Die protestbewegung der 68er kommt, wie heute fast alles, aus den usa
Counterculture – Die Protestbewegung der Sixties
Einleitung
Die Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg war zu Beginn klein, wurde im Laufe der Jahre dann aber zu einer riesigen Bewegung und zu einer representativen Mehrheit – wahrscheinlich zur grössten und wirkungsvollsten Antikriegsbewegung aller Zeiten. Doch es blieb nicht nur beim Protest gegen den Vietnamkrieg. Die junge Generation, vor allem die Studenten, die Auslöser der Antikriegsbewegung, wandten ihren Eltern und deren konsum- und berufsorientierten Lebenwandel den Rücken zu. Sie wollten eine soziale, gerechte und friedlichere Gesellschaft in der man sich frei entfalten konnte.
Demographische und soziale Gründe für die Entstehung der Protestbewegung
In der Zeit der sechziger Jahre war denn auch das Potential der Studenten enorm, da die Kinder der „baby boomers“ damals an die Universitäten drängten. Die Zahl der Studenten stieg drastisch an, und verschärfte den Generationenkonflikt zwischen den Baby Boomers, den damaligen Studenten, und ihren Eltern.
Um sich von ihren Eltern abgrenzen zu können, entwickelte die neue Generation ihre eigene Jugendkultur, die sich mit Veränderungen in der Geisteshaltung und der Neubestimmung des Wertesystems auseinandersetzte.
Das Black-Power Movement und „The New Left“
Die frühen sechziger Jahre waren die Zeit der grossen Emanzipationsbewegungen. Die Studenten schlossen sich damals dem Protest afroamerikanischer Organisationen und deren Leitfigur Martin Luther King an, und machten mit friedlichen „sit-ins“ und friedlichen Blockaden auf Rassendiskriminierung im Süden aufmerksam. Sie kämpften gemeinsam für eine gerechte Gesellschaft ohne rassische Diskriminierung und krasse wirtschaftliche Unterschiede. Beeinflusst von neo-marxistischem Gedankengut (Mills, Marcuse) wandten sie sich auch den Problemen in der Dritten Welt zu. Schon bald galt die amerikanische Aussenpolitik als imperialistisch und die gesellschaftliche Ordnung als kapitalistisch.
Die kritische Studentenschaft bezeichnete sich nun selbst als Motor sozialer Erneuerung, also „The New Left“. Die amerikanische Studentenbewegung war geboren.
„I have a dream“ und die Kultur einer neuen Zeit
Das Denken dieser Zeit wurde von zahlreichen Schriften über Umweltverschmutzung, Armut und Rassendiskriminierung und die Emanzipation der Frau geprägt. Der afroamerikanische Schriftsteller James Baldwin prognostizierte in The Fire Next Time Rassenunruhen als Folgen von Armut und Rassendiskriminierung. 1963 organisierte Martin Luther King in Birmingham, Alabama, wohl den spektakulärsten Protest gegen die Rassendiskriminierung: Vor 250'000 Menschen hielt er die Rede „I have a dream“.
Neues und Fremdes trat an die Stelle der ruhigen, konsumorientierten fünfziger Jahre.
1964 kam Stanley Kubricks Film Dr.Strangelove in die Kinos, der die Auswüchse des Kalten Krieges wie kein anderer anprangerte. 1964 erobern die Beatles Amerika und schon ein Jahr zuvor hatte der Liedermacher Bob Dylan die allgemeine Aufbruchstimmung der Jugend besungen (The Times They Are A-Changing), und der Song sollte zur Hymne einer ganzen Bewegung werden.
Die Antikriegsbewegung
Hineingeboren in eine Gesellschaft, die einen ungeheuren Wohlstand bot, begannen viele Jugendliche den Kalten Krieg mit anderen Augen zu sehen als ihre Eltern. Die jungen Studenten betrachteten die Frage von Krieg und Frieden als moralisches Problem. Sie waren angewidert von einem System, welches so lange den Rassismus im Süden der USA geduldet hatte und schliesslich sogar noch auf Südostasien übergriff.
Der Krieg in Vietnam hatte für sie nichts mit der Verteidigung des Westens gegen den internationalen Kommunismus zu tun. Für sie war es ein Bürgerkrieg, in den sich die USA ohne Recht eingemischt hatten.
