Inhaltsangabe nibelungenlied
1Der burgundische Hof in Worms am Rhein wird vorgestellt: die drei Könige Gunther, Gernot und Giselher, ihre Schwester, die ungewöhnlich schöne Kriemhild, und die Königsmutter Ute. Die Hofhaltung repräsentieren Hagen von Tronje, die Markgrafen Gere und Eckewart, der Spielmann Volker von Alzey und die Inhaber der Hofämter: Dankwart (Marschall, Bruder Hagens), Ortwin von Metz (Truchseß), Sinold (Mundschenk), Hunold (Kämmerer) und Rumold (Küchenmeister).-Kriemhild hat einen Traum: Zwei Adler schlagen und zerreißen einen von ihr abgerichteten Falken. Die Mutter deutet den Falken als einen Edelmann, den Kriemhild nach kurzer Zeit verlieren werde. Daraufhin weist diese jeden Gedanken an die Liebe zu einem Mann von sich.
2Wechsel des Schauplatzes.
In Xanten am Niederrhein lebt Siegfried, den seine königlichen Eltern Siegmund und Sieglinde sorgfältig zu einem vorbildlich tüchtigen Mann und küftigen Landesherrn erziehen und der beim prächtigen Fest der Schwertleite zusammen mit 400 Knappen Ritter wird.
3Siegfried hört von Kriemhilds großer Schönheit und beschließt, mit elf Begleitern nach Worms zu reiten und um sie zu werben, und wenn dies im guten nicht gelingen sollte, seine Absicht gewaltsam durchzusetzen. Am Wormser Hof erkennt nur Hagen den fremden Gast. Er schildert seinen Königen kurz die Taten, die Siegfried bekannt gemacht haben: die Erwerbung des Nibelungenschwertes Balmung, des unermeßlichen Schatzes und der Tarnkappe, den Sieg über die Nibelungen und über Alberich, den erfolgreichen Drachenkampf und die Unverwundbarkeit nach dem Bad im Drachenblut. Beim Empfang am Wormser Hof begründet Siegfried seine Reise keineswegs mit der Absicht, um Kriemhilds Hand zu bitten, sondern mit einer an Gunther gerichteten kühnen Herausforderung zum Kampf, in dem Besitz und Länder des Unterlegenen dem Sieger anheimfallen sollen. Doch so weit kommt es nicht.
Gernot gelingt es, den ungestümen Siegfried zu besänftigen, der inzwischen wieder an Kriemhild denkt und sich gern als Gast am Wormser Hof aufnehmen läßt, wo er zunächst ein Jahr bleibt, allerdings ohne Kriemhild zu sehen.
4Liudeger von Sachsen und Liudegast von Dänemark senden Boten nach Worms und erklären Gunther den Krieg. Siegfried ist zur Hilfe bereit: Mit einem burgundischen Aufgebot von 1000 Mann reitet er 40000 Sachsen und 20000 Dänen entgegen. Gunther bleibt am Hof zurück.- Im Laufe der Schlacht nimmt Siegfried die beiden feindlichen Könige gefangen; Gernot, Sinold, Hunold, Hagen, Volker, Dankwart und Ortwin zeichnen sich im Kampfe aus. Gernot sendet einen Boten mit einer Siegesmeldung nach Worms, den Kriemhild besonders interessiert nach den Taten Siegfrieds befragt und für diese Auskünfte reichlich belohnt Nach der Heimkehr kostet es Gunther wenig Mühe, Siegfried zum witeren Aufenthalt in Worms zu bewegen.
So beginnt das Nibelungenlied, der bedeutendste mittelhochdeutsche Heldengesang. Er entstand aus verschiedenen, in den germanischen Stämmen, besonders burgundischen und fränkischen, gesondert entwickelten Sagenkreisen, die mündlich überliefert wurden. Das Nibelungenlied ist das Ergebnis einer langen Entwicklung, in der geschichtliche Ereignisse sagenhaft verherrlicht werden. Die überlieferte, verbindliche Fassung ist das Werk eines oberdeutschen (österreichischen) Geistlichen. Er bearbeitete die alte, während der Völkerwanderungszeit (viertes bis sechstes Jahrhundert) spielende Heldendichtung im Sinne der zeitgenössischen höfischen Dichtung. Entstanden ist das Nibelungenlied wahrscheinlich zwischen 1198 und 1204, vermutlich im Umkreis des Bischofs Wolfger in Passau an der Donau.
Das Lied besteht aus 39 Abschnitten („Aventiuren“) und ist in etwa 2400 Nibelungenstrophen, vier paarweise reimenden Langzeilen, wobei die letzte Halbzeile überlängt ist, abgefaßt.
Nibelungen (nach dem König Nibelung, „Sohn des Dunkels“; zusammenhängend mit Nebel): In der deutschen Sage Bezeichnung für ein von einem bösen Geist besessenes Zwergengeschlecht. Die Nibelungen sind die Besitzer großer Reichtümer, das heißt eines großen Goldhortes, des Nibelungenhortes, an den ein Fluch gekettet ist. Diesen Schatz behütet der mächtige Zwerg Alberich. Siegfried besiegt das elbische Zwergengeschlecht: Er tötet die Könige Nibelung und Schildung und überwindet Alberich. Die Bezeichnung Nibelungen übernimmt er für sich und seine Mannen.
Nach dem Tod Siegfrieds geht die Bezeichnung auf die Burgunderkönige über.
Inhalt: Der junge Siegfried besteht während seiner Jugend viele gewagte Unternehmungen. Er besiegt einen Lindwurm (Drachen), in dessen Blut er sich badet. Das Blut verleiht ihm eine Hornhaut, durch die er bis auf eine Stelle zwischen den Schulterblättern, auf die während des Bades ein Blatt fällt, unverwundbar ist. Der edle Recke, der auch den Nibelungenhort erworben hat, wirbt um Kriemhild, Tochter Utes und Schwester der Burgunderkönige Gunther, Gernot und Giselher. Er erhält sie erst, nachdem er die jungfräuliche Brünhild, die Königin Islands, mit Hilfe der Tarnkappe, die er vom Nibelungenkönig Alberich gewann, an Stelle Gunthers in Kampfspielen besiegt und Gunthtr zur Frau erworben hat.
