Nikotin
Inhalt:
Die Diskussion um die Definition von Sucht
Eigenschaften des Nikotins
Suchtpotential von Nikotin und anderen Drogen
Tierversuche mit Nikotin und anderen Drogen
Tabakindustrie versteckt eigene Versuchsergebnisse
Sammelklage gegen Tabakindustrie wegen bewußter Herstellung von Drogen
Verarbeitung von Tabak, künstliche Zusatzstoffe
Tatsächlicher Nikotingehalt von "normalen" und Lightzigaretten
Rauchen und andere Arten der Nikotinzufuhr
Die Diskussion um die Definition von Sucht
Kein Land kennt so strenge Rauchverbote wie die USA, und nirgendwo wird der Streit um die
Nikotinsucht so heftig ausgetragen. Hier in Amerika ist eine oft fast fanatische Anti-Rauch-
Bewegung in Stellung gegangen gegen millionenschwere Konzerne und deren nimmermüde
Rechtsabteilungen.
Die Schlacht, die auf beiden Seiten hinter Reklametafeln vorbereitet wird, könnte darüber
entscheiden, ob Amerikaner in Zukunft ihre Zigaretten in der Apotheke kaufen müssen. Denn
in dem Streit geht es nicht nur darum, ob Rauchen schädlich ist - das steht auch in den USA
längst auf allen Zigarettenschachteln - Industrie und Gesundheitsbehörden streiten um die
Sucht.
"Nikotin macht so süchtig wie Heroin oder Kokain", meint der Chef des staatlichen
Instituts für Drogenmißbrauch. Eine derart strenge Definition von Sucht aber unterscheide
nicht mehr zwischen Kaffeetrinken und Crackrauchen, kritisieren die Wissenschaftler der
Tabakindustrie.
Tabakprodukte sollten unter das Arzneimittelgesetz fallen, Nikotin sei eine
Droge, meint der Chef der mächtigen US-Gesundheitsbehörde FDA.
Bei uns in Deutschland ist das noch kein Thema. Die Frage ist: ist Rauchen eine Sucht,
lediglich eine Abhängigkeit oder sogar nur ein Vergnügen, das man freiwillig und gerne
wiederholt, wie die Hersteller und viele Raucher behaupten?
Rauchen - eine Form des Drogenmißbrauchs? Sind Nikotin und Heroin wirklich vergleichbar?
"Für die Tabakabhängigkeit gelten grundsätzlich die gleichen Voraussetzungen wie für andere
Abhängigkeiten auch - Alkoholabhängigkeit, Heroinabhängigkeit, Kokainabhängigkeit. Der
entscheidende Unterschied zwischen der Tabakabhängigkeit einerseits und den übrigen
genannten Abhängigkeiten andererseits ist das Fehlen der psychotoxischen Wirkung des
Nikotins. Das heißt: der abhängige Raucher verliert nicht seine Persönlichkeit, im allgemeinen
verliert er auch nicht seinen Arbeitsplatz, z.B.
im Gegensatz zum Alkoholiker." [Prof. Klaus
Opitz, Pharmakologe, Münster]
Eigenschaften des Nikotins
Der Stoff, um den es geht, ist eine relativ einfache chemische Verbindung. Entdeckt wurde er
1828 in Heidelberg. "De Nicotiniana" - "Über die Tabakpflanze" nannten zwei Studenten, der
Chemiker Reimann und der Mediziner Posselt, ihre preisgekrönte lateinisch geschriebene
Studie über den Wirkstoff in den Tabakblättern. Sie gaben ihm auch gleich seinen Namen
"Nikotin", unter Chemikern auch als 3-(1-Methyl-2-pyrrolidinyl)-pyridin bekannt.
Nicotiniana Tabacum, die Tabakpflanze ist ein Nachtschattengewächs. Das Nikotin erzeugt
sie in ihren Wurzeln. Wenn die Pflanze reift, wandert der Stoff in die Blätter. Nikotin ist eines
der stärksten Pflanzengifte. Die tödliche Dosis für den Menschen beträgt nur 50 mg. Beim
Rauchen wird das nicht erreicht, weil Nikotin im Körper sehr schnell abgebaut wird.
