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  Georg büchner, woyzeck.

12/6 Deutsch, Klausur Nr. 3, 18.03.2003 Text: Georg Büchner, Woyzeck. Aufgabenstellung: „Dem Woyzeck liegt ein System zugrunde: das System der Ausbeutung, Unterdrückung und Entfremdung. Ausbeutung ist der Zweck, Unterdrückung das Mittel, Entfremdung die Folge.

(...) Die Auswirkungen des Systems gleichen einem konzentrischen Angriff, durch den das Subjekt Woyzeck gesprengt und dem Erdboden gleich gemacht wird.“ 1. Erläutere den Interpretationsansatz von Alfons Glück unter besonderer Berücksichtigung der Figurenkonstellation, der Handlung und der „Aussage“ des Textes! 2.

Seit 1951 gibt es den Georg-Büchner-Preis, gestiftet von der „Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung“ in Darmstadt, der von allen Literaturpreisen in Deutschland der wichtigste ist. In den Dankesreden der geehrten Schriftsteller wird oft die Frage der Aktualität der büchnerischen Werke diskutiert. Nimm selbst Stellung zur Aktualität des Dramas „Woyzeck“! Berücksichtige hierbei insbesonders das Weltbild, das Büchner in diesem Text entwirft! 1) In dem Dramenfragment „Woyzeck“, das Georg Büchner im Jahre 1836 begann, aber nicht fertig stellte, wird das Schicksal des Soldaten Woyzeck dargestellt, der zahlreichen Nebentätigkeiten nachgehen muss, um seine Geliebte Marie und sein Kind Christian zu versorgen, der von allen unterdrückt und ausgebeutet wird und schließlich Marie –als diese ihn betrügt- umbringt. Wie Alfons Glück in seinem Zitat erwähnt, sind Ausbeutung, Unterdrückung und Entfremdung zentrale Aspekte des Stückes „Woyzeck“. Dies wird bereits deutlich, wenn man sich die Figurenkonstellation betrachtet. Woyzeck ist der typische Antiheld, gekennzeichnet durch seine soziale Stellung.

Er steht auf der untersten Stufe der überaus deutlich erkennbaren Hierarchie und hat keine Chance seine Lebensumstände zu verbessern. Er arbeitet sich –auf gut deutsch gesagt- den Buckel krumm, aber verdient trotzdem kaum genug, um seine „Familie“, wenn man es denn so nennen mag, zu versorgen. In seinem Hauptberuf als Soldat bekommt Woyzeck weder viel Geld noch hohes Ansehen. Schon ein Ausrufer auf dem Marktplatz in Szene 3 lässt verlauten: „Der Aff ist schon ein Soldat, s’ist noch nit viel, unterst Stuf von menschliche Geschlecht“ (S.7, Z.3 f.

) Als Nebentätigkeit muss Woyzeck mit Andres Stöcke schneiden und seinen Hauptmann rasieren. In der Rasierszene (Szene 5) wird besonders deutlich, wie dumm und selbstgefällig der Hauptmann ist, der jedoch Woyzecks Vorgesetzter ist und deshalb die Macht hat, ihn zu verspotten und auszunutzen. Obwohl der Hauptmann über einen elaborierten Kode verfügt, also von seiner Sprache her Woyzeck übergeordnet ist, merkt man schnell, dass er geistig unterlegen ist und eigentlich kaum etwas zu sagen hat. Er verstrickt sich in Tautologien wenn er sagt: „Moral, das ist wenn man moralisch ist“(S. 10, Z.13) und ihm fehlt jegliche Empathie Woyzeck gegenüber.

Er wirft Woyzeck vor, verhetzt zu sein, „ganz abscheulich dumm“ (S.10, Z.11) zu sein und keine Moral zu haben. Woyzeck, der zwar nur über einen restringierten Kode verfügt, hat da schon mehr zu sagen. Er analysiert erstaunlich genau seine Situation, gibt dem Hauptmann auch Gegenargumente, auf die diere jedoch nicht eingeht („Er macht mich ganz konfus mit seiner Antwort“, S.10, Z.

22). Der Hauptmann, der als Repräsentant einer feudalistisch geprägten Gesellschaft fungiert, ist also hier einer der Ausbeuter und Unterdrücker Woyzecks. Ein weiterer ist der Doktor, der Woyzeck für seine pseudo-medizinischen Experimente missbraucht. Woyzeck wird von ihm zum Objekt degradiert, das sogar noch weniger Wert ist als ein Tier. Nicht umsonst wird Woyzeck in Szene 18 als „Bestie“ bezeichnet, während der Marktschreier in Szene 3 „Ei Mensch“ nennt. Woyzeck darf nicht einmal mehr seinen menschlichen Bedürfnissen nachgehen, sei es zu essen, was er will, oder zu urinieren, wann er nun mal muss.

Der Tambourmajor hat in dem Drama die Funktion, nicht nur die psychische, sondern auch die physische Gewalt zu zeigen, der Woyzeck ausgeliefert ist. Nachdem er Marie, die Geliebte Woyzecks verführt hat, verprügelt er Woyzeck in Szene 14. Kann Woyzeck gegen den Hauptmann und den Doktor aufgrund seiner niedrigen Stellung nichts ausrichten, wird hier deutlich, dass er auch körperlich vollkommen untergeordnet und schwach ist. Die Ausbeutung, deren Mittel laut Glück die Unterdrückung ist, zieht sich bei Woyzeck also bis in den privaten Bereich hinein. Selbst seine Beziehung zu Marie wird gewaltsam zerstört und er bleibt als Paria ganz alleine zurück. Auch die Entfremdung, die als Folge der Ausbeutung und Unterdrückung entsteht, kann am Beispiel Woyzeck gezeigt werden.