Proportional zur Entsendung von immer mehr Soldaten durch LBJ entwickelte sich die Antikriegsbewegung. Sie machte durch ihre Aktionen Vietnam zum Gegenstand einer innenpolitischen Auseinandersetzung. Die Antikriegsbewegung war ein kulturelles Phänomen, eine gesellschaftliche Bewegung, die viele Bewegungen vereinte.
1965 fand in Washington die erste grosse Antikriegsdemo statt.
25000 Menschen nahmen teil und sie ging auf eine Initiative des SDS (Students for a Democratic Society) zurück. Zu ihnen gesellten sich auch radikale Pazifisten und Wehrdienstverweigerer. Ein überproportionaler Anteil der amerikanischen Truppen waren Schwarze aus der Unterschicht. Aus dieser Ungerechtigkeit heraus, hatte sich auch die Black-Power Bewegung mit den Studenten solidarisiert. Sie verlangten nun alle zusammen den sofortigen Rückzug aus Vietnam und forderten eine neue Gesellschaft der Gewaltlosigkeit. Es wurde zur Verbrennung von Einberufungsscheinen für die Armee aufgerufen.
1967 verweigerten schon einige Hundert, die dem Aufruf folgten und dafür mit Geldstrafen oder Haft büssen mussten. Viele flüchteten auch nach Kanada oder Schweden. 1966 schmiedete der Radikalpazifist A.J.Muste ein breite Koalition von Antikriegsgruppen und ähnlichen Organisationen; dies trotz heftigen und zum Teil auch illegalen Versuchen des FBI’s und CIA’s, den Widerstand zu zersplittern. Demos im April 67 in NY brachten fast 400000 Menschen auf die Strasse, bis dahin die grösste Demonstration in der Geschichte der Stadt.
Von der Antikriegsbewegung zur Hippiekultur
Es war jedoch nicht nur der Krieg an sich, gegen den sich grosse Teile der Antikriegsbewegung wandten. Man wollte auch etwas gegen die sozialen Ursachen des Vietnamkrieges unternehmen. Die Emanzipationsbewegung der Frauen und die Vertreter verschiedenster Subkulturen und Gegenkulturen (counterculture) verstanden den Vietnamkrieg als Konsequenz eines kulturell und sozial bankrotten Systems. Den meist aus der Mittelschicht und dem Bildungsbürgertum entstammenden jungen Erwachsenen ging es in dieser Kulturrevolution um mehr als den Vietnamkrieg: Sie wandten sich gegen bestehende Machtstrukturen, gegen fortschreitende Rationalisierung und Verwissenschaftlichung des menschlichen Daseins, gegen Bürokratie und Armee, gegen Konsumkultur und Leistungsdruck. Ihr Protest fand viele Ausdrucksformen, die nur zu einem geringen Teil mit dem Krieg zu tun hatten: Musikfestivals, Drogenkonsum, Hippiekultur, freie Liebe, die Hinwendung zu anderen Religionen und Kulten. Die Protestbewegung hatte sich ihre eigene Kultur geschaffen.
Die Kultur der rebellischen Verweigerung, die Rock- und Hippie-Kultur, die Abgrenzung der Jugend von der Welt der Erwachsenen, begann in den USA Ende der 50er Jahre. Amerika hatte sich damals schon vom 2.WK erholt und einen relativen Wohlstand erreicht, der es der weissen Mittelstandsjugend erlaubte, aus dem Alltag der Erwachsenen auszubrechen, den vor allem die Berufswelt bestimmte. Die Jungen lehnten Anfang der 60er Jahre zunehmend den sterilen und durch wachsenden Konsumismus gekennzeichneten Lebensstil der Erwachsenen ab und schufen sich neue Werte und Idole.
Freie Liebe und die Sexuelle Revolution
Die verklemmte puritanische Moral, die vor allem in eben diesem weissen Mittelstand bestimmend war, wich einer neuen Vorstellung von Erotik und Sex. Nun zählte nur noch die Liebe, egal in welchem Alter, egal zwischen welchen Geschlechtern und unabhängig vom Trauschein.