Die
Giftproduktion liegt bei den Nachtschattengewächsen in der Familie: Tollkirsche, Bittersüß,
Bilsenkraut gehören dazu, aber auch Nutzpflanzen wie Kartoffel, Tomate und Paprika.
[Tabakgebrauch der Indianer, Kolumbus etc.]
Wenn der Tabak glimmt, wird das Nikotin freigesetzt. Gebunden an die winzigen
Teerteilchen im Rauch gelangt es in die Lunge und von dort ins Blut. Schon 7 Sekunden
später erreichen die Nikotinmoleküle das Gehirn, heften sich dort an die Nervenzellen und
beeinflussen deren Aktivität. Das läßt sich messen mit einem modernen, bildgebenden
Verfahren.
[Beschreibung des Verfahrens]
Im amerikanischen Institut für Drogenmißbrauch wird nach den Wirkungsmechanismen von
suchterregenden und abhängigmachenden Drogen geforscht. Nikotin hat zunächst einen
anregenden, in höheren Dosen einen beruhigenden und muskelentspannenden Einfluß. Es
mildert Hunger- und Angstgefühle und auch Aggression.
[weiteres zu dem Verfahren]
"Trotz seiner erheblichen Giftigkeit ist Nikotin, das mit dem Tabakrauch aufgenommen wird,
selten die Ursache von Vergiftungen, wenn man absieht von ersten Rauchversuchen oder vom
Verzehr von Zigaretten durch Kleinkinder. Der Raucher erlebt praktisch keine
Nikotinvergiftung, er scheidet das Nikotin ja auch schnell aus, und sein Körper gewöhnt sich
daran. Raucher genießen ja Nikotindosen, die bei Nichtrauchern bereits leichte
Vergiftungserscheinungen auslösen würden.
Nikotin wirkt weder krebserzeugend noch
teratogen [= Mißbildungen erzeugend], noch ist es verantwortlich für die chronischen
Gesundheitsschäden der Raucher. Die gehen zu Lasten von Kohlenmonoxid, Cyanwasserstoff,
Benzol, Cadmium, Nitrosaminen und zahlreichen anderen gesundheitsschädlichen
Bestandteilen des Tabakrauchs." [Opitz]
Leider sind die harmlose Droge Nikotin und die bösartigen Begleitstoffe im
Zigarettenrauch ziemlich unzertrennlich. Nikotin entfaltet die beruhigende Wirkung,
die Teerpartikel sorgen für den Geschmack und die Gesundheitsschäden.
In Amerika tragen Anti-Rauch-Organisationen wie die Krebs-Gesellschaft und die
Tabakindustrie ihre Gefechte mit harten Bandagen aus. Durch Rauchen verursachte
Todeszahlen an der Straßenecke und Werbespots in Kino und Fernsehen, die bis an die
Grenzen des guten Geschmacks gehen - und oft auch ein bißchen weiter.
Wegen ihrer
übertriebenen Machart allerdings werden die Spots von den Rauchern nicht immer ernst
genommen.
Suchtpotential von Nikotin und anderen Drogen
Die Gesundheitsschäden durch das Rauchen sind die Schlacht von gestern. Die
Zigarettenhersteller müssen nun einen neuen, grundsätzlicheren Rechtsstreit fürchten: es geht
um die Sucht. Ist das Nikotin, dieser Extrakt aus den Tabakblättern, allein für die
Abhängigkeit verantwortlich, oder raucht man, wie die Konzerne behaupten, aus anderen
Gründen?
Die Tabakindustrie hält das Nikotin für zweitrangig. Dieser wichtige, traditionsreiche
Wirtschaftszweig ist stolz auf seine Produkte und will nicht wahrhaben, daß in seinen
modernen Fabriken Suchtmittel hergestellt werden. Die Industrie glaubt nicht, daß Nikotin
süchtig macht, und setzt ihre geballte Werbe- und Finanzkraft dafür ein, die Freiwilligkeit
beim Griff zur Zigarette zu beschwören: Raucher rauchen eben gern.
