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4.1 Die anthropogenen Ozonkiller   In der Stratosphäre wird Ozon ständig durch OH-Radikale und Stickstoffoxide (NO) in molekularen Sauerstoff umgewandelt. Solares UV-Licht trägt durch Photolyse zu dem natürlichen Ozonabbau bei. Diese Ozon-Verluste stehen jedoch mit natürlichen Produktionsprozessen so im Gleichgewicht, daß die Ozonmenge in der naturbelassenen Stratosphäre langfristig stabil bleiben würde. Die natürlich vorkommenden Auf- und Abbauprozesse des Ozons werden im Kapitel "Was ist Ozon und wo in der Atmosphäre kommt es vor?" näher beschrieben. In diesem Kapitel wird der Prozeß der Ozonzerstörung durch Substanzen beschrieben, die durch menschliche Tätigkeiten in die Atmosphäre gelangen.

  Seit einiger Zeit wird ein zunehmender Nettoverlust stratosphärischen Ozons beobachtet. Die Ozonschicht wird offenbar nachhaltig zerstört. Diese Zerstörung ist nachweislich eine Folge künstlicher Produkte, die der Mensch produziert und in die Atmosphäre eingebracht hat. Bei deren Abbau entstehen Stoffe, die Ozon zerstören. Dieser künstlichen (anthropogenen) Ozonzerstörung steht keine ausgleichende, zusätzliche Produktion des Ozons gegenüber. Die Natur ist nicht in der Lage, diesen anthropogenen Ozonverlust durch einen Kompensationsprozeß aufzufangen.

  Hinweise auf die Beeinflussung der Ozonschicht durch menschliche Aktivitäten ergaben sich schon vor über 25 Jahren. Wissenschaftler vermuteten damals bereits, daß die Freisetzung von Chlorfluorkohlenstoffen (CFC, FCKW) zum Abbau des Ozons in der Stratosphäre führt. Die Geschichte der Entdeckung der Ozonzerstörung und der FCKW in der Stratosphäre ist im Kapitel 3 dargestellt. Eines dieser CFCs ist schematisch in der folgenden Abbildung dargestellt, die von der NASA zur Verfügung gestellt wurde (Ref.).   Verantwortlich für diese Ozonzerstörung sind bestimmte Abbauprodukte der FCKWs (CFCs) und der Halone, nämlich Chlor (Cl) , Brom (Br) und Jod (J).

Darauf machten für den Fall des Chlors M.J. Molina und F.S. Rowland schon 1974 aufmerksam (Molina und Rowland, 1974).   Der Anteil anthropogener Chloratome in der Stratosphäre hat bis heute ca.

3 ppbv erreicht. Durch natürliche Prozesse wird Chlor dagegen nur in unbedeutenden Mengen von etwa 0,6 ppbv in die Stratosphäre transportiert (Graedel und Crutzen, 1994, S. 154). Verantwortlich für den natürlichen Cl-Anteil sind gelegentliche Vulkanausbrüche, vor allem durch deren Emission von HCl, und das Methylchlorid (CH3Cl), das aus der Troposphäre aufsteigt.   Als das Ozonloch über dem Südpol entdeckt wurde, brachten die Wissenschaftler es durch Messungen schnell mit den anthropogenen Chlorverbindungen in Zusammenhang. Diese Untersuchungen am Ozonloch bewiesen endgültig die Rolle des Chlors als "Ozonkillers" in der gesamten Stratosphäre, also nicht nur innerhalb des winterlichen Luftwirbels (     Übertragung unterbrochen   ber dem Südpol.

Betroffen sind außerhalb der polaren Breiten vor allem die mittleren Breiten (30 - 60 °) und somit auch die dicht besiedelten Gebiete Europas (vgl. auch Langzeit-Trends der Ozondichten). Und überall tritt das Chloratom als einer der wirkungsvollsten Ozonkiller auf.   Nach Chlor wurde auch die Bedeutung der Brom-Atome für den Ozonabbau deutlich. Brom zerstört Ozon in der Straosphäre nach heutiger Kenntnis sogar noch effektiver als Chlor. Im 1994 erschienenen WMO-Report (Ref.

, S. 13.14) wird festgestellt, daß Brom über seine verschiedenen Reaktionsketten Ozon insgesamt ca. 40-mal effektiver zerstört als Chlor (für weitere Details siehe: Brom).   Brom kommt in den Halonen vor, die zu den halogenierten Kohlenwasserstoffen gehören. Es wird durch denn Abbau dieser Stoffgruppe in der Stratosphäre freigesetzt.

