Stierkämpfe
Stierkämpfe in Spanien
Seit rund 400 Jahren werden in Spanien Stierkämpfe ausgetragen. Die Regeln und der Ablauf eines Kampfes sind heute beinahe so grausam wie in früheren Jahren. Damit der Stier möglichst aggressiv in die Arena schiesst, wird er ca. 24 Stunden vorher allein in einen engen, völlig dunklen Raum gesperrt. Auf einer Anzeigetafel in der Arena werden sein Name, sein Alter und sein Gewicht bekannt gegeben. In der ersten Phase wird das Tier, geblendet vom jähen Sonnenlicht, mehrmals quer durch die Arena gehetzt, indem die Toreros den Stier mit dem Tuch (Capa) reizen, bis er sich etwas beruhigt hat.
Nun leitet das Horn die zweite Phase ein, die Suerte de varas, die Lanzenphase, und bald wird das erste Blut fliessen. Der Picador, manchmal sind es auch zwei, reitet ein schweres Arbeitspferd und stellt sich am Rand der Arena auf. Damit das Pferd gegen die spitzen Hörner des Stiers geschützt ist, wird es rundherum gepolstert. Besonders gut an der rechten Seite, da darauf geachtet wird, dass der Stier immer von rechts angreift. Dieser ca. 60 Kilo schwere Schutzmantel ist erst seit der Reform der Stierkampfverordnung im Jahre 1928 Vorschrift.
Früher wurden die ungeschützten Pferde pro Saison zu Hunderten von den Stieren verletzt oder getötet. Jedes Pferd würde seinem gesunden Instinkt folgen und sofort flüchten, wenn ein Stier angreift. Deshalb werden ihm beide Augen mit einem dicken Tuch verbunden. Das verängstigte Pferd muss sich also völlig blind in der Arena bewegen und darauf warten, dass ein über 500 Kilo schwerer Stier ihm seine spitzen Hörner in die Seite stösst. Da der Schwerpunkt beim Pferd sehr hoch liegt, kann es durchaus vorkommen, dass es unter der Wucht des Anpralls stürzt oder vom Stier hochgehoben wird. Die Helfer des Picadors führen das Reittier und schlagen mit Stöcken auf das Pferd ein, wenn es nicht gehorcht, oder sie stützen es auf der einen Seite, wenn der Stier auf der anderen Seite angreift.
Der Picador stösst nun dem angreifenden Stier mehrmals die Lanzenspitze zwischen die Schulterblätter. Die Nackenwunden schwächen den Stier, und die Schmerzen zwingen ihn, Kopf und Hals zu senken, was die weitere Arbeit und Quälerei erleichtert. In der nächsten Phase werden dem Stier die Banderillas, 70 bis 80 cm lange, bunt geschmückte Spiesse mit Widerhaken, in die vordere Rückenpartie gesteckt. Im letzten Drittel, der Suerte de matar o de la estocada, erfolgt der Todesstoss. Dabei stösst der Matador dem vor Schmerzen brüllenden Stier einen ca. 90 cm langen Degen zwischen die Schulterblätter.
Selten bricht das Tier sofort zusammen, meist wird der Degen wieder herausgezogen, und der Matador sticht erneut zu. Trotz der schweren Verletzungen kämpft der Stier gegen den Tod. Das Blut läuft ihm aus Mund und Nase, schwankend sucht er einen Platz zum Sterben. Unter dem frenetischen Beifall einer aufgeheizten Zuschauermenge bricht das Tier zusammen. Nun erhält es von einem Helfer des Matadors mit einem Dolch den Gnadenstoss, bevor der Kadaver von drei Mulis aus der Arena geschleift wird. Wenn der Matador seine Sache gut gemacht hat, bekommt er ein Ohr zur Belohnung, manchmal beide oder auch den Schwanz des Stiers.
Stierkämpfe in Portugal
In Portugal ist der Stierkampf weniger verbreitet als in Spanien und erfreulicherweise auch nicht so brutal. Der Stierkampf in Portugal, Tourada genannt, unterscheidet sich von den spanischen Kämpfen hauptsächlich darin, dass der Stier zwar in der Arena gequält und verletzt wird, sie aber lebend verlassen darf. Getötet wird er dann von einem Metzger, ausserhalb des Kampfplatzes und nicht unter den Augen der Zuschauer.Ein Stierkampf beginnt mit der Vorstellung der Akteure, das sind die Cavaleiros, die Reiter, auch Rejoneadores genannt. Sie werden begleitet von Helfern, den Toureiros und den Forcados, zwei Gruppen von je acht Männern. Wie in Spanien rast der Stier wie aus der Kanone geschossen in die Arena und wird von den Toureiros mit ihren gelben und violetten Tüchern (Capas) von der einen Seite zur anderen gejagt.