Wenn Zigaretten als
süchtigmachende Drogen angesehen werden, wie es das amerikanische Institut für
Drogenmißbrauch fordert, wäre dieses Image dahin.
Das Institut hat alle gängigen Suchtmittel untersucht, auch das Nikotin. "Nikotin kann genau
so abhängig machen wie Morphium oder Kokain. Für alle drei Stoffe aber gilt: ob jemand
tatsächlich abhängig wird, hängt nicht nur von der Dosis ab, sondern auch davon, wie schnell
sie dem Körper zugeführt werden. Beim Kauen von Koka-Blättern etwa kann der Körper nur
wenig mit dem Kokain anfangen. Darum gibt es bei dieser Form der Verabreichung, wie sie in
Südamerika üblich ist, kaum Probleme.
Ganz anders aber ist es, wenn Kokain inhaliert wird
und dadurch schnell ins Blut gelangt. Dann hat es eine geradezu explosive Wirkung. Das
gleiche gilt für Nikotin. Ein Nikotinpflaster wird von Rauchern meist nicht als Ersatz für die
Zigarette akzeptiert, und sie haben in gewissem Sinne recht: es gibt einfach nicht diesen
explosiven, abhängig machenden Schub. Aber immerhin - ein Pflaster mindert die
Entzugserscheinungen." [Dr.
Jack E. Hennigfield, Institut für Drogenmißbrauch, Baltimore]
Die Pharmakologen der Tabakindustrie sehen das natürlich ganz anders. Sucht sei eine Frage
der Definition. "Die Vertreter der Nikotinsucht-These bezeichnen einen Menschen schon als
süchtig, wenn er etwas gerne tut oder zu sich nimmt und es immer wieder tut, weil er es als
angenehm empfindet. Als Wissenschaftler finde ich das höchst unbefriedigend, denn ein
solcher Suchtbegriff unterscheidet nicht zwischen Crackrauchen und Kaffeetrinken. Ich
glaube, auch Nichtwissenschaftler sehen hier ja wohl einen fundamentalen Unterschied.
" [Dr.
John H. Robinson, R.J. Reynolds Tobacco Company]
Was ist Sucht - was ist Abhängigkeit? Ist es allein die Geselligkeit, die zum Rauchen
verführt? Wohl kaum. Denn wer hier raucht, raucht in aller Regel auch zu Hause oder
anderswo, und wer anderswo nicht raucht, greift auch beim gemütlichen Zusammensein meist
nicht zum Glimmstengel.
Also ist Rauchen wohl kaum etwas, was man immer wieder tut,
allein, weil man es als angenehm empfindet, wie die Forscher der Zigarettenindustrie
behaupten. Welche Rolle das Nikotin beim Griff zur Zigarette spielt, läßt sich nach den
strengen Regeln der Wissenschaft im Labor untersuchen. Nicht an Menschen in fröhlicher
Bierlaune, sondern an Ratten.
Tierversuche mit Nikotin und anderen Drogen
Der Ratte wird ein sehr dünner Katheter in eine Ader gelegt. Aus praktischen Gründen wählen
die Forscher ein Blutgefäß am Nacken. Durch diesen Schlauch wird Nikotin in die Blutbahn
gespritzt.
Sobald die Ratte ihre Schnauze in das rechte Loch [von zwei Löchern] steckt,
bekommt sie eine Dosis Nikotin eingespritzt. Wiederholt sie das freiwillig immer wieder,
dann bedeutet das, daß sie die Droge braucht, daß sie abhängig ist. Auf Heroin und Kokain
reagieren die Versuchstiere mit starkem Suchtverhalten, auf Kaffee dagegen kaum. Der Effekt
von Nikotin liegt irgendwo dazwischen.
Der Punkt ist nun: die Tabakindustrie hat solche Rattenversuche nachweislich schon 1980
durchgeführt, die Ergebnisse allerdings verschwanden in der Schublade. Bei Philip
Morris wurde das entsprechende Labor 1983 sogar geschlossen, die Wissenschaftler wurden
entlassen.