Siegfried plaudert aber das Geheimnis an Kriemhild aus. Als Brünhild im Streit mit Kriemhild von ihr erfährt, daß nicht Gunther, sondern Siegfried sie im Kampf und im Schlafgemach bezwungen habe, veranlaßt sie Hagen von Tronje, Siegfried auf einer Jagd hinterhältig zu ermorden. Kriemhild ist untröstlich; Hagen nimmt ihr auch noch den Nibelungenhort, um ihn für König Gunther im Rhein zu versenken, damit der Witwe die Mittel für eine Rache genommen werden. Als später der Hunnenkönig Etzel um die rachebesessene Kriemhild wirbt, willigt sie in die Heirat ein. Sie lädt ihre Brüder zu einem Fest nach Ungarn ein. Ihr einziger Gedanke dabei ist die Rache an Hagen und an den Burgundern.
Kriemhild fordert die Auslieferung Hagens, die ihr die Burgunder verweigern. Von Kriemhild angestachelt, kommt es zu einem hinterhältigen Überfall der Hunnen, der in einem Blutbad endet und bei dem auf beiden Seiten alle bis auf Gunther und Hagen fallen, die durch Dietrich von Bern gefangengenommen werden. Kriemhild, die sich nur für den Verbleib des Nibelungenhorts innert, wird seine Herausgabe verweigert; deshalb läßt sie erst Gunther enthaupten, dann schlägt sie selbst Hagen den Kopf ab. Voll Zorn tötet sie der alte Hildebrand, Dietrich von Berns Waffenmeister.
Aufbau und Stoffgeschichte: Der Verfasser des Nibelungenliedes ist bestrebt, für keine der handelnden Personen Partei zu ergreifen; er will das Schicksalhafte der Geschehnisse hervorheben. Zwar fehlen in der blutrünstigen Geschichte auch die höfischen Züge nicht: Kriemhild und Siegfried entsprechen ganz dem liebenden Paar der höfischen Dichtung, Siegfried ist der vollkommene Ritter, am Wormser und am Hof Etzels geht es recht gesittet zu und zur weltlichen „hövescheit“ kommt die geistliche: Bevor das Gemetzel am Hof beginnt, begeben sich Burgunder und Hunnen zum gemeinsamen Kirchengang.
Doch letztlich ist all das nur Vorwand: Mord, Rache, Haß, Hinterlist und heidnischer Schicksalsglaube bestimmen das Denken und das Handeln der Menschen. Keiner der Helden stirbt „christlich“ im Gedanken an Gott oder an ein Jenseits. So schwach war die Grundlage, auf der das Gebäude der vorbildlichen höfischen Welt ruhte.
Das Nibelungenlied besteht aus zwei ursprünglich getrennten Hauptteilen:
1. den Heldentaten des jungen Siegfried, seiner Werbung um Kriemhild und seinen Tod (Siegfriedlied) und
2. Kriemhilds Vermählung mit Etzel, ihrer Rache und dem Untergang der Burgunder am Hof König Etzels (Burgunderlied).
Dem zweiten Teil liegen geschichtliche Tatsachen zu Grunde: die Vernichtung des burgundischen Reiches am Rhein durch die Hunnen im Jahr 436, an der Attila aber – im Gegensatz zum Nibelungenlied – nicht beteiligt war; der Tod Attilas im Jahr 453 in der Nacht seiner Hochzeit mit Ildiko, einer Germanin; und die Vernichtung des zweiten Burgunderreiches durch die Franken im Jahr 538. Ursprünglich rächte Kriemhild den Tod ihrer Brüder an König Etzel (älteres Atlilied), der diese aus Gier nach dem Goldschatz der Nibelungen hinterlistig an seinen Hof gelockt hatte. Für den ersten Teil, die Siegfried-Brünhild-Handlung, sind geschichtliche Ereignisse, wenn überhaupt, weitaus schwieriger nachzuweisen. Dafür werden von der Forschung der Urform entsprechende, sagenhafte und märchenhafte Züge neben der Heldensage geltend gemacht. In einigen Handschriften ist dem Nibelungenlied die Klage angefügt, in der in vierhebigen Reimpaaren hauptsächlich die Totenklage über die gefallenen Helden des Nibelungenliedes enthalten ist.
Die Wiederentdeckung des mit dem Beginn der Neuzeit vergessenen Nibelungenliedes ist unter anderen Johann Jakob Bodmer zu verdanken, der es 1757 teilweise wieder herausgab.
Durch die Romantik und ihre Verklärung des Mittelalters nahm die Begeisterung für den Stoff zu. In der Folgezeit wurde die hochmittelalterliche Dichtung im Sinne eines sagenhaften Volkstumsbegriffs verstanden und unter dem Nationalsozialismus zum Hohelied der bedingungslosen Gefolgschaftstreue zu einem Führer gebraucht.
Die drei wichtigsten Handschriften sind:
A aus Hohenems, jetzt in München, die kürzeste (2316 Strophen),
B in Sankt Gallen, die volkstümlichste und der Urschrift am nächsten stehende Handschrift, 2376 Strophen, und
C, ebenfalls aus Hohenems, jetzt Donaueschingen, die sorgfältigste, längste (2442 Strophen) und am meisten höfisch umgestaltete Fassung.
Alle drei Handschriften stammen aus der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts.
Neuere Behandlungen des Stoffes stammen von Friedrich Hebbel (dreiteiliges Trauerspiel „Die Nibelungen“ von 1862), von Paul Ernst, von Emanuel Geibel, von Wilhelm Jordan, von Max Mell, von Friedrich Heinrich Karl Baron de la Motte Fouqué, von Ernst Raupach und von Hans Sachs. – Richard Wagner schuf das vierteilige tonkünstlerische Bühnenfestspiel „Der Ring des Nibelungen“ (Uraufführung 1876).
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Gestalten im »Nibelungenlied«
Blödelin | Brünhild | Dankwart | Dietrich von Bern | Etzel | Gernot | Giselher | Gunther | Hagen von Tronje | Hildebrand | Kriemhild | Rüdiger von Bechelaren | Siegfried | Ute | Volker von Alzei
Blödelin
der Hunnenkönig Bleda (gotisch „Blödel“; † [ermordet] 445) im „Nibelungenlied“.
Blödelin, Bruder Etzels, wird während seines Überfalls auf das burgundische Hofgesinde von Dankwart enthauptet.
In Wirklichkeit wurde Bleda nicht von einem Burgunder erschlagen; sein älterer Bruder Attila (Etzel) ließ ihn um 445 ermorden, um sich dadurch die Alleinherrschaft über die Hunnen zu sichern.
Brünhild
(von althochdeutsch brunna = „Brustharnisch“, „Panzer“ und von althochdeutsch hild, hiltja = „Kampf“); Brunhild, Brunhilde, Brünhilde, nordisch Brynhildr, Brynhild.
Brünhild ist in der nordischen und in der deutschen Sage eine Frau mit zauberischen, riesenhaften Kräften, die nur durch übermenschliche Taten bezwungen werden kann.
