Biographie
Inhaltsverzeichnis
Kurzbiographie und Eckdaten aus Jurek
Becker´s Leben
Kurzbibliographie über Jurek Becker´s Werke
Biographie Jurek Becker´s
Die Frühen Jahre 1937 bis 1945
Das Leben nach dem Holocaust und die Jugend
in der DDR
Der Nachteil eines Vorteils (von Jurek
Becker)
Jurek Becker und sein Leben in der DDR bis
1977
Die Übersiedlung in den Westen und Leben bis
1997
Jurek Becker´s Werke als Spiegel seines
Lebens.
Jurek Becker´s Einstellung zum Judentum
Becker´s Beziehung zu seinem Vater
Die Einstellung Becker´s zum Schreiben
Jurek Becker ganz persönlich
Literaturhinweise
Kurzbiographie und Eckdaten aus Jurek
Becker´s Leben
1937 geboren in Lodz(Polen) (Vermutung)
1939 bis 1945 Leben in Ghetto und
Konzentrationslager Ravensbrück und Sachsenhausen
ab 1945 lebte er in Berlin-Ost, erlernen der
deutschen Sprache
1955 Abitur
1955/56 Militärdienst in der Volksarme der
DDR
1957 Beitritt in die SED und Studium an der
Humboldt-Universität in Berlin-Ost
1960 Ausschluß vom Studium aus politischen
Gründen
1969 Anstellung als Drehbuchautor bei der
DEFA, Erscheinen von
"Jakob der Lügner" als Roman
1971 Heinrich-Mann-Preis,
Charles-Veillon-Preis
1972 Tod des Vaters, Mitglied der PEN der DDR
1973 Wahl in den Vorstand der PEN
1974 Literaturpreis der Freien Hansestadt
Bremen
1975 Nationalpreis der DDR
1976 Ausschluß aus der SED wegen Protest
gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns
1977 Austritt aus der PEN, Umzug nach
Berlin-West mit Genehmigung der DDR- Behörden
1978/79 Längerer Aufenthalt in den USA,
"Writer in Residence" am Oberlin College, Ohio, Gastprofessur an der
Gesamthochschule Essen
1981 Teilnahme am 1. Freidenstreffen von
Schriftstellern aus Ost und West in Berlin-Ost
1982 Stadtschreiber von Bergen-Enkheim
1983 Wahl in die Akademie für Sprachen und
Dichtung Darmstadt
1984 Vorträge an der Cornell-Universität,
Ithaca, New York
1986 Roman "Bronsteins Kinder",
Drehbücher zu Liebling Kreuzberg
1987 Adolf-Grimme-Preis in Gold zusammen mit
Manfred Krug und Heinz Schirk
Gastprofessur an der Univerity of Texas in
Austin (Texas)
1989 Gastdozent der Stiftungsdozentur für
Poetik an der
J.-W.-Goeth-Universität Frankfurt/Main
1997 gestorben
Kurzbibliographie über Jurek Becker´s Werke
1969 "Jakob der Lügner" erscheint
als Roman, nachdem er zuerst als Drehbuch für die DEFA geschrieben wurde
1973 "Irreführung der Behörden"
Roman
1976 "Der Boxer" Roman
1978 "Schlaflose Tage" Roman
1980 "Nach der ersten Zukunft"
Erzählungen
1982 "Aller Welt Freund" Roman
1986 "Bronsteins Kinder" Roman,
Drehbuch zur Serie Liebling Kreuzberg
1992 "Amanda herzlos" Roman
Biographie Jurek
Becker´s
Die Frühen Jahre 1937 bis 1945
Jurek Becker wurde vermutlich 1937 im
polnischen Ort L(d( geboren, wo er bis zu seiner Deportation in die Konzentrationslager
Ravensbrück und Sachsenhausen mit seinen Eltern lebte. Über die Zeit seit dem Einmarsch
der deutschen Truppen in Polen und die Zeit in den Konzentrationslagern ist heute nichts
mehr bekannt, da sich Becker selbst nicht mehr an diese Zeit erinnern konnte.