Der Leiter dieses Labors arbeitet inzwischen im Staatsdienst als Psychologe. Jetzt
hat er das Schweigen um die damaligen Versuchsergebnisse gebrochen. Victor DeNoble
hatte als einer der ersten nachgewiesen, daß Nikotin tatsächlich abhängig macht. Und
das war nicht einfach.
"Erst haben wir wie bei Versuchen mit Heroin oder Morphium große Mengen Nikotin in die
Vene gespritzt. Mit Nikotin aber hat das leider nicht funktioniert.
In der Cafeteria von Philip
Morris sah ich dann, daß die Raucher sich durch wiederholtes Inhalieren Nikotin in Schüben
zuführen. Kam es vielleicht auf die Art und Weise der Nikotingabe an? Wir legten unsere
Nikotinspritzen beiseite und versuchten es mit einer Pumpe, die den Ratten regelmäßig kleine
Nikotinmengen injizierte, und von da an liefen die Versuche sehr erfolgreich." [Dr. Victor
DeNoble, Verhaltenspsychologe]
Tabakindustrie versteckt eigene Versuchsergebnisse
Aber warum erlaubten ihm seine Vorgesetzten nicht zu veröffentlichen?
"Anfangs durften wir veröffentlichen. Als unsere Firma aber 1983 darauf verklagt wurde,
daß Zigarettenrauchen abhängig macht, hatte man Sorge, unsere eigene Forschung
könnte die These der Kläger belegen. Man wollte das nicht unbedingt in der
wissenschaftlichen Literatur sehen.
"
Inzwischen stehen DeNoble's Ergebnisse in der Literatur und sind jedermann frei zugänglich.
Sie finden sich nämlich in den offziellen Akten des akerikanischen Abgeordnetenhauses. Dort
hatte Victor DeNoble 1994 vor einem Kongreßausschuß seine Untersuchungen bezeugt.
Danach tauchten eine ganze Reihe weiterer bisher geheim gehaltener Forschungsberichte aus
anderen Labors der Tabakindustrie auf. Die Zigarettenhersteller hatten also gewußt, daß
Nikotin abhängig macht. Der Untersuchungsbericht aus dem Kapitol sollte die Industrie aus
ihrer Selbstsicherheit aufschrecken.
Sammelklage gegen Tabakindustrie wegen bewußter Herstellung von Drogen
In New Orleans wurde eine neue Runde im Streit um die Nikotinsucht eingeläutet. Eine ganze
Gruppe von Rechtsanwälten hat sich zusammengetan, um die größte Sammelklage der
amerikanischen Rechtsgeschichte vorzubringen. Sie haben sich in einem teuren Bürohaus
eingemietet, vertreten Klienten aus ganz Amerika und wollen die Tabakindustrie in die Kniee
zwingen. Alle 45 Millionen Raucher der USA könnten sich der Klage anschließen, hofft der
Leiter der Gruppe.
"Es geht uns um die Sucht. In den bisherigen Prozessen wurde die Zigarettenindustrie
verklagt, weil Zigaretten Krebs, Emphyseme oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen.
Daß Zigaretten das tatsächlich tun, wissen die Hersteller aufgrund ihrer eigenen Versuche am
besten, schon seit den 40er Jahren. Aber obwohl sie dies wußten, haben sie ein Produkt auf
den Markt gebracht, das süchtig macht. Anders gesagt: sie wußten, daß ihr Produkt süchtig
macht, daß ein normaler Gebrauch zum Mißbrauch führt und daß es all diese Krankheiten
verursacht. Die Industrie leugnet aber bis auf den heutigen Tag, daß Rauchen süchtig macht.
Jetzt bekommt sie es zum ersten Mal mit einer geschlossenen Front zu tun. Bisher hat es die
Industrie immer geschafft, die Kläger zu isolieren und durch systematische Verzögerung
jeden einzelnen in den Ruin zu treiben, bis er aufgab.
