oberschicht.

Brecht entpuppte sich jedoch in einem Gedicht, welches den Titel “Verjagt mit gutem Grund” trug, als ein Verräter seiner Klasse, aus dem er entstammte: Ich bin auf gewachsen als Sohn Wohlhabender Leute. Meine Eltern haben mir Einen Kragen umgebunden und mich erzogen in den Gewohnheiten des Bedientwerdens Und unterrichtet in der Kunst des Befehlens. Aber Als ich erwachsen war und um mich sah, Gefielen mir die Leute meiner Klasse nicht, Nicht das Befehlen und nicht das Bedientwerden. Und ich verließ meine Klasse und gesellte mich Zu den geringen Leuten. In einigen Erzählungen Brechts, wie zum Beispiel die Kalendergeschichten, gibt es diverse Andeutungen dafür, daß Brecht sich diese politische radikal-linke Haltung von der Großmutter angeeignet hätte. Die 72 jährige alte Frau wandte sich plötzlich nach dem Tod ihres Mannes vom kleinbürgerlichen Leben ab und führte mit einfachen Leuten, wie etwas einem Pfarrer, ein ungebundenes Leben.

“...Sie hatte die langen Jahre der Knechtschaft und die kurzen Jahre der Freiheit ausgekostet und das Brot des Lebens aufgezehrt bis auf den letzten Brosamen...

” Der KriegsgegnerBrechts rebellischer und interessanterweise auch antikriegerischer Standpunkt brachte ihn in den damals autoritären Gymnasien in diverse Schwierigkeiten. Er empfand eine tiefgründige und glühende Haß gegen den Krieg. Das ästhetische Bewußtsein und die Begeisterung der damaligen Bevölkerung für den Krieg in Deutschland deutete Brecht als junger Schüler als etwas höchst Verwerfliches und Unvernünftiges, die gezielt (seitens der Herrschenden) nur als Propaganda dienen sollte. Der Akt des Krieges, die Schlacht der Soldaten, das Kämpfen um das Überleben wurde damals als etwas ästhetisch Schönes empfunden, das Brecht direkt als etwas Dummes und Inhumanes zurückwies. So riskierte er in einem Aufsatz seine gesamte Schulkarriere und schrieb: “Der Ausspruch, daß es süß und ehrenvoll sei, für das Vaterland zu sterben, kann nur als Zweckpropaganda gewertet werden. Der Abschied vom Leben fällt immer schwer, im Bett wie auf dem Schlachtfeld, am meisten gewiß jungen Menschen in der Blüte ihrer Jahre.

Nur Hohlköpfe können die Eitelkeit soweit treiben, von einem leichten Sprung durch das dunkle Tor zu reden...” Nur mit Hilfe eines Lehrers, der mit dem Argument, der Krieg hätte den Geist des sensiblen Schülers völlig in Unordnung gebracht, wurde Brecht vor dem Ausschluß aus der Schule gerettet. Nach dem Brecht seine schulische Laufbahn erfolgreich beendet hatte und den unsystematischen Medizin- und Philosophiestudium in München wegen Einberufung zum Dienst als Sanitäter in einem Lazarett in Augsburg unterbrechen mußte, erlebte er das Schrecken und die Brutalität des Krieges von der furchterregende Seite. Die andauernde Einlieferungen von arm- und beinlosen, schwerverletzten und toten Soldaten von der Front verstärkte seinen Haß und Verneinung gegenüber dem Krieg, die sich deutlich in vielen seiner Theaterstücke (z.

B. “Der kaukasische Kreidekreis”), Gedichte und Lieder widerspiegeln läßt. Im “kaukasischen Kreidekreis” kehrt der Soldat Simon vom Krieg gegen die Kleinfürsten mit verstörter Psyche zu seine Geliebte Grusche zurück. Allein der Gedanke, daß er eines Tages mit ihr ein glückliches Leben in einem Friedenszustand führen kann, bewahrt ihn noch vor dem Wahnsinn des Krieges (Simons schreckliche Erfahrungen im Krieg werden auf der Seite 74 durch den Sänger genau beschrieben.) Auch der Volksgestalt Azdak, der neben Grusche den zweiten Hauptfigur darstellt, kritisiert durch die Lieder seines Großvaters das Elend des Krieges. In einem späteren Brief an seinem russischen Freund schildert Brecht nicht nur die Brutalität und Inhumanität des Krieges, sondern auch das unglaubliche Abverlangen der Herrschenden und Mächtigen nach Produktivität des Menschen in jeder Situation.


