Definition drama
Drama
Literatur
[griechisch, "Handlung"]
literarische Textvorlage zur Aufführung auf dem Theater. Von der Antike bis zum Ende des 19. Jahrhunderts folgte das klassische Drama festen Regeln und Kategorien. Von der Einleitung (Exposition) über den Wendepunkt (Peripetie) bis zum Ende (Katharsis) wird die Handlung über drei bis fünf Akte in definierten Abschnitten aus Dialogen ohne beschriebene Prosa entwickelt. Das Endkriterium bestimmt die dramatische Gattung. Die Tragödie endet in der Katastrophe, die Komödie heiter, das Schauspiel versöhnlich, die Tragikomödie schicksalhaft und offen.
In dem Maße in dem das moderne Theater sich als eine eigenständige Kunstform mit einer Bildersprache entdeckte und sich vom Literaturtheater im klassischen Sinne entfernte, lockerten sich auch die Regeln und Kategorien des Dramas, das mit dem epischen und dem absurden Drama neue Stile und Formen entwickelte. Heute hat sich daher anstelle des Begriffs Drama die Bezeichnung Stück oder Theatertext durchgesetz, und entsprechend hat der Stückeschreiber oder Theaterautor den einstigen Dramatiker abgelöst.
Begriffsbestimmung
Der Begriff des Dramas wird aus der griechischen Sprache abgeleitet und bedeutet Handlung. Die Handlung setzt den Willen der dramatischen Figuren, der in deren Psyche seine Begründung findet, in die Tat um und verbildlicht die Konfliktsituation im Drama. Das Drama stellt somit eine dichterische Kunstform dar, bei der äußere und innere Handlung direkt und zielgerichtet durch Wort und Spiel ihren Ausdruck finden.
Idealtypisch gestaltet das Drama aus der Vorgeschichte oder Vorfabel (Vorspiel, Prolog, Exposition), die in der Vergangenheit liegt, über den Handlungsablauf bis zum Wendepunkt (Peripetie) das Handlungsergebnis (Finale, nach Aristoteles auch Katastrophe), das über das Handlungsgeschehen hinaus in die Zukunft weist.
Abliegende oder nicht auf der Bühne darstellbare Ereignisse (Schlachten, Grausamkeiten) können durch das dramaturgische Hilfsmittel des Botenberichts vorgestellt werden, der besonders vergangene Geschehnisse vermeldet. Bei der sog. Teichoskopie (auch "Mauerschau") berichtet ein Beobachter gleichzeitige, sich angeblich im Bühnenhintergrund abspielende Ereignisse und erhöht so die Spannung. Ebenfalls fördert das sog. retardierende Moment (Retardation) die Spannung, indem es besonders nach dem Höhepunkt, wenn das Interesse an der auf das Ziel zusteuernden Handlung nachlässt, den Entwicklungsgang verzögert und andere Lösungen des Konflikts eröffnet.
Die Entstehungsbedingungen der Handlung werden durch ein präzise kalkuliertes Wechselspiel definiert, das sich zwischen den Charakteren der handelnden Personen und den Ereignissen oder den Zuständen ihres Erlebens ausbildet.
Durch die Qualität des bezeichneten Wechselspiels und damit nach dem Ausgang bzw. dem Gestaltungsziel werden auch die unterschiedlichen dramatischen Formen begrifflich unterschieden. Im Schauspiel endet das Wechselspiel mit dem Sieg des Helden, im Trauerspiel bzw. in der Tragödie mit seiner Niederlage. Beim Lustspiel bzw. bei der Komödie (oder auch der Posse, dem Schwank, der Farce) führt der satirische oder humorvolle Handlungsablauf zu einem heiteren Abschluss.
In der Tragikomödie wird die Niederlage des Helden durch seine menschlichen Schwächen motiviert, wodurch eher ein rührendes und - im Gegensatz zur Tragödie - nicht so sehr erschütterndes Ende geschaffen wird.
