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  Franz kafka

Autor: Christian Seitz Jahrgangsstufe: 12 / Schule: BBS Darmstadt / Kurs: D bei Frau Lang Fach: Deutsch / Thema: Kafka – (Verwandlung) Note: ?   P.S: Über eine kleine Rückantwort (Kommentar, Verwendungszweck, “ich habe Dein Referat runtergeladen...”, etc.) würde ich mich sehr freuen!!!      Franz Kafka (Ein Referat von Christian Seitz)   1 Franz Kafka 2 Die Familie Kafka 3 Kafkas Kindheit, Schulzeit & Studienzeit 4 Kafkas Wohnverhältnisse 5 Kafkas Beziehungen zu Frauen 6 Quellenangaben   © Christian Seitz in 1996 I.

Franz Kafka (* 3.7.1883 in Prag; + 3.6.1924 Kierling) Franz wurde als ältestes Kind des Kaufmanns Herman Kafka und seiner Ehefrau Julie am Rand des Ghettos von Prag, als ältestes von 6 Kindern geboren. Sein Selbstwertgefühl war ständig gefährdet, er empfand unklare Schuldgefühle, seine Beziehung zu Menschen und Dingen war gestört.

Zeit seines Lebens befürchtete er, aus der Gemeinschaft der Menschen ausgeschlossen zu sein. Andererseits flüchtete er in die Isolation, um dem übergroßen Druck der Wirklichkeit auszuweichen. Es war Kafkas Ziel “im Grenzland zwischen Einsamkeit und Gemeinschaft” zu leben. In seien Jugendjahren zeigte sich sein mangelndes Selbstvertrauen vor allem in der Schule. Von 1889 bis 1893 besuchte er die “Deutsche Knabenschule am Fleischmarkt” und von 1893 bis 1901 das humanistische “Staatsgymnasium mit deutscher Unterrichtssprache in Pragaltstadt”. Seine übermäßige Selbstkritik äußerte sich in Furcht, den schulischen Anforderungen nicht gerecht zu werden, dabei war er “Vorzugsschüler”.

Er empfand die Schule als Bereich der väterlichen Welt, als fremd und sinnlos. Auffällig waren Kafkas extreme Lärmempfindlichkeit, seine Neigung zu Hypochondrie (übersteigertes Beschäftigen mit der eigenen Gesundheit), seine Mäusephobie und seine Angst vor Regen. Seine Unsicherheit den Dingen gegenüber zeigte sich in seinem Geiz. Seine Freundin Milena schrieb einst: “Seine Beengtheit dem Geld gegenüber ist fast die gleiche wie der Frau gegenüber”. Zu seinen Charakterzügen gehörte die “Lust, Schmerzliches möglichst zu verstärken”. Er sah darin die einzige Möglichkeit, nach Art der alten Medizin Schmerz durch Schmerz auszubrennen.

Geradezu masoschistisch mutet Kafkas Vorliebe für die Schilderung von Szenen, in denen der menschliche Körper mit allen Arten von scharfen Werkzeugen gequält, durchstochen und durchbohrt wird. Die Strafphantasien haben wohl im Selbsthaß des Autors ihren Ursprung. Diese Aversion richtete sich auch auf seine eigene körperliche Erscheinung. Er schämte sich seines Aussehens. Wie die Porträts zeigen, war er Ruderer, Tennisspieler und Motorradfahrer, der fast bis ans Ende seiner Lebensjahre ungewöhnlich jugendlich wirkte. Im Semester 1901/1902 studierte Kafka an der deutschen “Ferdinand-Karls-Universität” in Prag zuerst Chemie, dann Germanistik.

Zuletzt entschloß er sich zur Rechtswissenschaft. 1907, nach Abschluß seines Studiums, hatte er als Versicherungsangestellter zuerst in der Assicurazioni Generali – die er wegen der langen Arbeitszeit von 8 bis 18.30 Uhr und der minimalen Bezahlung von 80 Kronen am 15.7.1908 verließ mit der Hilfe eines ärztlichen Attests, das ihm “Nervosität verbunden mit einer großen Erregbarkeit des Herzens” bescheinigte – und ein Jahr später in der Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt zu arbeiten begonnen. Seine berufliche Tüchtigkeit und sein großer Fleiß wurden von seinen Vorgesetzten anerkannt.

Aufgrund seines Formulierungstalents wurde er dort mit der Abfassung größerer Schriftsätze vertraut. Im April 1910 wurde er zum Anstaltskonzipisten ernannt und schaffte es bis 1922 sogar bis zum Obersekretär. Aus gesundheitlichen Gründen wurde er am 1.7.1922 in den Ruhestand versetzt. Kafka fiel die Arbeit im Büro leicht, er fühlte sich keineswegs einer seelenlosen, bürokratischen Maschine ausgeliefert.

Allerdings verstärkte sich seit dem Jahr 1912 die Spannung zwischen seinem Brotberuf und seiner literarischen Berufung. Schon während der Studienzeit entstand die Erzählung “Beschreibung eines Kampfes”; 1908 erschien als erste Veröffentlichung “Betrachtung”. Die Freundschaft mit dem Schriftsteller Max Brod, der später durch seine Biographie Kafka zu seinem Weltruhm verhalf, brachte Kafka in Berührung mit Prager Literaten und Kritikern im Prager Kreis. Der Prager Kreis war ein loser Zusammenschluß von Prager Literaten, die sich persönlich nahestanden und ähnliche Ziele vertraten. Sie besuchten sich gegenseitig in ihren Wohnungen, trugen einander ihre neuesten Arbeiten vor, übten freundschaftliche Kritik und halfen sich gegenseitig bei der Suche nach Publikationsmöglichkeiten. Nur ausnahmsweise traf man sich im Café Arco.