Eine wichtige Quellverbindung des Brom in der Stratosphäre ist Methylbromid (CH3Br), das vor allem in den Entwicklungsländern als Antipilzmittel eingesetzt wird. CH3Br und Dibrommethan (CH2Br2) sind die bedeutendsten Ausgangsstoffe des stratosphärischen Broms. Etwa ein Drittel des Brombestandes der Stratosphäre steuern die Halone H-1301 (CBrF3), H-1211 (CBrClF2) und H-2402 (CBr2F4) bei, die fast ausschließlich als Feuerlöschmittel verwendet wurden (Butler et al., 1998).   Es gilt mittlerweile als gesichert, daß der Ozonabbau in der Stratosphäre vor allem durch reaktives Chlor und Brom verursacht wird. Chlor und Brom können jedoch diesem Prozeß zum Teil wieder entzogen werden.


Sie werden dabei in der Stratosphäre zunächst in chemischen Verbindungen so "zwischengelagert", daß sie eine Zeit lang fixiert und erst danach wieder freigesetzt werden. Nach ihrer erneuten Freisetzung können sie wieder zum Ozonabbau beizutragen. Die relativ langlebigen Trägersubstanzen, in denen Chlor und Brom gebunden sind, werden auf Grund dieses zeitweiligen "Speicherverhaltens" als Reservoirgase bezeichnet. Durch Auswaschung der Reservoirgase können Chlor und Brom auch endgültig aus der Stratosphäre entfernt werden; jedoch ist dies ein Vorgang, der nur sehr träge abläuft. Die Halogene verbleiben in der Regel für viele Jahre bis Jahrzehnte in der Stratosphäre, bevor sie über diesen Prozeß abgebaut werden.   Reservoiregase, in denen Chlor ausgelagert werden kann, sind Hydrogenchlorid (HCl, in wässriger Lösung als Salzsäure bekannt) und Chlornitrat (ClONO2).

HCl bildet sich durch Reaktion des Cl mit Methan (CH4), das in der Stratosphäre natürlich vorhanden ist. Die Stickstoffoxide für die Bildung des Chlornitrats entstammen dem Reservoirgas Distickstoffpentoxid (N2O5). Salpetersäure (HNO3) steht mit Distickstoffpentoxid in Wechselwirkung und ist von besonderer Wichtigkeit für die Vorgänge um den extremen, spätwinterlichen Ozonabbau über dem Südpol (Ozonloch) und über dem Nordpol (siehe weiter unten). HNO3 ist dort in Form von Eispartikeln in der Lage, hohe Anteile des reaktiven Chlors (ebenso: Br, J) aus den Reservoirgasen freizusetzen und für den späteren Ozonabbau verfügbar zu halten. Die Brom-Reservoirs HBr und BrONO2 sind chemisch sehr instabil. Daher kommt Brom in der Stratosphäre überwiegend als freies Radikal (Br, BrO) und weniger eingebunden in seine Reservoirgase vor.

  Neben Chlor und Brom werden durch die Zersetzung der FCKW und der Halone in der Stratosphäre auch Fluor (F) und in geringeren Menge Jod freigesetzt. Beide Halogene sind prinzipiell ebenfalls in der Lage, Ozon zu zerstören. Fluor wird jedoch nach seiner Freisetzung schnell und stabil in sein Reservoirgas Hydrogenfluorid (HF) überführt und so dem Prozeß der Ozonzerstörung wirkungsvoll entzogen (s.a. HF).   Wegen der vergleichsweise geringen stratosphärischen Mengen des Jod, trat dieser Ozonkiller erst in letzter Zeit in das Blickfeld des Forscherinteresses (Solomon et al.

, 1994). Die Bindung des Jod in dem Reservoirgas HJ ist nicht sehr stabil. Der Grund dafür ist: je größer ein Halogenatom ist, um so schwächer ist es in seinen Reservoirgasen gebunden und umso eher kann es durch Photolyse oder Reaktion mit OH* wieder freigesetzt werden (WMO-Report, 1994). Stratosphärisches Jod wird also schnell und umfassend für den Ozonabbau verfügbar gemacht, womit es eine vergleichbar hohe, wenn nicht sogar eine höhere Zerstörungskraft wie Brom besitzt. In Höhen um 20 km wird die Zerstörungskraft des Jod als bis zu etwa 2000-mal höher als die des Chlors eingeschätzt (Solomon et al., 1994)! Allerdings sind die Jod enthaltenden halogenierten Kohlenwasserstoffe wegen der relativ schwachen Kohlenstoff-Jod-Bindung selbst weniger stabil als andere FCKW und Halone, so daß sie zu einem großen Teil bereits zerstört werden, bevor sie die Stratosphäre erreichen können.