Nachdem sich der durch die dunkle Einzelhaft hervorgerufene Bewegungsdrang des Stiers etwas gelegt hat, tritt der bis dahin in der Mitte der Arena unbeteiligt wartende Reiter in Aktion. Er trägt traditionsgemäss die Kleidung eines Adligen aus dem 18. Jahrhundert: federgeschmückten Dreispitzhut, Kniestiefel und einen prunkvollen Frack. Seine Aufgabe besteht darin, den Stier zu reizen und zu provozieren, um dann dem Angriff geschickt auszuweichen. Dabei rammt er dem Stier Pfeile und Banderillas in den Nacken. Aus Rücksicht auf die Pferde werden die Hörner des Stiers mit gepolsterten Schutzhüllen (Emboladas) versehen, nachdem die Spitzen abgesägt wurden.
Trotzdem ist es keine Seltenheit, dass ein Pferd von einem Stier verletzt wird. Die Zuschauer beurteilen den Reiter nach seinem Mut und nach der Geschicklichkeit mit der er sein Pferd jeweils aus der Reichweite des Stiers bringt. Je riskanter er sich dem Stier nähert, um so grösser ist der Beifall der Zuschauer bei dem Nervenkitzel. Damit sein Tier immer topfit ist, wechselt der Reiter bei einem Kampf von rund 20 Minuten Länge dreimal das Pferd. Bei den Pferden handelt es sich meist um Lusitanos, die sich, abgesehen von den durch die Sporen verursachten Narben, in einem absolut gepflegten Zustand befinden. Der Lusitano ist dank seinem Mut, seinem Temperament und seiner Wendigkeit das ideales Pferd für den Stierkampf.
Ausserdem eignet er sich natürlich auch für die Hohe Schule. Gerade bei bekannten Veranstaltungen bekommt man einen Eindruck von der perfekten Reitkunst einiger Rejoneadores. Leider wird die Freude über das Können dadurch getrübt, dass zweifellos Tiere dabei leiden müssen. Dies geht unter anderem daraus hervor, dass blutige Spuren am Pferd darauf hinweisen, dass manche Reiter messerscharfe Sporen verwenden und brutal einsetzen. Ausserdem kann man die Aufzäumung keineswegs als pferdefreundlich bezeichnen.Nachdem der Stier durch die vielen Attacken auf das Pferd müde geworden ist, treten die acht Forcados in Aktion.
Sie stellen sich in einer Reihe hintereinander auf. Zuvorderst steht der Anführer, er trägt eine grüne Mütze und reizt den Stier mit Zurufen und Bewegungen. Nun wartet er den Angriff ab und springt zwischen die gepolsterten Hörner, dabei klammert er sich am Kopf fest. Während der Stier weitergaloppiert, halten sich auch die übrigen sieben Männer an ihm fest. Einer ergreift den Schwanz des Stiers, wobei sich das geplagte Tier im Kreis dreht, bis man es loslässt. Nun ist der Kampf zu Ende, der Stier wurde offensichtlich gebändigt und hat wie immer verloren.
Eine kleine Herde von Ochsen mit kupfernen Kuhglocken wird in die Arena gelassen, um den Stier hinauszubegleiten. Während in der Arena den "Siegern" zugejubelt wird, zieht man draussen dem Stier die blutigen Pfeile und Spiesse aus dem Leib.
Protest und Widerstand gegen Stierkämpfe
In den letzten Jahren konnte man erfreulicherweise feststellen, dass auch in Spanien immer mehr Leute Stierkämpfe als brutale Tierquälerei ansehen und dagegen intervenieren. Zahlreiche Demonstrationen in Städten und Dörfern zeigen, dass vielleicht Hoffnung besteht, dass diesem grausamen Spiel eines Tages ein Ende bereitet wird. Die spanische Tierschutzorganisation A.N.
P.B.A. (Asociación Nacional para la Protección y el Bienestar de los Animales) in Madrid kämpft schon seit vielen Jahren für ein Verbot der Stierkämpfe. Dass diese Institution bei Stierkampfveranstaltern, Kampfstierzüchtern und Verbänden nicht auf grosse Gegenliebe stösst, liegt auf der Hand. Die Stierkämpfe in Spanien sind ein Millionengeschäft, darauf möchte man nicht verzichten.
Ein Spitzentorero kann bei einem Auftritt weit über 50'000 Franken verdienen. Zudem zahlt die EU derzeit 8500 Millionen Peseten an die Kampfstierzüchter, da diese Tätigkeit unter die Nutztierhaltung fällt. Dies obwohl allgemein bekannt ist, dass rund 40'000 Stiere pro Jahr dazu bestimmt sind, entweder in einer Arena oder bei einer Fiesta auf grausame und qualvolle Art ihr Leben zu lassen. Wegen der BSE-Krise dürfen die Stiere nicht als Fleischlieferanten verwendet werden. Deshalb werden die Kadaver verbrannt. Die dadurch entstehenden Kosten belaufen sich pro Tier auf etwa 1000 Franken.
Nachdem die Toreros und die Stierzüchter mit Streik gedroht haben, hat die Regierung nachgegeben und ihnen 25 Millionen Franken Subventionen für die Entsorgung der Tiere zugesprochen.