Zur ältesten Schicht des Stoffes scheint die Werbung um die Königin Islands, Brünhild, durch Siegfried im Auftrag Gunthers zu gehören.
Dabei schließt Siegfried stellvertretend für Gunther die Ehe mit ihr (Beilager mit Schwert, das zwischen ihnen liegt). Die Teilnahme Gunthers an der Werbungsfahrt, die Freierprobe (Flammenritt und Kampfspiele) und der Werbungsbetrug (Gestaltentausch und Tarnkappe) sind wahrscheinlich erst jüngere Entwicklungen, die in Deutschland („Nibelungenlied“) und im Norden (eddische Sigurddichtung, „Völsungasaga“ und „Thidrekssaga“) unterschiedlich gestaltet wurden. Nach diesen Überlieferungen kann Gunther die von Brünhild aufgegebenen Kraftproben nicht lösen. Siegfried muß nicht nur dort für Gunther einspringen; er muß Brünhild auch in der Brautnacht bezwingen. Im „Nibelungenlied“ nimmt Siegfried ihr im Schutz der Tarnkappe Ring und Gürtel und bricht dadurch Brünhilds übermenschliche Kraft.
Brünhild nimmt sich das Leben, nachdem Hagen in ihrem Auftrag Siegfried ermordet hat.
Im Norden erscheint Brynhildr als Walküre („Sigrdrifa“), die von Odin zur Strafe für Ungehorsam mit dem Schlafdorn gestochen wird, der sie in einen Zauberschlaf versetzt. Sie ruht hinter der Waberlohe (Flammenwall), bis sie von Sigurd (Siegfried) befreit (geweckt) wird. Bei den Burgundern vergißt Sigurd Brynhildr durch einen Zauber und begegnet ihr, inzwischen mit Kriemhild verheiratet, erst wieder als Werber für Gunther. Diesen Gedanken griff Richard Wagner im Bühnenwerk „Der Ring des Nibelungen“ auf.
Brünhild kann nur als Sagengestalt gewertet werden und hat keine geschichtlichen „Paten“: Island wurde erst ab dem Jahr 874 besiedelt. Das Eiland war auch nie Königreich, sondern immer freistaatlich geprägt.
Dankwart
(von althochdeutsch danc = „Dank“, „Gedanke“ und von althochdeutsch wart = „Wart“, „Hüter“).
Dankwart ist der Bruder Hagens. Er wird von Helfrich getötet.
Dietrich von Bern
(von althochdeutsch diot = „Volk“ und von althochdeutsch rich, rîchi, rihhi = „Herrscher“, „mächtig“; Bern nach dem Ort Verona in Italien), nordisch Thidrek, alte Form Theoderich.
In Dietrich von Bern lebt der Ostgotenkönig Theoderich der Große (um 453/455–30.8.
526) weiter. Das „Hildebrandslied“ setzt schon eine von der Geschichte abweichende gotische Dietrichdichtung voraus, nach der Dietrich vor dem Skiren Odoaker (Odowakar, Otacher; 433–15.3.493) floh und dreißig Jahre am Hof des Hunnenkönigs Etzel lebte. Nicht Theoderich der Große, wohl aber sein Vater Thiudimer (Theodemer; = Dietmar; † 474 oder 475) lebte am Hof Attilas (Etzels). Der deutsche Doppelheldengesang von der „Rabenschlacht“ (Schlacht um Ravenna) und von „Dietrichs Flucht“ behandelt besonders Dietrichs Versuche, mit Hilfe der Hunnen sein Reich wiederzugewinnen.
Als Gegner Dietrichs tritt jetzt ein älterer Gotenkönig auf, Erman(a)rich (272 [?]–375). Von Ermanarichs Tod und von Dietrichs Heimkehr berichtet die nordische „Thidrekssaga“. Im „Nibelungenlied“ verkörpert Dietrich den vollkommenen christlich-ritterlichen Helden; im „Wormser Rosengarten“ und in „Biterolf und Dietleib“ vermischen sich Dietrichstoff, Siegfriedstoff und Burgunderstoff. Märchenhafte Erzählungen, die ihn im Kampf mit Riesen und mit Zwergen und als Befreier von Jungfrauen zeigen, bestimmen die Heldendichtungen von Goldemar, von Ecke („Ecken Ausfahrt“), von Sigenot, von Laurin und von der Jungfrau Virginal.
Etzel
mittelhochdeutsch; der Hunnenkönig Attila (gotisch „Väterchen“; * um 410, † [ermordet?] 453) in der deutschen Heldensage; nordisch Atli.
Im „Nibelungenlied“ herrscht Etzel milde und gütig als zweiter Gatte Kriemhilds zu Etzelburg.
Der Atli der nordischen Sage („Atlilied“) ist grausam; er erschlägt die Brüder seiner Frau Gudrun (Kriemhild) und wird von ihr getötet.
Der Attila der Geschichtsschreibung, die „Geißel Gottes“, starb im Jahr 453 in Pannonien unter ungeklärten Umständen in der Nacht seiner Hochzeit mit Ildiko (Hildiko). Hat etwa Ildiko (die Kriemhild des „Nibelungenliedes“) ihn umgebracht?
Gernot
(von althochdeutsch ger = „Ger“, „Speer“ und von althochdeutsch not = „Mühe“, „Drangsal“, „Kampf“).
Gernot ist der zweitälteste Burgunderkönig. Er und Rüdiger von Bechelaren erschlagen sich gegenseitig.
Im Gegensatz zu seinen Brüdern Gunther und Giselher ist Gernot geschichtlich nicht bezeugt.
Giselher
(von althochdeutsch gisa[l], gisil = „Geisel“, „Sproß“, „Kind edler Abkunft“ und von althochdeutsch heri, hari = „Heer“); Gieselher, lateinisch Gislaharius; der burgundische König Gislahar († [gefallen] 436).
Giselher ist der jüngste der drei burgundischen Könige. Er schließt sich von der Ermordung Siegfrieds aus. Giselher und Wolfhart töten sich gegenseitig auf Etzels Burg.
Gunther
(von althochdeutsch gund = „Kampf“ und von althochdeutsch heri, hari = „Heer“); Gunther von Burgund, lateinisch Gundicarius und Gundaharius, nordisch („Edda“) Gunnar; der burgundische König Gundikar oder Gundahar ( [gefallen] 436).
Gunthers Gestalt ist im „Nibelungenlied“ gegenüber der Geschichte und gegenüber den Darstellungen in der „Edda“ zum Schlechten verändert.
In der nordischen Heldensage gilt Gunnar als Held, der als Gefangener Atlis (Attilas; Etzels) in einer Schlangengrube endet.