Sicher ist
nur das er von seinem Vater getrennt wurde und erst nach dem Krieg, durch eine
amerikanische Hilfsorganisation wieder mit ihm vereint wurde. Wahrscheinlich gibt es
nichts besonderes über diese Zeit zu berichten, da das Leben im Lager im allgemeinen
lediglich aus der täglichen Routine bestand, also Appelle, Arbeit, Appelle und der Kampf
mit Krankheiten und Erschöpfung. Es ist auch sehr wahrscheinlich, daß auf Grund seines
Alters Becker nicht versteckt wurde um ihn vor den Nazis zu schützen, wie es mit Stefan
Zweig gemacht wurde, der als ca. 4-jähriger in Buchenwald versteckt wurde.
In den Lagern blieb Becker sprachlich auf dem
Niveau eines 4-jährigen stehen, lernte jedoch seine Ersten deutschen Worte, auch wenn es
sich nur Vokabeln wie "Zählappell" und "antreten" handelte.
Das Leben nach dem Holocaust und die Jugend in der DDR
Nachdem Becker 1945 durch eine amerikanische
Hilfsorganisation wieder mit seinem Vater zusammengeführt wurde lebte in der damaligen
Sovjetzone des damals viergeteilten Deutschland's.
Jetzt erst lernte der damals ca 7 bis
8-jährige Jurek die deutsche Sprache. Hilfreich hierbei war im sein eigener Ehrgeiz und
die Unterstützung des Vaters, der gute Leistungen im Fach Deutsch finanziell Belohnte.
Dieser Ansporn und die Tatsache, daß Jurek wegen seinen sprachlichen Mängel mit
Problemen in der Schule zu kämpfen hatte ließen den Jungen sehr schnell lernen, so daß
sich schon nach kurzer Zeit Erfolg zeigte und der Vater gezwungen wahr die Entlohnung
seines Sohnes zu verringern. Jurek war selbst der Meinung, daß das korrekte Verwenden der
deutschen Sprache für ihn unbedingt erforderlich sei, da er befürchtete in der
Nachkriegsgesellschaft nicht voll integriert zu werden. Nach seiner Meinung handelte es
sich bei dieser Art des Lernens, nämlich die strikte Vermeidung von Fehlern um das
größte Glück seines Lebens, auch wenn er später diesen Ehrgeiz, sprachliche Fehler zu
vermeiden als hinderlich für seine Arbeit als Autor empfand, was er selbst wie folgt
erläuterte:
Der Nachteil eines Vorteils
Pinguine, so habe ich einmal gelesen, seien
außerhalb ihrer Heimat, in zoologischen Gärten etwa, äußerst schwer zu halten. Die
natürlichen Bedingungen, unter denen sie lebten, seien so beschaffen, daß es
Krankheitskeime kaum gebe.
Das habe zur Folge, daß der Organismus der Pinguine, da er
solche Keime praktisch nie abzuwehren habe, auf deren Abwehr praktisch nicht eingerichtet
sei. Nur gegen Kälte verfüge er über große Widerstandskraft.
In zoologischen Gärten nun, wo es von
Bakterien aus aller Herren Länder nur so wimmle, sei die Lage für Pinguine fatal. Nahezu
schutzlos, hieß es, seinen sie Krankheitskeimen ausgeliefert, über die andere Tiere
gewissermaßen nur lächeln. Und selbst winzigste Gefahren, die von den Organismen der
übrigen nicht einmal wahrgenommen würden, könnten für die Pinguine tödlich sein. Die
Gewöhnungszeit sei lang und erfordere von den Pflegern außerordentliche Geduld.
(aus text und kritik, 1992, (Nr. 52), S.15 -
zum Problem eines DDR-Autors, der in den Westen übersiedelt)
Jurek Becker und sein Leben in der
DDR bis 1977
Jurek Becker machte 1955 sein Abitur, bis
dahin war sein Leben vorallem durch lernen , vorallem durch das Erlernen der deutschen
Sprache geprägt. In den Jahren 55 und 56 leistete er seinen Militärdienst in der
Nationalen Volksarmee der DDR. Nach dem Absolvieren seines Wehrdienstes wurde er 1957
Mitglied der SED und schrieb sich für das Studium der Philosophie an der
Humboldt-Universität in Ostberlin ein, wurde jedoch nach gerade einmal 3 Jahren 1960 aus
dem Studium wegen seinen politischen Ansichten ausgeschlossen.
Er begann ein Studium der Film-Szenarien in
Potsdam-Babelsberg, welches er jedoch schon bald wieder aufgab.
