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  Verhütung durch pillen

Verhütung durch Pillen   Entwicklung und Wirkungsweise der Pille 1960 bringt der Chicagoer Pharmakonzern C. D. Searle mit Enovid 10 weltweit die erste Pille auf den amerikanischen Markt. 1961 ist es die Berliner Schering AG, die Anovlar als erste Pille in Deutschland und Europa zur Verfügung stellt. 1965 zieht die DDR nach. VEB Jenapharm läßt Ovosiston als hormonales Kontrazeptivum in das Arzneimittelregister der DDR eintragen.

Auch wenn in den 60er Jahren noch starke Vorurteile und Vorbehalte gegen die Pille laut werden, der Siegeszug der Pille ist nicht mehr aufzuhalten. Ende der 60er Jahre verhüten weltweit schon Millionen Frauen mit der Pille. Und die Pille wird immer besser. Ihr Hormongehalt wird kontinuierlich gesenkt - die Verträglichkeit erhöht. Aber: Die Pille bleibt ein Medikament, ein hochwirksames Arzneimittel - Nebenwirkungen sind möglich und können nie ausgeschlossen werden.   Sexualreform und Hormonforschung Die Pille ist ein Produkt der Moderne: Sie ist ein Ergebnis öffentlicher Debatten über Sexualität und Verhütung und der Hoffnung auf den Fortschritt in Naturwissenschaft und Technik.

Sexualität wird im 20. Jahrhundert in Deutschland zum politischen Thema. Die Weimarer Verfassung verspricht Frauen politische Gleichstellung. Beruflich eröffnen sich ihnen neue Felder. Mit mehr Unabhängigkeit ist auch der Wunsch nach Schutz vor ungewollter Schwangerschaft verbunden. Die Familie wird zum Gegenstand rationeller Planung, die Kleinfamilie wird zum Leitbild, der Geburtenrückgang sorgt für Zündstoff.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen hinken diesen Entwicklungen hinterher. Abtreibung ist verboten, Verhütungsmittel sind schwer zugänglich. Dieser Widerspruch mobilisiert eine Massenbewegung zur "Sexualreform" - hauptsächlich getragen von der Arbeiterbewegung und von sozialistischen und liberalen Ärztinnen und Ärzten. Die Sexualreformbewegung erreicht Teilerfolge bei der Legalisierung von Abtreibung und Verhütung. Doch sie übernimmt auch rassehygienische Konzepte. Die Idee der Pille, 1921 erstmals geäußert, steht in diesem Spannungsfeld.

Ihr Erfinder Ludwig Haberlandt steht auf der Seite der Befürworter aktiver Geburtenregelung. Gegen die Angriffe der Kirche verteidigt er seine Idee mit Argumenten der Eugenik. Die Idee hormoneller Verhütung ist ein Ergebnis der Hormonforschung, die in den zwanziger Jahren ihre ersten Erfolge feiert. In den zwanziger Jahren kann sie die Funktion der männlichen und weiblichen Sexualhormone weitgehend aufklären. Am Ende der Weimarer Republik steht sie kurz vor deren chemischer Entschlüsselung. 1930 kündigt der Hormonforscher Ludwig Haberlandt ein hormonales Verhütungsmittel an.

Doch aufgrund des Fehlens synthetischer Hormone kann diese erste "Pille" noch nicht produziert werden. Ab 1933 wird Bevölkerungspolitik zur Rassenpolitik. Die Sexualreformbewegung wird zerschlagen. Viele ihrer Aktivisten, als Linke und Juden verfolgt, verlassen Deutschland.     Wie wirkt die Pille? Während des natürlichen Zyklus der Frau findet jeden Monat ein Eisprung statt. Dabei wandert eine reife Zelle in den Eileiter, wo sie befruchtet werden kann.

Findet eine Befruchtung statt, gelangt die befruchtete Eizelle in die Gebärmutter und nistet sich dort ein. Das Ei entwickelt sich zum Embryo. Findet keine Befruchtung statt, wird die Eizelle mit der Gebärmutterschleimhaut bei der Monatsblutung ausgestoßen. Der Monatszyklus der Frau wird durch Hormone des Zwischenhirns, der Hirnanhangdrüse und der Eierstöcke gesteuert. Die heranreifenden Eizellen produzieren die weiblichen Geschlechtshormone Östrogen und Progesteron. Östrogen bewirkt u.

a. den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut, Progesteron erhält sie. Das Zusammenwirken beider Hormone ist Voraussetzung für die Einnistung einer befruchteten Eizelle und die Aufrechterhaltung einer Schwangerschaft. Hat eine Befruchtung stattgefunden, kann eine Frau nicht noch einmal schwanger werden. Verantwortlich dafür ist das Gelbkörperhormon Progesteron. Es signalisiert der Hirnanhangdrüse, daß die Frau schwanger ist und verhindert dadurch die Heranreifung weiterer Eizellen und den Eisprung.