“...Ich sah, wie Menschen zusammengeflickt wurden, damit sie so rasch als möglich an die Front zurücktransportiert werden konnten, um noch mehr zu töten...

” Hier macht Brecht klar , daß damals die Menschen (damit ist die große Masse gemeint) in so einer penetranten und unterdrückten Gesellschaft nicht zum Selbstzweck, sondern als Mittel zum Zweck benutzt wurden. Die Bürgerlichen, die Aristokraten, die Herrschenden mißbrauchten ihre Machtbefugnisse und schickten Tausende von Soldaten in den Tod, um ihre eigene gesellschaftliche (herrschende) Stellung in einem Land zu sichern oder gar andere Länder zu erobern, um ihre eigene politische und wirtschaftliche Herrschaft zu expandieren. Der gläubige MarxistIn seinen jungen Jahren war Brecht als ein Aufständiger gegen das politische System, Kriegsgegner und Antiromantiker mit nihilistischen Zügen bekannt und hatte keine unmittelbare Verbindung zum Marxismus. Der Lyriker, der sich gegen die bürgerliche Welt und Gesellschaftsordnung stellte, hatte sogar zu dem Zeitpunkt (1922/23) - widersprüchlich zu seine spätere marxistische Ideologie - eine antikommunistische Denkweise. In Gesprächen und Diskussionen mit Freunden und Bekannten, wie z.B.

Arnold Bronner, zeigte sich Brecht von seiner Kehrseite. Als einmal in einer Debatte die Frage anstand, ob man die Welt verändern müsse, damit die Menschen nicht mehr unter Hunger leiden müssen, dementierte Brecht sehr zynisch: “Was geht es dich an, wenn die Menschen hungern. Man muß hinaufkommen , sich durchsetzten, ein Theater haben, auf dem man seine eigene Stücke aufführen kann.” Dieser Zitat zeigt jedenfalls die historische Tatsache, daß Brecht nicht schon seit jeher ein überzeugter Marxist war und dessen Vorhaben unterstützt hatte. Erst seine tieferen und sehr intensiven Studien über den Marxismus in Berlin im Jahre 1924 bis 1926 mit seinem Lehrer und Ratgeber Fritz Sternberg machten ihn zu einem überzeugten Kommunisten, der nun mit neuen Waffen der marxistischen Theorie gegen das altbekannte, spießige und bürgerliche Weltanschauung und Gesellschaftsordnung vorgehen konnte. Besonders bewundernswert war für Brecht an diese neue, theoretische Weltanschauung der kritische und entlarvte Umgang mit den totalitäre (Faschismus) und liberalistischen (Kapitalismus) Systemen, denen er selbst als Nicht-Marxist ebenso scharf kritisiert hatte.

Obwohl Brecht ein Kriegsgegner war und sich somit stets gegen Gewalt ausgesprochen hatte, folgte er nach diesem Studium den Weg der Revolution, die notwendig sei die kapitalistischen Gesellschaft zu überwinden, um eine klassenlose, gerechte Gesellschaft herzustellen. Nach Brechts Auffassungen kann Gewalt nur dann akzeptiert werden, wenn am Ende der Gewalt die Gewaltlosigkeit, die Freiheit und Freundlichkeit der kommunistischen (klassenlosen) Gesellschaft bevorsteht. Brecht als Exilschriftsteller in den Vereinigten Staaten, wo viele seiner Stücke entstanden sind, verneinte zwar die Mitgliedschaft der KPD (kommunistische Partei in der Weimarer Republik) gegenüber der Untersuchungsausschuß antiamerikanischer Umtriebe (“Commitee of Unamerican Activities”), aber er fühlte sich als einen überzeugten Marxisten und setzte sich aufrichtig für die kommunistischen Aktivitäten ein und tat alles, um sie mit seiner Talente und Fähigkeiten als Dichter und Dramatiker zu fördern. Brechts Begeisterung für die Partei (KPD) vor dem Hitlerherrschaft in Deutschland war sehr groß. So schrieb er im Jahre 1930 einer seiner propagandistischen Gedichte, der mit rhetorischen Mittel eine direkte Suggestivität der Bevölkerung in Deutschland beabsichtigte. Lob der Partei Der Einzelne hat zwei Augen Die Partei hat tausend Augen.

