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  Der literarische reisebericht

Der literarische ReiseberichtEinführung Wenn jemand eine Reise tut, so kann er er was erzählen. Nicht erst Matthias Claudius erkannte den intimen Zusammenhang zwischen Reisen und erzählen. Diese Verbindung hatte sich über Jahrhunderte entwickelt, und jede Epoche hatte ihre typische Reiseform, jeweils verbunden mit einer gewissen Vor- und Nachzeitigkeit: Die Pilgerreise im Mittelalter, Die Grand Tour im 17. Jh., als Weiterführung die Italienreise im 18. Jh.

, die Auswanderungswellen im 19. Jh. und die Moderne im 20. Jh. Reisende stehen seit je her unter dem Verdacht, zu lügen. Der Reisebericht wird schon seit der Antike als eine Gattung mit wenig Wahrheitsgehalt gesehen.

Diese Lügen haben verschiedene Ursachen, wie kommerzielle Bedürfnisse oder daß der Reisende den Erfahrungen, die die Konfrontation mit dem Fremden bietet, nicht gewachsen ist. Hier stellt sich auch die Frage, was eigentlich fremd ist und nach den Bedingungen einer Erfahrung dieses. Eine einfache Abweichung vom Bekannten reicht sicherlich nicht aus, um etwas als kulturell fremd darzustellen. Der Prozeß, in dem sich die Wahrnehmungsformen herausbildetenn, ist eingebettet in weiträumige Entwicklungen. In dessen Verlauf wandelte sich die Gestalt des Fremden und der Wirklichkeitsauffassung von einem geteilten Weltbild nach dem Mittelalter in eine einheitliche Wirklichkeit. Wie auch immer das Verhältnis zwischen Eigenem und Fremden gefaßt wurde, das entscheidende bleibt, daß das Andere stets genau abgrenzbar erschien, egal ob es geächtet, respektiert oder idealisiert wurde.

Eine grundsätzliche Neubestimmung brachte erst die frühe Neuzeit. Dieser Prozeß hat Konsequenzen für die Formen, in denen der Reisebericht das Fremde beschreibt. Seine Wahrnehmungs- und Darstellungsformen sind durch den sozialen Status des Reisenden und durch seine Einbindung in die Mentalität gesellschaftlicher Gruppen bestimmt und hängen wesentlich vom technischen und organisatorischen Stand der Verkehrsmittel ab. Altnordische Reiseliteratur Die früh- und hochmittelalterliche Gesellschaft Skandinaviens ist durch starken Expansionsdrang und Reisefreudigkeit gekennzeichnet. So gehörten zur aristokratischen Ausbildung auch eine Reise nach England oder Frankreich. Die Frage nach der Zuverlässigkeit der Quellen kann man nicht generell beantworten, da einerseits zwischen Ereignis und literarischer Darstellung oft mehrere hundert Jahre liegen, andererseits manche Teile historisch nachweisbar sind.

Der älteste Bericht ist von Ottar über seine Heimat, den er, da er nicht schreiben konnte, am westsächsischen Hof von König Alfred vortrug. Von Fahrten in der Osten gibt es nur wenige märchenhafte Berichte, mehr Material dagegen von den Fahrten in den Westen, das überwiegend von den Isländern stammt. So entstand unter anderem das “Buch von der Landnahme”, in dem genau verzeichnet ist, wer nach Island kam, und die “Eiriks Saga”, die die Fahrt nach Amerika und die Begegnung mit den Eingeborenen beschreibt. Von den Reisen in den Süden gibt es nur die “Geschichte von den Orkadenjarlen”, die von Jarl Rögnwalds Palästinafahrt erzählt. Zur gleichen Zeit entstand auch der einzige erhaltene Reiseführer für die Wege nach Rom. Deutschsprachige Reiseberichte im Spätmittelalter Im Mittelalter gibt es nur einen Reisegrund: die Pilgerreise.

Die wichtigsten Reiseziele sind Jerusalem, Rom und Santiago. Im Wesentlichen gibt es 3 Berichtarten: Die Pilgerführer, meist lateinisch geschrieben, haben im 12. Jh. einen großen Erfolg. In ihnen sind nur die wichtigsten Orte verzeichnet, aber nie eigene Erfahrungen des Autors. Außerdem sind sie alle sehr ähnlich, da die Autoren von einer einzigen Vorlagen abschrieben.