Neben dem Gestaltungsziel, das ja auch die Struktur grundlegend prägt, werden in der Dramatik ausschließlich nach dem Aspekt der Struktur Figurendramen (z. B. "Faust"), Raumdramen ("Peer Gynt") und Geschehensdramen ("Orestie") unterschieden. Außer den willkürlichen Bezeichnungen dramatischer Formen durch den Schriftsteller selbst kennen wir als weiteres Unterscheidungskriterium den Aufbau, der das in strengem Aufbau auf die Katastrophe am Ende ausgerichtete Zieldrama von dem analytischen Drama abhebt, das die Enthüllung der Vorgeschichte bzw. der vorangegangenen Katastrophe zu seinem Kern macht.
Nach der Gestalt des Dramas, die sich an der Zahl und Art der Darsteller sowie an dem Anteil der Musik orientiert, werden Mono-, Duo- oder Massendrama, Pantomime, Puppenspiel, Schattenspiel, Melodrama, Singspiel, Operette, Oper oder Musikdrama bezeichnet. Neben den in der Dramatik vorgestellten geistigen Prinzipien in der Form des Ideen-, des Problem- oder des Tendenzdramas und neben der Aktzahl (z. B. Einakter usw.) unterscheiden wir schließlich nach dem Gesichtspunkt der Stoffwahl das bürgerliche Trauerspiel, das historische und das geistliche Drama sowie das Künstler- und das Märchendrama und das Zauberstück.
Funktion des Dramas
Aus der Begriffsbestimmung des Dramas, dessen Handlung sich aus der Präsentation von Wort und Spiel ergibt, wird deutlich, dass das Drama in der Bühnendarstellung seine Vollendung findet und daher auf diese hin angelegt ist.
Im sprachlichen Bereich wird die knappe und in sich geschlossene Handlung durch den Dialog und den Monolog lebendig. Durch die zusätzliche objektivierte Darstellung auf der Bühne wird nicht nur die Fantasie des Zuschauers angeregt, sondern diese Anschaulichkeit bewirkt auch sein direktes äußeres und inneres Miterleben. Man spricht daher auch von der "Appell- oder Auslösungsfunktion der Dramatik".
Die innere, inhaltliche Bedingung der dramatischen Handlung definiert sich durch den Konflikt von Gegensätzen. Gegensätzliche Haltungen erzeugen die Spannung, indem sie leidenschaftlich in die Tat umgesetzt werden wollen, dabei miteinander in Widerspruch oder in eine Auseinandersetzung geraten und so zu der dramatischen Wechselwirkung von Aktion und Reaktion führen.
Es lassen sich verschiedene Formen oder Verteilungen der Gegensätzlichkeit beschreiben, die als Ursache des dramatischen Konflikts auch als Unterscheidungskriterien für Dramenformen herangezogen werden.
Wir kennen den innerseelischen Konflikt des Helden durch den Widerstreit von zwei Lebenshaltungen ("Faust", "Jungfrau von Orleans") oder von zwei moralischen Anforderungen ("Iphigenie", "Antigone"). Davon ist der Kampf des Helden mit einer äußeren Gegenmacht zu unterscheiden, die z. B. durch einen einzelnen Gegenspieler, aber auch durch bestimmte Personengruppen verkörpert werden kann. Diese Gegenmacht kann sich dem Helden als Schicksal ("Oedipus"), als ethische Autorität ("Die Räuber", "Agnes Bernauer"), als Charakter ("Tasso", "Penthesilea") und als Intrige ("Emilia Galotti", "Kabale und Liebe") entgegenstellen.
Die innere Gesetzlichkeit des Dramas, die wir nunmehr als Gegensätzlichkeit oder als die Gespaltenheit der Welt beschrieben haben, wird in Bezug auf das äußere Gesetz durch die Einheit der Handlung ergänzt, die kurz als Wahrung des inneren formalen Zusammenhangs definiert werden kann.
Während Aristoteles für die griechische Tragödie und später - ihn zitierend - Lessing für das moderne Drama nur die Einheit der Handlung anerkennt, bezeichnet seit dem französischen Klassizismus die Einheit als dramaturgisches Grundproblem eigentlich korrekt drei Einheiten, nämlich die Einheit der Handlung, des Ortes und der Zeit.