Die Partei sieht sieben Staaten Der Einzelne sieht eine Stadt. Der Einzelne hat seine Stunde, Aber die Partei hat viele Stunden. Der Einzelne kann vernichtet werden, Aber die Partei kann nicht vernichtet werden. Denn sie ist der Vortrupp der Massen Und führt ihren Kampf Mit den Methoden der Klassiker, welche geschöpft sind Aus der Kenntnis der Wirklichkeit. In dieser Zeit der Ratlosigkeit der Bevölkerung aufgrund des wirtschaftlichen Niedergangs und damit wachsender Armut und Elend in der Weimarer Republik propagierte Brecht - wie viele andere Intellektuelle seiner Zeit auch - für den kommunistischen Partei und wollte mit diesem Gedicht das Geimeinschaftsgefühl der Menschen und vorallem ihre politische Aktionsbewußtsein stärken. Die Stärke und damit verbundener Erfolg zur Besserung der Zustände verspricht uns Brecht in der politischen Tätigkeit und Einsatz nicht im Individuum selbst, sondern im Kollektiv.

Die letzten drei Zeilen enthalten die Begründung für die kämpferisch-revolutionäre Haltung der selbstlosen Partei. Gleichzeitig wird die “Methode der Klassiker” (Damit ist die Methode für die Aufrechterhaltung der Klassengesellschaft gemeint) - kritisiert und als unbrauchbar zurückgewiesen. Die Zeit der Revolution des Proletariats, der unterdrückten Masse ist gekommen und nicht einmal die “Klassiker” könnten sie verhindern. Der notorische Philanthrop Brecht stellt auch in seinem “Lied vom Wasserrad” (1934) die Stärke der unterdrückten und ausgebeuteten Masse im Zentrum. Mit dem folgenden Refrain im ersten und zweiten Abschnitt des Liedes macht Brecht klar, daß die Herrschenden und Reichen dieser Erde nur durch harte Arbeit der großen, ausgebeuteten Klasse überleben können, und daß diese Klasse das Rückrad für die Gesellschaft bildet: Freilich dreht das Rad sich immer weiter Daß, das was oben ist, nicht oben bleibt. Aber für das Wasser unten heißt das leider Nur: das es das Rad halt ewig treibt In der zweiten Zeile macht Brecht schon Andeutungen darauf, daß dieser Gesellschaftszustand auch irgendwann sein Ende haben wird, und somit noch die Hoffnung besteht, befreit zu werden.

Im dritten Teil des Liedes ändert sich der Refrain von einem passiven, resignierten Zustand zu einem aktiven, revolutionären Standpunkt, der der unterdrückten Masse Mut machen soll: Denn dann dreht das Rad sich nicht mehr weiter und das heiter Spiel, es unterbleibt Wenn das Wasser endlich mit befreiter Stärke seine eigene Sach betreibt. Für den öffentlich-bekennenden sozialistischen Gesellschaftskritiker bot die angeeignete Ideologie eine Reihe von Vorteilen. Er wußte seine Position in der kommunistischen Welt. Sowohl in seiner Exilzeit in der Sowjetunion, als auch während seinen letzten Lebensjahren in Ostberlin wählte er sich den günstigsten Standort aus, der ihm materiellen Vorteile und einen Maximum an Bewegungsfreiheit bot. Mit seinem eigenen Ensemble und Theater in Ostberlin, einem österreichischen Paß in der Tasche und dem Urheberrecht seiner Werke in den Händen eines westdeutschen Verlegers, konnte Brecht sich der Verfolgung seiner künstlerischen und politischen Ziele widmen. Grundgedanken des MarxismusDa Brecht nicht ein eigenentwickelte ideologische Position besaß, sondern die Ideologie des Marxismus übernahm, ist es sinnvoll wenigstens die Grundzüge dieser politisch-philosophische Strömung zu kennen.