Mit uns können sie das nicht tun, wir
haben einen langen Atem. Wir sind 62 Anwälte und solide finanziert." [Wendell H. Gautier,
Rechtsanwalt]
Muß sich die Zigarettenindustrie nun also warm anziehen? Wenn die Gruppe um Gautier
gewinnt, könnte das die mächtigen Tabakkonzerne dort treffen, wo sie am empfindlichsten
sind: am Umsatz. Ihre Justitiare sind daher bereits zum Gegenangriff übergegangen:
"Wir akzeptieren schon die Prämisse nicht, daß Zigarettenrauchen eine Sucht sei. Aber der
Richter hat entschieden, daß eine solche Klage zulässig ist, auch als Sammelklage.
Wir haben
dagegen Einspruch eingelegt und erwarten, daß die nächste Instanz die Sammelklage
verhindern wird. Wenn jemand uns in dieser Sache verklagen will, muß er dies als
Individuum tun, jeder der 40 bis 50 Millionen Raucher für sich allein." [Charles A. Blixt,
Chefjustitiar, R.J. Reynolds Tobacco Company]
Verarbeitung von Tabak, künstliche Zusatzstoffe
Was ist nun dran an der Nikotinsucht? Der Fernsehsender ABC hatte die Industrie sogar
beschuldigt, den Tabak künstlich mit Nikotin anzureichern, um die Raucher süchtig zu halten.
Kann das stimmen?
Wir wollten filmen, wie der Tabak verarbeitet wird. Leider aber sahen wir die Tabakblätter
bei der Versteigerung zum letzten Mal. Was drinnen in den Fabriken geschieht, ist
wohlgehütetes Betriebsgeheimnis. Ausgesuchte Bilder stellten uns die Hersteller zur
Verfügung. Sicher ist, daß dem Tabak eine ganze Reihe von Geschmacks- und
Konservierungsstoffen hinzugefügt werden, bevor Zigaretten daraus entstehen. Filmen durften
wir das nicht, uns blieb nur das Endprodukt, und das haben wir unters Mikroskop gelegt.
Die Vergrößerung läßt ahnen, wie aufwendig die Tabakblätter verarbeitet werden. Das
erste, was auffällt, ist eine glitzernde Schicht Chemie um jede Tabakfaser. In den
Handbüchern über Tabakherstellung kann man lesen, daß Zucker und
Geschmacksstoffe die Fasern umgeben. Menge und Art sind Geheimrezept des
jeweiligen Herstellers. So sorgen etwa spezielle Salze dafür, daß die Zigarette
durchgehend glimmt. Ammoniak verbessert die Freisetzung von Nikotin, Zucker und
Lakritz regulieren den Geschmack, und Glyzerin hält den Tabak länger frisch.
Wenn man sich nun die einzelnen Tabakfasern einer Zigarette genauer anschaut, ist von den
ursprünglichen Tabakblättern nur noch wenig zu erkennen. Unter stärkerer Vergrößerung
sehen manche Fasern aus wie zusammengepreßte Reste und sind es wohl auch. Wer diese
Bilder sieht, kann vielleicht verstehen, warum die amerikanischen Kollegen von ABC auf den
Gedanken gekommen sind, daß dem Zigarettentabak auch zusätzliches Nikotin beigefügt
wird. Im Vergleich mit diesem Industrieprodukt sieht wenig behandelter Zigarrentabak
jedenfalls ganz anders aus. Daß aber Zigarettentabak von der Industrie künstlich mit Nikotin
gespickt wird, leugnen die Anwälte der Tabakkonzerne. ABC hatte keine Beweise und mußte
viele Millionen Dollar zahlen.
"Manipulation und Spicken - die Wörter, die ABC gebraucht hat, haben so einen negativen
Beigeschmack, als ob wir etwas Verbotenes täten. Wir stellen ein Produkt her aus einem
agrarischen Grundstoff, etwas so, wie es Nahrungsmittelproduzenten tun. Wir müssen
natürlich sicherstellen, daß jede Zigarette und jedes Päckchen einen konstanten Geschmack
haben, wie die Nahrungsmittelhersteller, die Dosengemüse abfüllen. Wir mischen
verschiedene Tabaksorten so, daß die Winston, die man in einem Teil der USA kauft, den
selben Geschmack hat, die selbe Qualität und die selben Teer- und Nikotinwerte wie die
Winston, die man in einem anderen Teil des Landes kauft." [Blixt]
"Also gut - die Tabakindustrie entzieht Nikotin und fügt es später wieder hinzu. Aber das
geschieht aus Qualitätsgründen und ist hier nicht das Wesentliche.
