Gentechnologie
Gentechnologie Wissenschaftliche Grundlagen, Anwendungsmöglichkeiten und der Versuch einer Einordnung von Chancen und Risiken
K.F. Fischbach
Institut für Biologie III der Universität, Schänzlestr.1, 79104 Freiburg i. Brsg.
(gegenüber dem Original leicht verändert)
Einleitung
Gentechnologie ermöglicht die gezielte Veränderung des Erbgutes von Organismen durch die Addition synthetischer oder artfremder Gene.
Den Gentechnologen wird von fundamentalistischen Kritikern vorgeworfen, hierdurch in unerlaubter Weise in die Natur einzugreifen. In ihrem Sondervotum zur Enquète-Kommission des 10. Deutschen Bundestages "Chancen und Risiken der Gentechnologie" stellt die Fraktion der Grünen kurz und bündig fest: "Die Anwendung gentechnischer Methoden und Produkte in Tier- und Pflanzenzucht wird abgelehnt". Die Wochenzeitschrift Die Zeit garniert eine Artikelserie über Gentechnik und Fortpflanzungsbiologie mit Horrorgemälden von Tiermenschen. Tatsache ist, daß Genetiker in der öffentlichen Diskussion heftig und emotional angegriffen werden.
Es ist jedoch notwendig, sich der öffentlichen Diskussion zu stellen.
Das Interesse, das die Gesellschaft den möglichen Folgen der Gentechnologie entgegenbringt, ist berechtigt, und die Sorge um die Zukunft ist begründet. Es gilt das große Informationsdefizit a) darüber, was Gentechnologie ist und b) darüber, was mit Gentechnologie möglich ist, zu verkleinern. Sachgerechte Information ist notwendig, wenn die Frage, ob Gentechnologie verantwortbar ist oder nicht, sinnvoll diskutiert werden soll.
Die Sorge für die Zukunft ist etwas Urmenschliches. Wir müssen uns aber fragen dürfen, ob es richtig ist, die Zukunftsängste auf die möglichen Gefahren eines Mißbrauchs der Gentechnologie zu konzentrieren, oder ob es nicht vielleicht besser wäre, die Zukunft durch die Wahrnehmung der Chancen dieser Technologie zu meistern. Es kommt darauf an, die Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, in der von ihrer Dringlichkeit diktierten Rangfolge anzugehen.
Verantwortliches Handeln für die Zukunft setzt ein Abwägen von Möglichkeiten und die Berücksichtigung der katastrophalen Gesamtsituation der Menschheit auf diesem Globus voraus.
Hauptziel jeglichen Handelns muß der Erhalt der Lebensgrundlagen der Menschheit sein. Es ist deshalb notwendig, die realen Ursachen für die Gefährdung dieser Grundlagen zu identifizieren. Für den Erhalt unseres Ökosystems wäre es fatal, wenn diese notwendige Analyse fehlerhaft durchgeführt würde und als Folge davon positiv motivierte Menschen Strohpuppen bekämpften. Die eigentlichen Ursachen für die Misere würden dann nicht beseitigt.
Ist die Gentechnik Ursache der gegenwärtigen Situation des Menschen auf diesem Planeten oder ist sie eher eine Hilfe zur Verbesserung derselben?
Der Mensch hat seit Urzeiten in Form der Tier- und Pflanzenzüchtung (zunächst unbewußt, später gezielt) angewandte Genetik betrieben, d.
h. in das Erbgut von Nutzorganismen eingegriffen. Der züchtende Mensch ist bemüht, die seiner Meinung nach günstigsten Erbanlagen verschiedener Rassen oder Arten in seinen Nutztieren oder Nutzpflanzen zu vereinigen. Die Resultate dieser Bemühungen sind uns allen bekannt, wenn auch vielleicht nicht allen bewußt. Viele Haustiere, aber auch Nutzpflanzen wären ohne die schützende Hand des Menschen in freier Wildbahn nicht mehr lebensfähig. Biologisch gesprochen sind wir mit ihnen und sie mit uns eine Symbiose eingegangen.
Die moderne, molekulare Gentechnologie hat die Zielsetzungen genetischer Manipulationen nicht verändert; sie stellt jedoch einen methodischen Durchbruch dar, der die Effizienz der Züchter in Zukunft gewaltig steigern wird. Durch diesen (bisher allerdings weitgehend hypothetischen) Machbarkeitszuwachs rückt die Tätigkeit der Züchter in das Bewußtsein der Öffentlichkeit. Ist es legitim, daß der Mensch Pflanzen und Tiere nach seinen Vorstellungen und zu seinem Nutzen umbaut? Ja, besteht vielleicht sogar die Gefahr, daß der Mensch beginnt, sich selbst genetisch umzuprogrammieren? Schließlich - wird dem ökologischen Gleichgewicht auf unserem Planeten nicht vielleicht durch die Gentechnologie der letzte Todesstoß versetzt?
Im folgenden werden zunächst die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Gentechnologie besprochen. Die Frage nach der Verantwortbarkeit dieser Technologie muß dann mit der Frage nach den Chancen und Risiken ihrer möglichen Anwendungen erwogen werden.
Nächste Kapitel sind:
Wissenschaftliche Grundlagen der Gentechnik
1. Wie ist Gentechnologie definiert?
Gentechnologie beinhaltet alle Methoden, die sich mit der Isolierung, Charakterisierung, Vermehrung und Neukombination von Genen beschäftigen.
Insbesondere wird unter Gentechnologie die Isolierung eines Gens aus einem Organismus und seine Vermehrung in einem anderen verstanden.
Zur Gentechnologie gehören nicht die Methoden der modernen Fortpflanzungsbiologie. Allerdings begünstigt die Befruchtung im Reagenzglas und die damit gewonnene Zugänglichkeit der Embryonen im Prinzip auch die Anwendung gentechnologischer Methoden am Menschen. Die Frage, ob dies zulässig sein soll, wird besprochen werden, zunächst sollen jedoch die wissenschaftlichen Grundlagen und weniger brisante Anwendungsbereiche der Gentechnologie vorgestellt werden.