Hagen von Tronje
(Tronje nach dem Ort Tronege, westlich von Worms [?]); nordisch Högni.
Hagen von Tronje ist der gewaltigste Kämpfer der Burgunder und das Urbild des treuen Gefolgsmannes. In der älteren nordischen Überlieferung wird Högni, der Bruder Gunnars (Gunthers) und der Gudrun (Kriemhild), nicht zum Mörder Sigurds (Siegfrieds); Högni wird vom habgierigen Atli (Attila; Etzel) getötet.
Hildebrand
(von althochdeutsch hild, hiltja = „Kampf“ und von althochdeutsch brant = „Feuer“, „Schwert“).
Hildebrand ist der treue Waffenmeister Dietrich von Berns.
Im „Hildebrandslied“, dem einzigen erhaltenen althochdeutschen Heldenlied germanischen Ursprungs, trifft Hildebrand auf Hadubrand, seinen Sohn. Dieser weigert sich aber, in dem „alten Hunnen“ seinen Vater zu erkennen. Im Zweikampf tötet daraufhin Hildebrand seinen Sohn. Aber das ist eine andere Geschichte …
Kriemhild
(von althochdeutsch grime = „Helm“ und von althochdeutsch hild, hiltja = „Kampf“; wahrscheinlich ein Walkürenname).
Kriemhild ist die Frau mit der gewaltigsten Wesensart in der mittelalterlichen Dichtung.
Wurzel der Gestalt Kriemhilds ist Ildiko (Hildiko; = Hildchen [Koseform von Kriemhild]), eine Germanin, die der Hunnenkönig Attila (Etzel) im Jahr 453 heiratete.
Rüdiger von Bechelaren
(von althochdeutsch hruod = „Ruhm“ und von althochdeutsch ger = „Ger“, „Speer“; Bechelaren nach dem Ort Pöchlarn an der Donau); Rüdeger von Bechlarn.
Rüdiger von Bechelaren erscheint bereits in der „Dietrichsage“. Er ist Markgraf im Dienst des Hunnenkönigs Etzel. Rüdiger und Gernot erschlagen sich auf Etzels Burg gegenseitig.
In ihrer seelischen Verfeinerung ist die Gestalt im „Nibelungenlied“ Zeugnis einer von christlichem Geist durchdrungenen Haltung.
Siegfried
(von althochdeutsch sigu = „Sieg“ und von althochdeutsch fridu = „Friede[n]“, „Schutz“); Siegfried von Santen (Xanten), Sigfried, jüngere Form Seyfried, nordisch („Edda“) Sigurd.
Siegfried, wegen der Hornhaut durch das Drachenblut auch gehörnter Siegfried genannt, ist tapfer, (fast) unbesiegbar und ohne Argwohn. Sein Vertrauen in die Treue seiner Kampfgefährten wird ihm aber zum Verhängnis.
Ursprung und geschichtlicher Kern der Siegfried-Gestalt sind umstritten; es könnte ein Zusammenhang mit Ereignissen im fränkischen Königshaus des sechsten Jahrhunderts bestehen; als Vorbild diente vermutlich die Einheirat eines Merowingerkönigs in das burgundische Königshaus der Gibikungen (Nibelungen?). Eine andere Deutung ist, daß Siegfried den Cheruskerfürsten Armin (Arminius, fälschlich Hermann [den Cherusker]; 18/17/16 v. Chr.–19/21 n.
Chr.) verkörpert, der die Germanen in der Schlacht im Teutoburger Wald im Jahr 9 siegreich gegen die Römer führte.
Das erst aus dem sechzehnten Jahrhundert erhaltene „Lied vom Hürnen Seyfried“ behandelt die gewagten Unternehmungen des jungen Siegfried (Drachenkampf, Unverwundbarkeit durch ein Bad im Drachenblut und Befreiung Kriemhilds). In der nordischen Überlieferung liegt die Hauptaufmerksamkeit auf der Beziehung Sigurds mit Brynhildr (Brünhild). Das neunzehnte Jahrhundert knüpft daran an.
Die schicksalhaften Ereignisse um Siegfried behandelt Richard Wagner in seinem vierteiligen Bühnenwerk „Der Ring des Nibelungen“, dessen dritter Teil („Zweiter Tag“) „Siegfried“ überschrieben ist.
Ute
(von althochdeutsch ot, od, oda = „Besitz“); Uote, Uta.
Ute ist die Mutter Kriemhilds und ihrer Brüder. Sie taucht nicht nur im „Nibelungenlied“, sondern auch im mittelhochdeutschen Werk „Kudrun“ („Gudrun“) auf.
Volker von Alzei
(von althochdeutsch folk = „Volk“, „Kriegsvolk“ und von althochdeutsch heri, hari = „Heer“).
Volker von Alzei ist ausgezeichnet als Ritter und als Held wie als Spielmann. Er fällt, auf der Seite Hagens kämpfend, auf Etzels Burg durch Hildebrands Hand.
Blödelin | Brünhild | Dankwart | Dietrich von Bern | Etzel | Gernot | Giselher | Gunther | Hagen von Tronje | Hildebrand | Kriemhild | Rüdiger von Bechelaren | Siegfried | Ute | Volker von Alzei
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Begriffe rund um das »Nibelungenlied«
Balmung: Das Schwert Siegfrieds mit Zauberkräften. Nach Siegfrieds Tod nimmt es Hagen an sich.
Nibelungentreue: Von Bernhard Fürst von Bülow in einer Reichstagsrede am 29. Lenzing (März) 1909 geprägtes Schlagwort für die unverbrüchliche Bündnistreue zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn.
Tarnkappe (von mittelhochdeutsch tarnen = „verbergen“, althochdeutsch tarni = „heimlich“ und von mittellateinisch/spätlateinisch cappa = „Mantel“): Ursprünglich ein unsichtbar machender Mantel mit Mantelhaube.
Bei den Germanen war der Volksglaube verbreitet, daß sich elfische Wesen durch das Überziehen eines Gewandes oder durch das Aufsetzen eines Hutes unsichtbar machen könnten und ungeheure Kräfte hätten.
Deswegen wird die Tarnkappe auch als Nebelkappe oder als Helkappe (althochdeutsch helan = „verbergen“) bezeichnet.
Inhaltsangabe
Das Nibelungenlied besteht aus 39 Aventiuren. Inhaltlich läßt sich das Epos am besten in zwei Teile gliedern. Die Aventiuren 1-19 erzählen die Geschichte von Siegfried und Kriemhild, die Aventurien 20-39 von Kriemhilds Rache an den Nibelungen.
