Expressionismus
Expressionismus
Die Literaturepoche des Expressionismus dauerte von 1910 bis 1920. Eigentlich stammt der Begriff aus der Malerei. Um 1910 verstand man unter Expressionismus die Art, wie unter anderen Vincent van Gogh oder Henri Matisse ihre Bilder malten. Während des 1.Weltkrieges wird der Begriff oft für die „Moderne“ verwendet. Die expressionistischen Maler treten alle gegen Tradition, Realismus und Impressionismus auf.
Sie malen oft Dinge die nicht den natürlichen Eindrücken entsprechen wie z. B. rote Bäume oder blaue Pferde. Bei ihnen ist das Wirklichkeitswidersprechende, das Deformierte Inhalt und Ausdruck der Kunst. Die Künstler bezweckten damit ein entsetzen, ein schocken des Publikums. Das Bild der „Schrei“ wird oft als Motto für den Expressionismus verwendet.
In der Literatur steht der Expressionismus im Gegensatz zum Naturalismus. Alle Autoren haben eine naive und wirklichkeitsfremde Einstellung zur Politik. Sie stellen utopische und irrationale Forderungen.
Wie auch beim Sturm und Drang geht dem Expressionismus eine historische Umwälzung voran. Die französische Revolution provoziert auch eine Revolutionierung von literarischen Formen und Inhalten. Viele Maler und Literaten reagierten auf die Veränderung mit Skepsis.
Industrie und technische Errungenschaften werden nicht nur positiv, sondern durchaus kritisch gesehen, teilweise sogar als Bedrohung für die Menschheit.
Die Autoren kommen vorwiegend aus den bürgerlichen, den intellektuellen Kreisen, wo ihnen Wertvorstellungen eingetrichtert werden, die mit der Realität nicht übereinstimmen. (z.B. Verharmlosung von politischen und sozialen Problemen). Ihre zunächst bürgerlichen Wertvorstellungen werden mit der Zeit erschüttert.
Strukturmerkmale des Expressionismus
Das gemeinsame Ziel ist, durch eine geistige Revolution eine gesellschaftliche Revolution
herbeizuführen.
Sinnlosigkeit des „modernen Lebens“:
Typisch für den Expressionismus ist die totale Ablehnung gegenüber: Naturalismus, Logik, Psychologie, Staat, Bürgertum, Technik und vor allem die ältere Generation (besonders die Väter, wie bei Franz Kafka). Diese repräsentieren ein positivistisches Weltbild, das nicht mit der eher depressiven und negativen Weltanschauung des Expressionismus übereinstimmt.
Leiden der Menschheit:
Individuelle und einmalige Erlebnisse werden auf die gesamte Menschheit projiziert und in das Leiden der Menschen umgesetzt. Es soll ein „neuer Mensch“ geschaffen werden, dessen Absichten mit denen der alten Generation in Widerspruch stehen. Viele Werke sind Appelle an Menschlichkeit, Friede und Versöhnung.
Daraus ergeben sich Themen wie Weltuntergang, Generationskonflikt und die Darstellung des „Menschen“ schlechthin.
Auswirkungen auf die Literaturformen im Expressionismus
Im Drama wird jedes Geschehen zum Typischen stilisiert. Der Einzelmensch wird zur
Modellfigur, ist meist namenlos und wird zum Rollenträger (Vater, Sohn, Tochter,...)Gesellschaftliche Konflikte werden oft im Vater-Sohn-Konflikt gestaltet.
In der Lyrik äussert sich diese Tendenz in Formauflösungserscheinungen (Reimlosigkeit, Unstrophigkeit, Rythmusberechnung, usw) und Überhöhung der Sprache.
Bei der Epik ist die Ablehnung von Psychologie und Kausalität zur Erklärung von Mensch und Welt auffallend. Die Sprache ist gekennzeichnet durch Kürze, Wucht, Prägnanz im Ausdruck usw.
Franz Kafka (1883 – 1924):Franz Kafka wurde als Sohn des jüdischen Kaufmanns Hermann Kafka geboren. Die Stadt Prag blieb für sein Leben und sein Werk prägend. Durch K’s Leben zieht sich wie ein roter Faden das Gefühl der Angst und die lähmende Vorstellung, von den anderen abgeschnitten zu werden.
Das Gefühl der Ausweglosigkeit beherrscht auch sein Werk.