Das Entscheidende ist, daß
es sich bei der Zigarette um ein Drogenverabreichungsgerät handelt, mit dem neben Nikotin
noch 4000 andere Chemikalien zugeführt werden. Viele davon sind giftig. Wenn die Zigarette
eine Spritze wäre, dürfte man sie nie verkaufen." [DeNoble]
[Über Nikotin und Arzneimittelgesetze]
Tatsächlicher Nikotingehalt von "normalen" und Lightzigaretten
Wieviel Nikotin kann sich ein Raucher aus einer Zigarette holen? Die Werte, die auf den
Packungen stehen, beantworten die Frage keineswegs. Ermittelt werden diese Werte in
einer amtlich anerkannten Rauchmaschine. Diese raucht aber nicht wie ein Raucher.
Sie
nimmt nur einmal in einer Minute einen Zug von zwei Sekunden Länge, nur acht bis neun
Züge pro Zigarette. Der Rauch durchströmt einen feuchten Papierfilter, der die
nikotinbeladenen Teerteilchen festhält. Das Nikotin gelangt hauptsächlich gebunden an
Teerpartikel in die Lunge. Teer und Nikotin stehen dadurch immer in einem festen Verhältnis.
Freies Nikotin spielt im Rauch eine gringe Rolle, und auch die Geschmacksstoffe brauchen
die Teerpartikel als Fähre. Ohne Teer würde die Zigarette nach nichts schmecken.
Das Nikotin wird aus dem Filter gelöst und kann dann in einem Gaschromatographen
gemessen werden. In unserem Fall hat die Rauchmaschine mit ihren sehr zurückhaltenden
Rauchverhalten 0,29 mg Nikotin pro Zigarette aufgenommen. Damit eine Zigarette als
"leicht" eingestuft wird, versehen die Hersteller den Filter mit winzigen Löchern. Dadurch
wird der Rauch bei jedem Zug mit Luft verdünnt, er enthält weniger Teer und Nikotin. Wenn
der Raucher aber einen Teil der Löcher mit den Fingern verdeckt, müßten wieder mehr Teer
und Nikotin in den Rauch gelangen, die Maschine müßte deutlich höhere Werte ermitteln. Wir
haben versucht, diesen Effekt nachzustellen, indem wir etwa die Hälfte der Löcher zugeklebt
haben.
Im Landesuntersuchungsamt in Sigmaringen ließen wir die so bearbeiteten Zigaretten
in der Maschine abrauchen. Das Ergebnis bestätigt die Erwartung: der Nikotinwert ist mit
0,47 mg fast doppelt so hoch wie bei nicht zugeklebten Löchern.
Wissen die Hersteller, daß ein Raucher mehr Nikotin aus einer Zigarette holen kann, als
auf dem Päckchen steht?
"Selbstverständlich. Sie wissen das spätestens seit 1969, als Forscher von Philip Morris in
der sogenannten "Lippenstudie" zeigten, wie die Raucher mit ihren Fingern oder Lippen die
Löcher verdeckten und wie die Rauchmaschine sehr niedrige Werte anzeigte. Inzwischen
haben Leute wie Bellowitz oder Henningfield längst nachgewiesen, daß Raucher durch
Verdecken der Löcher 5 bis 20 mal mehr Nikotin aufnehmen können, als auf der
Packung steht." [DeNoble]
Trotz niedriger Werte auf den Päckchen kann der Raucher also viel mehr Nikotin aus einer
Zigarette holen.