Das Epos beginnt mit der Vorstellung der Burgundin Kriemhild, die mit ihrer Mutter Ute und ihren Brüdern, den Königen Gunther, Gernot und Giselher in Worms lebt. Gefährten der drei Könige sind Hagen von Tronje, sein Bruder Dankwart, Ortwin von Metz, Gere, Eckewart, Volker von Alzey, Rumold, Sindold und Hunold.
Siegfried ist der Sohn von Sieglinde und König Sigmund und wuchs in Xanten am Niederrhein auf. Als Siegfried von der Schönheit Kriemhilds erfährt, faßt er den Entschluß, nach Worms zu ziehen und um sie zu werben. Nachdem es in Worms fast zum Kampf zwischen Siegfried und den Burgundern gekommen wäre, wird er doch als Gast am Hof willkommen geheißen. Siegfried lebt nun einige Zeit bei den Burgundern, immer in der Hoffnung, eines Tages um Kriemhilds Hand anzuhalten.
Auch Kriemhild verliebt sich in Siegfried. Als die Sachsen und die Dänen die Burgunder angreifen, verdanken die Burgunder Siegfried einen glorreichen Triumph.
Als nun König Gunther von Königin Brünhild von Island hört, beschließt er, um sie zu werben. Siegfried rät ihm ab, weil er weiß, daß jeder Bewerber in einem Wettkampf gegen Brünhild antreten muß, an dem bisher jeder scheiterte und so sein Leben verlor. Gunther läßt sich aber nicht von seinem Plan abbringen. Mit der Aussicht, Kriemhild zur Frau zu erhalten, verspricht Siegfried, Gunther bei der Brautwerbung zu helfen. Tatsächlich überlisten Siegfried und Gunther Brünhild. Mit Hilfe der Tarnkappe aus dem Nibelungenschatz wird Siegfried unsichtbar und trickst Brünhild im Wettkampf gegen Gunther aus.
So wird sie Gunthers Frau und Kriemhild wird mit Siegfried vermählt. Brünhild verweigert Gunther jedoch den Beischlaf. Erst als Siegfried an Gunthers Stelle Brünhilds Widerstand im Bett bricht, läßt diese ihren Mann gewähren. Siegfried stiehlt Brünhilde nach dem Kampf ihren Ring und ihren Gürtel und schenkt beides seiner Frau Kriemhild. Siegfried und Kriemhild ziehen dann nach Xanten. Dort gebiert Kriemhild nach 9 Jahren einen Sohn, der Gunther getauft wird.
Auch Brünhild gebiert in Worms einen Sohn, der auf den Namen Siegfried getauft wird. Auf Brünhilds Wunsch laden die Burgunder Siegfried und Kriemhild nach Worms ein. Dort jedoch geraten Kriemhild und Brünhild in Streit. Brünhild behauptet, Siegfried sei nur ein Vasall Gunthers und deshalb mit ihm nicht auf eine Rangstufe zu stellen. Kriemhild bestreitet dies. Die beiden Frauen treten nun in Konkurrenz zueinander und versuchen, sich gegenseitig zu erniedrigen und zu übertrumpfen.
Kriemhild berichtet Brünhild, daß Siegfried, nicht Gunther, sie im Bett besiegt und zur Frau gemacht hat und zeigt ihr den gestohlenen Ring. Brünhild beschuldigt Kriemhild, den Ring entwendet zu haben. Daraufhin wiederholt Kriemhild ihre Anschuldigung und zeigt Brünhild den gestohlenen Gürtel. Nun schreiten die Könige ein. Siegfried weist die Anschuldigungen von sich und Gunther spricht ihn frei. Brünhild und Kriemhild bleiben jedoch verfeindet.
Hagen plant nun, Brünhilds Schmach zu rächen und versucht auch, andere Könige und Recken von seinem Mordgedanken zu überzeugen. Gunther und Hagen täuschen eine Kriegserklärung der Sachsen und Dänen vor. Siegfried verspricht, mit den Königen in den Kampf zu ziehen. Mit der Vorgabe, Siegfried beschützen zu wollen, entlockt Hagen Kriemhild Siegfrieds Geheimnis. Nachdem Siegfried in seiner Jugend den Drachen erschlug, badete er in dessen Blut, um Unverwundbarkeit zu erlangen. Zwischen die Schulterblätter flog aber beim Baden ein Lindenblatt, dorthin konnte kein Blut gelangen und Siegfried ist an dieser Stelle doch verwundbar.
Nachdem es dann nicht zum Kampf mit den Sachsen und Dänen kommt, fahren die Helden stattdessen auf eine Jagd. Während der Jagd ermordet Hagen Siegfried mit dessen eigenem Speer. Die Helden versuchen, diesen heimtückischen Mord zu vertuschen, aber Kriemhild ahnt sofort, dass Hagen die Tat beging. Kriemhild und alle einstigen Gefährten Siegfrieds schwören Rache. Nach der Beerdigung kehrt König Sigmund allein zurück in die Niederlande. Kriemhild bleibt bei ihrer Verwandtschaft.
Dreieinhalb Jahre lang spricht sie nicht mehr mit Gunther und Hagen, dann versöhnt sie sich wieder mit Gunther. Die Männer überreden Kriemhild, den Hort der Nibelungen als die ihr zustehende Morgengabe nach Worms zu holen. Kriemhild verwaltet den Schatz nun sehr freigiebig. Hagen befürchtet, dass Kriemhild mit ihrem Reichtum Ritter an sich bindet, um mit deren Hilfe Rache an ihm und den Brüdern zu üben. Er stiehlt den Hort der Nibelungen und versenkt ihn im Rhein. So endet der erste Teil des Epos.
Im zweiten Teil erfährt der König der Hunnen, Etzel (nordisch: Attila) von der edlen Kriemhild. Etzel beschließt, um sie zu werben und schickt mit diesem Auftrag den Markgrafen Rüdiger von Bechelaren (Pöchlarn) nach Worms. Hagen rät von der Hochzeit ab, da er ahnt, dass Kriemhild mit Hilfe der Hunnen an den Burgundern Rache nehmen könnte. Kriemhild willigt in die Heirat ein, obwohl sie Christin und
Etzel Heide ist. So zieht sie mit ihrer Gefolgschaft, Rüdiger und dessen Gefolgsleuten zu Etzel. Auf dem Weg besuchen sie noch Kriemhilds Onkel, den Bischof von Passau.