Fiesta in Moraleja
Nachdem in der Arena sechs Stiere getötet wurden, geht der Wahnsinn auf der Strasse weiter. Über Lautsprecher wird bekannt gegeben, dass soeben ein junger Stier losgelassen wurde. Einige Strassen und Gassen der Altstadt hat man zu diesem Zweck mit über zwei Meter hohen Barrikaden so abgesperrt, dass die Stiere nur auf der dafür vorgesehenen Route laufen können. Die meisten Leute haben sich hinter den Absperrungen oder in Hauseingängen in Sicherheit gebracht. Verfolgt von einer Schar Männer galoppiert der junge, verängstigte Stier durch die Strassen.
Einige Burschen bewerfen das Tier mit Steinen, Flaschen oder was auch immer so herumliegt. Andere möchten ihren Mut beweisen, indem sie dem Stier ein Tuch oder ein Kleidungsstück vor den Kopf halten und es geschickt wegziehen, wenn der Angriff erfolgt. Das verschüchterte junge Tier ist völlig hilflos und vermutlich das erste Mal auf sich allein gestellt. Überall stellen sich ihm Menschen entgegen und flüchten blitzartig, wenn es nur den Kopf dreht. Einige klettern panikartig auf die Absperrgitter oder auf Verkehrsschilder, andere verstecken sich hinter den Eisenstangen, die die Hauseingänge versperren. Aus einer kleinen Lache am Strassenrand, die übrig blieb, als man das Blut eines anderen Stiers wegschwemmte, trinkt das Tier gierig etwas Wasser, bevor ihm ein Bursche einen leeren Bierkasten an den Kopf wirft.
Ein junger Mann schiesst aus seiner Pistole Plastikkugeln auf den jungen Stier. Ein anderer zündet einen Knallkörper und wirft ihm dem Tier zwischen die Hinterbeine. Nachdem man den Stier über eine Stunde lang durch die Gassen gehetzt und gequält hat, wird er von einigen Männern eingefangen. Nach dem Aufdruck auf ihren T-Shirts zu schliessen, handelt es sich um Beauftragte der Stadtverwaltung. Der nun sichtlich erschöpfte junge Stier wird am Kopf festgehalten, ein zweiter Mann zieht eine Pistole aus der Tasche und schiesst dem Tier eine Kugel in den Kopf. Sofort erscheint ein kleiner Trax, und das getötete Tier wird auf die Schaufel gelegt und abtransportiert.
Nun werden die Absperrungen entfernt, die Tore geöffnet, und Leute ziehen lachend durch die Strassen. Einige Kinder spielen mit dem Schwanz und dem abgeschnittenen Ohr eines in der Arena getöteten Stiers.
Stierkämpfe
Der Stierkult spielte in allen Mittelmeerkulturen eine Rolle, das Tier symbolisierte Kraft und Fruchtbarkeit. In Spanien entwickelte sich aus dem Kult der Stierkampf. Eine so alte und tief verwurzelte Tradition können auch die Wertmaßstäbe des Industriezeitalters nicht einfach wegwischen (Tossa de Mar verbot 1989 als erster spanischer Ort den Stierkampf). Im Mittelalter waren die Stierkämpfe Bestandteil der höfischen Feste.
Ritter und Adelige nahmen es zu Pferd mit dem Stier auf, bis die Bourbonen durch derartigen Zinnober keine guten Soldaten mehr verlieren wollten. Der Stierkampf des niederen Volkes erfolgt seit je zu Fuß. Daraus entwickelte sich die heutige Form der Corrida, in der es ein Torero mit dem zwischen 400 und 500 kg schweren Kampfstier aufnimmt und ihn tötet. Mit Tierquälerei hat dies für die meisten Spanier nichts zu tun; es handelt sich um ein quasi- religiöses Ritual.
Der Verlauf folgt einem festgelegten Schema. Stier, Stierkämpfer und Zuschauer haben innerhalb des Rituals ihre Rolle.
Der Stier soll temperamentvoll, mutig und kampfbereit sein. Ist er es nicht, können das Publikum oder der Torero vom Präsidenten der Veranstaltung ein anderes Tier verlangen. Der Torero muss die Situation beherrschen; Angst, Unsicherheit, Schmerz aufgrund leichter Verletzungen zeigt er nicht. Die Stierkämpferkarriere ist gerade bei Männern der Unterschicht nach wie vor beliebt, ist sie doch eine der wenigen Möglichkeiten, schnell die soziale Leiter hinaufzusteigen.
Jeder einzelne Schritt innerhalb des Kampfes, jede Bewegung hat ihre Funktion. Das Publikum kennt den Ablauf des Rituals genau und kommentiert jede gelungene Szene mit einem kollektiven synchronen Ole!
Saison ist von April bis Oktober, Kämpfe meist am späten Sonntagnachmittag, während lokaler Feste hingegen oft täglich.
Kartenverkauf an der Stierkampfarena (Plaza de Toros) meist ab dem frühen Nachmittag, an Vorverkaufsstellen früher. Sitze im Schatten (sombra) sind teurer als die in der Sonne (sol). Bei ausverkauften Kämpfen blüht ein reger Schwarzmarkt. In Madrid hat man mitunter keine Alternative, als (über Hotels) eine Stadtrundfahrt mit anschließendem Stierkampfbesuch zu buchen.
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