J. m. r. lenz - der hofmeister
Der Hofmeister
oder
Die Vorteile der Privaterziehung
Der Autor: J. M. R. Lenz
Jakob Michael Reinhold Lenz wird am 12. Januar 1751 in Seßwegen/Livland als evangelischer Pfarrerssohn geboren. Er studiert Theologie in Königsberg, wo er vor allem die Vorlesungen Kants hört.
Auf einer Reise nach Straßburg lernt er 1771 Goethe kennen, den er bewundert. In den folgenden Jahren kommt es zu mehreren Treffen. 1773 unterhält er einen Briefwechsel mit Herder. Nachdem seine ersten Dramen veröffentlicht worden sind folgt er im April Goethe nach Weimar. Aufgrund eines nicht überlieferten Vorfalls ("Lenzens Eseley"; Goethe) wird er im November aus der Stadt ausgewiesen.
Goethe bricht jeden Kontakt mit ihm ab.
Ende 1777 erleidet er in Zürich einem psychischem Anfall, von dem er sich nie vollends erholen wird. Dem Vater folgt er nach Riga, aber dort und auch in St. Petersburg findet er keine dauerhafte Anstellung. Schließlich geht er nach Moskau, wo er zeitweilig als Hauslehrer tätig ist. Dort stirbt er in der Nacht vom 3. zum 4.
Juni 1792.
Werke u.a.:
Dramen
1774 Der Hofmeister, oder Vorteile der Privaterziehung
1774 Der neue Menoza
1775 Pandaemonium Germanicum
1776 Die Soldaten
1776 Die Freunde machen den Philosophen
1776 Der Engländer
Erzählungen
1776 Zerbin
1776 Der Waldbruder
1777 Der Landprediger
Theoretische Schriften
Über Götz von Berlichingen
Anmerkungen übers Theater
Das Theaterstück: Der Hofmeister
Dramenstruktur: - 5 Akte mit 5/ 7/ 4/ 6/ 12 Szenen (insgesamt 34)- Keine Lieder
Dramenform: - Prosatext- Sowohl lange als auch kurze Prosateile- Keine Stychometie, aber teils kurze Sprechteile- Meist argumentierend oder erzählend, kaum philosophierend
Dramenart: Komödie laut Autor
Figuren: - Herr v. Berg, Geheimer Rat- Der Major, sein Bruder- Die Majorin- Gustchen, ihre Tochter- Fritz v. Berg- Graf Wermuth- Läuffer, ein Hofmeister- Pätus- Bollwerk - Herr v.
Seifenblase- Sein Hofmeister- Frau Hamster, Rätin- Jungfer Hamster- Jungfer Knicks- Frau Blitzer- Wenzeslaus, ein Schulmeister- Marthe, alte Frau- Lise- Der alte Pätus- Der alte Läuffer, Stadtprediger- Leopold, Junker des Majors, ein Kind- Herr Rehaar, Lautenist- Jungfer Rehaar, seine TochterInsgesamt: 23, exakte Unterscheidung in Haupt- und Nebenfiguren nicht möglich.
Handlungsorte - Zu Insterburg in Preußen (3x)- Der Majorin Zimmer- Läuffers Zimmer- In Heidelbrunn (3x)- Eine Schule im Dorf (4x)- Augustchens Zimmer- Zu Halle in Sachsen- Pätus Zimmer- Im Gefängnis- Eine Bettlerhütte im Walde- Am Teich- In Leipzig (3x)- Zu Königsberg in Preußen (2x)- Bergs Zimmer
Requisiten: - Zimmereinrichtung- Gefängnisgitter- Laute- Kleinere Dinge
Inhaltsangabe:
Konflikte: - widerstreitende Modelle über Erziehung
- Liebesbeziehung
- Eltern-Kind-Beziehungen
ERSTER AKT
Szene 1: In Insterburg zu Preußen: Läuffer resümiert seine Lage. Für ihn findet sich keine Arbeit, weder Adjunkt, noch Pfarrer (wie sein Vater), noch Lehrer an der Schule, was bleibt ihm da übrig?
Szene 2: Eben gehen der Geheime Rat von Berg und dessen Bruder , der Major, vorüber. Der Major will für seinen Sohn einen Hofmeister einstellen, der Geheime Rat hält dies für Geldverschwendung. Er hat seinen Sohn Fritz auf die Schule geschickt, was wiederum der Major für verfehlt hält, da Schule die Sitten verderbe.