2. Was sind die wissenschaftlichen Grundlagen der Gentechnologie?
2.
1. Die Universalität des genetischen Codes
Menschen, Tiere und Pflanzen sind nach dem Baukastenprinzip aus Zellen aufgebaut. Menschliche, tierische und pflanzliche Zellen sind sich sehr viel ähnlicher als die kompletten Organismen. Diese Ähnlichkeit wird auf dem Niveau der Moleküle noch ausgeprägter. So sind z.B.
die Hormone vieler Säugetiere mit denen des Menschen fast identisch. Selbst zwischen den Eiweißmolekülen der Fliegen und denen des Menschen besteht eine überraschende Übereinstimmung. Besonders ähnlich ist die Art und Weise, in der die genetische Information für die Organismen im Zellkern der befruchteten Eizellen verpackt sind. Wir wissen heute, daß die Bauanleitung für alle Organismen durch die Basensequenz in der DNA des Zellkerns festgelegt ist. Nicht nur die chemische Struktur der Erbsubstanz ist in allen Organismen gleich, sondern auch der genetische Code. Es wird nicht nur das gleiche Alphabet verwendet, sondern überall die gleiche Sprache geschrieben.
Dieser Tatbestand, den man mit dem Begriff der "Universalität des genetischen Codes" beschreibt, ist der überzeugendste Beweis für den gemeinsamen Ursprung aller Organismen.
Gentechnologie ist nur deshalb möglich, weil der genetische Code universell ist, d.h. er gilt in allen Organismen, so daß z.B. das Stück Erbinformation, das die Bauanleitung für ein menschliches Wachstumshormon enthält, eingebracht in ein Bakterium, dieses veranlassen kann, menschliches Wachstumshormon zu produzieren.
2.2 Gentechnische Methoden
Die wichtigste gentechnische Methode ist die sogenannte Klonierung. unter diesem Begriff verstand man ursprünglich die Vermehrung erbgleicher Zellen oder Organismen. Heute bezeichnet man als Klonierung aber meist die Übertragung und anschliessende Vermehrung eines fremden DNA-Stückes mit Hilfe einer geeigneten Wirtszelle, z.B einem Bakterium. Bei diesem fremden DNA-Stück kann es sich um DNA fast beliebigen Ursprungs handeln (z.
B. tierische, pflanzliche, menschliche DNA). Damit dieses DNA-Stück vom Bakterium "adoptiert" werden kann, muss es künstlich in ein Stück bakterielle DNS eingefügt werden. Für diesen Zweck besonders geeignet sind Plasmide, ringförmige, bakterielle Mini-Chormosomen.
Aus Bakterienkulturen gewinnt man grössere Mengen reiner Plasmid-DNA. Dann werden Fehler! Textmarke nicht definiert.
Restriktionsenzyme verwendet, um die Plasmid-DNA an der Stelle durchzuschneiden, an der das fremde DNA-Stück eingesetzt werden soll. Die Fremd-DNA wird ebenfalls mit Restriktionsenzymen zurechtgeschnitten. Danach werden bakterielle und fremde DNA zusammengemischt und mit Hilfe von weiteren Enzymen, sogenannten Ligasen, verschweisst.
Solche im Reagenzglas zusammengefügte DNA-Moleküle nennt man rekombinante DNA. Rekombinante DNA kann
nach Beendigung der Manipulationen wieder in die Bakterien eingepflanzt werden, ganz einfach indem man Bakterienzellen und rekombinante DNA zusammenmischt und leicht schüttelt (vgl. Fehler! Textmarke nicht definiert.
). Allerdings nimmt nur ein kleiner Teil der so behandelten Bakterienzellen rekombinante DNA auf. Um diejenigen Bakterien herausselektieren zu können, die ein rekombinantes Plasmit "adoptiert" haben, wird Plasmid-DNA verwendet, die ein Gen enthält, welches das Bakterium resistent (unempfindlich) gegen ein bestimmtes Antibiotikum macht. Dieses Antibiotikum wird den Bakterien beigemischt, so dass nur Zellen überleben können, die rekombinante DNA aufgenommen haben. Weitergearbeitet wird schliesslich mit sog. "Klonen" von Bakterienzellen, bei denen alle Zellen durch Teilung aus einer einzigen Mutterzelle hervorgegangen sind (daher der Begriff Klonierung).
2.3 Natürliche Gentransportmechanismen als Grundlage der Gentechnologie
Kritiker der Gentechnologie werfen ihr vor, durch das Überspringen von Artgrenzen, die Schranken der Natur niederzureißen. Richtig jedoch ist, daß die Gentechnologie auf natürliche Methoden des DNA-Transfers zwischen Organismen zurückgreift. Entgegen der landläufigen Ansicht kann nämlich auch in der Natur Erbinformation zwischen verschiedenen Arten ausgetauscht werden und es sind vor allem diese Systeme, die von der Gentechnologie benutzt werden.
2.3.
1. Aufnahme von "nackter" DNA in Zellen
DNA wird beim Tod von Zellen freigesetzt. Unter bestimmten Bedingungen können lebende Zellen diese DNA-Moleküle aufnehmen und in ihr Genom integrieren. Enthält die DNA genetische Information, ändern sich die Eigenschaften der aufnehmenden Zelle. Diesen Transformation genannten Prozess benützte in den 40er Jahren Avery zum Nachweis der DNA als Erbsubstanz. Als Gentechnologie werden die Versuche von Avery aber noch nicht bezeichnet, weil er die DNA vorher im Reagenzglas nicht modifiziert hatte.
Dies gelang erst Cohen und Mitarbeitern 1972. Sie nutzten die Transformation, um ein Darmbakterium durch die Addition manipulierter DNA gegen bestimmte Antibiotika resistent zu machen. Damit war die Gentechnologie im engeren Sinne geboren.
2.3.2.