Es gibt daher sogar Überlegungen, ob Halocarbone wie CF3J als Substitute der gefährlichen FCKWs und Halone denkbar sind (WMO-Report, 1994, S. 13.15).   Nachdem die Ozonkiller und ihre Quellen vorgestellt worden sind, stellt sich nun die Frage, wie die Freisetzung der ozonzerstörenden Halogene und der anschließende Ozonabbau im einzelnen eigentlich ablaufen. Dies wird im folgenden Abschnitt ausführlich behandelt.     4.

2 Der chemische Prozeß der Ozonzerstörung   Der Ozonabbau läuft im wesentlichen über die folgenden drei Prozeß-Schritte:   Die Quellverbindungen für Chlor und Brom (z.B. FCKWs und Halone) werden photolysiert (durch UV-Licht der Sonne aufgebrochen). Die Bruchstücke formen weniger stabile Produkte, die Reservoirgase (vor allem HCl und ClONO2). Diese weniger stabilen Reaktionsprodukte werden dann selbst durch Sonnenlicht gespalten. Dabei entstehen hohe Konzentrationen an reaktiven Chlor- und Chlormonoxid-Radikalen (Cl und ClO).

Ähnlich wird Br und BrO geformt, jedoch noch schneller als die Chlor-Radikale, da Br nur schwach in seinen Reservoirgasen gebunden ist. Die Bindung von Jod in Reservoirgasen ist noch schwächer als die des Brom, so daß es fast vollständig als Radikal auftritt. Die Cl- and ClO-Radikale und ebenso Br and BrO zerstören dann das Ozon durch einen katalytischen Prozeß, bei dem am Ende die Radikale wieder unverändert vorhanden sind. Sie stehen dann für den Abbau des nächsten Ozonmoleküles zur Verfügung. Dieser Kreislauf läuft solange ab, bis die Ozonkiller durch Bindung in den Reservoirgasen aus dem Kreislauf vorübergehend ausscheiden.       4.

2.1 Erster Prozeßschritt: Abbau der FCKWs und Halone   Freisetzung von Cl*, ClO*, Br* und BrO*   Die Zersetzung der FCKWs und Halone in der Stratosphäre setzt in Höhen oberhalb von ca. 20 bis 25 km ein. Dort ist die solare UV-Strahlung intensiv genug, um die das Ozon gefährdenden Halogene freizusetzen. Das Prinzip ist für alle Stoffe dieser Stoffklassen gleich und sieht für das FCKW mit der chemischen Formel CFCl3 beispielsweise folgendermaßen aus:   + n O2 + OH* CFCl3 + hv (l < 260 nm) ---------> CO2 + HF + 3 (Cl* oder ClO*) (1)   (* bedeutet in den Formeln, daß diese Atome bzw. Moleküle chemisch höchst reaktionsfreudig und energetisch angeregt sind).

  In Worten bedeutet das Reaktionsschema (1): UV-Strahlung (hv) mit Wellenlängen l von kleiner als 260 nm (1 nm = 1 milliardstel Meter) bricht den Kohlenstoff C, das Fluor F und die 3 Chlor-Atome (Cl) des CFCl3 auseinander. In Gegenwart des Luftsauerstoffes (n Moleküle O2, dargestellt durch "+n O2" über dem Reaktionspfeil) bildet sich Kohlendioxid (CO2). Das Fluor reagiert mit Methan (CH4) oder mit einem Hydroxyl-Molekül (OH*) so, daß sich HF bildet (Fluorwasserstoff; in wässriger Lösung ist HF als Flußsäure bekannt).  Und schließlich bildet sich im Prozeß (1) direkt ein freies Chloratom (Cl*) oder aber Chlormonoxid (ClO*) in energetisch angeregter Form. Die Radikale Cl* und ClO* sind extrem reaktiv. Sie sind, neben den Brom- und Jod-Radikalen, die Schlüsselspezies der anthropogenen Ozonzerstörung.

  Exkurs: Das für Reaktion (1) notwendige OH* ist in der Stratosphäre immer in geringen Konzentrationen vorhanden und wird aus Wasserdampf gebildet, der in der Stratosphäre durch eine Reaktion in Folge der Photolyse natürlich vor- kommenden Methans entsteht. Der Wasserdampf reagiert schließlich gemäß H2O + O( 1D) -----> 2 OH* mit einem Atom Sauerstoff, das sich energetisch im mit 1D (sprich: singulett D) bezeichneten Zustand befindet, zu Hydroxyl OH*.   Br* und BrO* entstehen sehr ähnlich wie in Reaktion (1) bei der Zersetzung der Halone. Da sich die Br-Radikale prinzipiell gleich wie die Cl-Radikale verhalten, werden im folgenden die weiteren Zusammenhänge exemplarisch für Chlor dargestellt.   Halocarbone können auch durch Reaktionen mit energetisch angeregtem Sauerstoff abgebaut werden. Das geschieht für das Beispiel CF3Cl in der Form   CF3Cl + O(1D) -----> CF3 + ClO* (1a).