Nach der Hochzeit in Wien leben Kriemhild und Etzel in Etzelburg (Gran). Kriemhild gebiert nach sieben Jahren einen Sohn, der Ortlieb getauft wird. Nach weiteren sechs Jahren überredet Kriemhild Etzel, ihre Brüder und deren Gefolgsleute nach Etzelburg einzuladen. Sie gibt vor, Sehnsucht nach ihnen zu haben, aber in Wirklichkeit will sie Rache für Siegfried nehmen. Hagen rät den Burgunderkönigen ab, die Einladung anzunehmen, aber als diese nicht auf Hagen hören wollen, will er nicht als Feigling dastehen und fährt mit. Unterwegs bringt Hagen einen Fährmann um, um den Rhein überqueren zu können, und provoziert so einen Kampf mit den Bayern Else und Gelfrat.
Vorher prophezeien ihm einige Meerfrauen, dass außer dem Kaplan des Königs keiner der Burgunden diese Reise überleben wird. Um die Voraussage der Meerfrauen zu überprüfen, versucht Hagen, den Kaplan zu ermorden, aber dies mißlingt ihm. Hagen weiß nun, daß den Burgunden ihn Etzelburg der Tod erwartet. Bei Rüdiger von Bechelaren bleibt der Königszug vier Tage zu Gast und Giselher verlobt sich mit Rüdigers Tochter Gotelint. Als Dietrich von Bern von dem anstehenden Besuch der Burgunder bei den Hunnen hört, warnt er diese vor der Gefahr durch Kriemhild. Dennoch kehren die Burgunder nicht um.
Nach der Ankunft in Etzelburg sucht Kriemhild nach einer Möglichkeit, die Burgunder anzugreifen, aber sie sind vorsichtig. Trotzdem nehmen die burgundischen Ritter am Wettkampf teil. Kriemhild bittet Dietrich von Bern um seine Unterstützung für ihre Rachepläne, aber dieser lehnt ab. Blödel jedoch verspricht, ihr im Tausch für eine Grenzmark zu helfen.
Er beginnt den Kampf, indem er und seine Leute Dankwart, zwölf Ritter und 9000 Knappen angreifen. Blödel wird von Dankwart erschlagen, der als einziger Burgunder überlebt und die Könige und deren Gefolge warnt.
Daraufhin erschlägt Hagen das Kind Ortlieb. Im weiteren Verlauf verlieren viele tausend Ritter Etzels das Leben. An Etzels Seite kämpfen auch Iring von Dänemark, Irnfried von Thüringen, Rüdiger von Bechelaren, der wegen der Verlobung seiner Tochter mit Giselher vor einem Gewissenskonflikt steht, und Dietrich von Bern samt tausende von ihren Gefolgsleuten. Etzel selber kämpft nicht. Am Ende überlebt auf der Seite der Kämpfer für die Hunnen nur Dietrich, der die letzten lebenden Burgunder, Hagen und Gunther, gefangen nimmt. Dietrich übergibt Kriemhild die Gefangenen mit der Bitte, sie zu schonen.
Kriemhild verspricht es. Um aber von Hagen das Versteck des Nibelungenhortes zu erfahren, läßt sie Gunther töten. Als Hagen ihr dann immer noch nicht das Versteck verraten will, köpft Kriemhild ihn mit Siegfrieds Schwert. Daraufhin tötet Hildebrand, ein Gefolgsmann Dietrichs, Kriemhild, da sie es als Frau wagte, einen Recken zu töten. So endet das Nibelungenlied.
2) Historischer Hintergrund
Auch hier zeigt sich ein Unterschied zwischen dem ersten und zweiten Teil.
Der erste Teil hat mit der Gestalt Siegfrieds eher einen mythischen Charakter. Es läßt sich für die Siegfried-Brünhild bzw. Siegfried-Kriemhild-Saga nur schwer eine historische Parallele finden. 566 oder 567 heiratet der austrasische Frankenkönig Sigibert I. (Merowinger) Brunhild, Tochter des westgotischen Königs Athanagild. Sigiberts Bruder Chilperich I.
von Neustrien heiratet Brunhilds Schwester Galswintha. Fredegund, einstige Mätresse Chilperichs, überredet ihn zum Mord an seiner Gemahlin. Nach dem Mord heiraten Chilperich und Fredegund. Brunhild und Fredegund sind sich spinnefeind. Auf Brunhilds Drängen hin führt Sigibert Krieg gegen Chilperich. 575 stirbt Sigibert I.
, wahrscheinlich auf Wunsch Fredegunds. 584 wird Chilperich ermordet, wahrscheinlich als Rache durch Brunhild. 613 wird Brunhild von Chlotar II. von Neustrien gefangengenommen und ermordet. Brunhild regierte zeitweilig in Worms. Ob der Burgunderkönig Gundahar in Worms regiert hat, ist hingegen nicht belegt.
Die historische Brunhild paßt eher zur Figur der Kriemhild und die historische Fredegund zur Figur der Brünhild. Daß aber die Namen so eklatant vertauscht wurden, ist für Heldenepen untypisch. Orte wurden öfters geändert, um einen stärkeren Bezug zum Publikum zu finden. Namen großer Helden und anderen historischen Personen wurden dagegen möglichst beibehalten, wohl weil unter anderem auch die historischen Personen dem Publikum bekannt waren. Dennoch ist es durchaus wahrscheinlich, daß die Geschichte vom Frankenkönig Sigibert I. mit dem mythischen Held und Drachentöter Siegfried im Nibelungenlied verknüpft wurde.
Bei den Germanen klangen die Namen der Familienangehörigen oft ähnlich. Bei den Merowingern gab es Namen mit den Anfangssilben "Sigi", leider sind heute nur noch Sigibert I. und Sigivald bekannt. Viele Nibelungenforscher versuchten nun, einem der beiden die Gestalt des Siegfried zuzuschreiben. Aber auch andere Möglichkeiten wurden überdacht. Nach Helmut de Boor könnte Siegfried auch der vertriebene Sohn eines ripuanischen Fürstenhauses sein, der im ersten Drittel des 5.
Jh. am burgundischen Hof aufgenommen wurde. Andere verglichen Siegfried mit dem ostgotischen Heerführer Uraja oder dem Cheruskerfürsten Arminius. Mit Arminius verbindet Siegfried ein früher Tod durch Verwandtenmord. Xanten, Siegfrieds Zuhause, ist Zentrum der Arminiusüberlieferung. Der Sieg Arminius' über Varus in der Schlacht im Teutoburger Wald 9 n.
Chr. könnte, nach Otto Höfler, im Drachenkampf mythisch überhöht worden sein. Einige Forscher wie Franz Rolf Schröder halten es jedoch für wahrscheinlicher, daß die Gestalt Siegfrieds ganz aus der Mythen- und Märchenwelt kommt. Siegfried wurde besonders im 19. Jh. mit allen möglichen germanischen Göttern verglichen.
