Rezension
Rezension
Michael Talke inszeniert Lessings "Emilia Galotti" von Gotthold Ephraim Lessing im Thalia Theater Hamburg
von Jana Zeise
Auf der Bühne des Thalia Theaters hat Regisseur Michael Talke Lessings Trauerspiel zwischen zwei Gegenwelten, zwei Fassaden, vor denen sich gegensätzliches Gesellschaftstheater von konventionell bis konservativ gleichzeitig abspielt seine Version der "Emilia Galotti" angesiedelt. Mühelos trägt der Bühnenraum in knapp zwei pausenlosen Stunden die fünf Akte über die Runden.
Auf einer großen Showtreppe mit Glühlichtern umrahmt residiert der Prinz von Guastalla (Thomas Schmauser). Er hängt auf den Stufen und blättert in seinen Briefen. Dabei legt er diesen Ist-mit-doch-alles-egal-Ton in die Stimme. Wenn er sich dann beim morgendlichen Plausch mit seinem allgegenwärtigen Kammerherrn Marinelli (Felix Knopp) Kaffee einschenkt, kleckert er gleich literweise neben die Tassen und spricht mit vollem Mund.
Es kommt auch mal vor, dass Marinelli, wenn er eine Rose sieht die Blüte abbeißt und ein mümmelndes Kaninchen spielt. Faszinierend. Doch der Prinz braucht dringend Hilfe. Er ist in Emilia Galotti (Anna Blomeier) verliebt, die am selben Tag den Grafen Appiani (Andreas Döhler) heiraten soll. Marinelli will ihm helfen, jedoch nicht aus Nächstenliebe, sondern aus dem einzigen Grund, dass er den Bräutigam nicht besonders gut abkann.
Die Blicke wandern von oben nach unten.
Von unten hinauf in die trügerische Glamourwelt. Dort unten wohnt die bürgerliche, schöne Emilia mit ihrem Vater (Markwart Müller-Elman) und ihrer Mutter Claudia (Sandra Flubacher). Die Mutter möchte so sein wie die im Glanze. Der Vater hingegen scheint wie ein großväterlicher Sittenwächter. Wenn sich die Bühne zum ersten Mal dreht und Marinelli die Welt des Adels verlässt und auf der anderen Seite die Treppe hinuntergeht in die Wohnstube der Galottis, sitzt die ganze Familie wie festgefroren am Tisch.
Aus diesem kontrastierenden Ambiente nimmt die Geschichte von Lessing ihren Lauf.
Da der Prinz sich aus purer Langeweile nach dem Abservieren seiner Ehemals- Geliebten Gräfin Orsani (Natali Seelig) in Emilia, die er ein einziges Mal gesehen hat, verliebt, jedoch die Vermählung mit dem Grafen Apiani ein Hindernis darstellt, schmiedet Marinelli einen Plan. So wird die Braut gekidnappt, in des Prinzen Lustschloss gebracht und der Bräutigam durch eine herumirrende Kugel erledigt. Wie in dem Film American Beauty fallen Rosenblätter auf die entführte Emilia. Der Blütenregen wirkt am Boden jedoch schon wie Blutlachen.
Getroffen von des Prinzen Gleichgültigkeit steckt die verflossene Geliebte Galotti Messer, Pistole und Giftfläschchen in die Taschen, die er jedoch wieder herauszieht. Dann endet es aber so, dass Emilias Vater das Messer behält.
Der Schluss ist so inszeniert, dass der Vater Emilia in dem Moment durchsticht, als der Prinz sie zu sich ziehen will.
Das Ende ist wie bei Lessing. Emilia ist tot. Das Opfer einer über Jahrhunderte hinweg ungebrochen männlichen Verfügungsgewalt über die Frau. Darin liegt bis heute die eigentliche Tragödie von Emilia Galotti.
Dem Regisseur gelingt es mit dem Erfolgsstück von den Gegensätzen in unserer Gesellschaft zu erzählen.
Er kassiert mit den Darstellern viel Beifall.
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