Analyse und interpretation des gedichtes
In dem vorliegendem Gedicht "Die Stadt" von Theodor Storm, beschreibt der Dichter die wesentliche Erscheinung der Stadt mit ihren negativen Seiten.
Das Gedicht ist in vier Strophen zu je fünf Zeilen gegliedert und liegt einem vierfüßigen Jambus zugrunde, wobei in den Zeilen fünf, zehn, 15, sowie zwei ein dreifüßiger Jambus vorliegt.
Das Reimschema ist in der ersten Strophe abaab, bzw. cdccd in der zweiten Strophe und in der dritten eaeea. Dieser Wechsel des Reimschemas deutet auf den inhaltlichen Wechsel im Gedicht. Ich werde dieses stilistische Mittel, wie auch die auftretenden männlichen Kadenzen später auf ihre Wirkung untersuchen.
Beim Lesen des Gedichtes wird man sofort auf die negative Stimmung aufmerksam, die durch die negativen und erdrückenden Phrasen "Am grauen Strand, am grauen Meer." (Z. 1) und die Personifizierung "Der Nebel drückt die Dächer schwer, ." (Z. 3), sowie die Wörter "seitab" (Z. 2) und "eintönig" (Z. 5) hervorgerufen wird. Gleich in der ersten Zeile wird durch die Anapher das Bild einer düsteren Welt hervorgerufen, in der es keine anderen Farben als grau gibt, obwohl ein gelber Strand und das blaue Meer in anderen Situationen oder auf anderen Bildern einen starken Kontrast bilden, der nicht monoton und trist wirkt.
In diese Eintönigkeit schmilzt auch die Stadt mit ein, die eingehüllt vom Nebel, seitab liegt (Z. 2 -3). Es scheint, als wäre die Stadt durch den Nebel vom Rest der Welt abgetrennt. Durch die Stille hört man nur das Brausen des Meeres (Z. 5), da nach längerem Zuhören das Meer nicht mehr aktiv wahrgenommen wird, sondern zu den Hintergrundgeräuschen dazugehört. Damit wird ausgedrückt, dass das Meer schon immer da war und gleich geklungen hat.
In der zweiten Strophe wandelt sich langsam das Bild der negativen Stadt. Dies wird insbesonders durch die Vermeidung der negativen Wörter aus der ersten Strophe hervorgerufen. Es herrscht eine ruhige Atmosphäre, wobei die Stille aus Strophe eins anhält, da weder der Wald rauscht, noch die Vögel im Mai singen (Z. 1-2). Man hört lediglich den Schrei einer Wandergans, die in der Herbstnacht vorbeizieht (Z. 9-10).
Diese Zeilen erwecken den Eindruck, dass alles Leben aus dieser Stadt gewichen sei und vereinsamt ist, wobei dies durch die Wiederholung des Wortes "kein" (Z. 6 u. 7) verstärkt wird. Auch die Wandergans findet in der Stadt keine Heimat, sondern zieht in der Nacht davon. Der Sprung in den Jahreszeiten (Mai zu Herbstesnacht) vermittelt, dass Frühling und Sommer genauso sind wie Herbst und Winter: grauer Strand, graues Meer, Nebel. Alles bleibt gleich und eintönig und nichts kann das Bild beleben.
Nicht einmal das Gras, das gleichmäßig und ruhig am Strand weht, ändert dieses Gefühl.
Zurückblickend kann man die ersten beiden Strophen als eine Beschreibung der Stadt und der Umgebung einstufen, wobei jegliche Stimmungen und Emotionen des Lyrischen Ichs außen vor gelassen werden.
Dies ändert sich mit der dritten Strophe, in der das Lyrische Ich seine Verbundenheit der Stadt gegenüber offenbart (Z.11). Der Anfang selbst wirkt wie eine Entschuldigung durch die Verwendung des Wortes "Doch" und die Versicherung, dass das "ganze Herz" an ihr (der Stadt) hängen würde und an niemandem anderen. Das Lyrische Ich scheint mit einem Menschen zu sprechen und nicht mit einer vormals als grau beschriebenen Stadt.