Durch Brod lernte er auch Felice Bauer kennen, später befreundete er sich mit Milena Jesenská, Julie Wohryzek und Dora Diamant. Nach verschiedenen fehlgeschlagenen Heiratsversuchen steigerte sich Kafkas Schlaflosigkeit, seine Verzweiflung und seine Depression. Anfang 1917 kündigte eine Blutsturz den Beginn einer schweren Erkrankung an, die Kafka als Strafe für die Auflösung seiner ersten Verlobung mit Felice, aber auch als Befreiung von den Gemeinschaftsverpflichtungen empfand. Im April 1924 wurde bei Kafka Kehlkopftuberkulose diagnostiziert. Man brachte den Patienten zuerst ins Sanatorium “Wiener Wald” in Ortmann bei Wien und dann ins Sanatorium Kierling bei Klosterburg. Seine Schluckbeschwerden bei der Nahrungsaufnahme wurden immer stärker, er mußte langsam verhungern.

Am 3. Juni, als er nur noch mit Mühe atmen konnte, bat er um Morphium mit den Worten: “Töten Sie mich, sonst sind Sie ein Mörder.” Nach mehreren Injektionen starb Kafka gegen Mittag. Am 11. Juni wurde der Dichter auf dem jüdischen Friedhof in Prag-Straschnitz beigesetzt.   II.

Die Familie Kafka     II a) Die Mutter: Julie Kafka (* 23.3.1856 in Podibrad; + 1934 in Prag)   Kafkas Mutter Julie (1856-1934), Tochter des Tuchhändlers und Brauereibesitzers Jakob Löwy (1824-1910), war in Podibrad an der Elbe geboren und lebte seit ihrer Kindheit in Prag. Sie hatte drei Brüder: Alfred, Richard und Joeseph und stammte aus einer wesentlich wohlhabenderen Familie als ihr Mann Hermann Kafka, die auch das merklich höhere Bildungsniveau des deutsch-jüdischen Bürgertums aufwies. Der Vater ihrer Mutter Esther (geborene Porias) war ein angesehener Talmudist gewesen, bewandert in den religiösen Schriften des Judentums, und Franz Kafka hat, von diesem gelehrten Zweig der Familie beeindruckt, immer diese Tradition der Löwys gegenüber der kulturellen und materiellen Bedarftheit der Kafkas, so sehr sie auch erfolgsorientiert waren, hervorgehoben. Kafkas Mutter scheint aber keine übermäßig kulturell und geistig interessierte Frau gewesen zu sein, was zum Teil mit ihrer nicht unbeschwerten Kindheit zusammenhängt.

Kafka beschrieb seine Mutter als wahrhaftig, nachgiebig und selbstlos, er kritisierte aber ihre übermäßige Demut und Unselbständigkeit. Sie sei die “liebende Sklavin” des Vaters und dieser ihr “liebender Tyrann” gewesen. So äußert er sich im Brief an den Vater: “Wollte ich vor Dir (dem Vater) fliehen, müßte ich auch vor der Familie fliehen, selbst vor der Mutter. Man konnte bei ihr zwar immer Schutz finden, doch nur in Beziehung zu Dir. Zu sehr liebte sie Dich und war Dir zu sehr treu ergeben, als daß sie in den Kopf des Kindes eine selbständige geistige Macht für die Dauer hätte sein können.” Auch sie brachte, ebenso wie der Vater, kein Verständnis für die literarischen Arbeiten ihres Sohnes auf.

  II. b) Der Vater: Hermann Kafka (* 14.9.1852 in Wossek; + 1931 in Prag) Kafkas Vater Hermann (1852-1931) stammte aus dem südböhmischen Dorf Wossek, das mit nur 100 Einwohnern eine unverkennbar kleine Welt darstellte. Als Sohn des Metzgers Jakob Kafkas (der wegen seiner Körperkraft berühmt war und einen Sack Mehl mit den Zähnen aufheben konnte), erlebte Hermann Kafka eine entbehrungsreiche Kindheit in großer Armut in einer der auf dem Land üblichen Katen (Haus eines Landarbeiters), in deren drei ebenerdigen Räumen außer den Eltern insgesamt sechs Kinder Platz finden mußten. Die Entbehrungen seiner arbeitsreichen Kindheit setzte Hermann Kafka später gegenüber seinen eigenen Kindern, vor allem gegenüber seinem Sohn Franz, als pädagogisches Druckmittel ein.

Echtes Mitgefühl Franz Kafkas für die Leiden des Vaters wurde überlagert von Abwehrreaktionen und aufgezwungenen Schuldgefühlen. Der sich mit seinen Leiden hervortuende Vater wurde zum Gegenstand eines unterschwelligen Hasses, der gegen die väterliche Übermacht und Autorität nicht zum Ausbruch kam. Erzwungenem Respekt stand echte Zuneigung und Sympathie gegenüber, so daß das Verhältnis des Sohnes von Gehorsam und verborgener Haßliebe gegenüber dem Vater geprägt war. Die Einzelheiten hat Kafka in dem berühmten “Brief an den Vater” (1919) genaustens ausgeführt. Es ist eigentlich die vom Vater seelisch nicht bewältigte Vergangenheit, die dem Sohn zur Erbschaft, zur Seelenlast, zum Schuldturm und zum Angstfaktor geworden war. Hermann Kafka war ein rechthaberischer, leicht erregbarer Familientyrann, der keinen Widerspruch duldete, und der kein Verständnis für seinen sensiblen Sohn hatte.

Seine materialistische Einstellung äußerte sich auch in seiner Gleichgültigkeit gegenüber kulturellen Dingen. Die schriftstellerische Arbeit seines Sohnes hielt er für nutzlosen Zeitvertreib. Im “Brief an den Vater” schrieb Kafka: “Richtiger trafst Du mit Deiner Abneigung mein Schreiben und was, Dir unbekannt, damit zusammenhing. Hier war ich tatsächlich ein Stück selbständig von dir weggekommen (...