Wie viel mehr - das hängt davon ab, wie viel Nikotin dem Raucher im Tabak
der Zigarette überhaupt zur Verfügung steht. Ein Beispiel: die von uns getestete "leichte"
Zigarette hatte nach der offizillen Messung 0,29 und mit teilweise verklebten Löchern 0,47
mg Nikotin im Rauch. In ihrem Tabak fanden sich insgesamt 14,9 mg, sehr viel mehr als bei
den Messungen im Rauch. Wir wollten jetzt wissen, ob "leichtere" Zigaretten auch
"leichteren" Tabak enthalten. Im Sigmaringer Landesuntersuchungsamt haben wir das
systematisch bei 24 Marken vergleichen lassen. Das staatliche Amt durfte uns nur
anonymisierte Werte übermitteln, der Trend war aber überraschend eindeutig: fast alle
"leichten" Zigaretten enthalten deutlich stärkeren Tabak als ihre "normalen" Pendants.
Um
ganz sicher zu gehen und um Roß und Reiter kennenzulernen, ließen wir in Bremen in einem
Schiedslabor der Tabakindustrie bei allen bundesweit als "leicht" und "normal" erhältlichen
Zigaretten mit mehr als 2% Marktaneil nachmessen. Erstes deutliches Ergebnis: alle Light-
Zigaretten sind tatsächlich leichter als ihre normalen Geschwister - vom Gewicht her. Sie
enthalten weniger Tabak. Die Bremer Nikotinmessungen im Tabak bestätigen die Ergebnisse
der Sigmaringer Untersuchungen: Die "leichten" Zigaretten enthalten in etwa genau so viel
Nikotin wie "normale", mal etwas weniger, mal etwas mehr. Weil "leichte" Zigaretten aber ja
weniger Tabak enthalten, muß dieser Tabak sehr viel stärker sein:
*
*Milligramm Nikotin pro Zigarette
*Marke: *"normal" *"light"
*Marlboro 12,0 11,8
*HB 12,3 11,9
*West 11,8 10,9
*Camel 12,7 11,5
*Stuyvesant 11,0 9,8
*Lord 12,1 14,0
Die Messung des Nikotinanteils im Tabak ausgedrückt in Prozent bestätigt es: bei allen Light-
Zigaretten liegt er deutlich höher als bei den "normalen":
*
*Nikotin im Tabak in Prozent
*Marke: *"normal" *"light"
*Marlboro 1,77 2,15
*HB 1,83 2,06
*West 1,85 1,98
*Camel 1,84 1,88
*Stuyvesant 1,74 1,84
*Lord 1,75 2,37
Warum verwenden die Hersteller gerade für die "leichtesten" Zigaretten den "stärksten
Tobak"?
"Um das Rauchen von Leichtzigaretten attraktiv zu machen, setzen wir ganz bewußt
hochwertige und vollaromatische Tabake ein, die naturgegeben einen etwas höheren
Nikotingehalt haben. Sie können sich vorstellen: bei einem niedrigen Rauchangebot von
Kondensat und Nikotin muß die Qualität des Tabaks, den wir vorne einsetzen, optimal sein
und optimale Geschmacksleistung entfalten.
Mit dem intelligenten Filtersystem der R1 gelingt
es uns, diese Nikotin- und Kondensatwerte für den Raucher auf ein extrem niedriges Niveau
zu reduzieren." [Dr. Werner Rahn, Forschungschef Reemtsma, Hamburg]
Optimaler Geschmack bedeutet aber auch stets Teer und Nikotin. Lightrauchen ist
keineswegs gesünder als das Rauchen normaler Zigaretten. Manche Forscher sind sogar
vom Gegenteil überzeugt.
"Jeder Raucher benötigt täglich eine bestimmte Menge Nikotin, die er sich unabhängig von
der Nikotinmenge im Rauch der gerauchten Zigarettensorte beschafft.
Dazu müssen "leichte"
Zigaretten sehr viel intensiver geraucht werden als "normale", und das bedeutet, daß auch sehr
viel größere Mengen Kohlenmonoxid und andere Schadstoffe aufgenommen werden. So
gesehen sind "leichte" Zigaretten gesundheitsschädlicher als "schwere". "Ultraleichte"
Zigaretten mit sehr geringem Nikotingehalt ermöglichen es Kindern, ohne
Vergiftungserscheinungen Raucher zu werden. Man kann sie als Starterprodukte bezeichnen."
