Besuch der alten dame/dürrenmatt
Dieses Stück stellte sich als ein Riesenerfolg für Dürrenmatt. Dieses Stück hatte eine durchschlagende Wirkung und wurde das meistgespielte und von den Literaturkritikern meistanalysierte Stück Dürrenmatts und machte aus Dürrenmatt über Nacht einen weltberühmten Autor. Es war so erfolgreich, dass das Stück schon zwei Jahre später eine Broadway-Bearbeitung von von Maurice Valency (The Visit) und 1964 wieder eine gleichnamige Verfilmung von Ben Barzman erlebte. Diese Amerikanisierung des Stückes baute Dürrenmatts Ruhm weiter in Amerika aus. Die amerikanischen Verarbeitungen veränderten aber die dichterische Absicht dieses Stückes. Es handelte sich bei ihnen um eine Entschärfung der bitteren gesellschaftlichen Entlarvung und Entfernung der moralischen Abrechnung.
Der Filmverarbeiter beispielsweise strich nicht nur den Mord an Serge Miller (statt Ill, um die Assonanz von "ill" ["krank"] zu vermeiden) weg, sondern verwandelte auch den grotesken Schluss dieser tragischen Komödie in ein Hollywood-spezifisches und durch die konventionelle Sentimentalität kennzeichnetes happy ending. Karla verzeiht nicht nur allen, einschließlich Serge Miller, sondern schenkt auch großzügig Güllen die Million. Dürrenmatt war mit diesen amerikanischen Revisionen des Stückes nicht besonders glücklich und wies 1980 darauf hin, dass dieses Stück sein "missverstandenste" Stück sei. 1992 ergab sich eine afrikanische Verfilmung des Stückes in Senegal unter dem Titel Hyenès (Hyenas), die den grotesken Schluss des Besuch-Stückes Dürrenmatts ganz zeremoniell in afrikanischer Weise durchführt.
Personen:
Claire Zachanassian: Einst rot gelockter Wildfang, jetzt reichste Frau der Welt, außerdem wird sie versteinertes Götzenbild genannt. Sie fordert die Leiche Ills, da er sie in der Jugend im Stich gelassen hat.
Alfred Ill: In der Jugend Claras schwarzer Panther, dann verkrachter Krämer und am Ende ein geläuterter Held.
Bürgermeister: Das passende Wort zu jeder Gelegenheit (beherrscht Sprache der Politiker)
Der Lehrer: Er ist Humanist und am Ende Säufer
Der Pfarrer: Er hat Worthülsen für Seelenheil, er entlarvt sich durch Fraßen.
Die Güllener: Menschen wie wir alle. Sie repräsentieren eine ganz durchschnittliche Gemeinde mit ihren Schwächen und ihrer schlummernder Gewaltbereitschaft. Am Ende töten und konsumieren alle gemeinsam.
Toby
Roby
Koby: blind
Loby: blind
Inhalt:
Das kleine Städtchen Güllen nahe der deutsch-schweizerischen Grenze, eine einst stolze und wohlhabende Stadt, ist völlig verschuldet.
Nun klammert man sich verzweifelt an die letzte große Hoffnung : den Besuch der alten Dame Claire Zachanassian, die in ihrer Jugend selbst in Güllen lebte und nunmehr, durch das Erbe ihres ersten Mannes, eines armenischen Ölscheichs, zur Milliardärin avanciert ist. Sie ist auch, wie sich später herausstellt, verantwortlich für die finanzielle Misere Güllens. Von der alten Dame, die mittlerweile mit Ehemann Nr. 7 unterwegs ist, erhoffen sich die Bürger der Stadt eine Finanzspritze, die Güllen wieder auf die Beine helfen soll. Ihre Jugendliebe Alfred Ill, ein Krämer, soll sie bei ihrem Besuch unterhalten und in Spenderlaune bringen. Für Ill ist diese Aufgabe denkbar ungünstig, denn er hatte sich in seiner Jugend von seiner damaligen Freundin, der alten Dame nämlich, abgewandt, als diese von ihm schwanger war, und sie durch eine Falschaussage an den Rand des sozialen Abgrundes getrieben.