). Meine Eitelkeit und mein Ehrgeiz litten (...) unter Deiner für uns berühmt gewordenen Begrüßung meiner Bücher: “Leg´s auf den Nachttisch (meist spieltest Du ja Karten, wenn ein Buch kam).” Der Kampf der Söhne gegen die Welt des Väter ist ein zentrales Thema seiner Dichtung.

Die Entbehrungen Hermann Kafkas sind typisch für das leidvolle Leben auf dem Lande zu dieser Zeit: die schmale Hauskost, bisweilen sogar Hungerleiden, frühzeitige Kinderarbeit (bei jedem Wetter mit dem Handkarren in der Umgebung Besorgungen machen und Bestellungen ausfahren), Kleidermangel (z.B. fehlende Schuhe im Winter) und frühzeitiges Verlassen der Familie (mit 14 kam er in ein Geschäft bei Pisek). Gewiß eine harte, freudlose Kindheit. Daß der Vater diese Entbehrungen aber den Kindern, die unter ganz anderen Verhältnissen in der Stadt aufwuchsen, vorwurfsvoll entgegenhielt, um sich Respekt, Gehorsamkeit und Gefügigkeit bei ihnen zu verschaffen, läßt auf großes Selbstmitleid schließen. Andererseits verstand der Vater wohl nicht, wie hemmend und einschüchternd seine Vorhaltungen wirken mußten.

Der Sohn Franz konnte zwar den Vater bewundern, ihm nacheifern aber konnte er nur sehr bedingt, weil die väterlichen Methoden des Drucks, der Drohung, des Zwangs ihn eher lähmten und an der inneren Kraftentfaltung hinderten. Kafkas Vater war ein besonderes Beispiel dafür, in welcher Weise die milieubedingte ungünstige Ausgangslage erfolgreich überwunden werden konnte. Seine vitale Persönlichkeit, deren Größe, körperliche Stärke und stattliche Erscheinung Kafka nicht nur negativ beeindruckten, sondern auch mit Bewunderung erfüllten, setzte die ärmliche Herkunft um in Antrieb und Ehrgeiz, sich im Leben hochzuarbeiten. Der aus diesen Verhältnissen stammende Landjude Hermann Kafka konnte aber, obwohl er in Armut aufwuchs, die jüdische Schule in Wossek besuchen und sich dort eine überdurchschnittliche Schulbildung anzueignen. Ihm gelang durch Fleiß, Geschäftstüchtigkeit und rücksichtsloses Durchsetzungsvermögen der Aufstieg in den deutsch-jüdischen Mittelstand Prags. Erschien er seinem Sohn zwar als Tyrann und in der Behandlung des Personals im Haushalt, vor allem aber im Geschäft, als menschenschindender Treiber, so represäntierte er andererseits doch die bürgerlichen Erfolgstugenden der Leistungsgesellschaft, die Kafka zeitlebens auch für sich als Normen verbindlich ansah.

Allerdings gelang ihm die eigentliche Verwirklichung im Sinne einer dazugehörigen bürgerlichen Existenz überhaupt nicht, so sehr er sich besonders in seinen Heiratsplänen immer wieder darin versuchte. Hermann Kafka, durch einen dreijährigen Militärdienst “geschliffen”, lies sich 1881 in Prag nieder und heiratete die ihm standesgemäß überlegene Julie Löwy, die offensichtlich auch eine gute Partie war, denn von dem als Mitgift eingebrachten Geld konnte ein bald florierendes Galanterie- und Kurzwarengeschäft in der Zeltnergasse 12 in der Prager Altstadt eröffnet werden. Dort wurden Modeartikel, Handschuhe, Hausschuhe, Sonnen- und Regenschirme, Spazierstücke und Baumwollenes zum Kauf angeboten. Der Vater hatte in seinem sich ständig vergrößernden Geschäft ein polterndes Domizil aufgeschlagen, und die Mutter mußte stets um ihn sein, als Hilfe und als Ausgleich gegenüber den Angestellten, die dem Vater als Vieh, Hunde und bezahlte Feinde galten. Das Ziel Hermann Kafkas war es, den Sohn zu einem Geschäftsmann zu machen und mit einer Fabrikantentochter zu verheiraten, mindestens sollte er als Jurist Karriere machen.   II.

c) Kafkas Schwester Elli (Gabriele) (* 22.9.1889 in Prag, + wahrscheinlich 1941 im KZ Auschwitz) Die älteste Schwester Kafkas war verheiratet mit dem Kaufmann Karl Hermann, an dessen Firma Prager Asbestwerke Hermann & Co. Kaka eine Zeit lang beteiligt war. Franz lehnte seine Schwester jahrelang ab und übertrug auf sie alle die schlechten Eigenschaften, die er sich selbst glaubte vorwerfen zu müssen: Geiz, Faulheit, Passivität. Elli war wie ihr Bruder ein schüchterner, bescheidener und gewissenhafter Mensch.

  d) Kafkas Schwester Valli (* 25.9.1890; + 1942 im KZ Auschwitz) Valli war der Mutter am ähnlichsten. Sie war gütig, geduldig, bürgerlich, maßvoll, ein guter Gesprächspartner. Sie heiratete im Januar 1913 Josef Pollak, eine Heirat, der Kafka mit äußterster Reserve gegenüberstand.   II.