Szene 3: Kandidat Läuffer, Sohn des örtlichen Pfarrers, stellt sich bei Frau Majorin vor, macht ihr überschwengliche Komplimente, gibt an, tanzt und fällt aus der Rolle, als ein Graf Wermuth über den neuen Tanzmeister spricht, von dem Läuffer nichts hält.
Er wird aus dem Zimmer geschickt, weil "Domestiken in Gesellschaft von Standespersonen nicht mitreden."
Szene 4: Der Major sucht den neuen Hofmeister bei der Unterweisung des Sohnes auf, um über das Gehalt zu verhandeln. Er drückt das von der Majorin ausgemachte Salair noch einmal herunter (400 statt 450 Thaler auf drei Jahre verteilt). Außerdem verlangt er noch Zeichenstunden für seine geliebte Tochter Gustchen, sein "einziges Kleinod" .
Szene 5: Fritz v. Berg und Gustchen, die Kinder der Brüder v.
Berg, schwören sich ewige Treue, so wie Romeo und Julia, wenn Fritz zum Studieren geht (Halle) und Gustchen auf den Sommersitz der Familie (Heidelbrunn). Szene 6. Da tritt der Geheime Rat herein, der alles gehört hat. Er hat nichts gegen diese Verbindung, wohl aber gegen diese romantische (=romanhafte) Schwärmerei. Er verbietet das Schwören und heimliche Kontakte. Alles soll kontrolliert und offen ablaufen.
ZWEITER AKT
Szene 1: Insterburg. Der alte Pastor Läuffer, Vater des Hofmeisters, unterhält sich mit dem Geheimen Rat von Berg, Bruder des Majors. Sie disputieren über die Vortheile der Privaterziehung, wobei der Geheime Rat kein gutes Wort für diese Schurken übrig hat, die eine solche Tätigkeit ausüben.
- Sie verrichten Sklavenarbeit (Domestikenstatus) und seien von den Launen ihrer wenig gebildeten, aber sehr eingebildeten Herrschaften abhängig.
- Sie ließen ihr eigenes Talent verkümmern und erreichten doch bei ihren verzogenen Zöglingen nichts.
- Sie nützten nicht dem Staat, sondern der Eitelkeit des Adels.
- Schließlich verhindere die Privaterziehung den ehrlichen Wettstreit zwischen Bürger- und Adels-Söhnen, so wie es in der 'öffentlichen Schule' anginge.
Der Pastor versucht, seinen Sohn zu rechtfertigen, vor allem mit Hinweis auf die Tradition, aber auch auf die fehlenden Alternativen für Söhne seines Standes. Die Tätigkeit sei eine Art Durchgangsstadium ('Warte'), bis ein öffentliches Amt sich anbiete. Schließlich könne der Patron sich auch als Förderer erweisen. Szene 2: Heidelbrunn. Läuffer ist seiner Rolle überdrüssig.
Die kränkelnde/ hypochondrische und eher lernfaule Zeichenschülerin kokettiert mit ihm, was ihn zusätzlich quält.
Szene 3: Zu Halle, in der Studentenbude des großspurigen, immer verschuldeten Kommilitonen Pätus. Er lebt auf Pump, hat nur noch einen Schlafrock zum Anziehen und streitet sich mit seiner Wirtin herum. Fritz v. Berg soll bei ihm einziehen, damit er von seiner Sehnsucht nach Gustchen abgelenkt wird. Kommilitone Bollwerk erscheint und meldet, dass eine Schauspielertruppe heute abend "Minna von Barnhelm" spiele.
Er packt seinen Winter-Wolfspelz und geht los.
Szene 4: Die Jungfern Hamster und Knicks erzählen sich von einem jungen Mann im Wolfspelz, den drei Hunde durch die Stadt gejagt haben.
Szene 5: Heidelbrunn. Der von seinem Zögling frustrierte Läuffer läßt sich trösten vom schwärmerischen Gustchen.
Szene 6: Die Majorin erzählt Graf Wermuth von den seltsamen Anwandlungen des Gatten, z.B.
die Stoßgebete des Nachts und das Interesse an der Landwirtschaft. Da kommt der Major und es stellt sich heraus, dass er sich um den Gesundheitszustand seiner Tochter sorgt und für einen Hospitalplatz arbeitet. Ihn bekümmert ihre Kränklichkeit und Schwermut. Sie könnte eine so gute Partie werden. Er gibt der Majorin die Schuld.