Gentransfer mit "gemäßigten" Phagen
Eine andere Form natürlicher Gentechnologie praktizieren Phagen, die Viren der Bakterien. Nicht die "bösartigen" Phagen, die ihre Bakterienopfer nach einer Infektion bald abtöten, sondern eher gemäßigte Vertreter, die nur ab und zu eine Bakterienzelle durch Freisetzung vieler neuer Phagen zerstören, sind im thematischen Zusammenhang von Interesse. Einer dieser gemäßigten Phagenvertreter ist der Lambda-Phage. Nach der Infektion eines Darmbakteriums, bei der die Phagen-DNA ins Innere der Zelle gelangt, werden die Phagengene in die ringförmige DNA des Bakteriums integriert. Teilt sich das Bakterium, so wird die Phagen-DNA mitkopiert. Falls so aus dem infizierten Bakterium über Nacht durch fortgesetzte Zellteilung Millionen von Bakterien (ein Klon) werden, so ist der Phage in gleicher Weise kloniert worden.
Interessanterweise ist für dieses Verhalten des Lambda-Phagen nur etwa die Hälfte seines Erbmaterials nötig. Die andere Hälfte kann Gene enthalten, die dem Bakterium sogar nützlich sind und damit indirekt auch dem Phagen, was zeigt, daß der Übergang von einem "Krankheitserreger" zu einem nützlichen Symbionten fließend sein kann. Phagen können wichtige genetische Eigenschaften zwischen verschiedenen Bakterientypen transportieren.
Der Gentechnologe macht sich diese Eigenschaften des Lambda-Phagen zunutze. Im Reagenzglas in das Phagengenom eingesetzte DNA-Sequenzen werden anschließend in Bakterien vermehrt (kloniert). Auf diese Weise kann die DNA eines Gens angereichert und anschließend gründlich analysiert werden.
Der Phage wird als Vektor benutzt. Ein Vektor ist ein DNA-Vehikel, das den Transport beliebiger DNA-Sequenzen in eine Zelle übernehmen kann.
Es stehen für Bakterien viele verschiedene Vektoren zur Verfügung. Einige begünstigen die Expression eingeführter Gene in dem Bakterium, so daß die Produkte der Gene (die Proteine = Eiweißmoleküle) studiert oder geerntet werden können.
2.3.
3. Ein Bakterium betreibt Gentechnologie
Aus dem Pflanzenreich ist ein eindrucksvolles Beispiel für natürliche Gentechnologie bekannt. Das Bodenbakterium Agrobacter tumefaciens erzeugt in zweikeimblättrigen Pflanzen sogenannte Wurzelhalsgallentumore. Diese Bakterien besitzen zusätzlich zur eigenen Erbinformation ein kleines ringförmiges DNA-Molekül (Ti-Plasmid = tumor inducing plasmid) und die Fähigkeit, ein bestimmtes Stück dieser DNA in Pflanzenzellen einzuschleusen. Die infizierten Pflanzenzellen bilden dann den Gallentumor und beginnen mit der Synthese seltener Verbindungen, Opine genannt, die das Bakterium zum Wachstum benötigt, aber nicht selbst herstellen kann. Agrobacter betreibt also Gentechnologie, um sein Überleben zu sichern.
Der menschliche Gentechnologe kann sich die Tricks des Bakteriums aneignen, dessen DNA Übertragungsmechanismus einsetzen und so Pflanzen dem Menschen nutzbar machen.
2.3.4. Viren transportieren Gene zwischen tierischen Organismen
Auch in tierischen Systemen macht sich der Gentechnologe Eigenschaften präexistenter Systeme zunutze, um DNA-Moleküle in Empfängerorganismen einzuschleußen. Eine zentrale Rolle spielen die Retroviren, die ein breites Spektrum von Säugerzellen infizieren können.
Diese Fähigkeit ist auf bestimmten Abschnitten des viralen Erbmaterials lokalisiert und kann von den krankmachenden Genen dieser Viren getrennt werden. Nur die so gewonnenen Defektviren werden zum Transport genetischer Information in tierische Zellen verwendet.
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Fußnote:
Das bedeutet aber nur, daß anschließend aus diesen Bakterien das entsprechende Hormon isoliert werden kann und mitnichten, daß nun die Bakterien zur Größe des Menschen heranwachsen. Es ist wichtig, festzustellen, daß einzelne Gene nur Informationen über einen winzigen Baustein eines Organismus, ein Eiweißmolekül, enthalten. Ein Fischgen ist sowenig ein Fisch wie eine Schraube eine Raumstation.
Das in Bakterien hergestellte Wachstumshormon ist als das Medikament Protopin auf dem Markt.
Es kommt in den USA zwergwüchsigen Kindern zugute, die mit seiner Hilfe fast normale Größe erreichen.
Anwendung der Gentechnologie
3.Anwendung der Gentechnologie
Wie jede neue Technik eröffnet Gentechnologie dem Menschen neue Verhaltensoptionen. In der Vergangenheit haben technologische Durchbrüche nicht nur positive Ergebnisse gezeitigt. Technologie wurde und wird nicht nur zum Nutzen, sondern auch zum Schaden von Menschen eingesetzt. Besonders zwiespältig wurde in jüngerer Zeit die Entwicklung der Atomtechnik erlebt.
Nicht zu reden von der Bombe, auch die sogenannte friedliche Nutzung der Kernenergie wird heute von vielen mit gewichtigen Argumenten abgelehnt. Verwundern kann es deshalb nicht, daß der Gentechnik viel Skepsis (gesundes Mißtrauen) entgegengebracht wird.
Deshalb müssen die Wissenschaftler, vor allem aber die anwendende Industrie ihre Karten offen auf den Tisch legen. Sie müssen erklären, welche Ziele sie verfolgen und warum Gentechnik hierfür besser als andere Alternativen geeignet ist.
Ein globales Abwägen der Chancen und Risiken der Gentechnologie ist wegen der vielen unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten verfehlt. Bei jedem einzelnen Projekt der Gentechnologie müssen Chancen und Risiken aufs Neue erwogen werden.
An einigen wichtigen Beispielen soll versucht werden, dies darzustellen.
3.1. Landwirtschaft und Ernährung
Bei einem gegebenen Technologiestandard bedarf es zur Ernährung einer Person eine bestimmte Minimalfläche. Multipliziert mit der Anzahl Menschen auf der Erde ergibt sich wegen der Bevölkerungsexplosion ein super-exponentiell wachsender Bedarf an landwirtschaftlicher Nutzfläche, der schon erschreckend bald die weltweit zur Verfügung stehenden Flächen übersteigt. Schon im 19.