Anschließend arbeitete er für die DEFA als
fest angestellter Drehbuchautor. Verließ jedoch auch diese Stellung nach dem sein
Drehbuch "Jakob der Lügner" 1969 abgelehnt wurde. Aus Trotz, wie er selbst
sagte, begann er mit dem Schreiben von Prosatexten. Sein erster Roman entstand aus dem
Drehbuch von "Jakob der Lügner", welches er nun in eine Prosafassung brachte.
"Jakob der Lügner" war ein Erfolg, nicht nur in der DDR sondern auf
internationaler Ebene. 1971 erhielt er für diesen Roman sowohl den Heinrich-Mann-Preis
als auch den Charles-Veillon-Preis.
1972 starb dann sein Vater, außerdem wurde er
Mitglied der DDR Schriftstellervereinigung PEN.
Sein zweiter Roman "Irreführung der
Behörden", der sich mit den Problemen eines Autors mit der DDR Bürokratie
beschäftigt, erschien 1973 wurde jedoch sofort von den DDR-Behörden verboten und war
auch sonst kein Erfolg. Im gleichen Jahr wurde Becker auch in den Vorstand der PEN
gewählt. Ein Jahr später erhielt er den Literaturpreis der freien Hansestadt Bremen und
im darauffolgenden Jahr den Nationalpreis der DDR. Im Jahr 1976 wurde Becker, nachdem er
mit anderen Schriftstellern gegen die Ausweisung des Schriftstellers Wolf Biermann
protestiert hatte, aus der SED ausgeschlossen. In diesem Jahr entstand auch sein dritter
Roman "Der Boxer", der sich wieder mit der jüdischen Vergangenheit
beschäftigte.
1977 war ein sehr ereignisreiches Jahr für
Becker, nach seinem Austritt aus dem Schriftstellerverband PEN zog er mit Genehmigung der
DDR-Behörden nach Westberlin.
Die Übersiedlung in den Westen und Leben bis
1997
Nach seiner Übersiedlung nach Westberlin
wurde Jurek Becker immer häufiger als Gastdozent an verschiedenen Universitäten, vor
allem in den USA, eingeladen. Unter anderem an das Oberlin College in Ohio oder an der
Cornell-University in Ithaca New York.
Im darauf folgenden Jahr erschien sein Roman
"Schlaflose Tage" und zwei Jahre später die Erzählungen "Nach der ersten
Zukunft". Becker kehrte erst 1982 wieder in die DDR zurück, jedoch nur für den
Besuch des 1. Freidenstreffen von Schriftstellern aus Ost und West.
Nach zwei weiteren
Jahren erschien sein Roman "Aller Welt Freund", der jedoch wie seine Vorgänger
nicht an den Erfolg von "Jakob der Lügner" anknüpfen konnte. Dies gelang ihm
erst mit seinem 1986 veröffentlichten Roman "Bronsteins Kinder". Dies war auch
das Jahr in dem er für die Fernsehserie "Liebling Kreuzberg", in welcher sein
Freund Manfred Krug einen Berliner Anwalt spielte, ein Drehbuch schrieb welches im darauf
folgenden Jahr mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. 1992 brachte er dann seinen
letzten Roman "Amanda herzlos" heraus, dies sollte auch sein letztes Werk sein.
Fünf Jahre Später starb Jurek Becker im Frühjahr 1997 im Alter von ca. 60 Jahren.
Jurek Becker´s Werke als Spiegel seines Lebens
Das Leben des Autors läßt sich in fast
allen Zügen in seinen Romanen wiedererkennen. Dies gilt vorallem für die Zeit im Ghetto
und sein Leben in der DDR welches er in vier Romanen verarbeitet hat. Den Beginn macht
"Jakob der Lügner", dieser Roman beschäftigt sich mit dem Leben im Ghetto. Er
handelt von einem Mann der durch Lügen versucht die Hoffnung auf eine baldige Befreiung
des Ghettos bei den Einwohnern aufrecht zu erhalten. Da Jurek Becker keine Erinnerungen an
das Ghetto hatte, versuchte er sich durch intensive Recherchen ein möglichst genaues Bild
vom Leben im Ghetto zu machen und es im Roman wiederzugeben. Dies tat er nicht nur für
seine Arbeit sondern in erster Linie für sich selbst, um sich seiner Vergangenheit
bewußt zu werden.