Hier setzt die Wirkung der Pille ein: Die in ihr enthaltene Östrogen/Progesteron-Kombination täuscht der Hirnanhangdrüse eine Schwangerschaft vor. Ein Eisprung findet nicht mehr statt und die Frau kann nicht schwanger werden. Zusätzlich sorgt die Pille für zwei weitere Effekte, die ebenfalls einer Schwangerschaft entgegenwirken. Zum einen bleibt die Verflüssigung des Schleims im Gebärmutterhals aus, die normalerweise um die Zeit des Eisprungs eintritt. So können Samenfäden gar nicht erst in die Gebärmutter eindringen. Zum anderen kommt es mit der Pille zu einer ungenügenden Entwicklung der Gebärmutterschleimhaut.


Das Ei kann sich nicht einnisten. Was die Pille noch bewirkt? Mit der Verbreitung der Pille seit den 60er Jahren wurden nach und nach auch die Nebenwirkungen bekannt: z. b. Übelkeit, Kopfschmerzen, Zwischenblutungen oder Gewichtszunahme. Bei Frauen, die ein erhöhtes Thromboserisiko haben, besteht die Gefahr, daß die Pille dieses Risiko erhöhen kann. Ein erhöhtes Risiko besteht bei Raucherinnen, Frauen mit Übergewicht oder Frauen, die bereits eine Thromboseerkrankungen hatten oder in deren Familien diese Krankheit aufgetreten ist.

Diesen Frauen wird mittlerweile geraten, eine andere Verhütungsmethode anzuwenden. Die Pille hat aber auch positive Nebenwirkungen: Die Schmerzen der Regelblutung lassen nach, Akne und Eileiterzysten gehen zurück.   Im Lauf der Jahre konnten die Hormondosen der Pille entscheidend gesenkt und die Nebenwirkungen minimiert werden. Doch es darf nicht vergessen werden, daß dieses orale Kontrazeptivum ein hochwirksames Arzneimittel ist: Nebenwirkungen sind möglich und können niemals ausgeschlossen werden   Verdacht auf erhöhte Nebenwirkung hat sich bestätigt Die Aufregung war groß, als Ende 1995 das Bundesinstitut für Arzneimittel in Berlin auf die vermehrten Nebenwirkungen bei den Anti-Baby-Pillen mit den Gestagenen "Gestoden" und "Desogestrel" verwies. Die Pharmafirmen, zur Stellungnahme aufgefordert, wiesen die Anschuldigungenzurück.   Studien unter Verantwortung der Weltgesundheitsorganisation "WHO" und weitere epidemiologische Studien veranlaßten jedoch das Institutin Übereinstimmung mit dem Ausschuß für Arzneispezialitäten(Committee for Proprietary Medicinal Products CPMP) der Europäischen Arzneimittelbehörde (European Agency for the Evaluation of MedicinalProducts, EMEA) den Anwenderkreis zunächst befristet einzuschränken.

Auch der Hinweis der Pillen-Hersteller auf ein etwa 10 % vermindertes Risikofür einen Herzinfarkt gegenüber anderen Pillen konnte nicht so überzeugen, daß die gravierenden Nachteile aufgewogen werden. Nach Auswertung aller bisher vorliegenden Studien und Daten wurde ab Februar 1997 die - bisher zeitlich befristete - eingeschränkte Anwendungen eine unbefristete Maßnahme umgewandelt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel stützt sich dabei auf eine Stellungnahme der EMEA, London, vom 22. Januar 1997 (Position Statement CPMP/073/97 Rev. 2).   Um welche Nebenwirkungen und Risiken geht es? Bereits vor Jahrzehnten, als der Hormongehalt der Anti-Baby-Pille noch erheblich höher als heute war, wiesen Studien auf ein erhöhtes Risiko hin: die Blutpfropfbildung (Thrombose).

