Hl wagner: kindermördern
Heinrich Leopold Wagner
Geboren am 19.2.1747 in Straßburg
gestorben am 4.3.1779 in Frankfurt/M.
Heinrich Leopold Wagner wurde am 19.
Februar 1747 als erstes Kind eines Kaufmanns in Straßburg geboren. Nach der Schule begann er ein Jura-Studium und lernte während dieser Zeit Goethe, Lenz und Jung-Stilling (3 hochbegabte Jungpoeten) kennen. Die unsichere wirtschaftliche Lage seiner Familie zwang ihn dazu sein Studium abzubrechen und eine Hofmeisterstelle beim Präsidenten von Günderode in Saarbrücken anzunehmen (1773/74). Seine dortigen Dichtanfänge waren vornehmlich lyrisch und wurden zum Teil veröffentlicht. Nach dem Sturz des Präsidenten von Günderode trat der Hofmeister Wagner mit solchem Eifer bei dem dortigen Fürsten für seinen Arbeitgeber ein, dass er im Mai 1774 auf höchsten Befehl das Land verlassen musste. Über Zweibrücken und Gießen kam er im Frühjahr 1775 nach Frankfurt und schrieb die Werther-Satire Prometheus, Deukalion und seine Recensenten, die Familienszene Der wohlthätige Unbekannte und das Schauspiel Die Reue nach der That.
1776 war Wagner wieder in Straßburg, wo er das Trauerspiel Die Kindermörderin verfasste und im August das juristische Doktorexamen bestand. Zurück in Frankfurt, legte er am 21. September den Advokateneid ab und wurde Bürger der Stadt. Im Oktober heiratete er eine 17 Jahre ältere Witwe. Im Mai 1777 reiste Wagner nach Straßburg und hielt sich in Emmendingen bei Johann Georg Schlosser, Goethes Schwager, auf. Nach dem Tod seiner Frau führte Wagners Schwester den Haushalt.
Wagner selbst starb am 4. März 1779 in Frankfurt im Alter von 32 Jahren an Tuberkulose.
Weitere Werke:
· 1775 Prometheus Deukalion und seine Recensenten (Farce)
· 1775 Die Reue nach der That (Tragödie)
· 1776 Die Kindermörderin (Tragödie)
· 1776 Leben und Tod Sebastian Silligs (Romanfragment)
Die Kindermoerderin
Wichtigsten Personen:
Martin Humbrecht: Metzger
Evchen Humbrecht: Hauptperson des Stücks, Tochter des Metzgers
Frau Humbrecht: Mutter von Evchen
Magister Humbrecht: Vetter von Martin Humbrecht
Leutnant von Gröningseck: Evchens Geliebter
Leutnant von Hasenpoth: von Gröningsecks Zimmergenosse
Inhaltsangabe:
Das Stück handelt von einem Mädchen namens Evchen, das vom Leutnant von Gröningseck verführt wird und so in ihr Unglück gestürzt wird. Evchen geht mit ihrer Mutter ohne Erlaubnis Ihres Vaters auf einen Ball. Nach dem Ball gehen der Leutnant von Gröningseck, Evchen, und Frau Humbrecht auf ein Zimmer. Dort verabreicht von Gröningseck Evchens Mutter Punsch mit Schlafpulver.
Dann will er Evchen verführen, was ihm auch gelingt, und verspricht ihr sie in fünf Monaten zu heiraten.
Evchen verfällt aber in Depressionen, weil sie es niemandem erzählen kann. Herr Humbrecht findet, sie sei viel zu jung und hätte auf einem Ball eigentlich überhaupt nichts zu suchen. Als sich Magister Humbrecht, ein Geistlicher und Herrn Humbrechts Vetter, einmischt und meint, dass auch er schon öfters auf einem Ball gewesen sei, verlässt Evchens Vater wütend den Raum. Doch auch Leutnant von Gröningseck wird vom schlechten Gewissen geplagt. Er liebt Evchen wirklich und bereut zutiefst, ihr diese Schande angetan zu haben.
Zu allem Überfluss bemerkt sein Zimmerkollege, Leutnant von Hasenpoth, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Hasenpoth weiß, dass von Gröningseck mit Evchen geschlafen hat, weil dieser von ihm das Schlafpulver für die Mutter bekommen hat. Als der Magister kommt und erzählt, dass Evchen in letzter Zeit sehr melancholisch sei und niemand sie aufheitern könne, lässt ihr von Gröningseck durch den Magister ausrichten, dass er mit ihr fühle und er hoffe, dass es ihr bald wieder besser gehe. Da kommt der Major und sagt von Gröningseck, dass sein Urlaub genehmigt worden ist. Von Gröningseck ist froh darüber und erzählt von Hasenpoth, dass er Evchen, sobald er von seinem Urlaub zurückkommt, heiraten will.
Währenddessen hat sich an Evchens Zustand noch immer nichts geändert.
Ihre Mutter, die sich sehr um sie sorgt, möchte unbedingt von Evchen wissen, was los ist. Doch Evchen kann es ihr nicht sagen, da sie sich zu sehr vor ihrem strengen Vater fürchtet. Als ihr Vater hereinkommt und Evchens Gesicht sieht, glaubt er, sie habe ihrer Mutter alles gebeichtet. Darüber ist er sehr erleichtert und er und seine Frau lassen Evchen alleine. Da kommt Leutnant von Gröningseck in Evchens Zimmer und verspricht dem verzweifelten Mädchen, sie nach seinem Urlaub zu heiraten. Evchen meint, dass er nichts versprechen solle, was er nicht halten kann, und sagt, dass sie sich und das Kind eher umbringen würde, als dass sie mit dieser Schande leben würde.