  Die Bedeutung dieses Reaktionspfades ist jedoch geringer als die des Weges (1).   Sofort nach seiner Bildung greift Cl* die Ozon-Moleküle direkt unter Bildung von ClO* an:   Cl* + O3 ----> ClO* + O2 (2).   Die bei der Zersetzung der FCKWs und Halone gemäß Reaktion (1) und bei der Ozonzerstörung über (2) entstehenden ClO*-Radikale sind ebenfalls starke "Ozonkiller", reagieren aber nicht direkt mit Ozon. Sie müssen zunächst noch einen oder mehrere Reaktionsschritte durchlaufen, bis am Ende ebenfalls Cl* frei wird, das wieder gemäß (2) O3 zerstören kann. Die Umwandlung von ClO* in Cl* kann z.B.

mit Hilfe von freien Sauerstoffatomen (O) erfolgen, die in der Stratosphäre u.a. als Folge der Ozonphotolyse   O3 + hv (l < 1140 nm) -----> O2 + O (3)   vorkommen. Die ClO*-Zersetzung erfolgt dann im nächsten Schritt gemäß der Reaktion   ClO* + O ----> Cl* + O2 (4).   Damit sind bereits die wesentlichen Reaktionen beschrieben, über die Chlor, Brom und Jod Ozon zerstören. Auf Details dieses Prozesses wird unten zurückgekommen.

Zunächst muß noch auf einen Vorgang eingegangen werden, der die reaktiven Halogene dem Ozonzerstörungsprozeß zeitweise entziehen kann: die Bildung der Reservoirgase der Halogene. Diese Reservoirgase spielen daher eine wesentliche Rolle bei der Zerstörung der Ozonschicht.   Bildung von Reservoirgasen   In der Stratosphäre reagieren ständig die reaktiven Halogene mit natürlichen Bestandteilen der Atmosphäre und bilden dabei die Reservoirgase, in denen die Halogene mehr oder weniger stabil zwischengelagert werden. Andererseits werden über weitere physikalische und chemische Prozesse die Reservoirgase ebenso gleichmäßig wieder zerstört und die Halogene dadurch dem Ozonzerstörungsprozeß erneut zugeführt. Das Maß der Ein- und Auslagerung ist wesentlich von der Temperatur der Stratosphäre mitbestimmt. Wie erfolgt nun die Bildung der Reservoirgase? Die Vorgänge werden wieder exemplarisch für das reaktive Chlor dargestellt, laufen ähnlich aber auch für Brom und Jod ab.

  Die natürliche Bremse des Ozonabbaues greift am ClO* ein. Sie ist leider nicht so effektiv, daß sie neben der natürlich vorkommenden auch die zusätzliche Ozonzerstörung durch die anthropogenen reaktiven Halogene auffangen könnte. Die Bremse funktioniert so, daß der Katalysator der Reaktionskette (2) und (4), das ClO*-Radikal also, durch das natürlich vorkommende NO2 (Stickstoffdioxid) neutralisiert wird:   ClO* + NO2 + M -----> ClONO2 + M (5)   (das beliebige Molekül M, meist N2 oder O2, wirkt als Stoßpartner und ist zur Erhaltung der Energie und des Impulses in der Reaktion erforderlich)   Die Reaktion (5) entzieht dem Ozonabbau, der dem Prinzip nach gemäß den Reaktionen (2) und (4) abläuft, die Katalysator-Moleküle und verhindert so, daß die nun im Rerservoirgas Chlornitrat gebundenen Chloratome weiter Ozon abbauen. Solange sich das Chlor in der Verbindung ClONO2 befindet, kann es dem Ozon nichts mehr anhaben.   Allerdings ist diese Verbindung nur von kurzfristiger Natur. Aus Chlornitrat kann u.

a. durch UV-Einstrahlung das ClO* zurückgebildet werden, das danach erneut in die Ozonzerstörung eingreifen kann:   ClONO2 + hv ( l < 450 nm) -----> ClO* + NO2 (6).   Die Reaktionen (5) und (6) laufen überall in der freien Atmosphäre ab. Es sei schon hier darauf hingewiesen, daß die Bildung des Ozonloches wesentlich zusammenhängt mit einem weiteren Zersetzungspfad des Chlornitrats, der an die Stelle der relativ langsamen Reaktion (6) tritt. Darauf kommen wir im nächsten Kapitel noch zurück.   Ein weiteres Reservoirgas des reaktiven Chlors ist Hydrogenchlorid (HCl).