Weitaus einfacher läßt sich zum zweiten Teil des Nibelungenliedes, dem Untergang der Burgunder, eine historische Parallele finden. Von 406 bis 413 eroberte der Burgundenkönig Gundahar(ius) nach Überquerung des Rheins linksrheinische Gebiete. Sitz des Königs war wahrscheinlich Worms oder Mainz. Möglicherweise waren die Burgunder Föderaten Roms. Die Burgunden versuchten, ihr Gebiet in nordwestlicher Richtung gegen die römische Provinz Belgica auszudehnen. 435/436 wurden sie vom weströmischen Heermeister Aëtius geschlagen.
436/437 wurden die Burgunden dann von den Hunnen, die wohl Hilfstruppen Aëtius' waren, vernichtend besiegt. Gundahar, die ganze Familie und ein großer Teil des burgundischen Volkes wurden getötet. Später schreibt der spanische Bischof Hydatius von 20.000 Toten. Im Jahr 443 überläßt Aëtius den restlichen Burgundern ein neues Gebiet in der Sapaudia, dem heutigen Savoyen, an der oberen Rhône und der Saône gelegen. Einige Burgunden blieben in ihrer alten Heimat am Rhein.
Ab 461 war Lyon neue burgundische Residenz. In den Folgejahren dehnten sich die Burgunder noch bis zum Mittelmeer aus und adaptierten teilweise die römische Kultur. Im burgundischen Recht, Lex Gundobada oder Lex Burgundionum genannt, das vor König Gundobads Tod 516 aufgezeichnet wurde, werden unter anderem auch die Könige Gibica, Gundomar, Gislahar und Gundahar erwähnt. Gibica entspräche dem altnordischen Gjúki und dem mhd. Gibiche und so dem Vater der burgundischen Brüder in fast allen Nibelungengeschichten - nur im Nibelungenlied heißt der Vater Dankrat. Gundahar ist wohl zweifelsfrei König Gunther, Gundomar wahrscheinlich Gutthorm bzw.
Gernot und Gislahar entspräche Giselher. 534 wurden die Burgunder endgültig von den Franken besiegt und ihr Gebiet dem fränkischen Reich angegliedert. Bei der Schlacht 436/437 wurden die Hunnen nicht von Attila d. h. Etzel angeführt. Erst 441 wird Attila Alleinherrscher der Hunnen, nachdem sein Bruder Bleda, im Nibelungenlied Blödel genannt, ermordet wurde.
Die Schlacht von 436/437 wird im Nibelungenlied wohl mit der Schlacht auf den katalaunischen Feldern im Jahr 451 vermischt. Dort kämpften die Hunnen unter Attlia zusammen mit den rechtsrheinischen Burgunden gegen Aëtius, die sapaudischen Burgunden und den westgotischen König Theoderich I. und seine Truppen. Attila wird besiegt, überfällt dann noch die Poebene und zieht dann wieder zurück zur Theiß. 453 stirbt Attila in der Hochzeitsnacht mit der Germanin Hildico an einem Blutsturz. Bald kam es um Attilas Tod zur Mythenbildung z.
B. wurde vermutet, Attila wurde durch seine Frau umgebracht. So auch Poeta Saxo im 9. Jh., der als Motiv Rache für den Vater vermutete. Hildico wurde von Forschern als Hildchen zu deuten versucht, aber dies ist eher unwahrscheinlich (Gottfried Schramm).
Im 13. Jh. schrieb Simon von Kéza die "Chronica Hungarorum", deren Grundlage aber wohl ältere Quellen sind. In der Chronik wird von Machtkämpfen am hunnischen Hof nach Attilas Tod berichtet. Im Mittelpunkt stehen zwei Söhne Attilas, einer von einer Griechin, einer von der Germanin Crimildis. 15 Tage dauern die Kämpfe, in denen die Halbbrüder starben und die Hunnen untergingen.
Erst drei Jahre nach Attilas Tod wird der Ostgotenkönig Theoderich der Große, der im Nibelungenlied als Dietrich von Bern auftaucht, geboren. Den Namen "von Bern" erhielt Theoderich nach der Stadt Verona. Eine ganz andere geschichtliche Grundlage des Stoffes vom Untergang der Burgunden sah Heinrich Kunstmann. In der These vom "bairischen Bulgarenmord" steht ein bulgarischer Stamm für die Burgunden. 631 oder 632 wurden sie von den Baiern auf Befehl des fränkischen Königs Dagobert I. bekämpft.
Laut dem fränkischen Geschichtsschreiber Fredegar starben bei der Schlacht 8300 von 9000
Bulgaren. Alles in allem ist diese These von Kunstmann doch sehr unwahrscheinlich. Der Vergleich des Burgundenunterganges im Nibelungenlied mit den tatsächlichen Ereignissen im 5. Jh. liegt näher.
3) Quellen
Es gibt insgesamt 35 handschriftliche Überlieferungen des Nibelungentextes.
Von manchen sind nur Bruchstücke erhalten. Bis auf eine Handschrift enthalten alle vollständigen Schriften die "Klage". Zwei Fragmente enthalten nur Verse aus der "Klage" und können so nicht als Quelle für das Nibelungenlied dienen. Ein Fragment enthält die Übersetzung des Nibelungenliedes ins Niederländische. Demnach gibt
es also eigentlich nur 32 deutsche Handschriften des Textes, von denen die meisten in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz gefunden wurden. Die wichtigsten Handschriften sind in Karl Lachmanns Einteilung mit A, B und C bennannt worden: Handschrift A ist die Hohenems-Münchener Handschrift aus dem letzten Viertel des 13.
Jh.. Handschrift B ist die St. Galler Handschrift aus dem 13. Jh..
Die Handschrift C ist die Hohenems-Laßbergische oder auch Donaueschinger Handschrift aus der 1. Hälfte des 13. Jh. Man geht von einem verlorenen Original aus, welches allen drei bzw. allen 32 Handschriften zugrunde liegt. Lachmann nahm an, dass Handschrift A dem "Original" am nächsten kommt und Version C die am weitestgehendsten veränderte der drei ist.
Andere Forscher nach Lachmann sahen in der Handschrift B (z. B. Adolf Holtzmann) oder in Handschrift C (u.a. Friedrich Zarncke) die dem Original
nahestehendste Version. Karl Bartsch entwickelte 1865 die These, dass das Nibelungenlied um 1140/50 entstand, um 1170/80 in zwei Versionen, *B und *C, bearbeitet wurde und die Handschriften B und C zwei Rezensionen dieser Bearbeitungen darstellen.