Dies muß ihm auch sehr gut gelungen sein, den nach der
Veröffentlichung des Romans lehnte es Becker´s Vater ein Jahr lang ab mit seinem Sohn zu
sprechen. Becker selbst führte es darauf zurück, daß sein Vater sich bei den Recherchen
übergangen fühlte und deshalb mit seinem Sohn haderte. Jedoch lag die Ablehnung des
Vaters eher darin, daß er den etwas lockeren Umgang seines Sohnes mit den "Helden
des Holocausts" mißbilligte.
Becker´s zweiter Roman "Irreführung
der Behörden", welcher von einem Autor handelt der mit den Behörden wegen der
Veröffentlichung eines Buches zu kämpfen hat ist eine Verarbeitung des Verhältnisses
zwischen Autoren und Behörden der DDR. Becker mußte bei seinem ersten Werk, welches
eigentlich als Drehbuch für einen DEFA-Film geschrieben wurde selbst mit erleben, daß
Autoren in der DDR immer vom Wohlwollen der Behörden abhängig sind und sich deshalb nur
durch Andeutungen und zwischen den Zeilen offen äußern können da sie sich am Ende der
Zensur vor die Füße werfen mußten. Ironischer Weise wurde der Roman in der DDR erst
verboten und ein Jahr später mit dem Nationalen Literaturpreis der DDR ausgezeichnet.
Das dritte Werk Becker´s "Der
Boxer" beschäftige sich wieder mit der Vergangenheit. Der Roman erzählt die
Geschichte eines Juden, der nach dem Krieg seinen in den Lagern verloren gegangenen Sohn
versuch zu finden.
Als er ihn jedoch findet plagen ihn Zweifel
ob es sich bei dem Kind auch wirklich um sein eigenes handelt.
Auch in diesem Roman verarbeitete Becker sein
eigenes leben, denn er war sich eigentlich nie vollkommen sicher ob sein Vater auch
wirklich sein Vater sei oder ob er lediglich an ihn abgegeben wurde.
Sein fünfter Roman "Bronsteins
Kinder" ist für Becker eine nochmalige Auseinandersetzung mit dem Vater, wie dem
Protagonisten Hans ist es Becker nie gelungen mit seinem Vater über die "Zeit"
die für beide so lebensentscheidend war zu sprechen oder sie gemeinsam zu verarbeiten.
Der Roman weist ohnehin sehr viele Parallelen zu Becker´s leben auf, zum Beispiel die
unerhörte Begebenheit, welche in Ostberlin im Jahr 1949 stattfand als Becker beobachtet
wie ein Freund seines Vaters aus der Straßenbahn sprang und einen Passanten, welchen er
als KZ-Wärter wiedererkannte den Schädel einschlug.
Oder den frühen Tod der Mutter, die
weder Becker noch sein Held Hans je kennengelernt haben. Überhaupt spielen Mütter in
Becker´s Romanen keine Rolle, dies führe er selber darauf zurück, daß er selbst keine
Erinnerungen an seine Mutter hatte, da diese sehr früh in einem Konzentrationslager
starb. Zum Schluß der Vater, mit dem sowohl im 3-dimensionalen als auch im
2-dimensionalen Leben keine Kommunikation über das Leben während des Krieges möglich
war und der starb ohne das es zu einer Verständigung kam.
Becker´s Romane sind also nicht nur Romane
sondern auch ein Stück erzählte Autobiographie.
Jurek Becker´s Einstellung zum
Judentum
Als man Becker einmal Fragte ob er Jude sei
antwortete er mit den Worten "Meine Eltern waren Juden", als man ihn darauf
nochmals Fragte ob er ein Jude sei, antwortete er mit den gleichen Worten.
Von seinem Vater wurde Becker auch nie als
"Jude" erzogen, da dieser selbst nicht sonderlich gläubig war und nur in die
Synagoge um Menschen aus seiner Vergangenheit zu treffen.