Es entsteht durch eine Reaktion des Chlor mit dem natürlich vorhandenen Methan   Cl + CH4 -----> HCl + CH3 (7)   und spielt bei der Bildung des Ozonloches ebenfalls eine bedeutende Rolle. HCl wird auch durch Reaktion des Chlor mit OH* und HO2* gebildet.   Zusammenfassung: Das durch die Photolyse (1) der FCKW und Halone und bei der Ozonzerstörung (2) entstehende ClO* kann teilweise durch den chemischen Prozess (5) wieder "aus dem Verkehr gezogen werden" bis es durch Reaktion (6) erneut freigesetzt wird. In welchem Maße dies geschieht, hängt von den Randbedingungen ab, die in der Atmosphäre herrschen (z.B. von der Temperatur der Stratosphäre).

Reaktion (6) läuft in der Gasphase nicht sehr schnell ab und z.B. über dem winterlichen Süd- oder Nordpol wegen der fehlenden Sonneneinstrahlung gar nicht. Dort wird Chlornitrat aber über einen anderen Prozeß als (6) aufgelöst, dessen Folge dann das Ozonloch ist. Erst wenn im Frühjahr die Sonne aufgeht kommt auch die Reaktion (6) wieder in Gang. Ein weiteres Chlor-Reservoirgas ist HCl, das z.

B. nach Reaktion (7) gebildet wird und ebenfalls an der Ozonloch-Bildung beteiligt ist.       4.2.2 Zweiter Prozeßschritt: Produktion der freien Halogen-Radikale   Da sich Br*, BrO*, J* und JO* prinzipiell gleich wie die Cl-Radikale Cl* und ClO* verhalten, werden die Zusammenhänge wiederum exemplarisch für Chlor dargestellt.   Die homogenen Basisreaktionen   Im ersten Prozeßschritt des Ozonabbaues wird in der Atmosphäre reaktives Chlor (Cl*, ClO*) gebildet, das aber danach zum Teil in seinen Reservoirgasen gebunden ist.

Das gebundene Chlor muß erst wieder freigesetzt werden, bevor es an der Zerstörung des Ozons teilnehmen kann. Dies ist der zweite Schritt des oben skizzierten Ozonzerstörungsprozesses.   Eine wichtige Freisetzungsreaktion ist die bereits oben behandelte Reaktion (6):   ClONO2 + hv ( l < 450 nm) -----> ClO* + NO2 (6).   Labor-Experimente zeigten, daß für die erneute Freisetzung des Chlors neben dieser Reaktion auch die folgenden Reaktionen eine Rolle spielen:   ClONO2 + HCl ----> HNO3 + Cl2 (8) ClONO2 + H2O ----> HNO3 + HOCl (9) HOCl + HCl ----> H2O + Cl2 (10) N2O5 + HCl ----> HNO3 + ClONO (11) N2O5 + H2O ----> 2 HNO3 (12)     Die in diesen Reaktionen auf den rechten Seiten gebildeten Chlorverbindungen werden durch Photodissoziation vollständig aufgebrochen, selbst dann, wenn nur wenig Sonnenlicht einfällt. Dies geschieht für Cl2 gemäß   Cl2 + hv ( l < 450 nm) -----> 2 Cl* (13),   womit das reaktive Chlor für die anthropogene Zerstörung der Ozonschicht erneut bereitsteht.   Aus der erzeugten Salpetersäure bildet sich das natürlich vorkommende Stickstoffdioxid (NO2) zurück:   HNO3 + hv ( l < 330 nm) -----> OH* + NO2 (14),   das über die Reaktion (5) erneut reaktives Chlor in sein Reservoir Chlornitrat überführen kann.

Damit schließt sich dieser Reservoir-Kreislauf.   Die Reaktionen (8) bis (14) erfolgen in einer Weise, daß die Reaktionspartner als Gase direkt miteinander in Wechselwirkung stehen ohne gleichzeitig in eine sonstigen Beziehung zu anderen Stoffen ihrer Umwelt zu stehen. Bei solchen Reaktionen spricht man davon, daß sie in der (freien) Gasphase ablaufen. Gasphasen-Reaktionen sind jedoch relativ langsam, da ihre Wahrscheinlichkeit von der Anzahl der zufälligen Zusammenstöße der Reaktionspartner abhängt. Diese Stöße sind in der Gasphase relativ selten, und ihre Zahl ist um so höher je höher die Temperatur des Gases ist. Reaktion (8) z.