Außerdem möchte sie ihren Eltern das nicht antun.
Ein paar Wochen später bekommt Evchen einen Brief vom Leutnant von Gröningseck, in dem dieser vorschlägt, dass sie doch lieber von Hasenpoth heiraten solle, da er nicht der Richtige für sie wäre. Enttäuscht und betrogen läuft Evchen weg. Sie sagt nur der Hausmagd Bescheid. Am Morgen kommt der Magister und liest Herrn Humbrecht einen Brief vor, in dem steht, dass Evchen ein Kind von Gröningseck bekommen würde. Um das alles aufzuklären will Herr Humbrecht Evchen holen und erfährt von Lissel, ihrer Hausmagd, dass sie weggelaufen ist.
Der Polizeihelfer und sein Chef Herr Fiskal leiten sofort die Suche nach Evchen ein, da man befürchtet, sie könnte sich etwas antun.
Einige Monate später bekommt Evchen, die bei Frau Marthan, einer Lohnwäscherin, Unterschlupf gefunden hat, ihr Kind. Frau Marthan weiß nicht, wer Evchen ist. Sie glaubt, dass sie das ehemalige Stubenmädchen der Humbrechts sei. Als Evchen von Frau Marthan erfährt, dass ihre Mutter an gebrochenem Herzen gestorben ist, beichtet ihr Evchen, wer sie wirklich ist. Es wurde eine Belohnung für denjenigen ausgesetzt, der etwas von Evchen hört und deshalb schickt sie Frau Marthan zu ihrem Vater, damit sie sich die Belohnung holen kann.
Während Frau Marthan Evchens Vater holt, bringt Evchen aus einer tiefen Depression heraus ihr Kind um.
Zunächst macht ihr ihr Vater nur Vorwürfe, doch als ihm Frau Marthan ins Gewissen redet, verzeiht er Evchen. Der Magister kommt und sagt, dass der Brief, den Evchen von von Gröningseck bekommen hat eine Fälschung von von Hasenpoth ist und dass dieser tatsächlich noch immer vorhat Evchen zu heiraten. Doch Evchen glaubt das nicht mehr und als ihr Vater sieht, dass sie ihr Kind ermordet hat, verstößt er sie abermals. Die Polizei kommt und Evchen wird zum Tode verurteilt. Evchen selbst sieht diese Verurteilung als ihre gerechte Strafe an.
Zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte
Wagner schrieb sein Trauerspiel Die Kindermörderin, nachdem ihm Goethe von seinem Faust-Plan (besonders der Gretchen-Tragödie) erzählt hatte, Anfang des Jahres 1776 und verlas es am 18. Juli desselben Jahres unter großem Beifall vor der deutschen Gesellschaft in Straßburg. Das Stück erschien anonym in Leipzig im Druck, die Aufführung wurde aber wegen der "Unanständigkeit" des Werkes verboten.
Interpretation
Das Drama "Die Kindermörderin" ist ohne Zweifel ein scharfer Angriff an damalige gesellschaftliche Strukturen und Werte. So wundert es auch nicht weiter, dass das Stück in seiner Urform zu damaligen Zeiten nicht aufgeführt wurde, sondern nur in seinen abgeschwächten, entschärften Nachfassungen und Umarbeitungen. Zunächst anonym erschienen, wurde es von Karl Lessing zu einer bühnentauglichen Fassung umgeschrieben.
Diesem Vorhaben fielen der erste Akt, die Verführung, und das dramatische Ende zum Opfer.
In einer weiteren Nachbearbeitung, diesmal von Wagner selbst, verhält es sich nicht anders. Das dramatische Ende wandelt sich zu einem ,Happy End' mit reuiger und vergebender Einsicht der Eltern, beide leben sie noch und der Verheiratung v. Gröningecks mit Evchen. Sogar das Kind überlebt die Handlung, weswegen der Titel nun auch ,Evchen Humbrecht oder Ihr Mütter merkts euch!' lautet.
Die Botschaft des Stücks ist ziemlich deutlich: Junges Mädchen verliebt sich in Mann anderen Standes, wagt aber nicht aus der Umarmung ihres konservativen Vaters auszubrechen.
Die Schwangerschaft verschärft die Lage noch zusätzlich, schließlich ist so eine voreheliche Empfängnis nicht ganz nach Vaters Moralvorstellungen. Die obligatorische Eskalation der Situation zu einem Säuglingsmord rundet die Sache nur noch ab. Das kommt halt davon! Ja, nämlich von zu sturen Moralvorstellung, die Wagner als Aufklärer natürlich aufweichen wollte.
Heute ist der Inhalt nur mehr wenig bis überhaupt nicht skandalträchtig. Bei den heutigen Wertvorstellungen unserer Gesellschaft dürfte es schwer fallen mit diesem Stück überhaupt noch jemanden zum Nachdenken zu bewegen. Ansonsten ließt sich der Text durch ungewohnte Grammatik und Schreibweise etwas schwierig, kann aber stellenweise durchaus fesseln.
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