Die 2. Gruppe sind die Itinerare, in denen eine selbst erlebte Reise in Ichform erzählt wird. Sie sind meist kurz und stilistisch schlecht. Im Gegensatz dazu steht der literarische Reisebericht, der Aufgrund seines Umfanges vor allem zur Belehrung und Unterhaltung eines Publikums zu Hause dient. Deshalb setzt er auch keine persönliche Reiseerfahrung des Autors voraus, wie das Werk “Voyages” von Jean de Bourone beweist. Obwohl er Europa nie verlassen hat, beschreibt er die gesamte damals bekannte Welt.

Der früheste deutschsprachige Reisebericht ist die Übersetzung des “Itinerarium” von Wilhelm von Boldensele. Ebenfalls erwähnenswert ist der Mönch Felix Fabri, der seine Jerusalemreisen in 4 verschiedenen Werken verarbeitet hat: Im “literarischem Evagatorium” für seine Klosterbrüder weist er auf die Gefahren hin, um sie von einer Pilgerfahrt abzuhalten. Als Ersatz dafür ist dieses sehr umfangreiche Buch gedacht. Einen ähnlichen Zweck die für Nonnen geschriebene “Sionpilgerin”. Im Gegensatz dazu steht die “eigentliche Beschreibung der hin und wider farth zu dem heiligen Lande”, die sein adeliges Publikum zu einer Reise ermuntert, ebenso wie sein 1480 geschriebenes, sehr spannendes Gedicht. Zur gleichen Zeit entstehen auch wenige Berichte, die keine Pilgerreise beschreiben, z.


B. Marco Polos Schilderung der Asienreise, in der neben realen Erlebnissen auch fabelhafte Geschichten enthalten sind. Hodoeporica Die meisten lateinischen Reiseberichte, die in Renaissance und Barock entstehen, sind, da überwiegend von Studenten verfaßt, in Gedichtform geschrieben und meist adeligen Gönner gewidmet. Durch Gedichte über akademische Reisen kann der Autor außerdem Ehrungen bekommen. Als Hodoeporica werden Gedichte und Prosabeschreibungen bezeichnet, denen eine echte Reise zugrundeliegt. Die gewählte Art läßt auch Schlüsse auf die Art der Darstellung zu: Während die im epischen Hexameter verfaßten Stücke eher eine objektive Information anstreben, sind elegische Gedichte eher subjektiv.

Interessant für die Natureinstellung der Neulateiner ist das Erleben der Alpen, das sich bei Georg Sabinus (1508 - 1560) zeigt: Er schildert die Bedrohung des Reisenden ohne irgendeiner Romantik. Reiseziele dieser Zeit waren Italien und die Türkei. Dabei wurden die Türken sehr grausam geschildert, wie das Reisegedicht von Paulus Rubigallus zeigt. Am Anfang des 17. Jh. wird die Neulateinische Reisedichtung durch die Volkssprachliche Reiseliteratur abgelöst.

Zur gleichen Zeit entstehen auch Reiseanleitungen, z.B. von Theodor Zwinger (1533 - 1588). Für diese Kunstlehre des Reisens setzte sich der Name Ars Apodemica durch. Sie enthalten unter anderem eine Definition des Reisens, Argumente für und dagegen, ärztliche, religiöse und praktische Ratschläge, Beschreibungen der wichtigsten Nationen und Instruktionen, wie man auf Reisen Beobachtungen macht und auswertet. Die ebenfalls im 16.

Jh. stattfindenden Entdeckungsfahrten der Spanier und Portugiesen finden in Deutschland vor allem wegen der Reformation nur geringe Beachtung. Es gibt nur wenige Berichte über die neue Welt, erwähnenswert ist nur die “Wahrhaftige Historia” von Hans Staden (1525 - 1576). Er kann die Kultur der dortigen Einwohner sehr genau beschreiben, da er selbst ein Gefangener von ihnen war. Die Kavalierstour im 16. und 17.