B., bei der ja gleich zwei Chlor-Reservoir-Moleküle zerlegt würden, läuft in der Gasphase so langsam ab, daß sie im Vergleich zu (6) unbedeutend ist. Sie hat daher für den globalen Ozonabbau nur eine untergeordnete Bedeutung.   Verstärkung der Ozonzerstörung durch heterogene Prozesse   Die gleichen Reaktionen können aber wesentlich schneller ablaufen, wenn sie auf der Oberfläche von Partikeln oder in wässriger Lösung (wenn also die Gase in Wassertropfen aufgelöst sind) stattfinden. An den Oberflächen sammeln sich die Reaktionspartner an und werden so regelrecht zusammengeführt. Für chemische Reaktionen ist die Zeit, über die die Reaktionspartner dabei zusammengehalten werden, relativ lang.

Die Folge ist, daß durch diese Vermittlung chemische Reaktionen sehr viel effektiver ablaufen können. Die durch Oberflächen katalysierten Reaktionen werden als heteroge Reaktionen bezeichnet.   Die Besonderheiten des Ozonloches - Ein Überblick   Damit kommen wir zu der Frage, warum die Ozonzerstörung in den Frühjahren über dem Südpol zu einem Ozonloch führt, während es über gemäßigteren Breiten "nur" zu einem moderateren Abbau der Ozonschicht kommt. Der Grund dafür sind die physikalischen und chemischen Prozesse um die Zersetzung der Reservoirgase, die im Falle des Ozonloches nicht über die Gasphasen-Reaktionen (6) und (8) bis (14) ablaufen.   Die Reservoirgase befinden sich in den winterlichen und frühjährlichen Polarregionen in einer besonderen Situation: sie sind dort in der Gasphase sehr langlebig, da bei den vorherrschenden niedrigen Temperaturen die homogenen Reaktionen (6) und (8) bis (14) kaum noch funktionieren. Im Winter kommt es fast gar nicht zu (6), (13) und (14), weil das erforderliche Sonnenlicht ganz oder größtenteils fehlt.

Die Reservoirgase werden erst durch heterogene Reaktionen und durch das Sonnenlicht des Frühlings massiv zersetzt. Dieser heterogene Prozeß läuft aber wesentlich massiver ab als der homogene Abbau des Halogen-Reservoirgase, mit entsprechend großen Folgen für die polare Stratosphäre.   Bedeutend ist ferner, daß über dem Südpol die Bedingungen für diese heterogenen Prozesse von denen über dem Nordpol deutlich abweichen und so eine unterschiedliche Ausprägung der polaren "Ozonlöcher" verursachen. Eine detailliertere Darstellung der Theorie des Ozonloches folgt im nächsten Kapitel. An dieser Stelle wird der Prozeß vorab kurz zusammengefaßt.   In der Stratosphäre treten unter bestimmten Umweltbedingungen im Winter und Frühjahr über den Erdpolen sogenannte Polare Stratosphärenwolken (polar stratospheric clouds = PSC) auf.

Die PSC bestehenden aus Eis-Partikel. Nach gegenwärtigem, als gesichert angesehenem Erkenntnisstand bestehen die Eiskristalle hauptsächlich aus Salpetersäure und Wasser. PSCs bilden sich in der unteren Stratosphäre bei Temperaturen unter 195 K (-78 °C), also bei Temperaturen, die nur in der Nähe der Pole und im Winter erreicht werden. Grund für diese auch dort extrem tiefen Temperaturen ist die Bildung stabiler Tiefdruckgebiete über den winterlichen Polen, den sogenannten Vortices, die eine Folge der fehlenden Sonneneinstrahlung sind.   Die Oberflächen dieser Eispartikel bieten nun die Möglichkeit, die chemischen Prozesse (8) bis (12) heterogen ablaufen zu lassen (s.a.

: "Was ist das Besondere am Ozonloch? "). Daher sind diese Reaktionen in Gegenwart der PSC im Vergleich zu Gebieten, in denen PSC nicht auftreten, deutlich beschleunigt. Reaktion (8) wird an der Oberfläche der PSC-Eiskristalle zu einer schnellen und nicht mehr vernachlässigbaren chemischen Umsetzung.   Das dabei gebildete molekulare Chlor (Cl2) löst sich in der umgebenden Luft auf, während die Salpetersäure (HNO3) fest in die Eismatrix der PSC eingebunden wird. Das Cl2 kann in der winterlichen Polar-Stratosphäre zunächst nicht in reaktives Chlor verwandelt werden, da die Reaktion (13) in der dunklen Stratosphäre nicht ablaufen kann. Erst wenn im Frühjahr die Sonne wieder über den Horizont erscheint, beginnt die massive und schnelle Bildung des Cl* nach (13) und somit die extreme Ozonzerstörung, die sich als Ozonloch äußert (Details siehe: "Was ist das Besondere am Ozonloch? ").