Becker selbst verstand sich also
nie als "Jude", er selbst sah sich auch immer als Atheist. So ist es auch nicht
verwunderlich, daß er nie bewußt die Gesellschaft oder Bekanntschaft mit Juden gesucht
hat. Es lag einfach daran, daß Becker der Meinung war, jeder Mensch habe die Wahl ob er
Jude sein wolle oder nicht. Er glaubte Jude zu sein währe keine frage der Rasse sondern
eine bewußte Entscheidung für einen Glauben. Aus diesem Grund gab es für ihn auch keine
Merkmale die einen "Juden" ausmachten, außer den Riten und Traditionen des
jüdischen Glaubens, die jedoch nicht so beschaffen sind, daß man nicht aus ihnen
ausbrechen könnte oder die ein Nichtjude sie als jüdisch erkennen könnte. Auf keinen
Fall jedoch seien es genetische Merkmale die einen Juden als solchen kennzeichnen.
Für ihn bedeutete es auch nichts, daß z. B.
Kafka, den er sehr verehrte ein Jude war und somit zu einer Gruppe gehörte zu der Becker
sich auch hätte zählen können. Er selbst drückte es wie folgt aus: " Mein
Judentum hat auch kein Glücksgefühl darüber zur Folge, daß ich, gewollt oder
ungewollt, zu einer weitverzweigten Gruppe von Menschen gehöre, die, wie andere Gruppen
vergleichbarer Größe auch, Leistungen vollbringt, bewundernswerte und miserable. Ich
empfinde keinen Stolz darüber, daß Kafka Jude war, [..
.]. Ich ärgere mich nicht
darüber, daß Max Frisch kein Jude ist, [...].
Er fühlte sich auch nicht vom Tun der
Juden im nahen Osten direkt betroffen, sondern war nur darüber verärgert, daß Menschen
so mit anderen Menschen umgehen können wie es der Staat Israel mit der palästinensischen
Bevölkerung tut. Aus dieser Argumentation war der Antisemitismus als auch ein
Philosemitismus ein Werkzeug derjenigen die ein Feind- oder Freundbild brauchten, welches
jeder Anfeindung standhielt. Erst als Becker in die BRD kam, mußte wie er selbst sagte
sich "als Jude fühlen", dies jedoch nicht aus einer eigenen Entscheidung
heraus, sondern weil er hier erstmals antisemitischen Angriffen auf seine eigene Person
gegenüber sah. Aus dieser Erfahrung heraus kam er zu der Ansicht, daß sollte ein Mensch
sich selbst in eine Gruppe einordnet und diese Gruppe sich dann auch noch Angriffen
ausgesetzt sieht, so wird eben dieses Individuum automatisch eine starke Bindung zu dieser
Gruppe aufbauen, dies gilt auch dann, wenn das Individuum sich durch Angriffe auf die
eigene Person in diese Gruppe gedrängt wird.
Becker´s Beziehung zu seinem Vater
Becker´s Vater, Max Becker stammte
ursprünglich aus Bayern, mußte jedoch aus beruflichen Gründen nach Polen umsiedeln wo
Jurek geboren wurde und wo auch die Familie interniert wurde.
Becker hatte zu seinem Vater eine relativ
gute Beziehung wie er selbst sagte.
Der Vater war es auch, der Becker beim erlernen der
deutschen Sprache tatkräftig unterstützte um dem Sohn die Integration in die ostdeutsche
Gesellschaft zu erleichtern. Jedoch half ihm sein Vater nicht dabei die im Ghetto und in
den KZ's verlorene Kindheit wiederzufinden. Diese Zeit spielte in der Beziehung der beiden
keine große Rolle, da der Vater es ablehnte über diese Zeit zu erzählen. Vielmehr tat
der Vater alles um die Erinnerungen aus dem Gedächnis des Sohnes zu tilgen. Dies zeigte
sich auch durch das Verhalten des Vaters, der von einem Tag auf den anderen mit dem Sohn
nur noch in Deutsch unterhielt, so daß der junge Jurek gezwungen war schnellst möglich
die deutsche Sprache zu erlernen.
Später als der Sohn mehr über die Zeit der
Verfolgung erfahren wollte mußte er sich seine Fragen selber beantworteten, dies geschah
indem er für seine Roman intensive Recherchen anstellte um wie er sagte ein möglichst
reales Bild der Zeit zu zeichnen, was ihm aus eigenen Erfahrungen nicht möglich war.
.