Jh. Schon seit dem Mittelalter gibt es in Deutschland viele Wanderstudenten, was sich auch durch Universitätsgründungen nicht ändert. Während am Anfang nur die Bürger studieren, kommen im 16. Jh. auch die Adeligen dazu. Jedes Land hat eigene Vorteile zu bieten: Frankreich besitzt eine gute Infrastruktur, in der die Studenten gute Manieren lernen können, in Italien gibt es eine Einführung in die Antike und in der Niederländischen Republik kann man eine neue Staatsform kennenlernen.

Von den Adeligen Studenten gibt es nur äußerst wenige Berichte, da sie nur Briefe an die Eltern schicken. Einen ausführlichen Reisebericht schreibt dagegen der Paedagogus, der den Studenten begleitet. Ganz persönlich gehalten ist der Reisebericht von Konrad von Uffenbach (1683 - 1734). der auch die Infrastruktur der Universitätsstädte betrachtet. Um 1600 entsteht das Itinerarium, das als Vorbereitung für eine Grand Tour gedacht ist. Das erste deutsche Itinerarium stammt von Paul Hentzer (1558 - 1623).

Eine Ergänzung dieser Berichte sind Stammbücher, in die sich Bekannte eintragen. Reisen an die Grenzen der alten Welt Im gesamten gibt es 5 Reisearten nach Asien: diplomatische Reisen, Handelsreisen, Christliche Missionsreisen, wissenschaftliche Forschungsreisen und die Individualreise einzelner Personen. Einer der literarisch besten Reiseberichte ist die “Allerneueste und wahrhaftige Ost-Indianische Reise-Beschreibung” von Christoph Barchewitz. Er will seine Leser nicht nur belehren, sondern auch unterhalten und webt deshalb Reisebeschreibung, Bemerkungen zum Holländischen Kolonialsystem, Sittendarstellungen der Einheimischen und Naturbeschreibungen zusammen.Lange vor Barchewitz hat Adam Olearius die Persische Gesellschaft beschrieben. Trotz der deutschen Sprache richtet er sich an ein gelehrtes Publikum.

Das wichtigste Bauprinzip seines Berichtes ist die Trennung von Reisebeschreibung und Landeskunde. Die Reise wird zum Anlaß für eine Darstellung der fremden Zivilisation genommen. Seine Darstellung von Persien und Rußland behielt bis zum Erscheinen des Persienwerkes von Sir John Jardins Gültigkeit.Ebenfalls ein Reisebericht über Persien stammt von Engelbert Kaempfer, der aber durch seine Japanreise berühmt wird. Im Gegensatz zu Persien lebt er dort aber unter strikter Aufsicht und ist so auf inländische Informanten angewiesen. Deshalb durchschaut er das japanische Polit- und Gesellschaftssystem nicht ganz.

Doch alles, was er sieht, z.B. die Reise zum Königshof, beschreibt er sehr genau. Carsten Niebuhr beginnt seine Asienreise mit dem Zweck, mehr über das noch nicht detailliert erforschte “glückliche Arabien” zu erfahren und in Begleitung von 4 anderen Wissenschaftern, die aber bald sterben. So zieht er alleine über Südpersien und Bagdad nach Konstantinopel. Da er es im Gegensatz zu Kaempfer mit vielen verschiedenen Kulturen und Landschaften zu tun hatte, folgt seine “Reisebeschreibung von Arabien” chronologisch dem Reiseverlauf.

Reisefacetten der Aufklärungszeit Im 18. Jh. macht sich vor allem der bildungsbeflissene Bürger auf die Reise. Alles, was ihm auffälliges begegnet, notiert er und veröffentlicht es nach der Rückkehr. Viele reisen auch mit exakten Vorstellungen. So entstehen die geologische, biologische und literarische Reise.