Jahrhundert stellte der Engländer Malthus solche Überlegungen an. Seine pessimistischen Prognosen trafen aber nicht ein, weil er den enormen Produktivitätszuwachs in der Landwirtschaft nicht einkalkuliert hatte. In den letzten 50 Jahren ist es, um nur ein Beispiel zu nennen, durch klassische Genetik und Düngung gelungen, den Ertrag von Weizen um 300% zu steigern.
Wir haben heute jedoch wieder allen Anlaß pessimistisch zu sein. Die Bevölkerungsexplosion ist global weiter ungebremst, die Monokultur Mensch nimmt der übrigen Natur - für alle zunehmend sichtbar - den Lebensraum. Die natürliche Flora und Fauna muß zunehmend dem Flächenbedarf für Wohnen, Verkehr und Landwirtschaft weichen.
Ein fortgesetztes Produktivitätswachstum in der Lebensmittelindustrie ohne gleichzeitige drastische Maßnahmen zur Kontrolle der Geburten kann deshalb auf Dauer sicherlich keine Lösung sein. Wenn wir jedoch darin Übereinstimmen, daß Geburtenkontrolle besser ist als die Regulation der Bevölkerungsdichte durch den Hungertod, dann gibt es zur Produktivitätssteigerung in der Lebensmittelindustrie auf lange Sicht keine Alternative, da eine Verlangsamung, geschweige denn ein Stopp des Bevölkerungswachstums noch nicht abzusehen ist. Es gibt deshalb global betrachtet - außer für wenige Priviligierte - auch kein "Zurück zur Natur". Schon seit Jahren ist die pro Kopf Produktion von Nahrungsmitteln trotz der hohen absoluten Steigerungsrate am sinken.
Pflanzenzucht
Die Ziele der Zucht von Nutzpflanzen sind seit alters her Qualitätsverbesserung, Ertragssteigerung und Verbesserung der Widerstandsfähigkeit. Die Gentechnologie stellt Methoden bereit, um diese Ziele effektiver als bisher zu erreichen.
Sie wird die bisherige Pflanzenzüchtung in wichtigen Punkten ergänzen, aber nicht verdrängen. Wunder sind leider nicht zu erwarten.
Versuche zur Ertragsverbesserung (Beispiele)
a) Biologische Stickstoffixierung
Stickstoff ist ein lebenswichtiger Baustein für alle Lebewesen. Leider können Pflanzen den Stickstoff aber nicht aus der Luft aufnehmen, sondern nur über die Wurzeln in der Form von Nitraten oder Ammonium. Der Ertrag auf den Feldern ist deshalb direkt mit der Intensität der entsprechenden Stickstoffdüngung gekoppelt. Die Herstellung des Stickstoffdüngers verbraucht sehr viel Energie, so daß hohe Kosten für den Landwirt entstehen.
Zudem verseuchen die Nitrate unser Trinkwasser. Eine Verringerung der weltweiten Produktion von ca. 75 Mill. Tonnen Stickstoffdünger jährlich ist deshalb wünschenswert.
Im Gegensatz zu den höheren Pflanzen haben manche Bakterien die Fähigkeit, Stickstoff direkt aus der Luft aufzunehmen. Daraus ziehen z.
B. die Erbse und andere Leguminosen ihren Nutzen, in dem sie sich die entsprechenden Bakterien als Haustiere halten. Die Rede ist von den Knöllchenbakterien, die mit den Leguminosen vergesellschaftet, in Symbiose, leben.
Es gibt verschiedene gentechnologische Forschungsansätze mit dem Ziel, andere Nutzpflanzen als die Erbse zur biologischen Stickstoffixierung zu befähigen:
Eine Methode ist die Übertragung der für die Stickstoffixierung notwendigen bakteriellen (nif) Gene direkt in die Pflanze. Dies ist bereits gelungen, die Gene sind auch aktiv, aber ihre Produkte, insbesondere das Enzym Nitrogenase, arbeiten in den Pflanzen in Gegenwart von Sauerstoff nicht. Das ist ein Lehrbeispiel dafür, daß die Übertragung von Genen aus einem Organismus in einen anderen nicht ohne weiteres erwarten läßt, daß deren Produkte dann dort funktionieren.
Wesentlich vielversprechender ist der Versuch, die Bakterien so zu verändern, daß sie eine Symbiose auch mit anderen Wirtspflanzen eingehen. Daran wird intensiv gearbeitet und es ist zu hoffen, daß dies langfristig gelingen wird.
b) Resistenzen gegen Herbizide, Schädlinge, Kälte etc.
Zur Zeit sind über 800 verschiedene Herbizide auf dem Markt. Herbizide kommen zum Einsatz, um sogenanntes Unkraut auf Feldern zu vernichten. Die Nutzpflanze darf hierfür nicht anfällig sein.
Viele Felder werden nach dem Prinzip der Fruchtfolge bestellt, d.h. daß in aufeinanderfolgenden Jahren verschiedene Nutzpflanzen angebaut werden, die sich in ihren Resistenzen unterscheiden. Deshalb muß jeweils ein sehr spezifisches Pflanzengift gespritzt werden. Wenn es gelänge, alle Nutzpflanzen einer Fruchtfolge gegen das gleiche Herbizid resistent zu machen, dann könnte die Anzahl der existierenden Herbizidsorten reduziert werden. Dies könnte eine Standardisierung der Handhabung und damit größere Sicherheit gewinnen helfen.
Zudem ist es ein mit der Gentechnik erreichbares Ziel, biologisch abbaubare Herbizide herzustellen, die nicht mehr wie herkömmliche Herbizide unser Grundwasser verseuchen.
Dem Argument, daß durch die Anwendung eines effektiven Herbizids (und sei es noch so leicht abbaubar), die Artenvielfalt auf dem Feld reduziert werde, ist entgegenzuhalten, daß der Flächenverbrauch der Landwirtschaft (bei gleicher Produktion) ohne Herbizide noch größer wäre und damit in der Gesamtbilanz der Naturverbrauch ebenso.