e) Die Lieblingsschwester Ottla (* 19.10.1896 in Prag; + 1943 oder 1944 im KZ Auschwitz) Seine Schwester Ottla war Franz Kafka schon immer die nächste seiner Schwestern, ja der ganzen Familie; sie teilte mit ihm und unter seiner Anleitung Interessen, Lektüre und Ausflüge. Im elterlichen Geschäft tätig war sie dabei, sich mit Unterstützung des Bruders von den Eltern zu lösen; sie wollte Bäuerin werden und eine Landwirtschaftsschule besuchen. Gegen den Willen ihres Vaters gab sie ihre Arbeit im Geschäft auf und verwaltete seit Mitte April 1917 vorläufig einen landwirtschaftlichen Besitz ihres Schwagers Karl Hermann (Ellis Mann) in Zürau bei Saaz (Nordwestböhmen). Ottla hatte Kafka die lärmfreie Arbeitswohnung der Alchimistengasse 22 verdankt, auch seine Versorgung hier, als sie nach Zürau ging, hatte sie organisiert; gleichwohl hatte er sich zuerst “ganz von ihre verlassen” gefühlt: Wie falsch sein zeitweiliger Gedanke “Sie wird mich also doch verkommen lassen” gewesen ist, erweist sich nun erneut.

Nachdem se ihm nicht gelungen ist, aufgrund der Diagnose seiner Lungenkrankheit pensioniert zu werden, die Anstalt jedoch einen dreimonatigen Urlaub gewährt hatte, fuhr er zu Ottla nach Zürau und blieb dort bis Ende April 1918. “Ottla”, so schreibt er, “trägt mich förmlich auf Flügeln durch die schwierige Welt ... und die Freiheit, die Freiheit vor allem.” Kafka war glücklich in der ländlichen Einfachheit und Einsamkeit und wollte als Kleinbauer auf dem Lande leben.

Aber die wiederholten Versuche, doch noch die Pensionierung zu erhalten, scheiterten; immerhin wurde sein Urlaub verlängert. Die sommerliche Gartenarbeit in Troja bei Prag wird freilich nur ein schwacher Abglanz von Zürau sein.   III. Kafkas Kindheit, Schulzeit und Studienzeit “Als Kind hatte ich Angst ...

wenn mein Vater ... vom Letzten Ultimo sprach. Da ich nicht neugierig war, und wenn ich auch einmal fragte, infolge langsamen Denkens die Antwort nicht rasch genug verarbeiten konnte und weil oft eine einmal aufgetauchte schwache tätige Neugierde schon durch Frage und Antwort befriedigt war, ohne auch einen Sinn zu verlangen, so blieb mir der Ausdruck “der Letzte” ein peinliches Geheimnis”. Gerade dieser ungewöhnliche Mangel an Neugierde ist Beleg für das empfindliche Zurückweichen Kafkas vor der Umwelt.

Franz Kafka wurde am 3. Juli 1883 im Eckhau Maislgasse-Kupfergasse in Prag als ältestes von sechs Kindern geboren; zwei vor drei Schwestern Elli (1889), Valli (1890) und Ottla (1892) geborene Brüder Georg (1885-1887) und Heinrich (1887-1888) starben in frühkindlichem Alter. Zur Familie gehörte eine Amme, eine tschechische Haushälterin, ein Kindermädchen und später als Statussymbol eine französische Gouvernante (Erzieherin). Die Kafkas zogen zunächst öfter um. Betrachtet man die Lage der Schulen und der Wohnungen Kafkas und seiner Arbeitsstätten, so sieht man, daß ein Großteil seines Lebens in dem begrenzten Bereich der Altstadt ablief; intime Kenntnis der Stadt und enge Verbundenheit mit ihr sind die Folgen; daraus Naturferne, Isolation, etc. abzuleiten ist gleichwohl wegen der Naturnähe Prags eine fragwürdige Stilisierung; überdies waren die Kafkas früh in der Lage, den Familiensommer einkommens- und standesgemäß außerhalb Prags zu verbringen, und Kafka selbst hat nach dem Abitur Prag zu umfänglichen Ferien oft verlassen.

Der “Brief an den Vater” ist Zeugnis der schwierigen familiären Situation, in die sich das sensible Kind gestellt sah; zwischen dem robust konstruierten, diktatorischen Vater und der fürsorglichen Mutter. Vom 15. September 1889 an besuchte Kafka vier Jahre die Grundschule in der “Deutschen Volks- und Bürgerschule Prag I” am Fleischmarkt. Die Schüler waren überwiegend Juden; im ersten, dritten und vierten Jahr war der Klassenlehrer ein Deutscher, im zweiten ein Tscheche, der Schulleiter war Deutscher. Von 1893 bis 1901 besuchte Kafka das “Altstädter Deutsche Gymnasium” im Kinsky-Palais; außer Latein und Griechisch lernte man hier freilich auch Tschechisch und Französisch. Ein Mitschüler über Kafka: “Wenn ich von Kafka etwas Charakteristisches sagen soll, dann ist es das, daß an ihm nichts Auffälliges war.

Er war immer rein und ordentlich, unauffällig und solid, aber niemals elegant gekleidet. Die Schule war für ihn immer etwas, was ihn im Innersten nicht sehr berührte, was aber ordentlich gemacht werden mußte. Wir hatten ihn alle sehr gern und schätzten ihn, aber niemals konnten wir mit ihm ganz intim werden, immer umgab ihn irgendwie eine gläserne Wand (...)”.

Doch in einem Brief Kafkas von 1903 heißt es: “Untereinander sind die Menschen durch Seile verbunden, und bös ist es schon, wenn sich um einen die Seile lockern und er ein Stück tiefer sinkt als die anderen in den leeren Raum, und gräßlich ist es, wenn die Seile um einen reißen und er jetzt fällt. Darum soll man sich an die anderen halten.” Stärker als oftmals angenommen ist auch die vom Deutschunterricht ausgehende Anregung; er vermittelte nicht nur eine breite literarische Bildung, sondern stiftete auch dauerhafte Beziehungen, deren offene und geheime Spuren Kafkas Werk durchziehen. Nach dem Abitur im Juli 1901 ging Kafka an die deutsche Universität in Prag; er wollte Chemie studieren, mochte aber die Laborarbeit nicht, so daß er sich zum Jurastudium entschloß. Zum Germanistikstudium, zu dem er 1902 ansetzte, kam es nicht. Eine Übergangsprüfung in Philosophie, zu deren halbjährigen Studium auch Jurastudenten verpflichtet waren, bestand er nicht.