Dies war vor allem bei "Jakob der Lügner" der Fall. Doch durch dieses Verhalten
kam es zwischen Vater und Sohn zu Spannungen. Der Vater war der Meinung, der Sohn solle
die Vergangenheit ruhen lassen. Doch der Sohn versprach sich vom Schreiben über seine
Vergangenheit, seine eigene, verlorene Vergangenheit wiederzufinden.
Auffällig ist jedoch das scheinbare
Desinteresse Becker´s, daß Schweigen welches über die Vergangenheit gelegt worden ist
zu durchbrechen.
Später einmal kam Becker zu dem Schluß, er benutze das Schreiben dazu
jene Situationen in welchen es zwischen ihm und seinem Vater zu keiner Kommunikation kam
und mit welchen er sehr unzufrieden war neu aufzubauen. In dieser Beziehung sieht Becker
seinen Vater als eine Art Katalysator, der die Arbeit des Schreibens startet und später
vielleicht auch erleichtert. So gesehen findet also jeder Dialog zwischen Personen in den
Werken Becker´s eigentlich zwischen ihm selbst und seinem Vater statt, dies ist vor allem
im Roman "Bronsteins Kinder" der Fall, der im eigentlichen über die Beziehung
zwischen dem Vater und seinem Sohn handelt und die Situation lediglich als
"Aufhänger" für diese Beziehung benutzt, man könnte auch sagen
"Bronsteins Kinder" erzählt die Beziehung zwischen Max Becker und seinem Sohn
Jurek. Zu diesem Schluß kommt man vorallem dann, wenn man berücksichtigt, daß Max
Becker und Arno Bronstein im gleichen Jahr starben.
Auch der Roman "Der Boxer" ist ein
Bild der Beziehung zwischen Jurek und seinem Vater. Nur mit dem Unterschied, daß der
Protagonist im Roman Vater und nicht Sohn ist, jedoch die Thematik bleibt für den
fiktiven Vater und den realen Sohn die gleiche: Ist meine Familie auch wirklich meine
Familie.
Die Einstellung Becker´s zum
Schreiben
"Schreiben ist nichts anderes als eine
endlose Reihe von Zweifeln, die zugunsten eines Satzes schließlich über wunden werden
müssen." (Jurek Becker, Amanda herzlos, 1992)
Dieser Satz beschreibt eigentlich schon alles
was Becker über das Schreiben dacht, für ihn war schreiben immer eine Arbeit die er zu
leisten hatte. Er konnte nicht wie andere Autoren frei mit den Worten und Sätzen spielen.
Dies führte er auf seine Kindheit zurück und wie er die deutsche Sprache erlernt mußte.
Er betrachtete die Schriftstellerei als Handwerk, welches etwas erschafft, was einen
Gebrauchswert besitzt, vergleichbar einem Tischler der einen Tisch oder einen Stuhl baut.
Als wesentlichen Antrieb des Schriftstellers sah er das Bedürfnis Stellung zu beziehen zu
Themen die dem Autor wichtig erscheinen, es ist also die Aufgabe des Autors, seinem Leser
die Zustände über die er schreibt zu erklären damit der Leser urteilen kann.
Dies muß
nicht unbedingt direkt aus dem Text ersichtlich sein, sondern kann auch "zwischen den
Zeilen stehen". Wobei der Platz zwischen den Zeilen der weit aus wichtigere ist im
Vergleich zu den Zeilen selbst. Dies liegt vor allem daran, daß sowohl der Leser als auch
eine dem Autor eventuell ablehnende, feindliche Seite (der Staat, im Fall Becker die DDR)
es schwerer hat das angeprangerte zu erkennen. Dies ist in zweierlei Hinsicht wichtig:
Der Leser wird dazu gezwungen wird über das
was er liest nachzudenken und es zu analysieren.
Die dem Autor ablehnende, feindliche Seite
hat es ungleich schwerer einen Ansatz für Mißfallen und im extremsten Fall für Zensur
zu finden, was für den Leser von Vorteil ist, da er den unverfälschten Text und somit
dessen Mitteilung des Autors erhält.
In gewisser Weise ist die dem Autor feindlich
gegenüberstehende Seite, also die Zensur, gleichzeitig der Beste verbündete des Autors,
dies in der Natur der Zensur, den "die Zensur drückt nicht nur die Literatur
darnieder, sie ist zugleich der größte Produzent dessen, was zu verhindern sie
angetreten ist.