Mit Hilfe der Gentechnik können Pflanzen auch gegenüber tierischen Schädlingen und gegenüber Pilzbefall resistent gemacht werden. Bei vielen Nutzpflanzen könnte zudem der Ertrag gesteigert werden, wenn es gelänge, wie es bei einigen Kulturpflanzen mit Hilfe der klassischen Züchtungsgenetik seit Jahrtausenden bereits versucht wird, sie an die jeweiligen Standorte und Witterungsbedingungen optimal anzupassen.
Tierzüchtung
Der Nutzen der Tierzucht für die Welternährung muß angesichts der geschilderten Gegebenheiten in Frage gestellt werden. Wegen der wesentlich höheren Effektivität pflanzlicher Nahrungsmittelproduktion dürfte Fleischkonsum zunehmend ein Privileg der Reichen werden.
Das Züchten von Nutztieren hat jedoch eine lange Tradition und wird auch in Zukunft mit Sicherheit nicht eingestellt werden. Es werden auch zunehmend gentechnische Methoden hierbei eingesetzt werden. In der Presse wurden ausgiebig transgene Schweine diskutiert, die über ein zusätzliches Gen für ein Wachstumshormon verfügen. Dieser unausgewogene Eingriff in den Schweineorganismus bedingte neben einer Vergrößerung der Körpergröße auch Arthritis (= chronische Gelenksentzündung).
Ich würde die Fortsetzung dieser speziellen Zuchtlinie als unverantwortlich bezeichnen. Die Herstellung unglücklicher Geschöpfe gelingt dem Menschen jedoch nicht erst mit Hilfe der Gentechnik.
Nirgends sonst wird das so deutlich wie bei einigen - mit klassischer Kreuzungsgenetik erzeugten - Hunderassen.
3.2. Umweltschutz
Abfallbeseitigung
Die Bevölkerungsexplosion auf dieser Erde stellt uns nicht nur vor das Problem der Welternährung. Ein anderes Problem ist die Abfall Produktion. Ohne umfassende technologische Veränderungen ist absehbar, wann uns die Abfall-Lawine überrollt.
Es gilt durch technologische Verbesserungen in vielen Bereichen gegenzusteuern. Vorrang muß dabei die Abfallvermeidung besitzen. Es ist aber absehbar, daß hierdurch allein das anstehende Problem nicht gelöst werden kann. Auch der Abfallbeseitigung muß eine wichtige Rolle zugewiesen werden. Welchen Beitrag könnte die Gentechnologie hier leisten?
Seit eh und je zersetzen Mikroorganismen chemische Verbindungen in ihre Bestandteile oder wandeln sie um und tragen somit wesentlich zum Stoffkreislauf auf der Erde bei. Der Mensch macht sich diese Fähigkeit der Mikroorganismen in vielfältiger Weise zunutze.
In Kläranlagen werden die privaten und die industriellen Abwässer durch gezielt eingesetzte Mikroben gereinigt. Durch die Verwendung gentechnologischer Methoden könnte deren Effektivität verbessert werden. Wahrscheinlich könnten gentechnologisch veränderte Mikroorganismen auch auf Chemikalien angesetzt werden, die sich bisher noch einer biologischen Zersetzung entziehen.
Biologische Schädlingsbekämpfung
Ein anderes Umweltproblem ist die Schädlingsbekämpfung in der Landwirtschaft. Hier spielt die chemische Bekämpfung leider noch eine sehr große Rolle. Alternative biologische Methoden sind prinzipiell vorzuziehen.
Die Frage darf aufgeworfen werden, ob die Gentechnologie zur Schwächung der Schädlinge und zur Stärkung der Nützlinge einsetzbar ist. Verschiedene Projekte sind in der Diskussion. Nur ein Beispiel soll angesprochen werden:
Bacillus thuringiensis ist ein insektenpathogenes Bakterium, das vorwiegend gegen Raupen einsetzbar ist. Das von diesem Bakterium produzierte hochspezifische Insektengift wird von einem einzigen Gen codiert und könnte durch gentechnologische Methoden nicht nur in ausreichender Menge gewonnen, sondern auch in seinem Wirkungsspektrum verändert werden, so daß es Nützlinge nicht angreift.
3.3.
Medizinische Anwendungen
Zu den Anwendungen der Gentechnologie, die den Menschen direkt betreffen, gehören diejenigen im medizinischen Bereich. Hormone und Impfstoffe sollen kurz besprochen werden.
Hormone
Insulin
Insulin ist ein wichtiges Hormon der Bauchspeicheldrüse, welches bei einer Form der Zuckerkrankheit in zu geringen Konzentrationen gebildet wird. Bis vor kurzem wurde das Insulin aus der Bauchspeicheldrüse von Rindern gewonnen, eine kostspielige Methode. Zudem ist das Rinder-Insulin nicht völlig baugleich mit dem menschlichen Hormon. Inzwischen ist es möglich, aus Bakterien, in die das Insulin-Gen vom Menschen eingeführt wurde, das Hormon zu isolieren.
Leider ist bisher die zu erwartende Kostensenkung noch nicht eingetreten, nicht zuletzt deshalb, weil die großtechnische Herstellung des Hormons in der Bundesrepublik lange verzögert worden ist.
Blutbildende Hormone
Keinen Zweifel an der Nützlichkeit der Gentechnologie besteht bei der Produktion von Hormonen, die mit herkömmlichen Methoden aufgrund ihrer sehr niedrigen Konzentration im Säugetierorganismus bisher nicht gewinnbar waren. Beispiele sind blutbildende Hormone.
Das gentechnisch gewonnene Hormon "Erythropoietin" fördert die Bildung roter Blutkörperchen. Mediziner applizierten z.B.
bereits 1987 25 anämischen ("blutarmen") Patienten unterschiedliche Dosen dieses Hormons. Alle Patienten, die eine effektive Dosis verabreicht bekamen, reagierten positiv. 12 Patienten, die zuvor ständig auf Bluttransfusionen angewiesen waren, wurden geheilt.