In der Aufklärungszeit entstehen etwa 10.000 Reisebeschreibungen in verschiedensten Formen, z.B. Tagebuch, Brief, Stationenchronik. Die absolutistischen Verwaltungen sehen das Reisen fremder Untertanen unter 2 Gesichtspunkten: Einerseits kann der Reisende Wehrverhältnisse und ökonomische Verhältnisse (Einwohnerzahl, Sterblichkeit, Schulwesen), die sonst geheim sind, in Erfahrung bringen, andererseits sind die als Geldbringer willkommen. Die eigenen Untertanen sollen erst reisen, wenn sie Zeit und Geld sinnvoll nutzen können und keine schlechten Manieren annehmen.

Um 1780 reisen die Deutschen vor allem ins westliche und südliche Ausland. Aber die Reisenden haben jetzt nicht mehr im Sinn, technische und künstlerische Wunderwerke zu besichtigen. Sie sind eher sozial orientiert, schreiben über die Gerichtsbarkeit, Gesundheitswesen und Erziehungssystem und kritisieren auch, wenn sie etwas vernachlässigt sehen. Sie äußern sich befriedigt, wenn in Deutschland etwas besser ist als in Frankreich, erkennen aber auch bessere französische Verhältnisse, wie die Straßengüte und das Nachrichtenwesen, an. Bei den Reisenden in Deutschland setzt sich der politische oder sozialkritische Reisebericht durch. Als Ersten kann man die “Reise durch Oberdeutschland” von Ludwig Werkhlin ansehen, der Entrüstung hervorruft, da er Mißstände bei der Verwaltung, beim Zoll und Steuerwesen und die kulturelle Misere in Schwaben öffentlich macht.

Die umfangreichste und berühmteste Beschreibung einer Aufklärungsreise ist die “Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz” von Friedrich Nicolai (1733 - 1811). Sein Bericht zielt auf Gemeinnützigkeit will durch Wahrheit nutzen stiften und ein wohlgeregeltes und industrielles Gemeinleben fördern. Darum lobt er den Fleiß der bäuerlichen und städtischen Bevölkerung, vergleicht die Tüchtigkeit der Katholiken und Protestanten, registriert den Zustand der Straßen und stellt die Preise verschiedener Dinge in umfangreichen Tabellen dar. Nicolai erklärte die Freimütigkeit zur wichtigsten Tugend der Reiseliteraten. Der Reisende soll weder vor Regierungen zurückschrecken noch den Zorn der Obrigkeiten scheuen. Ebenso dazu gehört eine Fürsprache für unterdrückte Bevölkerungsgruppen.

Italienreisen im 18. Jh. Als um 1700 auch das gehobene Bürgertum auf Kavalierstour geht, erfolgt eine Wandlung zurück zum Herkömmlichen Prinzip der Studienreise: Die zu Hause den Büchern entnommenen Kenntnisse sollen mit eigenen Augen selbst überprüft werden. Die Interessen der Reisenden sind weitgehend gleich, auch die Reiseroute ist bereits vereinheitlicht. Die Reise von Johann Caspar Goethe darf als repräsentativ für die Laienkultur der bürgerlichen Aufklärung angesehen werden. Entscheidend ist die moralische Deutung der Sehenswürdigkeiten: Der Karneval wird zur Warnung vor dem Glücksspiel verwendet, auch die Aktmodelle in den venezianischen Malerakademien empören ihn.

Dabei wird ein allgemeingültiger Maßstab angelegt, der auf Besonderheiten keine Rücksicht nimmt. Johann Caspar Goethe hat Italien als Beobachter durchreist, der zwar alles registriert, sich auf Andersartigkeiten aber nicht einläßt. Im Gegensatz dazu steht Johann Wolfgang Goethes Italienreise von 1786 bis 88, bei der das ethnisch-politische bereits durch das ästhetische abgelöst worden war. Die norminierte kritische Reise differenziert sich zu individuellen Formen, die Kavalierstour wird endgültig abgelöst. Im deutschen Bereich initiiert dies Johann Joachim Winckelmann (1717 - 1768), der Italien von der Heimat der römischen Kultur zu der der griechischen Kultur umdeutet und Sizilien in das italienische Reiseprogramm integriert. Aber erst Wilhelm Heine (1746 - 1803) erkennt den sinnlichen Reiz der mediteranen Landschaft und stellt die Sozialkritik in den Hintergrund.

