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Namen, Daten und Meinungen: Zunächst ein kurzer Überblick über die verschiedenen Positionen in der Wissenschaft des 20. Jahrhunderts. Diese verschiedenen Ansichten über das Erklärungspotential der Wissenschaft allgemein lässt sich auch auf die Soziobiologie speziell übetragen. Zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts stehen sich zwei Meinungen in Bezug auf die Möglichkeiten der Wissenschaft gegenüber. Optimisten hoffen mit Hilfe der Wissenschaft (das Wissen der Welt verdoppelt sich alle fünf Jahre) auch die großen Menschheitsrätsel lösen zu können, wie die Fragen nach Kosmos, Leben und Bewußtsein. Skeptiker hingegen meinen, daß die letzten Geheimnisse nie endgültig geklärt werden können.

Auf der Seite der Optimisten stehen z. B.: Andrej Linde, russ. Physiker: ,,Jetzt wiß ich, wie Gott das Universum schuf." (1981) Hans Lehrach, Biologe, Kopf des deutschen Genom-Projekts: ,,Die Lebewesen sind einander sehr ähnlich, deshalb können wir uns durch Vergleiche immer weiter hangeln." Benjamin Libet, amerikanischer Neurologe: ,,Der freie Wille wird uns vom Gehirn nur vorgespielt.

" Sir John Maddox, Autor: ,,Die Wissenschaft steht gerade erst am Anfang." Edward O. Wilson, Myrmekologe, Soziobiologe: Soziobiologie - die neue Synthese (1975) / Die Biologie als Schicksal Auf der Seite der Pessimisten stehen z. B.: Alfred Gierer, Biologe, Wissenschaftsphilosoph: emp. Wissenschaft sollte ihren Hochmut zügeln John Horgan, Journalist: Das Ende der Wissenschaft ist gekommen.

(1998) Washingtoner Kongress kippte 1993 den bereits begonnenen Bau eines Teilchenbeschleunigers in Texas, weil sich die Politiker keine wesentlichen neuen Erkenntnisse mehr versprachen Insgesamt kann man sagen, daß der Traum von der durch und durch kalkulierbaren Welt zerstoben ist. Denn die großen Forschungstriumphe dieses Jahrhunderts zogen einher mit der Entdeckung, daß die Wissenschaften manchmal auch ohnmächtig sind. Ein Stichwort ist hier die Chaostheorie. Probleme ergeben sich entweder weil in den komplexen Systemen der Zufall regiert oder weil die Komplexität sie unberechenbar machte. Neue Strategie der Molekularbiologen ist es auf der Ebene der Gene ganz einfacher Organismen zu beginnen. So wollen sie die allmähliche Entwicklung immer komplizierter Lebensformen im Erbgut der Wesen nachvollziehen und sich so auf dem ,,Schöpfungsbaum" nach oben hangeln.

Neueste Theorien wollen auch das menschliche Bewußtsein und den freien Willen als reines Wechselspiel chemischer Vorgänge im Gehirn und genetischer Prädispositionen deuten. ,,Inzwischen glauben wir, daß der Mensch ohne Sinn für sich selber auf die Welt kommt. Ein Gefühl dafür, wer sie sind, müssen Babys erst lernen. Später, wenn wier erwachsen sind, glauben wir das Ich war immer schon da. Doch in Wahrheit ist es nur ein Konstrukt." (Wolf Singer, Hirnforscher) Auf der anderen Seite ist die Wissenschaft aber auch offener geworden für verschiedene Interpretationen der Welt.

Kaum ein Wissenschaftler vertritt heute noch den Standpunkt, er könne die Existenz eines Prinzips jenseits der Natur sicher ausschließen. Auf der Suche nach einer Weltformel erkannte aber auch schon Albert Einstein: ,,Der Gedanke muß durchgeführt werden und ist von merkwürdiger Schönheit. Aber darüber steht das marmorne Lächeln der unerbittlichen Natur, die uns mehr Sehnsucht als Geist verliehen hat." Die Position der Soziobiologen am Beispiel von Edward O. Wilson: These: Auch das Verhalten der Spezies Mensch mit all seinen Tugenden und Untugenden ist ein Produkt einer biologischen Anpassung und somit genetisch verankert.   Wilson will sogar die Sozialwissenschaften als Unterdisziplin der Biologie betrachten.

Aussagen: Die Naturwissenschaft besitzt das Potential, die ganze Welt zu erklären.   Naturwissenschaftliche Methoden sind unanfechtbar. Stellung zu anderen Wissenschaften: Philosophie: Die Philosophie ist am Ende. Das Gehirn ist eine Maschine, die zum Überleben gebaut ist, und nicht, um sich selbst zu begreifen. (Wilson) Sozialwissenschaft: Sozialwissenschaftler, die nur das Ganze betrachten, sind zum Mißerfolg verdammt. (Wilson) Aber: Wenn sich diese Wissenschaften in die moderne Evolutionsbiologie einordnen, haben sie ihre Berechtigung.