Die Hippies erklärten die Liebe zum positiven Gefühl, das man nicht zurückhalten oder frustrieren dürfe. Sex und Erotik seien nur andere Ausdrucksformen dieser Liebe. Gleichzeitig entwickelte sich auch ein völlig neues Körpergefühl. Bis zu diesem Zeitpunkt galt der Körper eher als etwas Schmutziges, und man durfte ihn zwar andeuten, aber nie enthüllen. Nun plötzlich zeigten sich Jungen und Mädchen oben ohne oder nackt, weil sie den Körper als etwas Natürliches und Sauberes empfanden. Die Bilder der grossen Rock-Konzerte wie Woodstock, bei denen man sich in aller Öffentlichkeit auszog und liebte, schockierten die etablierte Gesellschaft und übten auf die Jugendlichen eine ungeheure Anziehung aus.
Alternative Lebensformen
Man wollte dem Establishment in jeder Beziehung den Rücken kehren, auch in den Lebensformen. Anfang der 60er Jahre wurde in Kalifornien die erste Hippie-Kommune gegründet und viele weitere folgten – auf dem Lande wie in den Grossstädten. Für alle galten die gleichen Maximen: Abschaffung des Privateigentums, gemeinsame Lebenserfahrungen durch Musik und Drogen, Abwendung von jeglichem Konsumzwang, Besinnung auf die inneren Werte, Rückkehr zum einfachen und natürlichen Leben.
„On the road“
„Lasst uns gehen. Ja, aber wohin? Ich weiss es nicht, aber wir müssen losziehen. O.
K., machen wir uns auf den Weg“ diese Worte beschreiben vielleicht am eindrücklichsten die neue „on the road“-Bewegung, die sich am gleichnamigen Buch von Jack Kerouac orientierte. Die amerikanischen Jugendlichen entdeckten in den 60er Jahren ihr Land, oder besser gesagt seine Weiten und Fluchtmöglichkeiten. In halb verrosteten Autos, mit Motorrädern, per Autostop oder in Eisenbahnwaggons machten sie sich in Scharen auf den Weg. Auf ihrer Reise erfuhren sie immer wieder Ablehnung, sei es nur passiv, oder auch mit brutaler Gewalt (Easy Rider).
„Drop acid, not bombs!“
Parallel zur Reisebewegung entwickelte sich auch der Trend zur inneren Reise, zum Trip.
Mit LSD, Marihuana, Haschisch und anderen Drogen liessen sich ebenso neue Landschaften erschliessen (Bücher von Allen Ginsberg, William S.Burrogh). Durch die Drogen wollte man sein Bewusstsein erweitern und sich von inneren und äusseren Zwängen freimachen.
Diese „On the road“-Bewegung in ihren verschiedensten Ausformungen beeinflussten auch die Musikszene – und umgekehrt. Die Reise wurde von Liedern wie „On the road again“ (canned heat) oder „this land is my land“ (woody guthrie) begleitet, ebenso wie von den Songs von Bob Dylan, der seine erste LP 1962 zum grossen Teil diesem Thema widmete. Immer wieder kommen in den Liedern jener Jahre Begriffe aus dem Bereich Reise vor.
Aber auch dem Trip sind unzählige Lieder gewidmet: Lucy in the Sky with Diamonds.
„Live hard, die young!“
Die Musik der 60er Jahre war nicht nur Ausdruck des unter jungen Menschen dominierenden Lebensgefühl – sie hat den grossen Aufbruch von 1968 auch wesentlich vorbereitet. Die ab 1962 aus England sowohl auf den Kontinent als auch auf die USA überschwappende Beat-Welle bereitete eine Kulturrevolution vor. Die Musik wurde härter und lauter, die Texte aggressiver, die Haare der Musiker und ihrer Fans länger – für den Spiesser stand der Untergang des Abendlandes unmittelbar bevor. Dabei erwies sich die musikalische Revolution als schnell integrierbar: Sie liess sich gut verkaufen. Die Beatles als wichtigste Band der neuen Musikrichtung kehrten schon bald in den Schoss der Gesellschaft zurück, wenn sie ihn überhaupt je verlassen haben: 1965 empfingen sie von der Queen den Orden des British Empire – wegen ihrer Verdienste um das Vaterland.