Ohne die Gegenwart der PSC verliefe die Ozonzerstörung in den winterlichen Polargebieten ausgehend von Gleichung (6) und damit wesentlich langsamer bzw. zeitweise sogar überhaupt nicht.     Ein Sekundär-Effekt der Salpetersäure   Die in den Reaktionen (8), (9), (11) und (12) entstehende Salpetersäure (HNO3) wird in den polaren Winterregionen in die Eismatrix der PSC eingebunden. Der Prozeß (14) wird infolgedessen auch noch im Frühjahr unterbunden, wenn er mit der aufgehenden Sonne langsam wieder in Gang kommen könnte. Erst nach der Auflösung der PSC-Eiskristalle läuft auch (14) wieder an. Bis dahin sind aber die Konzentrationen der Stickstoffoxide (NOx) in der Gasphase vermindert, da sie in den Reaktionen (8) bis (12) als Ausgangsmaterial für die Bildung des HNO3 dienten und so aus der Stratosphäre entfernt wurden.

Dieser Vorgang wird als Denoxifizierung bezeichnet.   Die Folge ist wiederum ein zusätzlicher Abbau von Ozon, weil weniger NOx verfügbar ist, um das ozon-wirksame Molekül ClO* über die Reaktion   ClO + NO2 + M ----> ClONO2 + M (5)   zu binden.     Einfluß von Sulphat-Aerosolen auf den globalen Ozonabbau   Sulphat-Aerosole sind Tropfen von in Wasser gelöster schwefliger Säure. Sie sind für die Ozonzerstörung von Bedeutung, weil sie es ebenfalls ermöglichen, daß einige der Reaktionen (8) bis (12) heterogen ablaufen können. Dieser Prozeß kann überall in der Stratosphäre auftreten (s. z.

B. Weisenstein et al., 1998).   Die Sulphat-Aerosole sind immer in der unteren Stratosphäre vorhanden. Sie bilden sich in der Folge der Oxidation (Reaktion mit Sauerstoff) von Carbonyl-Sulfid (OCS, eine Verbindung von Sauerstoff, Kohlenstoff und Schwefel). OCS ist ein natürlicher Bestandteil der Atmosphäre.

Es ist ausreichend stabil und daher langlebig genug, um von der Troposphäre unverändert in die Stratosphäre aufzusteigen zu können.   Durch größere Vulkuneruptionen, die genügend gewaltig sind, um Stoffe bis in die Stratosphäre hochzutransportieren, kann Schwefeldioxid (SO2) direkt in die Stratosphäre gelangen. Dies trägt dort zur Bildung der Aerosole bei und kann kurzfristig die Aerosolkonzentration gegenüber den üblichen Werten (den sogenannten Hintergrundwerten) um das mehrfache anheben. Auch hochfliegende Flugzeuge und Stratosphärenflugzeuge sind Sulphat-Quellen.   Sulphataerosole beschleunigen die Reaktionen (9) und (12) und möglicherweise auch (10). Sie tragen also zur Freisetzung von aktivem Chlor und zur Minderung des NOx bei, das ansonsten Chlor in das Reservoirgas Chlornitrat überführen könnte.

  Heterogene Reaktionen an Aerosolen sind jedoch temperaturabhängig. Schnelle Reaktionen sind nur bei Temperaturen möglich, die ähnlich denen sind, die für die PSC-Bildung erforderlich sind. Außerhalb polarer Breiten und in polaren Breiten zu wärmeren Zeiten ist der Effekt des Hintergrund-Aerosols daher eher gering. Nur zu Zeiten massiver Vulkanausbrüche erreicht das Aerosolniveau Werte, bei denen ein deutlicher zusätzlicher Ozonabbau eintritt. Daher wurde teilweise auch spekuliert, ob nicht der Abbau der Ozonschicht einfach durch vorübergehende verstärkte Tätigkeit von Vulkanen vorgetäuscht worden sein könnte. Das wird mittlerweile aber eindeutig ausgeschlossen.

      4.2.3 Dritter Prozeßschritt: Katalytischer Abbau des Ozons   Da sich Br*, BrO*, J* und JO* prinzipiell gleich wie die Cl-Radikale Cl* und ClO* verhalten, werden die Zusammenhänge wiederum exemplarisch für Chlor dargestellt.   Im dritten Schritt des Ozonzerstörungsprozesses kommt es zur eigentlichen Zerstörung des Ozons in der Stratosphäre. Er unterscheidet sich für die polaren Ozonloch-Regionen und für die restliche, globale Stratosphäre nicht. Lediglich die Menge der pro Zeiteinheit verfügbaren reaktiven Halogene ist verschieden groß (wie im letzten Kapitel beschrieben wurde).