Deutlich wird die Distanzierung von der ethnischen Wahrnehmung in seinem Roman “Ardingrello oder die Glückseligen Inseln”, der ein sinnliches Bild Italiens entwirft. Das Schauspiel der Revolution Seit 1789 gibt es in Paris etwas besonderes zu betrachten: die Revolution, hinter der alle anderen Interessen, wie Natur, Kunst und Landschaft zurücktreten. Galt bis dahin London als Hauptstadt der Welt, so wird sie nun von Paris abgelöst. Die meisten Paris-Reiseberichte werden in Zeitschriften veröffentlicht, z.B. Georg Friedrich Recharts “Vertraute Briefe über Frankreich” in seiner Zeitschrift “Frankreich.

Aus den Briefen deutscher Männer in Paris”. Oft verwendet sind die Metapher des Schauspiels, bei dem die Reisenden als Zuschauer dargestellt werden, und des Vergleiches des Staates mit einem Schiff. Georg Forster (1754 - 1794) wendet sich in seinen “Pariser Umrissen” gegen jene Zuschauer, die das auf hoher See fahrende Staatsschiff in einen bestimmten Hafen bringen möchten. Die Revolution sollte sich frei entwickeln, bis ihre ganze Kraft aufgebraucht ist. Reiseberichte im Vormärz Zwischen 1815 und 1848 wird das Reisen von der industriellen Revolution erfaßt. Nicht nur die Verkehrsmittel, auch die Reiseziele, wie Paris und London, werden von der Modernisierung ergriffen.

Neben den neuen Wahrnehmungsformen, die inhaltlich Zukünftiges beschreiben, existieren auch weiterhin andere Formen, wie die von Alexander von Humboldt vertretene Wissenschaftliche Reisebeschreibung. Eine eigene Kategorie ist der Kriegsbericht, z.B. “Aus den Wanderbuche eines verabschiedeten Lanzknechtes” von Friedrich von Schwarzenberg. Die Reiseberichte lassen sich in 2 Gruppen einteilen, wobei Mischformen häufig sind: den Reisebericht von Heine und den von Hahn-Hahn. Am Anfang von Harry Heines (1797 - 1856) “Briefen aus Berlin”, die er für den Rheinisch-Westfällischen Anzeiger schreibt, steht der Gedanke an zwei verschiedene Lesertüpen: Einerseits den Journalleser, der nicht noch einmal das lesen will, was in der Zeitung steht, andererseits den Zensor, den er vom Lesen abhalten will, z.

B. mit 38 Namen in einem Absatz. Der Reisebericht von Heine ist subjektzentriert, d.h. er hat einen Icherzähler, der den Leser mit Du anspricht. Die Abhängigkeit vom Leser wird von Heine vorgezeigt und mit Zeitmangel begründet, der auch der Grund für die Ablehnung der Systematie und für die Hinwendung zur Assoziation der Ideen ist, d.

h. er behält sich vor, Dinge später oder gar nicht zu beschreiben. Bereits der durch Berlin eilende Heine hat Probleme, wie man die Wahrnehmungen literarisch vermitteln sollte. Im Gegensatz zu den Liberalen reist Ida Hahn-Hahn (1805 - 1880) nicht, um möglichst schnell anzukommen, wird von Paris nicht überzeugt und benützt nicht die Journale. Sie lehnt die Briefform ab, weil sie langweilig und hinderlich ist. Zwar beginnen und enden ihre “Erinnerungen aus und an Frankreich” mit einem Brief dazwischen liegen jedoch über 500 Druckseiten.

Die Amerikaauswanderung im 19. Jh. Als im 19. Jh. die Auswanderungszahlen steigen, wächst das Bedürfnis nach Informationen über Reise- und Ansiedelungsmöglichkeiten. Während bei der ersten großen Auswanderungswelle 1816 - 1817 neben Briefen vor allem Reiseberichte ohne genaue Informationen diese Rolle übernehmen, nehmen sich 1840 die “Ratgeber”, eine Mischform von Reisebeschreibung und Reiseführer, dieses Problems an.