Dies wird ihm jetzt zum Verhängnis, denn die alte Dame erklärt, sie wolle den Güllenern nur dann eine großzügige Geldspende zukommen lassen, wenn sie sich dafür "Gerechtigkeit" und "totale Rache" erkaufen könne, sprich das Recht, Alfred Ill tot zu sehen. Zunächst lehnen die Bürger den Vorschlag "im Namen der Gerechtigkeit" entrüstet ab, doch schon bald wird die Gier nach den dringend benötigten Geld stärker als alle moralischen Hemmschwellen. Sie beschließen Ill zu töten. Ill, vom Schicksal gebeutelt, stimmt letztlich resigniert seiner Strafe zu und sieht seinem Ende entgegen. Der Arzt diagnostiziert kurz darauf einen Herzschlag und die Stadt Güllen feiert die noble Spenderin Claire Zachanassian.
Interpretation:
Die eigentliche tragische Komik des Stückes besteht in der Entwicklung der Charaktere.
Auf der einen Seite sind da die Bürger Güllens, die sich im Laufe der Geschichte von ehrlichen, menschlichen Bürgern zum besten Beweis dafür entwickeln, dass eben doch jeder käuflich ist. Dem gegenüber steht Krämer Alfred Ill, der sich mit der Zeit als der Einzige entpuppt, der ein sittliches Bewusstsein entwickelt.
Allein die zeitliche Ausdehnung, immerhin 45 Jahre, in denen Claire Zachanassian auf ihre Rache wartet wirkt schier übermenschlich und die alte Dame erscheint als Herrin über Leben und Tod. Wie eine kühl berechnende Schachspielerin wartet sie auf den richtigen Moment um ihre Spielfiguren, die Bürger Güllens, auf Ill loszulassen und ihrem Rachegefühl Genüge zu tun. Eigentlich hätte die alte Damen, die nur noch aus Prothesen zu bestehen scheint, längst gestorben sein sollen, doch um ihre Übermacht zu demonstrieren lässt sie der Autor sogar als einzigen Passagier an Bord einen Flugzeugabsturz unbeschadet überstehen.
Dürrenmatt zieht in seiner Komödie zahlreiche Parallelen zur griechischen Tragödie, in der Themen wie "Verhängnis und Gericht", "Schuld und Sühne", "Rache und Opfer" immer wieder zusammenlaufen.
Der weise Spruch "Geld ist Macht" findet in diesem Stück volle Bestätigung. Zum einen in der Tatsache, dass die alte Dame die Güllener mit ihrer Finanzkraft in den finanziellen Ruin getrieben hat und die Bürger von ihrem Wohlwollen abhängig sind, zum anderen in dem Fakt, dass die Güllener durch das ihnen angebotene Geld erst recht in den Sumpf von Unmenschlichkeit rutschen, der zu guter Letzt sein Opfer fordert. Sie werden zu willenlosen Werkzeugen der alten Dame, die eigentlich nur das eine will : Alfred Ill's Tod.
Schlussgedanke:
Natürlich geht es dem Autor in diesem Stück nicht darum, die banale Wahrheit "Mit Geld lässt sich alles kaufen" durch eine Bühnenparabel zu erhärten. Vielmehr wollte er zeigen, dass die Aussicht auf die Milliarde das "sittliche Gewissen" der Güllener so mobilisiert, dass sie in der Tat Gerechtigkeit zu üben glauben, wenn sie ihren Mitbürger Ill töten. Kein Mensch hätte je danach gefragt, wenn einer aus ihrer Mitte ein armes Mädchen hätte sitzen lassen - der "Frevel an der Milliardärin" aber verlangt Sühne.
Mag das Recht auch eine integrale Größe sein, die "Gerechtigkeit" ist eine relative und wird dem Zuteil, der sie zu kaufen vermag. Dies ist die vernichtende Vorstellung dieser wirklich tragischen Komödie.
Die tragische Komödie spielt in der fiktiven Kleinstadt Güllen irgendwo in Mitteleuropa. Zeit der Handlung ist die Gegenwart. Schauplätze der Handlung sind in oder um Güllen: der Bahnhof, eine Waldlichtung, eine Scheune, en Wirthaus und ein Laden. Diese Inhaltsangabe beruht auf der Neufassung 1980.