Diese Kenntnisse führen dann auch zu einem besseren Verständnis seiner Stücke und Gedichte. Brecht hatte die besondere Gabe die theoretisch-philosophische Gedanken dieser Theorie mit beeindruckenden Form in alltägliche, praktische und realitätsnahe Vorgänge zu manifestieren. Der Marxismus beinhaltet philosophische, ökonomische, politische und moralische Standpunkte und Aspekte und ist daher sehr umfangreich. Ich werde mich deshalb in diesem Abschnitt nur mit den Grundgedanken dieser weltrevolutionären Doktrin befassen. Mit Marxismus bezeichnet man die ideologische Position, die sich auf die von Karl Marx (1818-1883) und Friedrich Engels (1820-1895) begründete Gesellschaftstheorie berufen. Der in Armut lebender Philosoph und Politiker Marx mit seinem reichen Freund Engels entwickelte im “Manifest der kommunistischen Partei” (1848) seines für die Bourgeoisie einschüchterndes Werk (Manifests erster Satz: “Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Kommunismus.

”), das die bestehenden kapitalistische Gesellschaft scharf kritisierte und dem unterdrückten Proletariat mit der Parole “Proletarier aller Länder, vereinigt euch!” zum Revolution gegen die Kapitalisten aufrief. Besonders betont werden die Klassengegensätze innerhalb der unterdrückten Gesellschaft, die durch die ungleichmäßige Verteilung der Produktionsmittel verursacht werden: “...Die Bourgeoisie hebt mehr und mehr die Zersplitterung der Produktionsmittel, des Besitzes und der Bevölkerung auf. Sie hat die Bevölkerung agglomeriert, die Produktionsmittel zentralisiert und das Eigentum in wenigen Händen konzentriert.

Die notwendige Folge hiervon war die politische Zentralisation. Unabhängig, fast nur verbündete Provinzen mit verschiedenen Interessen, Gesetzen, Regierungen und Zöllen wurden zusammengedrängt in eine Nation, eine Regierung, ein Gesetz, ein nationales Klasseninteresse, eine Douanenlinie...” Im Jahre 1867 verfaßt Marx sein Hauptwerk “Das Kapital”. Kern des “Kapitals” bildet der “historische Materialismus”.

Mit dieser Geschichtsphilosophie zeigt Marx , daß der bisherige Lauf der Geschichte geprägt war von Klassengegensätze, die unvermeidlich Spannungen in der Gesellschaft zwischen Herrschenden und Unterdrückten hervorrufen. Die klassenlose Urgesellschaft wurde durch Arbeitsteilung, den Erwerb von Eigentum und durch die Herausbildung von Herrschaft zerstört. Danach folgt der Sklavengesellschaft, die sich in Form äußerster Unterdrückung der Sklaven herausbildete und damit die Ausbeutung der Sklaven ermöglichte. Diese Ausbeutung machte die Sklavenhalter reicher und fördert in extremen Masse die ungleichmäßige Verteilung von Produktionsmitteln. Über die Feudalgesellschaft bis zur bürgerlichen (kapitalistischen) Gesellschaft entwickelt sich die verstärkte Akkumulation von Kapital in den Händen der Bourgeoisie fort. Die letzte Abstufung setzt Marx in einer kommunistischen Gesellschaft fest, bei der durch die Revolution des Proletariats die Klassengegensätze aufgehoben werden und somit eine gerechte, klassenlose Gesellschaft - ohne jeden Zwang für das Individuum - geschaffen wird .

In den Kommunismus soll dann in hohen Maßen die individuelle Freiheit der Gesellschaftsmitglieder legitimiert werden. Es werden Glück, Wohlstand und Frieden herrschen, die jedem Menschen die volle Entfaltung seiner Persönlichkeit erlauben. Es gibt weder Not noch Mangel. Die Urgesellschaft ist gewissermaßen auf höhere Ebene wiederhergestellt. Historischer Materialismus im Übersicht Urgesellschaft: Gemeinschaftliches Eigentum an den Produktionsmitteln. Da es kein Privateigentum gab, gab es auch keine Ausbeutung einer menschlichen Klasse durch eine andere.

Sklavenhaltergesellschaft: Privateigentum der Sklavenhalterklasse an den Produktionsmitteln der Sklaven. Diese Klasse wird ausgebeutet. Feudalismus: Eigentum der Feudalherrn an den Produktionsmitteln, vor allem am Boden. Die Klasse der Feudalherrn beutete die anderen aus. Kapitalismus: Privateigentum der Kapitalisten an den Produktionsmitteln. Die Bourgeoisie beutet die Lohnarbeiter (Proletariat) aus.