Ein anderes der gentechnisch hergestellten Hormone, G-CSF, das die Bildung weißer Blutkörperchen anregt, wurde bei zunächst 16 Krebspatienten angewendet. Ein dramatischer Nebeneffekt der üblichen Chemotherapie bei Krebs ist die Zerstörung des Knochenmarks. Dadurch werden Krebspatienten anfällig für Infektionen.
Dieses Risiko hat bisher die Bekämpfung von Krebs wesentlich behindert und z.B. die möglichen Dosen von Medikamenten begrenzt. Hier kann das Hormon G-CSF teilweise Besserung schaffen. Gaben des Hormons G-CSF bewirkten bei den 16 Patienten, daß sich ihr Knochenmark sehr viel schneller als normal von den Folgen der Chemotherapie erholte.
Das Hormon GM-CSF, das ebenfalls die Bildung weißer Blutkörperchen fördert, konnte bei AIDS-Patienten die Konzentration der weißen Blutkörperchen, die als Teil des Abwehrsystems in zu niedrigen Konzentrationen vorkamen, dosisabhängig auf normale Werte und darüber steigern.
Die klinischen Ergebnisse mit den gentechnologisch gewonnenen Hormonen zeigen, was die Versuche an Zellkulturen und dann Tierversuche bereits hatten vermuten lassen: Die in Bakterien vermehrten Hormone entfalten ihre Wirkung im Menschen effektiv und zwar als körpereigene Substanzen - anders als viele Pharmaka - in spezifischer Weise, ohne ersichtliche Nebenwirkungen.
Impfstoffe
Unser Immunsystem reagiert auf körperfremde Substanzen, auch auf eingeschleuste Viren, mit der Bildung von Antikörpern. Die Impfung von Personen mit veränderten Viren, die zwar noch eine Immunantwort auslösen können, aber nicht mehr pathogen sind, ist eine der Perspektiven der angewandten Gentechnologie. Im Falle des Hepatitis-B-Virus, das eine Form der Gelbsucht auslöst, ist dies bereits gelungen.
Es ist bekannt, daß zur Zeit weltweit daran gearbeitet wird, auch einen Impfstoff gegen Aids zu gewinnen. Die Hoffnung, Aids durch die Gewinnung eines Impfstoffes zu eliminieren, gründet sich vor allem auf die Methoden der Gentechnologie, die es erlauben, das Virus in seine Einzelteile zu zerlegen und zu analysieren.
Durch die Presse gingen Berichte über künstlich Aids-infizierte Mäuse und wurden als Indiz für die Perversion der Gentechnologen hingestellt. Es wurde kaum ein Gedanke darauf verwendet, daß es die Intention der hieran beteiligten Forscher ist, mit Aids-infizierten Mäusen den vielen Aids-infizierten Menschen zu helfen. Die Vermehrung von Viren in fremden Wirten kann eine Möglichkeit sein, ihnen ihren pathogenen Charakter zu nehmen. Der erste Impfstoff überhaupt, der gegen die Pocken, wurde 1798 von dem englischen Arzt Jenner gefunden, der bemerkte, daß an Kuhpocken erkrankte Melkerinnen gegen die menschlichen Pocken immun waren. Gegen seine Impfungen gab es damals wütende Proteste. Inzwischen gelten die Pocken als ausgestorben, nicht die Kühe und erst recht nicht die Menschen.
Wer möchte die Verantwortung übernehmen, Experimente mit Aids-infizierten Mäusen als verantwortungslos zu bezeichnen, wenn sie die kleinste Hoffnung bieten, einen Impfstoff gegen Aids zu gewinnen?
3.4. Gentechnologie am Menschen?
Die Anwendung der Gentechnologie am Menschen selbst ist zurecht besonders kontrovers. Hier sollen einige wichtige Bereiche angesprochen werden.
Pränatale Diagnostik
Gentechnologische Methoden können eingesetzt werden, um die bereits bisher praktizierte pränatale Diagnostik zu verbessern. Pränatale Diagnostik wird ratsuchenden Schwangeren angeboten, die aufgrund ihres Alters oder ihrer Familiengeschichte befürchten, ein krankes Kind zur Welt zu bringen.
Häufig wird der Mut zum Kind erst durch die Möglichkeit zur rechtzeitigen Diagnose aufgebracht. Die bisherige Erfahrung bei der pränatalen Diagnostik lehrt, daß bei rund 97% der Ratsuchenden der Verdacht auf eine schwere Erbkrankheit ausgeräumt werden kann. Nur knapp 2% aller Schwangerschaftsabbrüche gehen auf das Konto der kindlichen Indikation, also auf einen negativen Befund bei der pränatalen Diagnose zurück.
Durch die modernen DNA-Analyse-Techniken kann insbesondere bei schweren Stoffwechselerkrankungen die Diagnosesicherheit erhöht werden. Wer den Schwangeren das Angebot der pränatalen Diagnostik erhalten möchte, ist auch verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die besten Methoden eingesetzt werden. Es besteht langfristig für die ärztlichen Standesorganisationen jedoch sicher die Notwendigkeit, Grenzen festzulegen.
Durch die Verfeinerung der Analysemethoden besteht prinzipiell die Möglichkeit, daß die pränatale Diagnostik auf immer mehr Merkmale ausgedehnt wird, so daß eines Tages die falsche Augenfarbe als Grund für eine Abtreibung herhalten muß. Heute wird schon in China das "falsche" Geschlecht als hinreichender Grund angesehen.
Gentherapie
Im Gegensatz zur Diagnostik beinhaltet die Gentherapie die aktive Veränderung von Erbsubstanz. Hierbei müssen die Methoden, die sich auf die Therapie von Körperzellen beziehen, ganz scharf von denjenigen unterschieden werden, die an den Keimbahnzellen des Menschen angreifen. Bei der Therapie von Körperzellen geht es um die Heilung eines Individuums, bei Eingriffen in die Keimbahn sind zukünftige Generationen betroffen.
Es gibt einen Konsens, gentechnologische Manipulation an der menschlichen Keimbahn auf dem Stand des heutigen Wissens zu tabuisieren.