An einem ausgewählten Beispiel: Religion Religion, Kunst, Moral usw. sind für Wilson erst einmal Ausgeburten der biologischen Evolution, denn die neuronalen Prozesse, die dahinter stehen, laufen im Gehirn ab. ,,Warum sollte die Wissenschaft nicht auch spirituelle Erfahrungen wie den Glauben erklären können ?" Einer Gallup-Umfrage von 1977 zu Folge glauben 94% der Amerikaner an Gott oder ein höheres Wesen und 31% haben eine religiöse Erfahrung in Form eines Offenbarungsgeschehens erlebt. Bei einer Gesamtbevölkerung von 250 Mio. gehören in Russland etwa 70-80 Mio. Menschen einer der großen Religionen (Orthodoxe, röm.

-kath. Kirche, Islam) These: Auch Religion als spirituelle Erfahrung ist genetisch prädisponiert.   Nach Wilson wird die Religion niemals aussterben, da sie sich bereits seit etwa 60.000 Jahren als evolutionärer Vorteil herausgestellt hat, und der Mensch seit dieser Zeit laut Anthony F. C. Wallace (Anthropologe) etwa 100.


000 Religionen hervorgebracht hat. Religionen verhalten sich streng nach dem darwinistischen Evolutionsprinzip: Jene, die Anhänger gewinnen und für das Wohl ihrer Mitglieder förderlich sind, wachsen, solche, die dies nicht schaffen verschwinden (survival of the fittest). Wichtig: Keine Anpassung; Evolution durch Mutation ist höchstens eine Präadaption. Das Prinzip ist das Gausesche Gesetzt (Normalverteilung): die Konkurrenz zwischen 2 Arten, deren Bedürfnisse identisch sind, ist am stärksten. => wenig Toleranz Wie soll das biologisch funktionieren ? Die Gene programmieren den Stoffwechsel so, dass er mit ziemlicher Sicherheit den Lernprozess beeinflusst. Drei verschiedene Ausleseebenen bestimmen den Fortbestand von Religionen: 1.

ekklesiastische Ebene: Religiöse Führer entscheiden sich für bestimmte Rituale und Konventionen. Die Auslese kann entweder stabilisierend oder dynamisch sein, aber die Resultate (Variationen in der Religionsausübung) werde über Lernvorgänge, nicht über die Gene vermittelt. 2. ökologische Auswahl: Gleich wie sehr das Ergebnis der ekklesiastischen Auswahl auch den Gefühlen der Individuen entsprechen mag, es muß den Anforderungen der Umwelt genügen. 3. genetische Auswahl: In Zusammenhang mit der kulturellen Evolution durch die ekklesiastische Auswahl und Populationsschwankungen werden die Häufigkeiten verschiedener Gene beeinflusst.

D.h.: Wenn eine Religion das Überleben und die Fortpflanzung ihrer Mitglieder sichert (oberstes Evolutionsprinzip), werden sich die physiologichen Steuermechanismen, die den Erwerb solcher Praktiken begünstigen, durch die verschiedenen Auswahlvorgänge ausbreiten. Die Wechselwirkung zwischen Kultur und Genen kann wie folgt beschrieben werden: ,,Die Kultur testet also unablässig die verhaltenssteuernden Gene, aber sie kann dabei nicht mehr tun, als einen Gensatz durch einen anderen zu ersetzen." Mögliche Ansätze zur Kritik: Mit der Kritik an diesem Ansatz muss man sehr vorsichtig sein. Wilson formuliert seine Thesen so global, dass eine Kritik sehr gut überlegt sein muss.

Ein Ansatz, der zum Beispiel nicht funktioniert ist, dass die hohe Zahl der Kirchenaustritte besonders bei der kath. Kirche die Annahme, Religion sei ,,unsterblich" widerlegt. Mit Religion ist weder Kirchlichkeit noch speziel der christliche Glaube gemeint. Nach Wilson wäre dies höchstens ein Zeichen dafür, dass die christliche Religion weniger Vorteile verspricht als andere und somit die Gene dieser Prädisposition über kurz oder lang durch einen anderen Gensatz ausgetauscht werden. Ein anderer unangemessener Kritikpunkt ist der hohe Zulauf zu Sekten (wie Scientology), die ihren Mitgliedern offensichtlich mehr Nachteile als Vorteile ,,versprechen". Diese Überlegung sind zu kurz gedacht, da ja die verschiedenen Auslese- (Selektions-)vorgänge in Form genetischer Prädisposition (wahrscheinlich Vermeidung) sich erst nach mehreren Generationen zeigen.

Ein angemessner Kritikpunkt ist aber die Existenz des christlichen Glaubens. 1.) Wieso existiert der christliche Glaube, trotz Christenverfolgungen, Kreuzzügen und dem 3. Reich, welche alle dieser Religion große Nachteile brachten, dennoch seit über 2000 Jahren ? 2.) Wieso existiert der christliche Glaube, obwohl eine intensive Form durch Zölibat, Mönchs- oder Nonnengelübte sogar das oberste Evolutionsprinzip, die Weitergabe genetischen Materials, verhindert ? 3.) Es ist sehr fragwürdig, ob die Evolution auch transzendentale Vorstellungen, wie das ,,Ewige Leben" als evolutionären Vorteil erfassen kann.

Diese Fragen könnten meiner Meinung nach zu einer angemessenen Kritik führen und ausgebaut werden. Zur ,,Verteidigung" Wilsons: Er sagte in einem Interview: ,,Es wird wohl auch in Zukunft noch genug Unbegreifliches geben, an das sich die Menschen klammern können."

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