Kommunismus: Einheitliche kommunistische Eigentum. Die Arbeit wird das wichtigste Lebensbedürfnis. Für die Verteilung gilt folgender Grundsatz: Jeder nach seinen Bedürfnissen, jeder nach seinen Fähigkeiten. Den anderen Teil des “Kapitals” bildet der “dialektische Materialismus”. In dieser Art der Materialismus zeigt Marx, daß die ökonomische Basis und die wirtschaftliche Entwicklung die Denkweise der Menschen, den kulturellen Überbau bestimmen (“Das Sein bestimmt das Bewußtsein.”).

Damit dementierte Marx die idealistische Auffassung, daß der geistige Überbau, die menschliche Denkweise ansich verantwortlich dafür ist, wie die Gesellschaft gestaltet wird. Menschen werden automatisch so denken, weil die materiellen Verhältnisse (Lebensstandard) sie dazu bewegen. Das “Dialektische” an dieser Theorie macht die gegenseitige Beeinflussung von Überbau und Basis aus. Der Überbau selbst ist nicht passiv, sie kann auch erhebliche Einflüsse auf die permanent veränderte Basis ausüben. Dieses Zusammenwirken von materielle Verhältnisse und dem geistigen Überbau faßte Marx unter dem Basis-Überbau-Theorie zusammen. Basis-Überbau-Theorie im Übersicht ÜBERBAU (Recht, Politik, Kultur, Religion, Moral, Philosophie) BASIS (Vorhandene Produktionsmittel, materielle Verhältnisse, wirtschaftliche Entwicklung) Mit diesem Modell läßt sich auch die Übergänge von einem Gesellschaftszustand zu einem anderen im historischen Materialismus erklären.

Während die Ökonomie und die Technik aufgrund der Konkurrenzkampf stetig Fortschritte machen und somit den Lebensstandard der Menschen ändern, bleibt der geistige Überbau über längere Zeiträume hinweg in seinen Strukturen unverändert. Die so entstehenden Spannungen zwischen Basis und Überbau führen notwendig zur Revolution, in der sich die arbeitende und produktive Klasse gegen die Besitzer der Produktionsmittel, die ausbeutende Klasse, erhebt. Diese Revolutionen führen jedoch nicht alle zum klassenlosen Gesellschaft, dem Kommunismus. (Beispiel: Durch die französische Revolution von 1789 wurde der Königs gestürzt, jedoch entstand keine klassenlose Gesellschaft. Die Jakobiner übernahmen die Macht und unterdrückten das Volk auf ihre Weise.) Diese gesellschaftliche Veränderungen, die die unterdrückte Klasse mehr Rechte einräumen, sind lediglich eine Hinauszögerung des eigentlichen Revolutions, dem Revolution des Proletariats im Kapitalismus.

Erst mit der letzten revolutionären Umwälzung und dem Diktatur des Proletariats geht die Zeit der Klassenkämpfe zu Ende. Der Nihilist und ParteikritikerDer kommunistische Gesellschaftsform, die sich Marx ausgedachte hatte, erwies sich zum größten Bedauern von Brecht im Praxis als nicht durchführbar. Nach dem Oktoberrevolution von 1917 in Rußland entwickelte sich das stalinistische System, das dem Faschismus mit ihren menschenfeindlichen Zügen sehr ähnelte. Der Staatsform war weit davon entfernt kommunistisch zu sein. Der Terror während der Stalin-Zeit und die Kulturrevolution Maos in China standen im krassen Gegensatz zum Versprechen von freien Entfaltung der Persönlichkeit. Die Volksdemokratien waren nichts anderes als kommunistische Diktaturen.

Die Wahlen wurden entweder gefälscht oder manchmal war gar keine Fälschung nötig, weil die kommunistische Partei das einzige Kandidat war. Das Recht auf freie Meinungsäußerung war sowieso nicht vorhanden. Selbst der gläubige Marxist Brecht mußte diese Tatsachen in seinem Tagebuch im Jahre 1943 eingestehen: “Im Faschismus erblickt der Sozialismus sein verzerrtes Spiegelbild. Mit keiner seiner Tugenden, aber allen seinen Lastern.” Die Befürchtung, daß auch er als ein intellektueller Unterstützter des Marxismus vom Stalin mißbraucht werden könne, führte ihn dazu die Sowjetunion zu verlassen und nach USA zu emigrieren. Innerlich wurde der marxistische Autor förmlich “aufgefressen”.