Die Enqute-Kommission des 10. Deutschen Bundestages zu den "Chancen und Risiken der Gentechnologie" empfahl dem Deutschen Bundestag "gentechnische Eingriffe in menschliche Keimbahnzellen strafrechtlich zu verbieten". Dies ist geschehen.
Gentechnologische Eingriffe in Körperzellen zum Zwecke der individuellen Therapie sind jedoch grundsätzlich anders zu bewerten. Wenn gentechnische Methoden zur Therapie von Körperzellen existieren, ist die Unterlassung der möglichen Heilung einer Krankheit am betroffenen Individuum nicht zu rechtfertigen. In den USA ist Gentherapie bereits erfolgreich angewendet worden, in Deutschland sind erste Versuche gestartet worden.
3.5 Grundlagenforschung
Der Anwendungsbereich, in dem die Gentechnologie am festesten verankert ist, ist die biologische und medizinische Grundlagenforschung. Es ist ein wichtiges Ziel herauszufinden, welche Aufgaben den einzelnen Genen im Organismus zukommen. Wenn dies bekannt ist, können genetisch bedingte Krankheiten ursächlich behandelt werden. Hierzu gehören Erbkrankheiten, aber auch z.B.
Krebs, Virusinfektionen und Immunreaktionen. Die Analyse der molekularen Funktion eines Gens ist ohne seine Klonierung (d.h. Vermehrung in Bakterienzellen) nicht möglich. Deshalb werden weltweit die Gene von höheren Organismen systematisch in Hunderten von Labors in dem Darmbakterium E. coli kloniert und ihre Produkte anschließend analysiert.
Zu den verwendeten Standard-Methoden bei tierischen und pflanzlichen Genen gehört auch die Wiedereinführung eines isolierten Gens in die Keimbahn des Ursprungsorganismus, um die biologische Funktion der isolierten DNA zu testen. In den führenden biologischen Fachzeitschriften wie Cell, Neuron, Genes and Development wird kaum noch ein Artikel publiziert, in dem die Methoden der Gentechnik keine Rolle spielen.
Als Beispiel sei ein DFG-gefördertes Projekt des Autors beschrieben: Wir untersuchen die Mechanismen des Nervenwachstums, insbesondere interessiert uns die Frage, wie Nervenzellfortsätze während der Embryonalentwicklung oder bei der Regeneration eines Nerven nach einem Unfall manchmal über sehr große Entfernungen zu ihren Zielzellen (z.B. zum Muskel) gelangen. Für diese Leistung müssen in den Nervenzellen bestimmte Gene aktiv sein.
Wir untersuchen die Funktion solcher Gene, die z.B. bei Mensch, Huhn, Maus, Zebrafisch oder Fliege isoliert wurden, in der Taufliege Drosophila. Die Drosophilaforschung besitzt ein großes Arsenal genetischer und gentechnischer Methoden. Hier ist es z.B.
möglich, beliebige Gene in definierten, ausgewählten Zelltypen zu aktivieren. Mit dieser Technik kann die Funktion eines Eiweißmoleküls vom Huhn oder der Maus quasi stellvertretend in einer wachsenden Nervenzelle der Fliege untersucht werden. Die erhaltenen Ergebnisse sind hilfreich beim Versuch, die molekularen Mechanismen von Nervenwachstum in Wirbeltieren und selbst im Menschen zu verstehen. Das Verständnis der Grundlagen des Nervenwachstums ist notwendig für die richtige therapeutische Unterstützung regenerativer Heilungsprozesse.
Ein Zurückdrehen der Uhr, d.h.
ein Verzicht auf gentechnologische Methoden in der Forschung, ist völlig undenkbar und wird glücklicherweise wohl auch nirgends von ernstzunehmenden Gruppen in Erwägung gezogen. Ein Verbot würde einem Verbot der Grundlagenforschung überhaupt gleichkommen, wäre mit der Unterdrückung von Wissen identisch und nur in einem totalitären Staat vorstellbar.
Gefahren und Bewertung der Gentechnologie
1. Stellt die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen eine Gefahr für unser Ökosystem dar?
In der Öffentlichkeit besonders heftig umstritten sind Versuche, bei denen gentechnisch veränderte Organismen freigesetzt werden. Es besteht die Angst, die so veränderten Organismen könnten gegenüber ihren Wildformen einen Selektionsvorteil besitzen, sich ungehemmt ausbreiten und das gesamte Ökosystem aus den Angeln heben.
Prinzipiell ist die Sorge um unser Ökosystem berechtigt, die Gentechnik ist jedoch der falsche Adressat hierfür.
Mit der Gentechnik ist es möglich geworden, sehr feine genetische Veränderungen in Tiere, Pflanzen oder Mikroorganismen einzubauen. In der Vergangenheit war der Genetiker genötigt, wesentlich gröbere Eingriffe in die Natur vorzunehmen als heute. Wer konnte schon ahnen, was für Eigenschaften die teilweise künstlich erzeugten Hybriden verschiedener Pflanzen- oder Tierarten oder -rassen haben würden? Es wurde nach dem Prinzip "Versuch und Irrtum" einfach ausprobiert. Viele der wunderschönen Zierpflanzen, in so manchem Garten freigesetzt, sind Produkte solcher unkontrollierter Experimente, bei denen ganze Genome miteinander gemischt wurden. Die entstandenen Kulturpflanzen haben jedoch keineswegs zur Verdrängung ihrer Wildformen in der freien Natur geführt, dies geschieht hingegen in zunehmendem Maße durch die Ausbreitung der Monokultur Mensch.
An der Kartoffel kann die Irrationalität mancher Gentechnologiekritiker besonders deutlich gemacht werden.