Akt I
Auftretende Personen: vier Männer, der Maler, der Bürgermeister, der Pfarrer, der Lehrer, der Pfändungsbeamte, Ill, Claire Zachanassian, der Butler, der Bahnhofsvorstand, Gatte VII, der Zugführer, der Polizist, der Arzt, die Beiden, der Turner
Vier Männer schauen an einem heißen Herbsttag den vorbeirasenden Expresszügen nach. Ein fünfter, der die Ecole des Beaux-Arts besucht hat, beschreibt ein Transparent: "Willkommen Kläri". Vor fünf Jahren noch hielten Züge hier an dieser kleinen Kulturstadt an; doch inzwischen ist das Städtchen Güllen wegen bankrotter Wirtschaft verarmt und zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken. Das ganze Kleinstadt vegetiert von der Arbeitslosenunterstützung inmitten Europas, das mit der Hochkonjunktur gesegnet ist. (S.13-14)
Die Kleinstadt erwartet einen hohen Gast.
Die als wohltätig bekannte Multimilliardärin Zachanassian wird ihrer Heimatstadt einen Besuch abstatten. Der gerade vom Personenzug ausgestiegene Reisende ist jedoch der Pfändungsbeamte, der die ganze Stadt pfänden soll. (S.15-17) Ein Jugendfreund namens Alfred Ill soll Klara Wäscher, so hieß Zachanassian, erzählt dem Pfarrer und Bürgermeister, wie schön, gerechtigkeitsliebend, und wohltätig sie war. Er soll dann zu einer großzügigen Spende zugunsten der Stadt überreden. Der Bürgermeister teilt den Bürgern mit, wie er sich anziehen wird und wie der Empfang stattfinden soll.
(S. 17-21)
Plötzlich hört man kreischende Bremsen und sieht erstaunt den D-Zug, der hier seit langem nur vorbeisaust, zum erstenmal anhalten. Die alte Dame ist mit dem Schnellzug angekommen, den sie kurzerhand mit der Notbremse gestoppt hat. Den empörten Zugführer fertigt sie mit Tausend an ihn persönlich und Dreitausend an eine noch zu gründende Stiftung ab. Der Zugführer muss mit den ahnungslos im Speisewagen speisenden Reportern wegfahren. (S.
21-25)
Nach der vom Rattern des vorbeirasenden Zugs verschlungenen Empfangsrede des Bürgermeisters wendet die Milliardärin sich Ill zu. Auf seine Schmeicheleien erwidert sie einfach: Sie sei alt und fett geworden und könne wegen eines Autounfalls nur mit einer Beinprothese gehen. Dann stellt sie ihm ihren siebten Gatten vor. Das feierliche Singen des gemischten Chors und der Jugendgruppe muss wieder mit dem Rattern eines neuen Zuges kämpfen. (S.25-29)
Dann stellt der Bürgermeister ihr Polizeiwachtmeister Hahnecke, Pfarrer und Arzt vor.
Sie bemerkt boshaft zu ihnen, dass der Polizist beide Augen zudrücken soll und man werde die Todesstrafe vielleicht wieder einführen. Sie will Güllen sehen und lässt sich von ihren Dienern mit einer Sänfte in die Stadt tragen. Die Hochrufe der Güllener dämpfen sich verdutzt, als sie zwei Dienstmänner einen schwarzen kostbaren Sarg in die Stadt tragen sehen. (S.29-32)
Zwei blinde alte Männer im Gefolge der alten Dame, Koby und Loby, stellen sich dem Polizisten vor. Während Unmengen von Koffern, neben dem Sarg und einem schwarzen Panther ins Hotel "Goldenen Apostel" getragen werden, unterhalten der Bürgermeister und der Lehrer über den Panther und den Sarg, die die Milliardärin mitgebracht hat.
Während der Bürgermeister Ills leichte Auffassung wiederholt, bringt der Lehrer seine furchtbare Ahnung zum Ausdruck und bezeichnet die alte Dame "griechische Schicksalsgöttin". Der Polizist berichtet ihnen, wie Claire mit Ill ihre einstigen Liebesstätten besucht. (S.32-35)
Die vier Güllener Männer spielen den Konradsweilerwald, im dem sich Zachanassian und Ill ein Gespräch führen. Sie erinnert sich an ihre frühere Liebe in diesem Wald. Er beschwört, damals seine Frau Mathilde Blumenhard nur Klare zuliebe geheiratet zu haben.