Szene 7: Fritz v.
Berg sitzt im Gefängnis, weil er für Pätus gebürgt hat. Fritz rechtfertigt sich gegenüber Bollwerk und v. Seifenblase damit, dass Pätus sein Schulkamerad und überdies ein guter Freund sei. Da kommt er schon herein, bringt jedoch kein Geld, da der Vater in Insterburg ihn gar nicht erst vorgelassen hat. Fritz fordert ihn auf, vor seinen Gläubigern zu fliehen, er werde schon ausgelöst werden. Es entsteht eine Auseinandersetzung zwischen Bollwerk und dem dümmlichen v.
Seifenblase: Duell-Forderung.
DRITTER AKT
Szene 1: In Heidelbrunn besucht der Geheime Rat seinen schwärmerisch-schwermütigen Bruder, der wegen seiner verblassenden Tochter Bauer werden will. Da stürzt seine Frau herein und berichtet vom Verschwinden der Tochter und des Hofmeisters. Der Major ist außer sich, der Geheime Rat heißt ihn zuhause bleiben, weil er zu wütend ist, um klar zu denken.
Szene 2: Der von dem Major sich verfolgt fühlende Läuffer rettet sich in das Haus des Dorfschullehrers Wenzeslaus, der zwar nichts hat, aber sich auch nichts bieten lassen braucht. Er ist ein aufrechter, unbeugsamer Charakter, die Gegengestalt zum unterwürfigen, liebedienerischen, abhängigen und auch eingebildeten 'Hofmeister'.
Wenzeslaus weist dem hereinstürzenden Grafen Wermuth die Tür, wofür Läuffer ihn sehr bewundert.
Szene 3: v. Seifenblase und sein Hofmeister berichten dem Geheimen Rat von dem Schicksal seines Sohnes. Es stellt sich heraus, dass Pätus der Sohn des hiesigen Ratsherrn ist.
Szene 4: Wenzeslaus und Läuffer nehmen ein frugales Abendmahl ein, Wenzeslaus ist mit seinem ärmlichen aber freien Dasein zufrieden, er kann auf die Hofmeisterzunft herabsehen. Läuffer findet bei ihm Unterschlupf und Arbeit als ´Kollaborator´, d.
i. Schreibgehilfe.
VIERTER AKT
Szene 1: Insterburg. Ein Jahr später.
Der Major will in den türkisch-russischen Krieg ziehen, um dort zu sterben. Der Geheime Rat teilt ihm das Schicksal seines eigenen Sohnes mit, der in Halle aus dem Gefängnis geflohen ist.
Im Gespräch erinnert sich der Geheime Rat, dass Graf Wermuth damals aus einer Dorfschule hinausgeworfen wurde. Der Major wird hellhörig.
Szene 2: Eine Bettlerhütte im Walde. Gustchen, nun mit einem Säugling, hat im Traum ihren verzweifelten Vater erblickt und will nun ins Dorf, um ihm Nachricht zu kommen zu lassen. Die blinde, alte Marthe warnt sie davor, sich zu verausgaben.
Szene 3: Der Geheime Rat und der Major erscheinen in der Dorfschule, letzterer schießt Läuffer in den Arm, erfährt aber, daß dieser Gustchen seit dem Tag seiner Flucht nicht mehr gesehen hat.
Der Geheime Rat läßt Läuffer einen Beutel mit Dukaten zurück.
Szene 4/5: Der GH und der Major kommen gerade hinzu, als das erschöpfte Gustchen in den Teich springt. Der Vater rettet sie und ist überschwenglich glücklich.
Szene 6: Fritz und Pätus studieren nun in Leipzig. Fritz nimmt Lautenunterricht bei Herrn Reehaar, bei dessen Tochter Pätus durchs Fenster gestiegen ist. Darüberhinaus schlägt er den unglücklichen Vater, was dem guten Fritz zuviel der Ungerechtigkeit ist, und er verkracht sich mit Pätus.
FÜNFTER AKT
Szene 1: Die blinde Marthe kommt mit Gustchens neugeborener Suse zu Läuffer in die Schule, dieser erkennt die Zusammenhänge und fällt in Ohnmacht.