K. hatte schon als Kind unter einem tyrannischen Vater zu leiden, der dem Jungen alle Entfaltungsmöglichkeiten verwehrte. Er war ein engstirniger Geschäftsmann, grob und ohne jedes Verständnis für seinen ganz anders gearteten Sohn.
K. wurde an das Humanistische Gymnasium geschickt, wo er wieder an Kälte und Drill litt.
Anschließend studierte er auf Wunsch des Vaters Jus und promovierte 1906. Anschließend arbeitete er sehr erfolgreich, aber todunglücklich als Beamter in einer Versicherungsanstalt.
„Mein Posten ist mit unerträglich, weil er meinem einzigen Verlangen und meinem einzigen Beruf, das ist der Literatur, widerspricht.“
K. nahm diese aufgezwungenen Pflichten auf sich, das Gefühl, gegen seine wahre Natur zu leben, verstärkte sich aber noch.
Die Einengung seines Lebens zeigte sich darin, daß er zeitlebens nie von Prag loskam, obwohl er es anstrebte.
Dazu kam noch eine innere Gespaltenheit: Er war Jude und wurde auch jüdisch erzogen, konnte aber den Glauben innerlich nicht teilen. Schließlich war er auch als Angehöriger der deutschen Minderheit in Prag (84% tschechische, 16% deutsche Einwohner) inmitten einer tschechischen Umgebung in seinen Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt. Als Jude wiederum war er von den in dieser Stadt lebenden nichtjüdischen Österreichern, die dort die Oberschicht bildeten, und ihrer Lebensart distanziert.
K. versuchte ständig, die trennenden Mauern niederzureißen und sein Bedürfnis nach einem „normalen“ Leben zu befriedigen.
In diese Zeit fällt auch der Beginn seines „Gekritzels“.
Neben Tagebüchern entstanden Skizzen und Parabeln, am Tag arbeitete er, in der Nacht, in den Zuständen zwischen Schlafen und Wachen, schrieb er.
Von 1912 an versuchte er mehrfach, Bindungen mit Frauen einzugehen, doch den drei Verlobungen folgten nach kurzer Zeit die Trennung. Auf der anderen Seite flüchtete er sich geradezu ins „Alleinsein“ und läßt niemanden an sich heran.
Eine tiefe Freundschaft verbindet ihn mit Milena Jesenská, die seine Werke ins Tschechische übersetzt.
Die Darstellung von Frauen in seinen Werken entspricht den Problemen, die Kafka im Leben mit ihnen hat. Sie werden als Mittel benutzt, um ans Ziel zu kommen, sie sind selbstsüchtige, unfrauliche Geschöpfe, die Vermittlerinnen zur Welt des Bösen darstellen.
Von Liebe ist nie die Rede.
An seinem 34. Geburtstag erleidet Kafka einen Blutsturz. Es stellt sich heraus, daß er an Lungentuberkulose leidet, an der er nach einigen Kuren auf dem Land schließlich in einem Sanatorium bei Wien stirbt.
Nur ein kleiner Teil seines Werks wird zu Kafkas Lebzeiten veröffentlicht, weil er es als „Gekritzel“ bezeichnet und für minderwertig ansieht. Erst nach seinem Tod besorgt sein Freund Max Brod, der eigentlich versprochen hatte, Kafkas gesamtes Werk zu verbrennen, die Herausgabe der Werke.
Typische Kafka–Themen:
Auseinandersetzung mit dem Vaterbild
Sie wird zum Teil offen, zum Teil Verdeckt geführt (Im „Brief an den Vater“ schreibt K.: „Unverständlich war mir immer Deine vollständige Empfindungslosigkeit dafür, was für Leid und Schande Du mit Deinen Worten und Urteilen mir zufügen konntest.“; Die „Haßliebe“ zu seinem Vater spiegelt sich auch in vielen anderen seiner Werke wider, in denen dieser in unterschiedlicher Gestalt (als Türhüter, Wächter, Polizist oder grausamer Vater) auftritt.)
Das Labyrinthische
Die „Helden“ seiner oft sehr kurzen Texten verirren, verstricken sich in Gängen, in Gestrüppen, Dachböden und finden nicht mehr heraus.
Das Bedrohliche im Alltagsleben
Unvermittelt erscheinen vertraute Dinge unheimlich, etwa eine Wohnung, ein Zimmer, ein Garten,..
.