Er führe eine erbärmliche Existenz wie alle Güllener, die Millionen von ihr erwarteten. Gerührt durch Claires Bemerkung, sie könne mehr geben, schlägt er auf ihren linken Schenkel, der sich als eine Prothese herausstellt. Dann küsst er ihre rechten Hand, eine andere Prothese. Claire erklärt ihm, fast alles an ihr sei Prothese wegen eines Flugzeugabsturz in Afghanistan. (S.35-40)
Nach ihrer Rückkehr begrüßen die Güllener begeistert die Milliardärin im Goldenen Apostel.
Sie stellt seltsame Fragen an den Turner, ob er schon einmal erwürgt habe. Der Bürgermeister und Ill stellen ihr ihre Frauen vor. Claire erklärt, sie werde sich scheiden lassen. Der freudestrahlende Bürgermeister hält eine Ansprache, in der er Claire vielseitig anpreist. Zachanassian stellt diese Behauptung richtig und verspricht, scheinbar gerührt, Güllen eine Milliarde zu schenken. Dafür will sie nur die Gerechtigkeit als Bedingung.
Ihr Butler Boby, der ehemalige Oberrichter, tritt vor und erklärt: Alfred Ill habe im Jahr 1910 eine Vaterschaftsklage von Klara Wächter verhindert habe, indem er zwei Zeugen bestochen habe, zu seinen Gunsten auszusagen. Die beiden blinden Männer werden hereingeführt und bekennen sich als die damaligen falschen Zeugen. Ill behauptet, dass alles verjährt sei. Claire erklärt, dass das Kind nur ein Jahr lebte und sie eine Dirne wurde. Sie verkündet die Bedingung ihrer Milliardenspende: Jemand soll Alfred Ill töten. Der Bürgermeister lehnt entsetzt ihr Angebot im Namen der Menschlichkeit ab.
Sie antwortet aber gelassen, daß sie abwarte. (S.40-50)
Akt II
Auftretende Personen: Ill, sein Sohn und seine Tochter, zwei Männer, zwei Frauen, Claire Zachanassian, Gatte VIII, der Butler, der Bürgermeister, der Pfarrer, der Lehrer, der Polizist, der Arzt, der Bahnhofsvorstand, der Kondukteur
Ill und sein Sohn sehen, wie Roby und Toby Kränze und Blumen wie zu einer Beerdigung ins Hotel tragen. Ill ist sich der Solidarität seiner Mitbürger sicher und hat deshalb keine Angst. Er ist bereit mit seinem Sohn und seiner Tochter zu frühstücken. Beide müssen doch auf Arbeitssuche gehen.
(S.51-52)
Claire zieht ihre Prothesen an und vom Balkon her hört man einige Gitarrentakte spielen. Ein Mitbürger verlangt teurere Zigaretten aufs Kredit. Ill versteht das als eine solidarische Tätigkeit. Sie sprechen über Claires Verlobung mit dem achten Gatten. Auf dem Balkon erklärt Claire, dass ihr erster Mann, dessen Namen sie immer trägt, ihr großes Vorbild sei.
Sie wird den achten Gatten heiraten. Zwei Frauen kaufen Milch, Schokoladen und andere Dinge auf Kredit. Ill bringt einerseits seine Unzufriedenheit mit "sündhaft teuren Sorten" der Zigarre, die Claire raucht, und andererseits seine Zufriedenheit mit der einmütige Ablehnung des Milliardenangebots durch die Güllener. Als er plötzlich alle neue Schuhe tragen sieht, ist er nicht mehr so sicher. (53-61)
Er beeilt sich zur Polizei und verlangt, die Milliardärin wegen Anstiftung zum Mord zu verhaften. Doch der Polizist sieht keinen ausreichenden Grund dafür und erklärt, dass der Preis von einer Milliarde übertrieben sei und damit der Vorschlag nicht ernst gemeint sei.