Venöse Thrombosen und Embolien gehören seitdem zu den bekannten möglichen Nebenwirkungen aller oraler Kontraceptiva (Pille). Es handelt sich dabei um seltene, jedoch schwerwiegende Nebenwirkungen, die u. U. bei einer Lungenembolie (Verschluß durch Blutpfropf) tödlich verlaufen können. Pillen der sog. 3.

Generation mit den Wirkstoffen Desogestrel und Gestoden verursachen offensichtlich etwa doppelt so häufig venöse, thromboembolische Ereignisse als solche der sog. 2. Generation. Diese sind zwar selten - vier von 10.000 Frauen         Wie ist die Anwendung eingeschränkt?   Betroffen sind die Pillen mit den Warenzeichen Biviol, Centenyl, Cyclosa,Dimirel, Femovan, Lovelle, Marvelon, Minulet und Oviol. Diese dürfen Frauen bis zu einem Alter von 30 Jahren, die zum ersten Mal die "Pille" anwenden wollen, nicht verordnet werden.

Vor einer Verschreibung sind besonders familiäre Faktoren, die für das Auftreten von thromboembolischen Erkrankungen von Bedeutung sind, sorgfältig zu ermitteln. Sind also nahe Verwandte bereits daran erkrankt? Warum? Weil sich das Risiko einer venösen Thrombose oder Embolie bei derart gefährdeten Frauen mit erblicher Veranlagung eher in den ersten Monaten nach Einnahmebeginn zeigt. Frauen, die die Pille bereits schon einige Zeit problemlos einnehmen, sind weniger gefährdet. Selbstverständlich sind Fragen nach den allgemeinen Risikofaktoren, wie z. B. Übergewicht und Rauchen.

Warum wurde die Altersgrenze auf 30 Jahre festgesetzt? Weil Frauen, die die "neue" Pille nehmen, möglicherweise ein geringeres Herzinfarktrisiko tragen, als solche mit Empfängnisverhütungsmitteln der vorhergehenden(2.) Generation.   Wichtige Hinweise für Pillennutzerinnen In den letzten Wochen wurden neue Forschungsergebnisse zur Gesundheitsgefährdung durch einige Präparate der Anti-Baby-Pille bekannt und heftig diskutiert. Vielleicht haben Sie sich Gedanken gemacht, was das für Sie als Pillennutzerin bedeutet. Hier einige Antworten auf Fragen, die zur Klärung der eigenen Situation beitragen können: Um welche Pillenpräparate handelt es sich konkret? Femovan, Lovelle, Marvelon, Minulet, Biviol, Oviol, Cyclosa, Cetenyl, Dimirel. Warum sind es gerade diese Pillen? Die Pillen sind die sogenannten Mikropillen der 3.

Generation, die die Inhaltsstoffe Desogestrel oder Gestoden enthalten (nachzulesen in den Packungsbeilagen). Welche Gefahr besteht bei der Einnahme dieser Pillen? Vorläufige Untersuchungsergebnisse weisen bei der Einnahme dieser Pillen auf ein erhöhtes Risiko für venöse Thrombosen und Embolien hin (im Verhältnis zur Einnahme anderer Präparate). Venöse Thrombosen sind Blutgerinnsel, die (wenn auch selten) schwere gesundheitliche Folgen nach sich ziehen können. Dieses Risiko ist von Frau zu Frau sehr unterschiedlich. Zur Klärung Ihres persönlichen Risikos ist ein Gespräch mit Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin wichtig.   Für welche Frauen besteht ein erhöhtes Risiko bei der Einnahme dieser Pillenpräparate? Nach dem jetzigen Kenntnisstand sollten sich Frauen, die ohnehin ein erhöhtes Thromboserisiko haben, für ein anderes Verhütungsmittel oder ein anderes Pillenpräparat entscheiden.

Erhöhtes Thromboserisiko besteht bei •Raucherinnen, •Frauen mit Übergewicht, •Frauen, in deren Familien (Eltern, Geschwister) in jüngerem Alter Thromboseerkrankungen aufgetreten sind, •Frauen, die bereits eine Thrombose hatten oder unter Krampfadern leiden. Ob Sie zu den Frauen mit einem erhöhten Risiko gehören, sollten Sie mit Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin besprechen. Junge Frauen, die zum ersten Mal die Pille anwenden wollen, sollten diese Pillenpräparate nicht nehmen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat die Verordnung dieser Präparate für Erstanwenderinnen unter 30 Jahre untersagt. Weitere Studien werden hoffentlich bald (endgültige) Klarheit sowohl über die negativen (Thrombose) als auch positiven Wirkungen (geringere Herzinfarktrate) bringen. Wenn am 1.