Durch das viele Arbeiten entfremdet er sich vollkommen von seiner Familie, sein Kind erkennt ihn in der letzten Szene nicht einmal mehr. Die Entfremdung vom Menschsein durch die Degradierung zum Tier habe ich schon erwähnt. Ein anderer Aspekt, der dies verdeutlicht, ist die nicht funktionierende Kommunikation zwischen Woyzeck und Andres. Woyzeck versucht in mehreren Szenen ein Gespräch mit Andres zu führen. Jedes mal blockt dieser ab, reflektiert nicht über das, was Woyzeck ihm sagt und geht überhaupt nicht auf ihn ein. Da eine Kommunikation, die darüber hinausgeht, sich zu verständigen, wo es Nahrung gibt und wo Gefahr lauert, eine der wichtigsten Eigenschaften der Menschen ist, um ihm vom Tier zu unterscheiden, liegt hier ein echtes Problem vor.


Der Mord an Marie ist letztendlich die krasseste Form der Entfremdung Woyzecks. Er realisiert, dass er in dem bestehenden System von Unterdrückung und Ausbeutung nicht mehr konstruktiv handeln kann, also handelt er destruktiv. Er zerstört damit nicht nur Marie, sondern auch sich selbst, denn Marie war der einzige Halt, die einzige Stütze, die Woyzeck noch geblieben war. Bezeichnend ist auch, gegen wen sich Woyzecks Gewalt richtet. Nicht etwa die Verursacher seines Leidens, sondern vielmehr gegen das nächstschwächere Glied in der Hierarchie. Abschließend kann man sagen, dass im „Woyzeck“ gezeigt wird, wie gesellschaftliche Gewaltstrukturen in der Lage sind, einen Menschen zu deformieren und bis zum Äußersten zu treiben.

Es gibt nur zwei Menschen in dem Drama, die noch nicht gesellschaftlich deformiert sind, das sind Karl, der Idiot und Christian, Woyzecks Sohn. Doch auch sie haben keine Chance ihren Lebensumständen und der sozialen Determination, die konträr zu dem Ideal der Aufklärung, der Autonomie, steht, zu entkommen und ein besseres Leben zu führen. 2) In dem Drama „Woyzeck“ wird zum ersten Mal ein brüchiges Weltbild dargestellt, das meiner Meinung nach auch heute noch Bedeutung hat. Die Autoren vor Büchner, wie z.B. Goethe und Schiller, waren Idealisten, sie stellten den Menschen so dar, wie er sein sollte, nicht wie er war (man schaue sich nur Iphigenie an).

Im Gegensatz dazu kann man Büchner als einen Realisten bezeichnen, der den Naturalismus schon Jahrzehnte vor seinem Durchbruch vorwegnahm. Er stellt im „Woyzeck“ die Gesellschaft so dar, wie sie damals war und wie sie heute auch noch ist. Trostlosigkeit, Sinnlosigkeit und Einsamkeit des Individuums in einer kalten Welt, das sind zentrale Aspekte dieses Textes. Der Mensch, der nur als Arbeitstier gebraucht wird, das haben wir heute noch überall. Besonders deutlich wird das, wenn man sich die Großstädte in Afrika oder Südamerika ansieht. Dort gibt es so gut wie keine Mittelschicht.

Es gibt sehr wenige sehr reiche Menschen und sehr viele, die unter der Armutsgrenze leben. Sie siechen in dreckigen Ghettos dahin, haben kaum genug Geld für Nahrung und arbeiten eigentlich nur dafür, dass ihr Arbeitgeber noch mehr Gewinne abwerfen kann. Auch im Osten kann man nach dem Zusammenbruch des Kommunismus eine solche Entwicklung feststellen. Kapitalismus pur, der Mensch als Individuum zählt nicht mehr, er wird nur definiert über die Arbeit, die er leistet. In einer solchen Welt sind auch die metaphysischen Trostspender Gott, Freiheit und Leben nach dem Tod vollkommen unangebracht. Büchner verdeutlicht dies mit dem Märchen der Großmutter, welches die Umkehrung des Grimm’schen Märchens „Sterntaler“ ist.

Das arme Waisenkind, das bei Grimm für seine guten Taten von Gott belohnt wird, sucht bei Büchner Trost im Himmel, muss jedoch erkennen, dass der Mond nur „ein Stück faul’ Holz“ (S.24, Z.1) ist, die Sonne nur ein „verreckt Sonneblum“ (S.24, Z.2) und die Sterne nur „klei golde Mück“ (S.24, Z.

4) sind. Büchner negiert aber nicht nur Gott, sondern auch die Ideale der Aufklärung, die Goethe in der „Iphigenie“ in ihrer vollkommensten Form dargestellt hat. Anstelle von Autonomie setzt Büchner die soziale Determination, anstelle von gewaltfreien Konfliktlösungsmustern sowohl physische als auch psychische Gewalt und anstelle eines geordneten Weltbildes eine heillose Welt. Aber genau dieser Realismus, der dann im Naturalismus seinen Höhepunkt fand, erklärt die immer noch anhaltende Aktualität des „Woyzeck“.

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