Spätestens damals wandte sich die kritische Jugend von den Beatles ab und der zweitwichtigsten Band der Epoche zu: den Rolling Stones, die 1965 mit ihrem Hit „I can’t get no satisfaction“ den jugendlichen Überdruss an Konsum und Bevormundung mit minimalen Mitteln zum Ausdruck brachten. Eine politische „Message“ enthielt der Song ebensowenig wie die anderen Stücke , die zu Hymnen der Revolte wurde. The Who beklagten in „My Generation“ die Gängelung der Jugendlichen, und Bob Dylan singt poetisch über die neue Zeit: „You better start swimming or you’ll sink like a stone, for the times they are a changing“. In anderen Songs ging es um Vietnam – „Masters of War“ von Bob Dylan oder „Sky Pilot“ von den Animals. Revolutionäre Aufrufe waren die Ausnahme und eher allgemein gehalten – wie Jim Morrisons pathetischer Satz „We want the world and we want it now!“
Wichtiger als die Aussage war der Habitus der Rockstars als autonome Persönlichkeiten, die den Zwängen der Gesellschaft trotzten und die Grenzen des bürgerlichen Anstands demonstrativ überschritten. Das Poster mit Frank Zappa auf der Kloschüssel wurde zum Kult-Objekt, Jimi Hendrix und The Who demolierten am Ende ihrer Konzerte die Gitarren, Jim Morrison (The Doors) onanierte auf der Bühne, Janis Joplin war stäntig besoffen, andere bekifft oder anderweitig zugedröhnt, bei etlichen, die jung starben, waren Drogen im Spiel.
Das Aufbegehren gegen Zwang und Unterdrückung führte zur Selbstzerstörung – gemäss Janis Joplins Wahlspruch „Live hard, die young“.
Die Musik vereinte die Jugend in ihrem Aufbegehren. Man richtete sich zusammen gegen die verkrustete Welt der Erwachsenen. Einer der verbreitetsten Slogans war: „Trau keinem über 30!“ oder noch drastischer „Ich möchte sterben, bevor ich 30 bin“.
Hair
Das Musical „Hair“ aus dem Jahre 1967 und die gleichnamige Verfilmung von Milos Forman zeigten anschaulich das neue Lebensgefühl und die Faszination, die es auch auf weisse Normalbürger aus der amerikanischen Provinz ausüben konnte. Die langen Haare, die Kleidung, die Art sich zu bewegen und zu tanzen, die Einnahme von Drogen – alles stand im krassen Gegensatz zu den gängigen Werten.
Flower-Power und die Yippies
Diese neue Gegenkultur trug einige grundlegende Kennzeichen. So setzte sie ein neues Ideal, das es anzustreben galt: Der markige Kriegsheld und der hargesottene Cowboy, glorifiziert in unzähligen Filmen, mussten dem friedfertigen Menschen weichen: Aus dem Pazifismus entwickelte sich die Flower-Power-Bewegung. Die Polizisten, die kamen, um Jugenddemonstrationen mit Schlagstöcken und Tränengas aufzulösen, wurden von den angeblichen Staatsfeinden mit Blumen empfangen und aufgefordert, sie in ihre Gewehre zu stecken. Der Slogan dieser Bewegung „Make Love Not War“ ging um die Welt. Obwohl die Hippies im Grund unpolitisch waren und in erster Linie den neuen Menschen schaffen wollten und dann erst eine neue Gesellschaft, nahmen sie doch an einigen zentralen politischen Veranstaltungen teil. Gleichzeitig gab es die Yippies, die Youth International Party, sie waren der militante Flügel der Hippies.
Der Mythos WoodstockBis heute ist das Woodstock wahrhaft eine Legende. Aus der ganzen Welt strömten in diesem Jahre rund 500.000 Menschen zusammen, um in der Nähe des Dorfes Woodstock, New York, USA, den bedeutendsten Musikern ihrer Generation zuzuhören.
Drei Tage voller Frieden, Liebe und Musik von Freitag, 15. August 1969 bis zum Sonntag, 17. August 1969.
Das Ende der 60er Jahre.
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