Die „Helden“ gelangen nie ans Ziel
Es gibt eine Hierarchie von Instanzen, die man zu Lebzeiten gar nicht durchlaufen kann. Sie hindern die Protagonisten zu denjenigen Stellen vorzudringen, die für sie zuständig zu sein scheinen.
Das Irrationale bricht unvermittelt, unbestaunt und unreflektiert ins
Normale Leben ein: Verwandlungen in einen Käfer oder eine Brücke werden als selbstverständlich hingenommen.
Entfremdung:
Kafka war der Erste, der im Alltäglichen diese Entfremdung wahrnahm, die Verdinglichung des Menschen.
Entfremdung im Verhältnis des Menschen zum Produkt seiner Arbeit als fremden und über ihn mächtigen Gegenstand.
Entfremdung im Verhältnis zur eigenen Tätigkeit als einer fremden, die Tätigkeit als Leiden.
Entfremdung durch das zerfallen in „Berufsmensch“ und „Privatmensch“.
Entfremdung des Bürgers gegenüber dem Staat als undurchschaubarer, unbeeinflußbarer Machtapparat.
Entfremdung in den gesellschaftlichen Beziehungen durch unüberblickbare, gesichtslose Bürokratie: Zur Spitze kann K. nie vordringen. Er bleibt schon auf den untersten Ebenen hängen.
Die kleinen Beamten sind gesichtslos (Diener), Freisprüche sind unmöglich.
Grundsätzliches:
Seit Jahrzehnten sind die unterschiedlichsten Interpretationen und Deutungen über Kafkas Werke im Umlauf. An eindeutigen Erzählfakten lassen sie sich nicht überprüfen. Kafka zieht fast jede Angabe in Zweifel, stiftet Widersprüche, verdunkelt Feststellungen. Die Grundrisse der Erzählung, die er verwirrt hat, muß der Interpret im unabschließbaren Prozeß neu rekonstruieren. So erlischt der gewohnte statische Dualismus zwischen Autor und Leser, zwischen produktiven und rezeptiven Tun.
Erzählstrukturen:
Bei Kafka herrscht die einsinnige Erzählperspektive als Sonderform der personalen Erzählhaltung vor: der Leser erhält alle Informationen über Vorgänge und Ereignisse einzig durch den Protagonisten, er ist in dessen Perspektive integriert, ist ihm „ausgeliefert“.
Interpretationsansätze:
Allegorisch-symbolische Deutung:
Nach Max Brod ist K. („Schloß“, „Prozeß“) eine faustische Kämpfernatur. Schloß=Gnade, Prozeß=Erbsünde
„Marxistische Literaturkritik“:
Im Werk Kafkas spiegelt sich die Unmenschlichkeit und die Verachtung des Individuums im Kapitalismus wider.
„Kapitalistische Literaturkritik“:
Kafkas Protagonisten kämpfen gegen das unmenschliche, überall präsente System des Kommunismus.
Existentialismus:
Mensch ist sinnlos in die Welt gesetzt, kämpft wie die Ks mit der Absurdität des Lebens.
(Anmerkung: Descartes 17. Jh.: „Cogito ergo sum“, 19. Jh.: „Ich arbeite, daher bin ich“, Sartre, Camus: „Je lutte donc je suis.“)
Neuansatz:
Figuren Kafkas als Ausdruck menschlicher Existenz, die je nach Individuum unterschiedlich empfunden wird.
Paradigma der menschlichen Existenz.
Sicher ist, daß mit Kafka keine Ideologie belegt werden kann. Stichworte: hermetische, enigmatische (=rätselhafte) Literatur.BücherzusammenfassungenDer Prozess
Das Buch beginnt mit der Verhaftung von „Josef K.“. Er wacht am Morgen seines 30.
Geburtstages auf und trifft in seiner Wohnung zwei Beamte, die ihn verhaften. Weshalb erfährt er jedoch nicht. Nachdem er von einen Aufseher über seine Verhaftung in Kenntnis gesetzt wurde, wird ihm erklärt, dass die Verhaftung ihn nicht an seiner normalen Lebensweise hindern soll. Von diesem Zeitpunkt an nimmt er die ganze Sache nicht mehr ernst. Er wird aber immer wieder zu Verhandlungen geladen, und was er auch unternimmt, er erfährt weder warum er verhaftet und vor Gericht gestellt wurde, noch welchen Verlauf des Prozess wirklich nimmt.
In einem Dom erhält sich K mit einem Priester, der ihm eine Legende erzählt (darauf komme ich aber später noch genauer zu sprechen).