Übrigens sei niemand bereit, diesen Vorschlag auszuführen. Ill sieht plötzlich, dass der Polizist nicht nur auch neue gelbe Schuhe trägt, sondern teures Bier trinkt und einen neuen Goldzahn hat. Ill sieht sich vom Polizisten mit dem Gewehr gezielt, und dieser verabschiedet sich im Auftrag, Claires ausgebrochenen Panther zu jagen. (S.61-66)
Ill besucht den Bürgermeister. Er sieht, dass er nicht nur wegen des Panthers einen Revolver bei sich trägt, sondern auch eine teurere Sorte raucht, eine neue Krawatte, neue Schuhe und eine neue Schreibmaschine hat.
Auch der Bürgermeister erklärt, daß seine Furcht um eigenes Leben in einer humanistischen Gemeinde des Rechtstaats unnötig sei, obwohl er "zwei Burschen zu Meineid angestiftet und ein Mädchen ins nackte Elend gestoßen" habe. (S. 66-72) Als Claire sich für ihre Hochzeit vorbereitet, beklagt sich der achte Gatte über die Langeweile eines Kleinstädtchens. Ill flieht zum Pfarrer in die Sakristei. Der Pfarrer rät Ill, sich um sein ewiges Leben zu kümmern. Als Ill aufschreit: "Auch Sie, Pfarrer! Auch Sie!", muss Pfarrer ihm zur Flucht raten.
(S.72-76)
Der Panther ist vor Ills Laden totgeschossen. Die Güllener versammeln sich, Claire ihr Beileid auszudrücken. Ill vertreibt sie mit der Bemerkung, dass sie auf seinen Tod den Trauergesang üben. (S.76-77) Ill zwingt Claire, ihm zu sagen, dass alles nur ein grausamer Spass sei.
Diese spricht aber nur von ihrer gemeinsamen schönen Vergangenheit. (S.77-80) Als Ill mit einem Köfferchen zum Bahnhof flieht, kommen die Güllener von allen Seiten um ihn her, um ihn zu "begleiten" und von ihm "Abschied zu nehmen". Er sagt ihnen, dass er nach Australien auswandern wolle. Diese versichern ihm, dass er daheim am sichersten sei. Er teilt ihnen mit, dass die Post seinen Brief an die Regierung nicht schicke.
Die Güllener behaupten, dass der Postbeamte ein Ehrenmann sei. Sobald der Zug ankommt, glaubt Ill, daß die Güllener ihn vom Einsteigen zurückhalten würden. Alle beteuern ihm, das stimme überhaupt nicht und er habe nur den Zug zu besteigen. Der Bahnhofsvorstand gibt das Signal der Abfahrt. Der Zug fährt ohne Ill weg. Ill bricht zusammen, bedeckt sein Gesicht und wimmert, er sei verloren.
(S.80-85)
Akt III
Auftretende Personen: Claire, der Lehrer, der Arzt, Frau Ill, Ills Sohn und Tochter, vier Männer, der Maler, zwei Pressemänner, der Radiosprecher, der Kameramann, Gatte IX, der Butler, die beiden Eunuchen, der Bürgermeister, der Pfarrer, der Lehrer, der Polizist
In der Peterschen Scheune ist es erstickend schwül. Die Milliardärin sitzt hier und erinnert sich an ihre Jugend. Sie hat ihre Scheidung mit dem achten Gatten gleich nach der Hochzeit eingereicht. Der Arzt und der Lehrer besuchen sie und bitten sie um Hilfe für Güllen wegen der neuen Verschuldung der Güllener. Sie brauche nicht, eine Milliarde zu verschleudern.
Güllener werde florieren, indem sie die Platz-an-der-Sonne Hütte, Bockmann und Wagenwerke kaufe und sie saniere. Die Milliardärin erwidert, dass sie noch zwei Milliarden habe und sie diese Werke nicht kaufen könne, da diese wie die ganze Stadt schon ihr gehörten und alle Betriebe seien nach der Anschaffung schon stillgelegt. Die beiden Besucher sind mehr als überrascht und der Lehrer bittet Claire, den unheilvollen antiken Gedanken der Rache fallen zu lassen. Sie besteht aber darauf: "Die Welt macht mich zu einer Hure, nun mache ich sie zu einem Bordell." (S.86-91)
Ills Laden hat ein neues Aussehen: neue Inschrift, neuer blitzender Ladentisch, neue Kasse, kostbarere Ware.