Kafkas Interesse am theoretischen Denken war und blieb gering. Mit dem Jusstudium schien die Schuld gegenüber dem Elternhaus abgetragen. Kafka hörte lediglich die vorgeschriebenen Vorlesungen und promovierte nach der geforderten Mindestanzahl von 8 Semestern. Damals und früher entstandene poetische Versuche hat er vernichtet. Das trockene und sture Auswendiglernen fordernde Studium wird besonders auf sein Ende hin strapaziös; so kommt Kafka zu seinem ersten Sanatoriumsaufenthalt in den Sommerferien 1905 nach Zuckmantel (Schlesien). Hier erlebt er seine erste Liebe, die er geheimhält.

Schon 1903 hat er im Sommer die rechtshistorische Staatsprüfung abgelegt; es folgten die drei Rigorosen, die auch das Staatsexamen einschließen, am 7. November 1905, am 16. März 1906 und am 14. Juni – und das Studium wurde am 18. Juni mit der Promotion zum Dr. jur.

bei Alfred Weber (Note: “genügend”) abgeschlossen. Der Sommer sah Kafka wieder in Zuckmantel.  IV. Kafkas Wohnverhältnisse (In bezug auf die Verwandlung) Kafkas “Verwandlung” hält sich an die realen Verhältnisse, was Familie und Wohnung anbelangt. Der Dichter ging sogar so weit, zu Karl Thieberger über seine Erzählung zu bemerken: “Was sagen sie zu den schrecklichen Dingen, die sich in unserem Haus abspielen.” Zur Zeit des Ausspruches lebte die Familie Kafka zwar schon im Oppelt-Haus am Altstädter Ring, aber dennoch hat Kafka nirgends “Parallelen zu autobiographischen Sachverhalten konsequenter durchgeführt als in der Verwandlung.

Die Familie Samsa besteht aus Vater, Mutter, Tochter und Sohn (und Dienstmädchen “Anna”, dem noch die Köchin hinzuzufügen wäre). Die Kafkasche Familie entsprach der Samsaschen in der Kopfzahl insofern, als von Kafkas drei Schwestern nur noch Ottla zum elterlichen Haushalt gehörte. Als weitere Realitätspartikeln ergeben sich: Gregor hat einen fünfjährigen Dienst (58,4) hinter sich, ebenso Kafka im Versicherungswesen. Die Familie Samsa wohnte nach dem vor fünf Jahren erfolgten Zusammenbruch (74,41) des Geschäfts in der von Gregor beschafften, so schönen Wohnung (71,5) in der völlig städtischen Charlottenstraße (77,3f.) Dem entspricht, daß die Familie Kafka nach der erfolgten Übersiedlung des Geschäfts schon fünf Jahre in der gleichfalls “völlig städtischen” Niklasstraße wohnte. Gregor Samsas seit fünf Jahren von ihm bewohntes Zimmer (71,3f.

) entspricht in seiner Dreitürigkeit (eine Tür geht auf das Vorzimmer, zwei weitere zu den Nebenzimmern) und in der Einrichtung – einfaches Mobiliar wie Tisch, Bett, Schreibtisch, der schwere alte Kasten (79,32) und vor allem das unentbehrliche Kanapee (80,36) – Kafkas eigenem Zimmer. Offensichtlich verändert ist jedoch der Ausblick, denn statt auf die Moldau und ihre Uferanlagen geht Gregor Samsas Blick auf die andere Seite der engen Straße. (77,1) Das künstlerische Gestaltungsprinzip deformiert hier eindeutig Kafkas gewohnte Umwelt. Die biographisch nachweisbare Wirklichkeit ordnet sich einem Darstellungswillen unter, der die Symbolkraft des Fensterausblicks auf die Bedeutung von Auswegslosigkeit und Hoffnungslosigkeit hin steigert. Was nun die Raumverteilung der Samsaschen Wohnung anbetrifft, so gibt es drei verschiedene Positionen Gregors, die alle weiteren Raumbeziehungen festlegen,. Das ist erstens seine Lage im Bett zu Anfang der “Verwandlung”; zweitens der aus dem Bett gefallene Gregor, der die Nebenzimmer nach rechts und links hin aufteilt; und drittens der am Türflügel seiner Zimmertür stehende Gregor, der durch das Wohnzimmer hindurch auf das Vorzimmer und sogar auf den Vorplatz, also in das Treppenhaus schauen kann, sogar bis zum Geländer der Treppe.

Position I Der erwachende Gregor Samsa liegt in seinem Bett auf dem panzerartig harten Rücken (56,9f). Aus dieser Stellung sieht er zuerst sein Zimmer, ein richtiges, nur etwas zu kleines Menschenzimmer (56,17f), was keinen Zweifel daran aufkommen läßt, das die Raumverhältnisse noch immer die “normalen Menschenverhältnisse” sind. Wahrgenommen werden deshalb die Gregor vertrauten Dinge: das Bild der Dame, Fenster, Wecker, ... Die ersten Außensignale kommen von der Mutter, die vorsichtig an die Tür am Kopfende seines Bettes klopft, (58,16 f), gefolgt wenig später vom Vater mit der Faust (58,34) an der einen Seitentür, wiederum gefolgt von der Schwester an der anderen Tür (58,36).