Er sagt ihm auch, dass das Gericht von Schuld angezogen werde und K daher schuldig sein müsse.
Am Vorabend seines 31. Geburtstages wird er von zwei Beamten abgeholt und aus der Stadt geführt. Obwohl sich verschiedene Gelegenheiten zur Flucht bieten, widersetzt sich K, der seine Schuld inzwischen akzeptiert hat, nicht. Ausserhalb der Stadt wird K von den zwei Beamten in einem Steinbruch hingerichtet.
Interpretation:
Kafkas Werke beschäftigen sich meist mit der Isolation des Individuums und dessen Machtlosigkeit gegenüber etwas undurchschaubar Größeren.
„Josef K.“ selbst treibt den Prozess voran. Das einzige Mittel über welches das Gericht verfügt ist Angst, die „K.“ während des gesamten Prozesses beherrscht und sich letztendlich auch auf andere Lebensbereiche ausweitet. Diese These wird auch durch die Geschichte „Vor dem Gesetz“ (auch bekannt unter dem Namen „Die Legende vom Torhüter“) verdeutlicht, die ihm ein Priester erzählt. Auch in dieser Geschichte ist Angst das einzige, was den Mann vom Lande den Zutritt zum Gesetz verwehrt.
Die aus „K.s“ Angst resultierende selbstverschuldete Isolation kann mit Kafkas Leben verglichen werden, denn er war Jude unter den Christen und war dadurch auch im wirklichen Laben isoliert.
„Der Prozess“ drückt im Prinzip die Hilflosigkeit des einzelnen gegenüber dem großen undurchschaubaren Gesetz aus. „K.“ ist am Ende von dem Prozess schon so mitgenommen, dass er sich den Tod schon als Erlösung herbeisehnt.
Der Prozess ist sehr deutlich auf die Erzählung vom Torhüter hingearbeitet.
Es ist nicht nur eine der berühmtesten Erzählungen Kafkas, sondern sie war dem Autor auch eine der liebsten.
Mir persönlich hat diese Werk sehr gut gefallen, da vom Anfang bis zum Ende eine gewisse Spannung aufgebaut war, weil ich eben doch noch gehofft habe, dass man irgendwann erfährt, warum „Josef K.“ eigentlich angeklagt ist. Das abrupte Ende dieses Buches fand ich dann doch eher bedrückend, weil eben „Josef K.“ einfach hingerichtet wurde, ohne zu erfahren warum und für was er eigentlich für schuldig gesprochen wurde.
Typisch für den Expressiopnismus ist hier die ausweglose Situation, in die „K“ über Nacht gerät.
Es gibt keinen Ausweg, und die einzige Erlösung ist der Tod. Ebenfalls typisch ist das das Gesetz bzw der Staat undurchschaubar und unantastbar für den Bürger ist.
Die Verwandlung
Der Protagonist dieses Buches ist Gregor Samsa. Eines Morgens wacht Gregor als Ungeziefer auf, doch anstatt in Panik zu geraten wegen seiner Verwandlung, überlegt er noch wie er pünktlich zur Arbeit kommen kann. Als seine Familie die Verwandlung entdeckt, sperren sie ihn in seinem Zimmer ein. Einzig und allein seine Schwester kümmert sich um ihn.
Von diesem Tag an wird sein Zimmer nur noch selten geputzt, die Schwester kümmert sich nicht mehr so um Gregor und alle Familienmitglieder beginnen irgendeine Arbeit. Gregors Einkommen war das einzige der Familie und durch seinen Ausfall machte sich Geldknappheit bemerkbar. Sie vermieten ein Zimmer an drei Zimmerherren und eines Abends, als die Schwester zum ersten Mal seit langer Zeit wieder Violine spielt, kommt Gregor aus seinem Zimmer und die Zimmerherren erschrecken so sehr, dass sie sofort ankündigen, sobald als möglich auszuziehen. Die Familienmitglieder beschließen noch am selben Abend, dass der Käfer weggeschafft werden müsse, da es sich nicht um Gregor handeln könne.
Gregor stirbt noch in der selben Nacht. Er behält seine Familie in guter Erinnerung, die ab nun wieder ein glückliches Leben führt.