Ill bleibt seit Tagen allen oben und geht ruhelos auf und ab. Frau Ill bedient fröhlich ihre Kunden, die auch glücklich scheinen. Die Volksmeinung verändert sich zuungunsten Ills. Die Güllener verurteilen nun ganz offen Ills jugendliche Sünde und erklären sich dazu bereit, einzuschreiten, wenn er den Journalisten Claire entlarvt. Der Lehrer lässt sich mit Schnaps bedienen. Zwei Pressemänner platzen mit Kameras in Ills Laden und interviewen Ills Frau und die anwesenden Kunden.
Sie fragen über die einstigen Beziehungen zwischen Claire, Ill und Ills Frau. Sie und die Güllener behaupten, dass sie und Ill aus Liebe heirateten. Der Lehrer tritt hervor und will im Namen der Menschlichkeit die Wahrheit verkünden. Alle Anwesenden, einschließlich Ills Frau und Tochter, sind empört und halten ihn für verrückt. Ill kommt hinzu und bringt den Lehrer zum Schweigen. Die Journalisten machen Aufnahmen von Ills.
Nachdem sie den Laden verlassen haben, warnt der Maler den Lehrer noch einmal davor, irgend etwas der Presse zu verraten. Die anderen Männer mahnen Ill, "klug, äußerst klug" zu bleiben und gehen weg. Der Lehrer bleibt und versucht noch einmal, Ill zur Selbstrettung zu ermutigen. Ill bekennt sich aber zur Schuld und will nicht mehr weiter kämpfen. Der Lehrer gesteht ihm, die Versuchung sei zu groß und auch er werde bald unter Ills Mördern sein. Ill sieht ein, dass auch seine Familie von dem steigenden Wohlstand profitiert.
(S.91-103)
Der Bürgermeister besucht Ill und bringt ihm ein Gewehr. Er teilt ihm mit, daß eine Gemeindeversammlung über seinen Fall abgehalten werde. Ill nimmt jeden Beschluss an, lehnt den Vorschlag des Bürgermeisters ab, mit dem Gewehr sich selbst hinzurichten. Der Bürgermeister verlässt Ill böse mit der Bemerkung, er habe seine letzte Chance verpasst, sich rein zu waschen (S.103-109)
Ill macht mit seiner Familie eine Rundfahrt im Auto seines Sohnes.
Ill will Güllen vom Auto aus sehen, wo er fast siebzig Jahre gelebt hat. Er lässt am Konradsweilerwald anhalten und nimmt Abschied von seiner Familie. Er will durch den Wald ins Städtchen gehen. (S.109-113)
Ein letztes Mal trifft er mit Claire und ihrem Gatten IX, einem Nobelpreisträger, zusammen. Sie schickt ihren Gatten zur historischen Ruine und sie sprechen über den neuen Wohlstand, Claires neunten Gatten, die beiden Eunuchen und ihr gemeinsames Kind.
Das Mädchen starb mit einem Jahr an Hirnhautentzündung, nachdem Ill Klara auf Stich gelassen hat. Dann sprechen sie ganz offen von Ills bevorstehenden Tod. Claire teilt ihm mit, dass sie für ihn ein Mausoleum auf Capri errichtet habe. (S.113-118)
Die Versammlung geht ganz wie geplant vor. Nach dem Bürgermeister gibt der Lehrer eine Rede, in der er die Milliardenspende Claires und Ihr Ziel dieser Spende --Gerechtigkeit--betont.
Danach lässt der Bürgermeister abstimmen. Die Abstimmung verläuft einstimmig. Als Ill nach der Versammlung gehen will, hält ihn der Polizist zurück. Die Tür des Versammlungssaales wird verschlossen. Die Güllener bilden eine Gasse und sie umringen den Unglücklichen, als er sie entlangschreitet. Den Reportern erklärt man: Tod durch Freude.
Ill wird gemeinsam ermordet. Als man Ill endlich in den lange leer gebliebenen Sarg legt, wird der Scheck überreicht. Claire verlässt das Städtchen mit dem Sarg Ills; die Güllener nehmen einen feierlichen Abschied von ihr, indem sie den von Claire gebrachten Wohlstand und Frieden anpreisen. (S.118-134)
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