" Becker vergleicht diesen Sachverhalt mit einer Statistik, die
Brandstifter nach Berufsgruppen versucht einzusortieren und aus der hervorgeht, daß
Feuerwehrleute die am häufigsten vertretene Berufsgruppe ist.
Für Becker war also das Schreiben ein Mittel
seine Umgebung zum Nachdenken anzuregen, sie eventuell in Unruhe zu versetzen um
Veränderungen zu bewirken. Wobei diese Unruhe sich über territoriale Grenzen
hinwegsetzen muß um eine Legitimation zu besitzen und um wirksam werden zu können.
Diese Eigenschaft ist es, die Becker an
heutigen Autoren und ihrer Literatur zu vermissen scheint. Er sagt hierzu:
Volksschädlinge wie Brecht, Nestbeschmutzer
wie Arno Schmidt, Schmeißfliegen wie Böll leben noch als literaturhistorische
Merkwürdigkeiten fort, die auf eine weise, wie es heute kaum mehr verständlich scheint,
von ihren politischen und sprachlichen Angelegenheiten besessen waren. Ihre Nachfolger
lösen den Laden allmählich auf.
Offenbar gibt es nichts mehr, wofür es sich bis an den
Rand der Existenz - und das muß nicht der physische, es kann auch der geistige Rand sein
- einzusetzen lohnte: so scheinen sei eine Grundüberzeugung dieser Gesellschaft
widerzuspiegeln. Sie bringen eine Literatur hervor, die von Einverständnis überquillt
und in ihrer Freundlichkeit an Privatfernsehen erinnert. (Jurek Becker, Vorlesungen, 58f)
Jurek Becker ganz persönlich
Etwas zu Becker persönlich zu sagen ist eine
schwere, wenn nicht sogar unmögliche Aufgabe. Darum lassen wir den Autor Becker einfach
selber etwas über sich sagen um einen Eindruck über ihn zu gewinnen.
Wann ich geboren wurde oder was ich in meinem
Leben geschrieben habe, wie meine Beziehung zu meinem Vater war dürfte ihnen eigentlich
hinlänglich bekannt sein. Darum werde ich ihnen etwas über mich erzählen.
Es sind
persönliche Dinge wie zum Beispiel Dingen die ich mag oder die ich verabscheue oder meine
Vorlieben und Abneigungen.
Ich würde am Liebsten in einem Land leben,
in dem sich die Verhältnisse nach den wechselnden Wünschen der Bewohner richten, in
einem Land in dem es nur solche Fehler gibt, die nicht alles verderben, da solche Fehler
am ehesten zu entschuldigen sind. Es muß ein Land sein in dem ich Leopold Bloom, Stiller,
Philip Marlowe, Lotte Kestner und Lolita begegnen kann. Die Helden dieses Landes sollten
Brecht, Rilke, Kafka und alle Wehrkraftzersetzer sein und indem Cézanne, Chagall und
Kinder eine Landschaft voller Maiglöckchen gestalten. Es muß ein Land sein dessen Hymne
von Bach ist. Dieses Land sollte durch die Intelligenz und Entschlußkraft der Männer und
der Klugheit und Anteilnahme der Frauen gesteuert werden, so das Reformen nicht mehr
nötig sind.
In diesem Utopia sollte die Klugheit die wichtigste aller Tugenden sein und
die Ungeduld unbekannt sein. Es sollte jeder nach seinen Bedürfnissen glücklich werden.
Die Menschen Dort sollten Ruhe und Gelassenheit besitzen, sie sollten sich sicher sein um
auch unvorstellbares vorstellbar machen zu können. Es gibt dort auch keine Herrenmenschen
welche das Land mit Krieg überziehen um sich mit militärischen Leistungen zu schmücken
und die Menschen Angst haben müssen einen atomaren Krieg im Bunker zu überleben.
Vielmehr sollte es ein Land sein indem man
zufrieden und ohne Angst mit geschlossenen Augen sterben kann.
Literaturhinweise
Alle Informationen und Zitate stammen soweit
nicht anders angegeben aus folgenden Erscheinungen
Jurek Becker Herausgegeben von Irene
Heidelberger-Leonard Suhrkamp Verlag
Jurek Becker Warnung vor dem Schriftsteller
Drei Vorlesungen in Frankfurt Suhrkamp Verlag
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