Das bewirkt eine “Einkreisung” Gregors (und folgende Raumaufteilung):  Vorzimmer   Tür am Kopfende Bett Gregor Seitentür Seitentür Gregors Zimmer  Fenster Position II Bald nach den Ermahnungen seitens seiner Familie, die von allen Seiten auf ihn einwirkt- das Fenster repräsentiert nur eine ganz melancholisch (56,29) stimmende vierte Begrenzung -, macht sich Gregor daran, das Bett durch Schaukelbewegungen zu verlassen, freilich gelingt ihm der letzte Schwung erst als er den Prokuristen vernommen hat, worauf er sich mit aller Macht aus dem Bett (61,21 f) schwingt. Während der sich nun zwischen dem Prokuristen und den Eltern entspinnendem Gespräche bleibt Gregor unbeweglich an seinem Platz. Erst nach der Drohrede des Prokuristen (62,46-63,24) bewegt er sich, noch während des Redens, auf den Kasten zu, an dem er sich aufzurichten (64,2) versucht. Während der Warteperiode kurz zuvor, die Gregor offensichtlich schon auf dem Bauch liegend verbracht haben muß, bezeichnet der die Nebenzimmer genauer als links (61,30) und rechts (61,36), (was zu folgender Verteilung der Personen führt)    Vorzimmer   Tür am Kopfende Bett Gregor Prokurist, Eltern   Nebenzimmer links   Schwester     Nebenzimmer rechts Gregors Zimmer Kasten     Position III Gregor, der sich am Kasten aufgerichtet hat, sich dann gegen die Rückenlehne eines nahen Stuhls fallen (64,14) läßt, schiebt sich langsam mit dem Sessel zur Tür hin (64,14). Da die Türe – sie besteht aus zwei Innenflügeln – nach innen, in Gregors Zimmer hinein – sich öffnet, ist er selbst noch nicht zu sehen (65,36). Er muß sich also erst langsam um den einen Türflügel herumdrehen, und zwar sehr vorsichtig, wenn er nicht gerade vor dem Eintritt ins Zimmer plump auf den Rücken fallen wollte (65,37-39).

Dieses Zimmer wird eindeutig als Wohnzimmer (66,7) bezeichnet, in dem sich also der schon jetzt erschreckende Prokurist und die Eltern aufhalten. Gregor postiert sich von innen an der festgeriegelten Türflügel, so daß sein Leib nur zur Hälfte und darüber der seitlich geneigte Kopf zu sehen war, mit dem er zu den anderen hinüberlugte (66,11-13). Aus genau dieser Position nimmt Gregor durch die Tür zum Vorzimmer (66,27) – da auch die Wohnungstür offen war (66,28 f) und den Beginn der aufwärts führenden Treppe war (66,28 f). Gregor bewegt sich dann etwas hinter dem fliehenden Prokuristen her, in das Wohnzimmer hinein, aus dem er dann vom Vater brutal in sein Zimmer (70,5) zurückgetrieben wird. (Aus dieser Position II am Türflügel ergeben sich jetzt eindeutig die Lage der einzelnen Räume und alle weiteren Raumverhältnisse)      Küche    Vorplatz Treppe        Vorzimmer   Tür am Kopfende        Wohnzimmer Schlafzimmer der Eltern (Zimmerherrn)   Gregors Zimmer Zimmer der Schwester (Eltern) Die Position des Schlafzimmers der Eltern geht aus einem Detail hervor. Geschildert wird nämlich, wie Mutter und die Schwester den Vater zur Türe (86,34) führen, ein Vorgang, den Gregor aus seinem Zimmer durch das Wohnzimmer hindurch verfolgt.

War Kafkas eigenes Zimmer “ein Durchgangszimmer” zwischen dem Wohnzimmer und Schlafzimmer der Eltern gewesen, so schafft Kafka in der Samsaschen Wohnung eine Durchblickweite für den “gefangenen” Gregor, der zumeist – bis auf wenige Ausbruchsversuche – in seinem Zimmer eingesperrt bleibt oder sich zurückhält. Kafka erwähnt an keiner Stelle, daß die Eltern nach der Aufnahme der drei Zimmerherren, in das Zimmer der Schwester übersiedeln, die sich ins Wohnzimmer bequemen muß. Der Grund, warum die Eltern ihr eigenes Schlafzimmer an die Zimmerherren abgetreten haben, liegt auf der Hand. Das dritte Kapitel beginnt mit dem beruflichen Abstieg der Familie, die untergeordnete Tätigkeiten ausüben muß. Aus den ehemaligen Bürgern Samsa sind besitzlose, lohnabhängige Kleinbürger geworden. Noch in der Raumgestaltung läßt Kafka diese Realität gesellschaftlichen Absinkens durchscheinen.

Das Ende der Verwandlung kündigt einen radikalen Umschwung nicht nur des “Familienglücks” an, wenn man die Entfaltung der Tochter zu einem heiratsfähigen Mädchen dafür als Symbol nimmt, sondern auch eine Verabschiedung der bisherigen Wohnverhältnisse, die vor allem Gregor zustatten gekommen waren. Jedenfalls heißt es unmißverständlich: “Die größte augenblickliche Besserung der Lage mußte sich natürlich leicht durch einen Wohnungswechsel ergeben; sie wollten nun eine kleinere und billigere, aber besser gelgegene und überhaupt praktischere Wohnung nehmen, als es die jetzige, noch von Gregor ausgesuchte war (99,32-36)”. Man kennt das als “Tapetenwechsel”: Umziehen als Identitätswechsel. Auch die Familie Kafka wechselte in den Zeiten der Geschäftsgründung häufig die Wohnung (Wenzelplatz 56, Geistgasse V/187, Zeltnergasse 3, Niklasstraße 36). Sie lagen sämtlich innerhalb oder dicht an der Altstadt, so auch die Wohnung im viergeschossigen, mittelalterlichen Haus Minutá am Altstädter Ring.   V.