Die Einheit der Handlung ist das nicht ablösbare, sinnvolle und wesensgemäße Grundprinzip des Dramas, das die Durchführung eines einzigen Grundmotivs garantiert, dabei Episoden und Nebenhandlungen ausspart und so den inneren Zusammenhang des dramatischen Geschehens herstellt. Die Einheit des Ortes ergibt sich oftmals durch die Bühne bzw. durch bühnentechnische Voraussetzungen. Außerdem fördert das Festhalten an einem Ort, also an einer Spielszenerie, die Illusion des Zuschauers und damit die innere Geschlossenheit des Dramas.
Die Einheit der Zeit, die Aristoteles für die auf die Katastrophe konzentrierte griechische Tragödie auf einen Sonnentag festlegte, beschränkt eine kurze, in sich geschlossene Handlung auf einen engeren, oftmals mit 24 Stunden angegebenen Zeitraum.
Dagegen wird die Illusion auch bei einer über mehrere Jahre gestreckten Handlung nicht gestört, da den dramatischen Geschehnissen in ihrer Präsentation eine emotionale Gesetzlichkeit des Zeitablaufs innewohnt. Verallgemeinernd lässt sich die Einheit der Handlung als eine Forderung verstehen, die dramatischen Ereignisse und Dialoge folgerichtig und glaubwürdig zu verknüpfen und zu motivieren, um eine eindeutige Wirkung im Hinblick auf die tragische Notwendigkeit bzw. auf die komische Situation zu erzielen.
Geschichte des Dramas
Griechen und Römer
Die Entwicklung des Dramas nimmt in allen Kulturen aufgrund der Freude an Schaustellungen ihren Ausgang. Die Anfänge, die durch kultische Gesänge und Tänze geprägt sind, werden durch den Monolog und den Dialog ergänzt und intensiviert. Die attische Tragödie ist für das Abendland die erste bedeutende dramatische Form.
Die Schauspieler tragen stelzenartige Bühnenstiefel (Kothurn) und Masken, die sie als Schicksalsträger zu überindividuellen Gestalten machen. Somit ist auch die Darstellungsform durch Erhabenheit und einen feierlichen und leidenschaftlichen Gefühlsausdruck (Pathos) getragen. Die Anwesenheit des Chores auf der Bühne (Orchestra) sowie die Aufführungsform garantieren die drei Einheiten von Handlung, Ort und Zeit. Die Zahl der Aufführungen nimmt mit dem Entstehen der ersten Theaterbauten im 5. Jahrhundert v.Chr.
zu. Die römische Tragödie (Seneca) wird in Inhalt und Form weiterhin von der griechischen geprägt. Durch ihre Betonung des Rhetorischen, des Pathetischen und der Gemütsbewegungen (Affekte) sowie durch das übersteigert grausige Ausstaffieren der Handlung beeinflusst sie später stärker die Entwicklung des modernen Dramas.
Die Komödie (Plautus, Terenz) knüpft im alten Rom an die griechischen Vorbilder an und bearbeitet diese. Allerdings wird die weitere Entwicklung des Dramas durch das aufkommende Christentum und dessen Fixierung auf das Jenseits eingeschränkt. Es finden jedoch auch volkstümlichere Formen Verbreitung wie die Atellane, die als Stegreif-Lustspiel mit vier vorgegebenen Charaktertypen derb und drastisch die kleinbürgerliche Welt verspottet, und die auf italienischen Vasenbildern häufig dargestellten Phlyakenpossen, deren Schauspieler mit obszönen Kostümen und grotesken Masken das Alltagsleben, aber auch Mythen und Tragödien parodierten (Travestie).
Vor allem erregte der Mimus durch seine übertreibende Nachahmung und improvisierte, derb-komische und obszöne Darstellung realistischer, kurzer Alltagsszenen das Lachen breiter Volkskreise. Seine Entwicklung reicht vom griechischen Süditalien über das Rom der Kaiserzeit, wo er auch soziale und politische Kritik übt, weit über den Untergang des römischen Reiches in die Stegreif-Dichtung des europäischen Mittelalters.
Vom Mittelalter bis zur Aufklärung
Pulcinella, Typ des frechen Dieners. Figur aus der Commedia dell'arte.
© aisa, Barcelona
Im geistlichen Mittelalter besteht die Dramatik überwiegend aus dem geistlichen Drama und aus dem Fastnachtsspiel. In der Renaissance setzt sich eine weltlichere Einstellung durch, die zu einer Erneuerung des römischen Dramas führt, und zwar vor allem in der pädagogischen Form des sog.
