Das vierte gebot
Autor
Ludwig Anzengruber, geboren am 29.11.1839 als Sohn eines Beamten in Wien; schloß
sich Schauspieltruppe an und wird Polizeischreiber. Erster schriftstellerischer
Erfolg war 1870 "Pfarrer von Kirchfeld", andere Dramen folgten: "Der
Meineidbauer", "Der G’wissenswurm". 1878 bekam er den Schillerpreis
und 1887 den Grillparzerpreis.
Anzengruber gilt als Schöpfer des bäuerlichen Volksstückes in
Österreich.
Sein Ziel war die Aufklärung und Aufrüttelung des
Volkes. Mit dem Wiener Volksstück als dichterische Grundlage schildert
er das bäuerliche und das Großstadtmillieu. In den Werken geht es
ihm um den Fortschritt. Anzengruber starb am 10.12.1889.
Inhalt
Hedwig, die Tochter der Hausherrenfamilie Hutterer, ist in den jungen Klavierlehrer
Robert Frey verliebt. Vater Hutterer aber unterbindet diese Beziehung zu dem
nicht standesgemäßen und zwingt sie den reichen Lebemann Stolzenthaler
zu heiraten. Hedwig sucht Rat beim Priester Eduard (Sohn der Gärtnerfamilie
Schön). Er rät ihr sich strikt an das 4.Gebot zu halten ("Du
sollst Vater und Mutter ehren"), das sie auch befolgt. Im Nebenhaus wohnt
die Familie Schalanter (Vater ist ein Trinker, Mutter ist eine Kupplerin).
Tochter
Josepha hatte bisher ein Verhältnis mit Stolzenthaler. Sohn Martin ist
grade Soldat geworden. Die Großmutter warnt die Kinder dem schlechten
Beispiel zu folgen, aber sie wird nur ignoriert.
Ein Jahr später haben Hedwig und Stolzenthaler ein Kränkliches Kind.
Hedwig trifft Frey, der jetzt Vorgesetzter von Martin ist. Frey bittet Hedwig
um alte Liebesbriefe und machen sich einen Treffpunkt aus.
Dieses Gespräch
haben Martin und Vater Schalanter belauscht und berichten sofort Stolzenthaler
davon. (Sie wollen Geld und Frey eines auswischen weil er Martin beim Militär
schikaniert) Stolzenthaler wirft Hedwig hinaus. Die Familie Schalanter ist inzwischen
in die für das Treffen vereinbarte Schenke gewandert. Dort wartet Frey
schon und die Schalanters setzen sich zu ihm an den Tisch. Ein heftiger Streit
folgt und plötzlich erschießt Martin Frey. Martin wird festgenommen
und zum Tode verurteilt.
In der Todeszelle will er nur Eduard, seine alten Schulfreund,
empfangen. Josepha und Martin folgen nun dem Rat der Großmutter und verachten
ihre Eltern. Hedwig ist von Stolzenthaler geschieden, hat ihr Kind verloren
und ist dem Tod schon gekennzeichnet. Ihr Vater erkennt sein Unrecht.
Interpretation
Zentrales Thema ist das 4.Gebot: "Du sollst Vater und Mutter ehren".
Die Eltern verstehen darunter die Pflicht der Kinder zu absolutem Gehorsam.
Diese Ansicht ist falsch, denn es besteht eine Verpflichtung beider Teile. Für
Kinder Ehrfurcht und Gehorsam und für die Eltern Vorbild und Erziehung.
Anzengruber charakterisiert 3 verschieden Familien:
1) Familie Hutterer: Vater ist besitzgierig, unterdrückt autoritär
den Willen seiner Tochter und verlangt blinden Gehorsam. Frau ahnt seine Fehler,
unternimmt aber nichts gegen ihn. Hedwig fehlt die Kraft zu eigenständigen
Entschlüssen, so beugt sie sich nach dem Rat des Priesters dem Vater.
2) Familie Schalanter: Vater ist nur negatives Vorbild, macht Großmutter
lächerlich, die die wahre Lage erkennt. Martin und Josepha fehlt der Durchblick.
Frau Schalanter trägt durch ihr schlechtes Vorbild auch zum Verfall der
Kinder bei.
3) Familie Schön: ist ein positives Gegenstück; führen glückliche
Ehe. Eduard predigt nur Gesetze und weiß mit den Realitäten des Lebens
nichts anzufangen.
Anzengruber übt Kritik an der Kirche: Sie ist weltfremd, predigt nur Gesetze,
die falsch verstanden werden.
Sie versteht auch nicht die Zusammenhänge
und Konflikte der menschlichen Beziehungen. Allgemein stellt Anzengruber das
blinde Festhalten an bloßen Buchstaben in Frage. Denn über die Gültigkeit
einer Norm kann nur die Wirklichkeit entscheiden.
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