Der kommunistische Staat als Lösung zur Unterdrückung im Kapitalismus und Faschismus erwies sich als misanthropisch. Brecht versenkte deshalb in einem Dilemma. Ihm blieb keine geeignete Ideologie zur Deutung der Wirklichkeit. Die Persönlichkeit Brechts zu dem Zeitpunkt läßt sich mit der Figur des Richters Azdak im “kaukasischen Kreidekreis” gleichsetzen. Azdak ist ein widersprüchlicher Mensch. Er ist ein intellektueller Mann (“geistiger Mensch”, wie er sich nennt), der irrational handelt, ein Rebell, der sich gegen das vorherrschende Milieu wehrt, aber trotzdem opportunistische Charakterzüge aufweist (d.

h. Er paßt sich der Situation an.). Dieser Nihilismus prägt sich auch stark in vielen seiner politischen Gedichten: Der Radwechsel Ich sitze am Straßenhang Der Fahrer wechselt das Rad. Ich bin nicht gern, wo ich herkomme. Ich bin nicht gern, wo ich hinfahre.

Warum sehe ich den Radwechsel Mit Ungeduld? Auf die Ratlosigkeit Brechts deutet in diesem Gedicht das lyrische Ich. Es sitzt am Straßenrand und scheint keine Wirkung auf die Geschehnisse zu haben. Der Fahrer, der eine Panne an seinem Fahrrad reparieren möchte, symbolisiert den Not und das Dilemma in der Gesellschaft (und zwar in allen Gesellschaftsformen: Faschismus, Kapitalismus, Sozialismus/Stalinismus). In der dritten und vierten Zeile identifiziert sich Brecht mit dem lyrischen Ich und weist darauf hin, daß er weder wo er herkommt (Faschismus) glücklich war, noch wo er hingeht (Sozialismus) glücklich sein wird. Daß der Radwechsel mit Ungeduld erwartet wird, zeigt noch, daß Brecht sein letztes Stück Hoffnung nicht aufgegeben hat. Der erfolgte Radwechsel soll dann das neu entstandene, freundlichere Welt symbolisiert.

Nach seinem Exilleben in den USA geriet Brecht durch solche Dichtungen und andere kontroverse Stücke - besonders durch “Die Maßnahme” - in einige Schwierigkeiten mit der damaligen SED im Ostberlin. Die Partei verbot nämlich zahlreiche Aufführungen der Stücke, darunter auch “Die Maßnahme”. Brecht konnte sich aus diese Zwänge nur mit Hilfe satirischen Erzählungen, wie “Die Lösung”, befreien, die ich kommentarlos als Beispiel anführe: Die Lösung Nach dem Aufstand des 17. Juni Ließ der Sekretär des Schriftstellerverbands In der Stalinallee Flugblätter verteilen Auf denen zu lesen war, daß das Volk Das Vertrauen der Regierung verscherzt habe Und es nur durch doppelte Arbeit Zurückerobern könne. Wäre es da Nicht doch einfacher, die Regierung Löste das Volk auf und Wählte ein anderes? Kommentare und Kritiken zum Text an: Mirwais Turjalei, E-Mail: Turjalei@gmx.de Quellen: Primärliteratur · “Gedichte und Lieder” - Suhrkamp Verlag · “Schriften zur Politik und Gesellschaft” - Suhrkamp Verlag · “Der kaukasische Kreidekreis” - Suhrkamp Verlag · “Manifest der kommunistischen Partei” - K.

Marx , F.Engels · “Das Kapital” - Karl Marx Sekundärliteratur · “Bertold Brecht - Vom Bürgerschreck zum Klassiker” - H. Karasek · “Dichterworte und Parteiparole - Propagandistische Gedichte u. Lieder B. Brechts” - Ulla C. Lerg-Kill · “Brecht - Das Paradox des politischen Dichters” - Martin Esslin · “Der Marxismus” - Hernri Levebvre

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