Wie viele Pflanzen verfügt die Kartoffel über die Fähigkeit zwei verschiedene Spielarten von Stärke zu bilden, eine verzweigte und eine weniger verzweigte Form. Für die industrielle Verwertung wäre es günstiger, wenn die Kartoffel nur eine Form von Stärke bilden könnte. Bei der Erbse gibt es eine genetische Variante, die dies von Natur aus tut, weil das Gen eines entsprechenden Enzyms mutiert ist. Gregor Mendel verwendete diese Mutante bei seinen klassischen Versuchen im 19. Jahrhundert, die zur Aufstellung seiner Vererbungsregeln führte. Bei der Kartoffel ist diese Mutante leider unbekannt, weshalb das entsprechende Gen mit Hilfe gentechnischer Methoden entfernt wurde.
Gegen die geplante Freisetzung dieser Kartoffel gab es 1993 in Deutschland wütende Proteste. Kein Gentechniker kann heute eine Pflanze jedoch so entscheidend umbauen, daß ihre Freisetzung auch nur annähernd mit der revolutionären Einführung der Kartoffel im 16. Jahrhundert in Europa verglichen werden könnte.
Durch die Entdeckung von Amerika wurden dort eurasische und hier amerikanische Pflanzen und Tiere eingeführt. Dies hat zum Teil durchaus zu Problemen und zur Verdrängung einheimischer Arten geführt. Fest steht jedoch, daß die heutigen Probleme unserer Ökosysteme weder hier noch drüben durch diese gewaltigen genetischen Verschiebungen verursacht worden sind.
Gemessen an diesen historischen Großereignissen und gemessen an der natürlich vorkommenden genetischen Variabilität ist die durch Gentechnik erzeugte Veränderung des Genpools auf dieser Erde noch auf unabsehbar lange Zeit vernachlässigbar klein. Für den Erhalt unseres Ökosystems ist nichts schlimmer, als daß positiv motivierte Menschen sich vor den falschen Karren spannen lassen [Albert Camus in "Die Pest": "Das Böse in der Welt rührt fast immer von der Unwissenheit her, und der gute Wille kann so viel Schaden anrichten wie die Bosheit, wenn er nicht aufgeklärt ist". Wir alle sollten daraus folgern, daß es notwendig ist, unsere Meinungen ständig zu hinterfragen, damit sich unsere Absichten nicht ins Gegenteil verkehren].
2. Brauchen wir eine spezielle Risikoforschung?
Gentechnische Arbeiten werden per ¤4-7 der Gentechnik-Sicherheitsverordnung (GenTSV) nach dem von ihnen ausgehenden potentiellen Risiko in vier Sicherheitsstufen eingeteilt.
Sicherheitsstufe 1: Kein Risiko für menschliche Gesundheit und Umwelt.
Sicherheitsstufe 2: Geringes Risiko für menschliche Gesundheit und Umwelt.
Sicherheitsstufe 3: Mäßiges Risiko für menschliche Gesundheit und Umwelt.
Sicherheitsstufe 4: Hohes Risiko oder begründeter Verdacht eines Risikos für menschiche Gesundheit und Umwelt.
Es gilt festzuhalten, daß mehr als 90% aller Genlabors in die Sicherheitsstufe 1 eingeordnet werden. Die Einordnung in eine höhere Sicherheitsstufe findet dann statt, wenn Spender- oder Empfängerorganismus pathogenes Potential besitzen. Auch ohne Gentechnik müssen Arbeiten mit sehr pathogenen Organismen in Sicherheitslabors durchgeführt werden.
In etwa 20 Jahren welweiter gentechnischer Forschung ist bisher kein einziger Fall dokumentiert, bei dem Menschen geschädigt worden wären. Wenn sich diese Erfahrung durchsetzt, wird die Gentechnik zwangsläufig an gesellschaftspolitischer Akzeptanz gewinnen.
Zeitweise wurde von Gegnern der Gentechnik ein vorübergehender Stopp der Gentechnik vorgeschlagen, um zwischenzeitlich Risikoforschung zu betreiben. Wie aber soll ein Risiko erforscht werden können, wenn gentechnische Versuche unterbleiben müssen? Risikoforschung in der Gentechnik müßte die Konstruktion möglichst gefährlicher Transformanten ins Auge fassen. Die normale Gentechnik tut das gerade nicht. Im Gegenteil, als biologische Sicherheitsmaßnahmen werden bewußt Organismen verwendet, die außerhalb des Labors Probleme haben würden sich durchzusetzen, z.
B. Stoffwechselmutanten, die auf eine spezielle Nährlösung angewiesen sind.
3. Abschließende Bewertung der Gentechnologie
Die aufgeführten Beispiele von Anwendungsmöglichkeiten der Gentechnologie sollten gezeigt haben, daß die pauschale Ablehnung dieser neuen Technologie unverantwortlich ist. Selbst wenn nur wenig Hoffnung besteht, daß ihre innovative Ausarbeitung für die Sicherung der Lebensgrundlage von Milliarden von Menschen ausreicht - wir müssen versuchen die kleinste Chance zu nutzen. Diese Feststellung kann aber keine generelle Freigabe aller möglichen Experimente bedeuten.
Jedes gentechnologische Projekt hat sich einer gründlichen Abwägung seiner Chancen und Risiken zu unterziehen. Es besteht bei dem gegenwärtigen Wissensstand ein breiter Konsens für das Verbot von Eingriffen in die Keimbahn des Menschen. Demgegenüber dürfen somatische, gentherapeutische Eingriffe bei einer Notlage nicht verweigert werden.
Keinesfalls kann die Gentechnologie die Zukunft alleine sichern. Insbesondere darf die eventuell mögliche Produktivitätssteigerung im Ernährungssektor nicht als Alibi benützt werden, um weiterhin nichts Entscheidendes gegen die Überbevölkerung der Erde zu tun. Nur wenn endlich weltweit Maßnahmen zur Geburtenkontrolle greifen, kann verhindert werden, daß der Kollaps der Bevölkerungsentwicklung durch Seuchen und Hunger eintritt.
Letzterem Schicksal könnte eine tierische Population mit unserer Bevölkerungsdynamik nicht mehr entgehen. Hoffen wir, daß unsere Fähigkeit zur Voraussicht (=Vorsicht), die uns angeblich von den Tieren unterscheidet, ausreicht, dies abzuwenden.
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K.F. Fischbach Institut für Biologie III der Universität Freiburg i. Brsg.
., leicht verändert
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