Die folgende Erläuterung der Vorgänge erfolgt wieder exemplarisch für Chlor, gilt aber analog auch für Brom und Jod.   Die Produktion des reaktiven Chlors erfordert Sonnenlicht, wie bei der Darstellung des zweiten Prozeßschrittes erläutert wurde. Ebenso werden die meisten der katalytischen Kreisläufe der Ozonzerstörung durch UV-Licht der Sonne angetrieben (in den Gleichungen wird das UV-Licht als hv bezeichnet).   Die Kreisläufe starten mit dem im zweiten Prozeßschritt freigesetzten reaktiven Halogen X (X steht stellvertretend für Cl, Br oder J). Am Ende der Reaktionskette wird wieder das reaktive Halogen gebildet, so daß dieses in unveränderter Menge für weitere katalytische Abbaukreisläufe zur Verfügung steht. Es gibt mehrere verschiedene Kreisläufe, in denen Ozon zerstört wird.

Der bedeutendste Kreislauf funktioniert nach folgendem allgemeinen Muster, das für natürliche (z.B. OH*) wie für anthropogene "Ozonkiller" gleichermaßen gilt:   ( M ) X* + O3 -----> XO* + O2 O3 + hv ( l < 1140 nm) -----> O2 + O (3) O + XO* -----> X* + O2       netto also: 2 O3 + hv -----> 3 O2   Reaktives Chlor und Brom zerstören Ozon über diesen Kreislauf äußerst effektiv und es dauert sehr lang, bis sie ihrerseits durch die konkurrierenden chemischen Reaktionen der Reservoirgasbildung [(5) und (7)] dem Kreislauf vorübergehend entzogen oder gar durch Auswaschung in die Troposphäre ganz entfernt werden. Ein Chloratom kann den Zyklus (M) größenordnungsmäßig 1000-mal durchlaufen, bevor es endgültig aus der Stratosphäre verschwindet.   Bei den natürlichen Kreisläufen ist die wichtigste reaktive Spezies XO* die Substanz NO*, die als Folge von bodennahen Emissionen von Lachgas (N2O) aus diesem Gas in der Stratosphäre gebildet wird. Eine zweite natürliche katalytische Kette des Ozonabbaues läuft über OH* und HO2* (X=OH).

  Neben dem wichtigen Prozeß nach dem Muster (M) erfolgt die katalytische Zerstörung der Ozonschicht über zwei weitere Kreisläufe, die von Bedeutung sind. Die drei Zyklen sehen für das reaktive Chlor (und analog für Br und J) konkret folgendermaßen aus:   (I) = (M) Cl* + O3 -----> ClO* + O2 O3 + hv (l < 1140 nm) -----> O2 + O (3) O + ClO* -----> Cl* + O2   netto: 2 O3 + hv -----> 3 O2   (II) ClO + ClO + M -----> Cl2O2 + M Cl2O2 + hv (l < 400 nm) -----> Cl + ClO2 ClO2 + M -----> Cl + O2 + M und schließlich der Schritt des Ozonabbaus   2 Cl + 2 O3 -----> 2 ClO + 2 O2   netto: 2 O3 -----> 3 O2   (III) ClO + BrO -----> Br + Cl + O2 Cl + O3 -----> ClO + O2 Br + O3 -----> BrO + O2   netto: 2 O3 -----> 3 O2       (Zu den Nettoreaktionen kommt man, indem jeweils für sich alle links oder alle rechts des Reaktionspfeiles und oberhalb der horizontalen Summen-Linie stehenden Reaktionspartner ähnlich wie mathematische Größen addiert und subtrahiert werden!)   Das Dimer des Clormonoxid-Radikals (Cl2O2), das im Kreislauf (II) auftritt, ist thermisch instabil. Es zerfällt also bei höheren Temperaturen schnell wieder in ClO. Daher ist dieser Kreislauf nur bei niedrigen Temperaturen effektiv. Über ihn wird etwa 70% des Ozons über der kalten Antarktis zerstört. Da die Nordpolregion generell wärmer ist als die Südpolregion, hat dort der Kreislauf II einen geringeren Anteil an der Ozonzerstörung.

    Die hier vorliegende Darstellung umfaßt die wichtigsten Prinzipien der Ozonzerstörung. Tatsächlich sind noch eine große Anzahl weiterer chemischer Reaktionen an den Prozessen um die Ozonzerstörung beteiligt; deren Bedeutung ist aber eher sekundär und nur für ein Verständnis der Details der Vorgänge von Interesse. Darauf soll hier nicht weiter eingegangen werden.

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