Szene 2: Wäldchen vor Leipzig. Fritz und Pätus versuchen sich zu duellieren, Pätus will aber nicht, läßt sich sogar von dem Hasenfuß Rehaar verwunden, entschuldigt sich für die Kränkung und bittet um die Hand von dessen Tochter (welche vor ihm nach Königsberg in Sicherheit gebracht worden ist) .
Szene 3: Läuffer liegt zu Bette, er hat sich kastriert und glaubt zu sterben. Der ihn unablässig schulmeisternde Wenzeslaus holt den Schöpsen.
Szene 4: Leipzig.
Lauten-Lehrer Rehaar überbringt Fritz einen Brief von v. Seiffenblase aus Königsberg (sein ehemaliger Schüler).
Szene 5: Königsberg. Der Geheime Rat und der Major beobachten durchs Fenster das Haus gegenüber, in welchem v. Seiffenblase verkehrt.
Szene 6: Fritz und Pätus lesen v.
Seiffenblases Brief, in welchem von Gustchens traurigem Ende berichtet wird. Fritz ist verzweifelt, Pätus versucht zu trösten und schlägt vor, endlich nach Hause zu reisen (bzw. wegen Geldmangel zu laufen).
Szene 7: Königsberg. Der Geheime Rat und der Major retten die Jungfer Rehaar vor den Nachstellungen des v.Seiffenblase und nehmen sie als neue Freundin Gustchens nach Insterburg mit.
Jetzt muß nur noch das Kind ausfindig gemacht werden.
Szene 8: Pätus hat in der Hamburger Lotterie 380 Friedrichd`or gewonnen, nun können sie alle Schulden bezahlen und nach Insterburg reisen.
Szene 9: Wenzeslaus macht Läuffer/Mandel Vorhaltungen, weil dieser während seiner Sonntags-Predigt immer so begehrlich nach einem blonden Mädchen geschaut hat.
Szene 10: Diese Lise betritt nun das Zimmer und Läuffer ist sofort von ihr eingenommen. Es kommt zu Küssen, bei denen sie Wenzeslaus überrascht. Er schulmeistert ihn wieder wortreich herunter, doch Läuffer will Lise heiraten, und diese will ihn, den "geistlichen Herrn" auch, und es stellt sich heraus, dass sie auch gar keine Kinder haben möchte.
So ist also Läuffer glücklich, wenn auch von Wenzeslaus gefeuert.
Szene 11: Auch zu Insterburg renkt sich alles ein: Der Geheime Rat verzeiht seinem Sohn und man erkennt v. Seiffenblasens Komplott, der sich dafür rächen wollte, dass man ihm die Jungfer Rehaar entzogen hat. Zuerst Pätus und dann Fritz finden in der angrenzenden Kammer ihre Angebeteten wieder. Großes Glück für alle: "Eine zärtliche Gruppe!"
Letzte Szene: Die alte Marthe erweist sich als die vom alten Pätus verstoßene Mutter, welche nun mit dem Säugling unvermutet aufgetaucht ist. So findet der Major sein Enkelkind, der hartherzige und nun reuige Ratsherr seine Mutter und zu alledem will Fritz Gustchen heiraten - trotz ihres "Fehltritts".
Da taucht auch noch aus der Kammer der junge Pätus auf und eine weitere Versöhnung findet statt. Der Schluss: Fritz stellt fest, dass Gustchens Tochter nie von einem Hofmeister erzogen werden soll.
Der Wirrwarr und seine Auflösungen:
- Der kastrierte Läuffer wird seiner Leidenschaften Herr und findet (dennoch) ein Weib und eine Stellung
- diese bekommt dadurch einen ´geistlichen Herrn´ und will zum Glück keine Kinder von/mit ihm
- der Geheime Rat bekommt seinen verlorenen Sohn zurück
- der verlorene Sohn bekommt seine Auguste
- deren uneheliches Kind bekommt einen Vater
- der hartherzige Ratsherr Pätus findet seine von ihm verstoßene Mutter wieder (Marthe)
- er bekommt seinen mißratenen Sohn wieder zurück
- der Sohn bekommt seine Jungfer Rehaar
- der erniedrigte Künstler/Lautenist bekommt einen respektable Schwiegersohn
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