Kafkas Beziehungen zu Frauen   V. a) Felice Bauer (* 18.11.1887 in Neustadt/Oberschlesien; + 15.10.1960 USA)   Als Kafka am 13.

August 1912 zu Brod kam, um das Manuskript der “Betrachtung” vor der Absendung noch einmal durchzusehen, traf er hier nicht erwarteten Besuch: die 24jährige Felice Bauer aus Berlin. “Während ich mich setzte”, so notierte Kafka im Tagebuch, “sah ich sie zum erstenmal genauer an, als ich saß, hatte ich schon ein unerschütterliches Urteil.” Und bei der Feststellung der Reihenfolge seiner Prosastücke fühlte er sich schon so “unter dem Einfluß des Fräuleins”, daß er bittet darauf zu achten, ob dadurch eine “komische Aufeinanderfolge” entstanden sei: Erst zu Ostern 1913 wird Kafka Felice wiedersehen, aber die kurze Begegnung bei Brod hat alles vorweg entschieden: Vom 20. September 1912 bis zum März 1913 entstand etwa die Hälfte seiner 350 Briefe und 150 Postkarten umfassenden partnerschaftlichen Produktion, neben der das eigentliche literarische Schreiben keineswegs aussetzte, sondern ebenfalls in außerordentlicher Fülle hervorbrach. Felice Bauer, 1887 geboren, lebte seit 1899 in Berlin. Sei hatte zunächst als Stenotypistin gearbeitet, war dann wegen ihrer Tüchtigkeit in einer Firma für Diktiergeräte und Parlographen Prokuristin geworden und wohnte inzwischen im Berliner Westen, der großbürgerlichen Wilmersdorfer Straße.

Kafka bewunderte ihre “Tüchtigkeit”, hielt sie für lustig, lebendig, sicher und gesund”. Die Wiederbegegnung an Ostern 1913 im Hotel “Askanischer Hof” in Berlin und gemeinsame Spaziergänge befestigten diese Verbindung. Über Pfingsten 1913 war Kafka wieder in Berlin. Mitte Juni 1913 fragte er Felice, ob sie seine Frau werden wollte. So sinnvoll ihm eine Ehe mit Felice schien, hatten sich doch auch schon Vorbehalte gemeldet: Die Angst vor dem nicht mehr allein sein. Die Kunst des Schreibens war für ihn mit seiner Ehe nicht vereinbar.

An Ostern 1914 besuchte er Felice wieder, sie beschlossen, im September zu heiraten, und am 30.5.1914 wurde in Berlin die offizielle Verlobung gefeiert. Kafkas Eltern waren mit Felice sehr einverstanden; sie erhofften sich einen in ihrem Sinne positiven Einfluß auf den unbürgerlichen Lebensstil ihres Sohnes, z.B. auf sein “Manöverleben”, wie er sein nächtliches Schreiben bezeichnet.

“Er schläft und ißt so wenig” hatte die besorgte Mutter schon im November 1912 an Felice geschrieben. Kafka empfindet die zeremonielle Verlobungsfeier allerdings als “Folterung” – die Verlobung selbst als “Sackgasse”. Felices Vorstellung von ihrer gemeinsamen Wohnung und ihrem gemeinsamen Leben entsetzt Kafka. Er fühlte sich “gebunden wie ein Verbrecher”. Er suchte sich zu befreien, vor allem, weil er fürchtete, durch eine Heirat werde seine literarische Arbeit beeinträchtigt und in der Hingabe an einen geliebten Menschen verliere er seine Identität. Andererseits sah er in der Ehe mit Felice nicht nur die Chance einer sozialen Verankerung, sondern er sehnte sich auch nach einem vertrauten Menschen.

Schließlich aber überwogen seine Bedenken. Am 12. Juli wurde das Verlöbnis gelöst. Am 23./24.1.

1915 trafen sich Felice und Kafka zum ersten Mal nach ihrer Entlobung im Grenzort Bodenbach. Dabei empfand Kafka nur “grenzenlose Bewunderung, Untertänigkeit, Mitleid und Selbstverachtung”. Ihre Beziehung erhielt eine neue Grundlage durch einen gemeinsamen Ferienaufenthalt im Hotel Balmoral und Osborne in Marienbad vom 2. bis 12.7.1916.

“Zweifel bleiben. Aber schön der Blick ihrer besänftigten Augen, das Sich-Öffnen frauenhafter Tiefe.” Sie beschlossen zu heiraten und nach Berlin zu ziehen. So verlobten sie sich Anfang Juli 1917 zum zweitenmal. Nach dem Ausbruch seiner Tuberkulose im Sommer 1917 trennte er sich aber endgültig von ihr. Felice heiratete im März 1919 einen reichen Berliner Geschäftsmann, mit dem sie sich zuerst in der Schweiz und dann in den USA niederließ.

  V. b) Grete Bloch (* 21.3.1892 in Berlin; + 1941 oder 1942) Grete Bloch war eine Freundin Felice Bauers und eine Briefpartnerin Kafkas. Kafka machte ihre Bekanntschaft Ende Oktober 1913 in Prag. Mit diesem Zusammentreffen begann ein einjähriger Briefwechsel (vom 19.

10.1913 bis zum 15.10.1914). Sie kannte Felice Bauer seit April 1913. Auf ihrem Weg ins Exil nach Italien übergab sie ihrer Freundin einen Teil der an sie gerichteten Briefe Kafkas.

Als die deutschen Truppen Italien besetzten, wurde Grete Bloch zusammen mit anderen Juden verhaftet. Vermutlich ist sie während der Deportation oder in einem Konzentrationslager umgekommen.   V. c) Julie Wohryzek (* 28.2.1891 in Prag; + wahrscheinlich In den dreißiger Jahren in der Heil- und Pflegeanstalt Weleslawin bei Prag) In den ersten Wochen 1919 lernte Kafka in Schelesen bei Liboch die etwas dreißig Jahre alte Julyie Wohryzek kennen.