Die Reiseberichte dieser Zeit sind fast immer aus der Sicht eines Erkunders und Erporbers geschrieben, der die Ansiedelungsmöglichkeiten prüft. Ein Beispiel dafür ist Gottfried Dudens (1785 - 1856) 1829 veröffentlichter “Bericht über eine Reise nach den westlichen Staaten Nordamerikas”,. In ihm beschreibt Duden alles, was ein vorsichtiger Auswanderer wissen muß: Die Schiffsreise über den Atlantik, die Weiterfahrt ins Landesinnere und die besten Siedlungsmöglichkeiten. Um das herauszufinden, macht er eine Versuchsreise in das Gebiet des Missouri und schreibt darüber 36 Briefe an einen fingierten Adressaten, die er mit einer Abhandlung über die politischen Zustände veröffentlicht. Carl de Haas beginnt seine 20 Jahre später veröffentlichten “Winke für Auswandere” erst in Amerika, die Anreise wird als lästiges Übel gesehen und übergangen. Er reist von Ort zu Ort, ohne dem Leser seine Eindrücke mitzuteilen und beschränkt sich auf die Darstellung verschiedener Verkehrsmittel, Entfernungs- und Preistabellen und geographischen Informationen.

Deutsche Englandreiseberichte im 19. Jh. Im Laufe des 18. Jh. wird England in die Kavalierstour integriert und gehört fortan zu den Bestandteilen jeder bürgerlichen Bildungsreise. Als die jährlichen Sommerreisen aufkommen, wird England wegen seiner leichten Erreichbarkeit von Deutschland aus zu einem beliebten Reiseziel.

Ein weiterer Grund ist die Schönheit Schottlands und des walisischen Berglandes, die erst um 1800 im Zuge der malerischen Landschaftsreisen entdeckt wird. Im 19. Jh. kommt noch die Entwicklung der Verkehrsmittel hinzu, durch die alle Orte rasch erreicht werden können. Gleichzeitig treten auch Reaktionen gegen das Durchfliegen der Landschaft auf. Während die Englandreisen der Aufklärung eigentlich Londonreisen waren, rückt nun jeder Punkt im Landesinneren und auf den Inseln in Reichweite.

Dennoch dominiert London auch weiterhin jedes Englanderlebnis. Johanna Schoppenhauer (1766 - 1838) vertritt in ihren “Erinnerungen an eine Reise in den Jahren 1803, 1804 und 1805” einen vernünftigen Genuß des Lebens mit Maß. Ihre propagierten Werte des bürgerlichen Lebens sind Reinlichkeit Ordnung und Ruhe. Da sie ihr Reisebuch erst 10 Jahre nach der Reise schreibt, fehlt politisches und wirtschaftliches fast vollständig. Sie beschreibt nur gleichbleibende Sitten und Lebensweisen, wie den Ablauf eines englischen Sonntags. Georg Weerth (1822 - 1856) beginnt seine “Skizzen aus dem sozialen und politischen Leben der Briten” als einen subjektiven Reisebericht, gegen Ende fügt er aber immer mehr vorgefundene Texte ein, wie politische Verhandlungen, soziale und wirtschaftliche Daten.

Er erkennt, daß die industriellen Verhältnisse Englands bald auf Deutschland übergreifen werden. So sind seine herausgearbeiteten Kontraste etwas wehmütig, da sie nicht mehr lange gelten werden. Reiseberichte im frühen 20. Jh. Am Beginn des 20. Jh.

wird das Soziale der Berichte durch das Belehrende ersetzt. Führende Verlage unterstützen die Reisenden, da die Reisekosten auch für erfolgreiche Autoren unerschwinglich sind. Bevorzugt werden weit entfernte Ziele, auch in Europa zieht man die früher unbeachteten Länder Spanien und Rußland vor. Doch diese Entdeckerfreude kommt genau zu dem Zeitpunkt, als es nichts mehr zu entdecken gibt. Selbst China ist im Zuge der Europäisierung schon in Interessensgebiete aufgeteilt worden. Die Faszination durch das Fremde, die Hinneigung zu diesem und der Versuch seiner Aneignung wird mit dem Begriff “Exotismus” bezeichnet.