Durch die Verwendung des Personalpronomens "dir" kommt es zu einer Personifizierung, die in den folgenden Zeilen fortgesetzt wird: es entsteht ein mehr lebhaftes Bild der Stadt. Es wird zwar wieder das negativ zu wertende Wort "grau" (Z. 12 u. 15) verwendet, doch scheint es mehr auf einer neckischen und spielerischen Basis gemeint zu sein. In der Zeile 13 erfährt der Leser, dass das Lyrische Ich die Stadt schon aus früheren Tagen kennt und sich gerne an diese alten Tage erinnert. Die Doppelung des Wortes "für" verstärkt diesen Eindruck, wobei der Begriff "Zauber" die Jugend in der Stadt als etwas Übernatürliches erscheinen lässt, der immer noch anhält.
Die ersten wirklichen positiven Emotionen des Lyrischen Ich's werden in dem Gedicht mit dem Wort "lächelnd" (Z. 14) ausgedrückt. Eine erneute Dopplung, diesmal des Wortes "dir" verstärkt die Ansicht, dass es für das Lyrische Ich nur diese eine Stadt gibt.
Die erneute Verwendung des Satzes "Du graue Stadt am Meer" in Zeile zwölf wie auch am Ende, hat die Funktion eines Rahmens, der sicht schützend um die Erinnerungen und Emotionen alter Tage legt.
Der am Anfang erwähnte inhaltliche Wechsel, der durch den Wechsel im Reimschema dargestellt wird ist soweit vorhanden, dass die erste Strophe (abaab) nur das graue Meer und die Stadt beschreibt. In der zweiten Strophe (cdccd) liegt zwar die gleiche Strukturierung der Reime zugrunde, jedoch sind es andere Reime an den Versenden.
In der gleichen Strophe erwähnt der Autor die Stadt nicht mehr, sondern beschreibt nur noch das Bild, dass er sieht. In Strophe drei (eaeea) kommt er teilweise zurück zu den Reimen aus der ersten Strophe, in der er wieder den Begriff "Meer" verwendet und sich inhaltlich auf die Stadt bezieht. Somit entsteht ein inhaltlicher, wie auch struktureller Rahmen, der die Gedanken und Emotionen des Lyrischen Ichs einrahmt.
Die durchgehend männlichen Kadenzen rufen eine herbe und schroffe Stimmung hervor, die nichts Liebliches an sich hat und die düstere und traurige Atmosphäre nur verstärkt.
Zusätzlich ist noch anzumerken, dass der Autor keine wirklichen äußeren Elemente über die Stadt eingebracht hat, wie z.B.
Häuser, Menschen, etc.. Er konzentriert sich hauptsächlich auf die Natur, wobei er sich nicht besonders positiv beschreibt. Die Natur ist in diese Fall nicht immer perfekt und ideal, sondern hat auch ihre Schattenseiten und negativen Aspekte. Er schreibt somit ganz im Stil des Realismus, in dem die Emotionen und Eindrücke gleich in einem Gedicht verarbeitet wurden, ohne sie zu beschönigen und zu verändern. Dabei wurden auch negative und unangenehme Eigenschaften ausgedrückt und nicht verheimlicht.
Abschließend kann man zum Aufbau und Inhalt des Gedichtes sagen, dass es erst sehr kritisch ist, sich dann das Lyrische Ich besinnt und die alten Tage wieder zurückruft, die trotz der Öde und Trostlosigkeit, doch ihre Annehmlichkeiten hatte und ins positive umschwingt. Dabei werden alle Eindrücke wahrheitsgemäß verarbeitet und in das Gedicht eingebracht, wie es für den Realismus typisch war.
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