Schuldramas. Außerdem wirkt das Jesuitendrama als Medium der Gegenreformation in einer Zeit, die in Deutschland durch die religiöse Spaltung und die staatliche Zersplitterung bestimmt ist. In den anderen europäischen Ländern bilden sich eigene Dramenformen heraus. In Italien kennen wir die Commedia dell'arte, die als improvisierte Stegreif-Komödie mit festem Handlungsverlauf und zeitlosen Typen bis ins 19. Jahrhundert durch Wandertruppen in ganz Europa Verbreitung findet. In Frankreich entwickelt sich die tragédie classique.
In Spanien unterhielten vom 12. bis zum 18. Jahrhundert die sog. Autos Sacramentales mit biblischen, später auch moralisch-religiösen Stoffen das Volk (Lope de Vega, Calderón). Außerdem wurde dort ein Weltanschauungsdrama gepflegt, das vom religiösen Dogma bestimmt war und den Gegensatz von Diesseitsfreude und Jenseitsbedrohung thematisierte.
Besonders in England entwickelt sich im 16.
Jahrhundert mit den Dramen Shakespeares ein eigenständiger Dramentyp, der als erster individuelle Menschen und Charaktere entwirft und daher mit der Bedeutung des antiken Dramas verglichen werden kann. Es wird mit dämonischer Macht eine Biografie mit allen negativen und positiven Erfahrungen vorgestellt. Die psychologische Glaubwürdigkeit und die innere Gesetzlichkeit des Gefühlslebens verwirklichen die Einheit der Handlung, hinter der die Einheiten in der Orts- und Zeitgestaltung zurücktreten.
In Deutschland verändert sich die Form des Shakespeare-Dramas, das durch die "Englischen Komödianten" überliefert wird. Als Hans-Wurst-Spiel sowie in den Haupt- und Staatsaktionen der Wandertruppen wird die Art vereinfacht und durch eine bewusste Effekthascherei ersetzt. Darüber hinaus wirkt das Shakespeare-Drama auf das Drama des Barock, das über die dramatische Form des Singspiels zur Oper führt.
Friedrich Hebbel, Dichter und Schriftsteller (1813 - 1863)
© Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh
Die deutsche Dramatik der Aufklärung wird zunächst durch die französische tragédie classique geprägt, die vor allem Gottsched fördert und die von der Truppe der Neuberin aufgeführt wird. Zu einer lockereren Form führt die comédie larmoyante bzw. in Deutschland das weinerliche Lustspiel (Rührstück). Das bürgerliche Trauerspiel spiegelt die Entwicklung des Bürgertums zwischen der Willkür des Adels und den späteren Forderungen des rechtlosen Arbeiterstandes wider und kritisiert so den Niedergang der selbstbewussten bürgerlichen Kultur zur kleinbürgerlichen Moral, Pflicht und Selbstzufriedenheit (Lessing, Schiller, Hebbel). Als Gegenbewegung tritt für das Drama Shakespeares zunächst J. E.
Schlegel, dann vor allem Lessing ein, auf dessen Erkenntnissen ("Hamburgische Dramaturgie") das Drama des Sturm und Drang aufbaut. Dieses wird durch Betonung der naturgegebenen Verhältnisse und bewusste Regellosigkeit geprägt.
Von der Klassik zur Gegenwart
Das Drama der deutschen Klassik (Goethe, Schiller) wirkte weit über die Romantik hinaus, die sich nur durch Stücke von Kleist, Shakespeare-Übersetzungen und das Wiener Volksstück auszeichnet, bis ins 19. Jahrhundert hinein. Zunächst definiert sich das Drama der Klassik als Ideendrama, das aus einer tragischen Welt des Diesseits in eine umfassende geistige Welt führt und das Menschenschicksal dabei in ein geschlossenes Weltbild integriert. Später wird das klassische Drama durch die Weiterentwicklung des Realismus und sozialer und politischer Intentionen sowie durch die fortschreitende psychologische Motivierung durch Kleist, Büchner, Grillparzer und Hebbel ergänzt.