Julie stammte aus einer einfachen tschechisch-jüdischen Familie; ihr Vater war Schuster und Gemeindediener der Synagoge Prag-Weinberge. Wohl im Frühsommer 1919 verlobten sie sich, die Hochzeit sollte im November sein, eine Wohnung stand schon in Aussicht. Der Heiratsversuch scheiterte gleichwohl wie die früheren an dem mangelnden Willen Kafkas zur Heirat, an dem Willen, alle möglichen Widerstände – die Beschimpfungen durch den Vater, die Lungenkrankheit, die Verstrickung in die Literatur, die wieder entgangene Wohnung – ins Unendliche zu vergrößern. (Die Verlobung wurde dann erst unter dem Einfluß Milenas im Frühjahr 1920 gelöst.) Wie die früheren Verlobungen fiel auch diese in eine unproduktive Zeit.   V.

d) Milena Jesenská (* 10.8.1896 in Prag; + 7.5.1944 im KZ Ravensbrück) Zu Beginn des Jahres 1920 schrieb Kafka den ersten Brief an die Schriftstellerin Milena Jesenská-Polak. Milena, die aus einer christlichen und nationaltschechischen Prager Familie stammte, hatte 1918, nach einer emanzipierenden Schul- und Universitätsausbildung und gegen den Willen des Vaters, den Deutschjuden Ernst Polak geheiratet und früh zum Kreis des Café Arco gehört.

Sie hatte Kafka wohl Ende 1919 mitgeteilt, daß sie den “Heizer” ins Tschechische übersetzte. Der Briefwechsel intensivierte sich nun während des Aufenthalts in Meran derart, daß Milenas Bitte, von seinem Urlaub über Wien zurückzufahren, und die Tage vom 19. Juni bis 4. Juli 1920 mit ihr in Wien nur noch das Ende der Beziehung ist. Milena wird alle Tagebücher erhalten, das Fragment des “Verschollenen”, als sie den “Heizer” übersetzt, und auch den “Brief an den Vater”. Aber die naiv-liberalistische Milena begriff nicht, daß überhaupt und welch existentielle Rolle für Kafka sein Judentum spielte, weshalb er zu immer neuen brieflichen Erklärungen ansetzte; an der jüdischen Frage kristallisierten sich dann Mißverständnisse und Antagonismen.

Kafka war unverhüllter vor ihr als vor jedem anderen Menschen zuvor. Dennoch ging der Abbruch der leidenschaftlichen Beziehung von ihm aus. Ihre fordernde Liebe war nicht fähig zu einer Trennung von Polak, obwohl Kafkas Wille eindeutig war, daß sie sich aus ihrer längst zerrütteten Ehe vollends lösen und zu ihm nach Prag ziehen sollte. Nach einer weiteren Zusammenkunft an der Grenze, in Gmünd, sehen sie sich ein ganzes Jahr nicht. Kafka fleht sie an: “Nicht schreiben und verhindern, daß wir zusammenkommen ..

., alles andere zerstört weiter”. In den Jahren 1921 und 1922 besuchte sie den Dichter noch öfter in Prag. Kafka übergab ihr als Zeichen seines vollständigen Vertrauens seine sämtlichen “Tagebücher” und das Manuskript des Romanfragments “Der Verschollene”, den “Brief an den Vater” besaß sie bereits. Die Nazis brachten Milena, die schon von Krankheit gezeichnet war, ins KZ Ravensbrück. Eine verspätet durchgeführte Nierenoperation führte zu ihrem Tod.

  V. e) Dora Diamant (Dymant) (* 1902 in Polen; + im August 1952 in London) Von Anfang Juli bis zum 6. August 1923 machte Kafka mit seiner Schwester Elli und ihren Kindern Ferien in Müritz an der Ostsee. Dort lernte er in einer Kinderkolonie des Berliner Jüdischen Volksheims eine der Helferinnen näher kennen: Dora Diamant. Was er sich einmal vorgestellt hatte: “Einen haben”, der “Verständnis für mich im Ganzen hat”, “etwa eine Frau, das hieße Halt auf allen Seiten haben, Gott haben”, glückte ihm mit Dora; keine fordernd-überwältigende Liebe wie die Milenas, eine fürsorgliche vielmehr: Kafka wird sich von Dora (die er heiraten wollte, doch verweigerte ihr frommer Vater die Einwilligung) “gut und zart behütet” fühlen, “bis an die Grenzen irdischer Möglichkeit”. Dora, knapp 20 Jahre alt, Ostjüdin, in jüdischer, den Gottesbund wahrender Tradition erzogen, des Jiddischen und Hebräischen mächtig, wegen der Progromsituation aus Polen in den Westen geflüchtet, bot ihm den seelischen und materiellen Rückhalt, den er mit seiner Krankheit brauchte, um noch einmal Freiheit von seiner elterlichen Familie zu gewinnen.

Die Palästina-Pläne, fast bis zur Verwirklichung durchgespielt, erscheinen plötzlich in dem Versuch, mit Doras Hilfe in Berlin zu leben, weniger erledigt als aufgehoben: Berlin wurde Kafkas Ersatz für Palästina. 1933 beschlagnahmte die geheime Staatspolizei in der Wohnung Dora Diamants eine Stapel Manuskripte Kafkas, die heute als verschollen gelten müssen.   Quellen Fischer Taschenbuch Verlag, Franz Kafka – “Brief an den Vater” Reclam, Erläuterungen und Dokumente, Franz Kafka – Die Verwandlung ECON Taschenbuch Verlag, Hermes Handlexikon Franz Kafka Rororo Bildmonographien, Franz Kafka Sammlung Metzler, Band 138, Franz Kafka

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