Tag der Periode die Pille eingenommen wird, ist der Empfängnisschutz gewährleistet Was ist eine Pille danach? 1 Tablette Tetragynon enthält 0,25 mg Levonorgestrel u. 0,05 Ethinylestradiol. Die Packung enthält 4 Tabletten. 2 Tabletten bis zu 48 Stunden nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr, der Rest 12 Stunden später einnehmen. Nebenwirkungen: Manchmal Übelkeit. Gegenanzeiger: Ähnlich wie bei der "normalen" Pilleneinnahme.

Pearl Index: 2-5; ziemlich sicher! Preis: zw. 12.- und 15.- DM Anmerkung: Die 4 Tabletten der "normalen" Pille "Eugynon sind ebenso wirksam. Wann kommt die "Pille für den Mann"? Sie wird immer wieder heraufbeschworen, von beiden Geschlechtern sehnlichst erwartet, von vielen Frauen und Männern jedoch auch mit viel Skepsis betrachtet: Die "Pille für den Mann". Eigenständig, sicher und zuverlässig verhüten können Männer zur Zeit nur mit dem Kondom oder durch eine Sterilisation.

Zwar sind diese beiden Methoden, wie auch der sehr unsichere Koitus Interruptus ("Rückzieher"), weltweit zahlenmäßig weit verbreitet, andere Möglichkeiten für den Mann, Verhütung selbst zu regeln, gibt es jedoch nicht. Neue Verhütungsmethoden für Männer wären zudem auch ein Beitrag zur emanzipatorischen Verteilung der Lasten der Familienplanung zwischen Mann und Frau. Ungefähr 20 Jahre alt ist die Idee einer hormonellen Verhütung für den Mann. Intensive Forschung dazu wird leider noch nicht sehr lange betrieben. Das Ziel aller Forschung auf diesem Gebiet ist es, die Spermienbildung zu unterdrücken und damit eine Verminderung der Spermienzahl bis hin zur Azoospermie (Samenflüssigkeit frei von Spermien) zu erreichen. Allerdings kann noch keine Rede davon sein, daß eine solche Methode unmittelbar vor der allgemeinen Anwendbarkeit steht, wie die Presse in regelmäßigen Abständen glauben machen will.

Die Ansätze in der Forschung sind unterschiedlich. Chemische, nicht hormonelle Substanzen kommen in den meisten Fällen auf Grund ihrer Schädlichkeit für den gesamten Organismus nicht in Frage. Weiterhin werden immunologische Vorgänge erforscht sowie die Möglichkeit der Verhütung durch die Hemmung einzelner Enzyme, die für die Vorgänge der Spermienentwicklung und Befruchtung notwendig sind. Auf diesen Gebieten ist jedoch weitere Grundlagenforschung nötig. Die Forschung auf dem Sektor der Verhütung mit hormonellen Substanzen gibt Grund zur Hoffnung. Die Verhütung mit einem synthetischen Abkömmling des männlichen Hormons Testosteron wurde in einer großen Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) überprüft.

Die Anforderungen an die Sicherheit, die Akzeptanz sowie die Forderung, daß die Methode rückgängig zu machen ist, wurden in der Studie erfüllt. Weiterer Forschungsbedarf besteht jedoch bei der Verabreichungsform. Bisher sind wöchentliche Injektionen des Hormons erforderlich. Für eine breite Anwendung ist dies nicht akzeptabel. Weitere Möglichkeiten der hormonellen Verhütung liegen in der Hemmung der Ausschüttung von den Botenstoffen im Gehirn, die die Produktion der männlichen Hormone steuern. Auch hier liegen vielversprechende Forschungsergebnisse vor.

Erste Grundlagenforschung wird auch mit dem Mittel RU 486 betrieben, einem in Frankreich entwickelten Mittel für einen frühen, medikamentösen Schwangerschaftsabbruch. Möglicherweise hemmt RU 486 beim Mann die Beweglichkeit der Spermien und ihre Möglichkeit, in die Eizelle einzudringen. Wann die "Pille für den Mann" kommt und wer sie dann auch einnehmen wird, ist im Moment noch nicht abzusehen. Bleibt die Frage, wie viele Frauen sich darauf verlassen wollen, daß die Männer "ihre Pille" nicht vergessen?  

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