Außerdem schafft Richard Wagner im Musikdrama ein neues Weihespiel mit nationalen Tönen. Im Naturalismus werden mit dem Milieudrama, das besonders unter dem Einfluss Ibsens steht, neue Akzente gesetzt. In einer materiellen Nachbildung der Wirklichkeit werden die schicksalhaften Umweltbedingungen und das gesellschaftliche Bewusstsein entlarvt (G. Hauptmann). Dagegen weist die Bezeichnung der sog. Neuklassik darauf hin, dass ihr an der Erneuerung des antiken und klassischen Geistes gelegen ist.
Einen erneuten kreativen Höhepunkt bringt, ausgelöst durch die Krise vor und die Erlebnisse im Ersten Weltkrieg, das expressionistische Drama, das von den Vorläufern Büchner, Strindberg und Wedekind beeinflusst ist. Als ausdrucksstarkes Ideendrama sucht es innere, rauschhafte Wahrheiten, die leidenschaftliche und seelische Erlebnisfähigkeit des Menschen und somit eine erneuerte Sinngebung des Lebens. In locker aneinander gereihten Folgen symbolischer Bilder werden sowohl durch die Reihung von zeit- und raumlosen Einzelszenen (Stationentechnik) als auch durch typenhafte, überindividuelle Verkörperungen ("der Vater", "der Sohn") und durch die Auflösung der Sprachlogik die überlieferten ästhetischen Formen gesprengt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg werden im Drama des französischen Existenzialismus dann antike Formen und Stoffe aufgenommen. Neben Albert Camus zeigt vor allem der philosophische Begründer und Hauptvertreter Jean-Paul Sartre die Unbehaustheit, Fremdheit und Einsamkeit des Menschen in der modernen Welt sowie dessen Zwang zur Selbstverantwortung. Weitere moderne Dramenentwicklungen, die kaum an Traditionen anknüpfen, sind das epische Theater Bert Brechts, das Dokumentartheater und das Drama des Absurden.
Das durch die marxistische Kunsttheorie geprägte epische Theater will statt des illusionistischen, gefühlsmäßigen Miterlebens durch Distanz, Argumente und Kritik die Aktivität des Zuschauers mobilisieren und diesen so verändern. In der Form einer Untersuchung soll durch Einzelszenen (Stationenstück) und Montagen, besonders aber durch den sog. Verfremdungseffekt der Schauspieler seine Rolle demonstrieren, der Zuschauer rational urteilen.
Das aus historischem Quellenmaterial montierte Dokumentartheater sucht die Parabeln Brechts und die politische und soziale Kritik weiterzuführen. Diskussionen über die nationalsozialistische Zeit, Judenermordung, Atomverrat und Vietnamkrieg entfachten R. Hochhuth, P.
Weiss und H. Kipphardt. Die Philosophie des Existenzialismus findet sich auch im avantgardistischen und provozierenden absurden Theater, das in allen wichtigen europäischen Ländern seit den 1950er Jahren bis in die Gegenwart weist. Das absurde Drama karikiert humorvoll mit radikalen ästhetischen Mitteln die absurde menschliche Existenz in einer sinnentleerten Welt. Beckett, Ionesco, Genet, Pinter, Havel und Hildesheimer führen in ihren Dramen, die nicht mehr durch eine logische Handlung, sondern durch überzeugende Details und szenische Fantasie getragen werden, Menschen als Marionetten vor, deren Kommunikation sich in banalen und ziellosen, sich wiederholenden Monologen erschöpft (Kreisstruktur).
Das Drama am Ende des 20.
Jahrhunderts sucht seinen Gegenstand weniger in den großen geschichtlichen Themen, sondern in den alltäglichen Konflikten um gesellschaftliche Außenseiter, um das Infragestellen von Normen, das Aufbrechen festgefügter Strukturen sowie den Problemen von Bindungslosigkeit oder Individualitätsfindung. Während Autoren wie Botho Strauß oder Thomas Bernhard diese Themen mit surreal erscheinenden, fast karikaturhaften Handlungs- und Sprachelementen darstellen, griffen Autoren wie Heiner Müller oder Volker Braun auf antike oder klassische Stoffe zurück, um vor der Folie einer tradierten Handlung Gegenwartsprobleme zu diskutieren.
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