[Opitz]
[..
.Berichte über die Entwicklung rauchloser Zigaretten...]
Rauchen und andere Arten der Nikotinzufuhr
Gerade für Raucher scheint es schwer verständlich, daß immer noch über die Nikotinsucht
gestritten wird. Was ist es nun, das abhängig macht? Ist es das Nikotin, oder ist es etwas
anderes?
"Es ist in erster Linie das Nikotin.
Das kann man schon daran erkennen, daß nikotinfreie
Zigaretten praktisch unverkäuflich sind. Wie stark nun das Nikotin abhängig macht, hängt
nicht nur von der Substanz ab, sondern es hängt von der Kinetik ab, das heißt von der
Geschwindigkeit, mit der das Nikotin am Gehirn, an den Rezeptoren anflutet. Diese
Geschwindigkeit ist extrem hoch beim Inhalieren, beim inhalierenden Rauchen. Sie ist nicht
ganz so hoch bei der Injektion von Nikotin, die nur im Laboratorium stattfindet, und sie ist
extrem niedrig bei der transzermalen Zufuhr, das heißt bei der Anwendung von
Nikotinpflastern." [Opitz]
Nikotinpflaster und Nikotinkaugummi machen nicht süchtig. Sie dürfen in Deutschland
nur in der Apotheke verkauft werden und unterliegen auch in Amerika dem
Arzneimittelgesetz.
Eine widersprüchliche Situation, finden die amerikanischen
Gesundheitsbehörden. Zigaretten, die krank und abhängig machen, wie selbst die Versuche
der Tabakkonzerne nahelegen, sind - anders als Pflaster und Kaugummi - überall erhältlich.
Gehören sie nicht auch in die Apotheke?
"Unsere Absicht ist, Kindern unter 18 den Zugang zu Zigaretten zu erschweren und die
aggressive Werbung einzuschränken. Wenn wir verhindern können, daß die nächste
Generation süchtig wird, dann werden Tod und Leid, die das Rauchen verursacht,
genau so verschwinden wir Pocken oder Kinderlähmung." [Dr. David Kessler, Food And
Drug Administration (FDA), Washington]
Zigaretten nur aus der Apotheke also? Vielleicht sogar auf Rezept? Die Pläne der FDA, der
mächtigen Behörde zur Kontrolle von Nahrungs- und Arzneimitteln, könnten schwerwiegende
Auswirkungen auf den Zigarettenverkauf haben.
Die Rechtsabteilungen der Konzerne suchen
fantasievoll nach juristischen Auswegen. "Die Position der FDA und die von Kessler war
immer, daß sie Tabak niemals als sicheres Produkt ansehen würden. Die FDA kann aber nach
ihren Statuten nur Produkte regulieren, die sicher sind und deren bestimmungsgemäßer
Gebrauch zu der beabsichtigten Wirkung führt. Mittel, die nicht sicher und effektiv sind,
müssen verboten werden als ungenehmigte Arzneimittel. Die FDA hätte nach ihren eigenen
Statuten dann nur die Möglichkeit, den Verkauf von Zigaretten völlig zu verbieten." [Blixt]
Den Verkauf von Zigaretten total zu verbieten - das scheint nicht realistisch zu sein.
Bei
Alkohol hat das auch nicht funktioniert. Welche Maßnahmen stellt sich der FDA-Chef vor?
"Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, daß Nikotin sehr wohl als Arzneimittel unter unsere
Gesetze fällt und daß Zigaretten Nikotin-Verabreichungsgeräte sind. Allerdings wollen wir
ihren Verkauf nicht auf Apotheken beschränken. Wir wollen den Verkauf an Kinder und
Jugendliche unter 18 verhindern und Automaten verbieten. Der Verkauf soll immer von
Angesicht zu Angesicht stattfinden, beim Zweifel am Alter nur gegen Vorlage eines
Lichtbildausweises. Den Verkauf an Erwachsene wollen wir nicht einschränken.
" [Kessler]
[Bericht über Zigaretten-Fotomodell mit Kehlhopfkrebs, abschließende Zusammenfassung]
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