Die Handschrift A ist bei Bartsch nur eine Abwandlung der Handschrift *B. *B blieb nach ihm näher am Original als *C. 1876 stimmt Hermann Paul Bartschs Thesen teilweise zu, die Datierung hält er jedoch für falsch. Früher als 1190 würde er die Entstehung des Epos nicht ansetzen. Im Jahr 1900 setzt Wilhelm Braunes die Handschrift B als die dem Original nahestehendste fest. Einig wurden sich die Forscher dennoch nie.
In neuerer Zeit scheint sich durchgesetzt zu haben, daß der Archetypus nicht eindeutig bestimmt werden kann und daß jede Rekonstruktion des Archetypus niemals mit dem "Original" gleichgesetzt werden kann.
4) Stoffgeschichte
Im Nibelungenlied sind drei Sagenkreise ineinander verflochten. Die Haupthandlung des Epos besteht aus der Brünhildsaga im ersten Teil und der Burgundensaga im zweiten Teil. Ein dritter Sagenkreis um die Abenteuer des jungen Siegfrieds wird lediglich kurz angedeutet (z. B. in der dritten Aventiure).
4.1) Die deutsche Nibelungendichtung
Nach Andreas Heusler entstanden im 5./6. Jh. zwei voneinander getrennte Lieder, die die beiden Hauptsagenkreise beinhalten: Das "Fränkische Brünhildlied" und das "Fränkische Burgundenlied". Ins 8.
Jh. setzt Heusler ein "Bairisches Burgundenlied". Im 12. Jh. entstand dann nach ihm das "Jüngere Brünhildlied" spielmännischen Charakters und gegen 1160 das "Österreichische Burgundenepos", die sogenannte "Ältere Not". Aus der Verknüpfung und Anschwellung des "Jüngeren Brünhildliedes" und der "Älteren Not" entstand "Das Nibelungenlied".
Diese Konstruktion entwickelte Heusler Anfang des 20. Jh.. Bis in die 50er Jahre galt sie fast unangefochten. Aber auch Kritik wurde an Heusler geübt. So seien seine Überlegungen zu sehr auf den süddeutsch-österreichischen Raum zentriert.
Kurt Wais bezog im Gegensatz zu Heusler die gesamte alteuropäische Epik in seine Überlegung einer "westeuropäischen Nibelungendichtung" mit ein. Darüber hinaus ist es auch sehr unwahrscheinlich, daß sich das Nibelungenlied nur auf zwei Quellen bezieht, wie es Heusler nach seinem Stammbaum vermuten läßt. Viele Parallellieder sind wahrscheinlicher. Das mhd. Nibelungenlied ist die älteste deutsche Nibelungendichtung. Es gab Vermutungen, daß sich neben der "Thidrekssaga" in Norddeutschland eine mündliche Prosaerzählung des Nibelungenstücks entwickelte.
1990 weitete Heinz Ritter-Schaumburg seine umstrittene These von der Thidrekssaga im Rheinland auf das Nibelungenlied aus ("Rheinische Nibelungendichtung"). Zur Ottonenzeit soll im 10. Jh. in Passau eine lateinische Nibelungendichtung, die "Nibelungias" entstanden sein. 1973 beschrieb Reinhard Weskus, daß einige fränkische und bairische Familien die Nibelungengeschichte als Hausüberlieferungen weitergaben. Dies sollte bei einer Analyse der Stoffgeschichte beachtet werden.
Aus dem deutschen Raum sind noch weitere Nibelungengeschichten überliefert worden. Mitte des 13. Jh. erwähnt der fahrende Sänger Marner Kriemhilds Verrat an den Brüdern, Siegfrieds Not und den Nibelungenhort. Hugo von Trimmberg, der im "Renner" den Marner spielt, spricht vom Kriemhilden "mort", von Siegfrieds Drachen und auch vom Nibelungenhort. Im 16.
Jh. wird "Das Lied vom Hürnen Seyfried" aufgeschrieben, dessen Ursprünge wohl bis ins 13. Jh. zurückreichen. Gybich ist hier der Vater Kriemhilds und so ist das Lied wohl näher an den nordischen Überlieferungen als das Nibelungenlied. 1557 entstand Hans Sachs' "Tragedi", die sich auf das "Lied vom Hürnen Seyfried" bezieht.
Im Spätbarock entstand 1657 das aus dem Französischen übersetzte Volksbuch mit der Geschichte "Von dem gehörnten Siegfried" in Prosa. Unter anderem enthält es eine Kritik am Rokokoadel und dessen sexueller Unmoral, indem es prüde Sittsamkeit dagegen richtet. Nach dem Volksbuch politisiert sich die Nibelungenrezension dann zunehmend. Für die Stoffgeschichte des zweiten Teils des Nibelungenliedes ist der Anhang der Handschrift des "Straßburger Heldenbuch", die sogenannte "Heldenbuch-Prosa", die um 1480 niedergeschrieben wurde, zu beachten. Motive und Anspielungen auf das Nibelungenlied lassen sich in zahlreichen Dichtungen wiederfinden. So beschreibt gegen 930 Ekkehart I.
von St. Gallen im "Waltharius" Hagens Vorgeschichte, die im Nibelungenlied in der 28. Aventiure in der Strophe 1756 und in der Aventiure 39. in den Strophe 2344 durchklingt. Aus dem "Ruodlieb" des 11. Jh.
könnten Teile von Siegfrieds Biographie und seine Jagdausrüstung stammen.
Um 1160 erwähnt Metellus von Tegernsee ein deutsches Gedicht von Graf Roger und Dietrich. Wernhart von Steinsberg wird vom Sprachdichter Herger mit dem "guoten Rüdiger" verglichen. Saxo Grammaticus berichtet um die Jahrhundertwende von einem Lied, in dem die Treulosigkeit Kriemhilds gegenüber ihren Brüdern geschildert wird. Das Bahrrecht aus den Strophen 1043-1045 findet sich schon in Chrétiens "Yvain" und in der deutschen Entsprechung "Iwein" von Hartmann von Aue. Das Mutter-Tochter-Gespräch über die Liebe in Heinrich von Veldekes "Eneit" könnte dem Gespräch von Kriemhild und ihrer Mutter Ute zugrunde gelegen haben.
Andere Nibelungenforscher haben besonders nach Motiven aus dem Mythen- und Märchenbereich gesucht. Friedrich Panzer z. B. verglich Siegfrieds Jugendtaten mit dem Märchen vom Bärensohn, Gunthers Brautwerbung mit den russischen Brautwerbermärchen und die Erweckung Brünhilds durch Siegfried mit Dornröschen. Letztlich erscheinen jedoch alle Parallelitäten mühselig konstruiert und vieles, wie z. B.
die genaue Chronologie bleibt unklar.
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