Bernhard Kellermann (1779 - 1851) will bei seiner Japanreise 1910 das Land auf sich wirken lassen und entlegene Landesteile bereisen. In seinem Buch “Ein Spaziergang in Japan” beschreibt er ein rein ästhetisches Bild ohne einer Begegnung mit der fremden Kultur. Auch das Soziale und Politische bleibt ausgeklammert. Sein Werk besteht nur aus hintereinandergereiten Impressionen, alles, was seinem Japanbild nicht entspricht, ignoriert er. Schon sein Reiseziel stimmt mit der impressionistischen Vorliebe für Japan überein. Von diesem Typ sind auch Alfred Kerrs “Die Welt im Licht” und Otto Julius Bierbaums “Eine empfindsame Reise im Automobil”, die Beschreibung einer Autoreise durch Italien.

Obwohl Arthur Holitscher (1869 - 1941) um 10 Jahre älter ist als Kellermann, fehlt ihm bei seinem Bericht “Das unruhige Asien” die Haltung des impressionistischen Weltenbummlers gänzlich. Ihn bewegt nicht die Reiselust, sondern die Sehnsucht nach der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft. Diese Verknüpfung des Reisens mit Heilserwartungen wird immer wieder durch die Realität enttäuscht. In Katastrophenvisionen prophezeit er den Untergang der westlichen Welt und den Aufstieg des Kommunismus, obwohl er nie ein Verfechter von diesem war. Sein hohes Vermögen, die Realität zu erfassen, erweist sich im Bereich unmittelbarer Realitätserfahrung als seine Stärke, z.B.

die Beschreibung der Tropen in Ceylon. Weitere Beispiele von diesem kommunistischen Exotismus sind Alfons Paquets “In Palästina” und “Im kommunistischen Rußland” und Armin Wegners “Im Haus der Glückseligkeit”. Reiseliteratur der Weimarer Republik Alfred Kerr (1867 - 1948) durchreist Amerika nicht als Kritiker, sondern als Müßiggänger, der das Land zweckfrei genießt. In seiner dritten Reise durch das “Yankee - Land” beschreibt er nur die Großstädte ohne dem Reiseweg. Der Höhepunkt der Reise ist San Franzisko, das moderne Erfahrung und Schönheit vereint. Der Freudenblick seiner Reiseerfahrung taucht selbst soziale Probleme in die Harmonie eines kapitalistischen Optimismus.

Im Gegensatz dazu ist Egon Erwin Kisch (1885 - 1948) ein kritischer Reporter, der in seinem “Paradies Amerika” die soziale Realität darstellt. Seine Recherchen decken Mißstände auf, die er mit Statistiken und Interviews dokumentiert. Auch ihn fasziniert die Moderne der Amerikanischen Städte, die Wolkenkratzer und exotischen Schaufenster der Juwelengeschäfte und Schuhläden. Doch da er gerade der Moderne auf der Spur ist, sucht er hinter den Fassaden nach einem sozial entlarvenden Bild der Wirklichkeit. Das ideologische Traumziel aller linkskritsichen Weimarer Reisenden ist Moskau. Ernst Taller, der bei seinen “Amerikanischen Reisebildern” die Impressionen der Recherche unterordnete, beobachtet nun das reizvolle Treiben auf Moskaus Straßen.

Auch weiterhin sieht er alles positiv: zufriedene Arbeiter, Milderung des Strafvollzugs und Technisierung der Produktion. Auf die selbe Weise sehen auch Alfons Goldschmidt und Welfen Benjamin die Reise nach Moskau. Der Reisebericht im Massentourismus Heute hat der Reisebericht seine einstige Bedeutung fast vollständig verloren und wird kaum noch geschrieben. Lediglich die Schilderungen der Abenteurer, wie Extrembergsteiger und Weltumselgler, finden noch Beachtung. Das liegt daran, daß heute eine Reise nur noch als erfolgreich gilt, wenn sie von der Gemeinschaft des Reisenden anerkannt wird. Der Reisende reist diesen Kriterien entsprechend, da er Selbstbestätigung sucht.

Weil aber die Reiseziele ohnehin jedem bekannt sind, reichen als Bericht darüber Fotos oder an die Freunde geschickte Ansichtskarten mit dem Text: “Ich war da!”.

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