Interpretation:
Kafka litt schon seit seiner Kindheit unter der Autorität seines Vaters und das spiegelt sich auch in diesem Werk wider. Die Verwandlung als Flucht vor der Familie und insbesondere vor dem Vater. Nur die rückhaltlose Anteilnahme durch die Familie könnte vielleicht eine Rückverwandlung bewirken, aber wie auch im wirklichen Leben erhält er die so sehnlich erwünschte Liebe nicht.
Er stirbt, nachdem sich seine Erbitterung über die Lieblosigkeit der Familie in Rührung und Liebe verwandelt hat.
Ein anderer Interpretationsansatz wäre, die Verwandlung als Protest gegen seine Lebensweise und gegen das Misstrauen, das ihm sein Chef entgegenbringt, zu sehen. In diesem Fall kann der Prokurist, der ebenfalls im Werk vorkommt, als Symbol für die gesellschaftliche Hierarchie und anonyme Gewalt der Habsburg-Monarchie gedeutet werden.
Diese Werk fand ich persönlich etwas eigenartig, da ich sich an den Stil der Geschichte erst gewöhnen musste. Für mich ist diese Geschichte sehr eigenartig geschrieben, denn die Personen in diesem Werk nehmen die Verwandlung von Gregor in einen Käfer als ganz normal an und führen ihr Leben ohne grosse Änderungen weiter.
Typisch für den Expressionismus ist hier, die Isolation des Individuums, in diesem Fall die Isolation Gregors der sich über Nacht in einen Käfer verwandelt. Wiederrum ist der einzige Ausweg der Tod.
Lyrik im Expressionismus
Die expressionistische Lyrik ist sehr widerspruchsvoll:
Auf der einen Seite steht der „Weltverbesserungsfanatismus“ dem immer
wiederkehrenden Motiv des Weltunterganges auf der anderen Seite gegenüber.
Der „Weltverbesserungsfanatismus“ versinnbildlicht den Glauben an eine bessere Welt und bedeutet Aufbruch, rauschhafte Grenzenlosigkeit.
Das Weltuntergangsmotiv ist Ausdruck der bedrückenden Lebensverhältnisse, und ruft Gefühle wie Angst, Grauen und ähnliches hervor.
Einige Merkmale expressionistischer Lyrik
Die Form der Gedichte ist die Gleiche geblieben, aber die Inhalte sind neu und durchwegs hässlich
Schockierende, abwertende oder aggressive Metaphern
Deformation des Menschen:
Verhässlichung des Bildes vom Menschen
Beziehungslosigkeit der Menschen untereinander (und die damit verbundene Vereinsamung
Passivität und Hilflosigkeit
Versteckte Zivilisationskritik durch den Kultur- und Werteverlust, der in den Gedichten zutage tritt
Immer wieder auftauchende Motive:
Die Auseinandersetzung mit aktuellen Problemen: z.B. Großstadt und Technik, Proletariat
und Kapital, u.ä.
Die Kunst der Deformation: Der Mensch wird auf seine Physis reduziert.
Als Motiv wird das Häßliche, das Grausame (wie z.B. Ertrunkene oder schwache Existenzen) verwendet.
Der Krieg als Weltende, als Katastrophe
Im Folgenden behandle ich zwei Gedichte verschiedener Autoren, auf deren Biographie ich ebenfalls kurz eingehen möchte.
Else Lasker-Schüler
Else Lasker-Schüler wird 1869 in Wuppertal geboren, heiratet einen Arzt, von dem sie sich wenige Jahre später scheiden lässt. 1901 heiratet sie ein zweites Mal.
Auch von diesem Mann trennt sie sich nach einigen Jahren und lebt danach in einer äusserst schwierigen finanziellen Lage. 1933 flieht sie in die Schweiz, reist nach Ägypten und Palästina und stirbt schliesslich in Jerusalem. Sie findet Zeitlebens keinen Platz, an dem sie sich wohl und beheimatet fühlt.
Während der Hitlerzeit wird sie vergessen, sie ist ja Jüdin. Nach 1945 entdeckt man sie wieder.
Mein blaues Klavier (vorlesen)
Mein blaues Klavier
Ich habe zu Hause ein blaues Klavier Zerbrochen ist die Klaviertür .
..
Und kenne doch keine Note. Ich beweine die blaue Tote.
Es steht im Dunkel der Kellertür, Ach liebe Engel öffnet mir
Seitdem die Welt verrohte. - Ich aß vom bitteren Brote -
Mir lebend schon die Himmelstür -
Es spielen Sternenhände vier Auch wider dem Verbote.
- Die Mondfrau sang im Boote -
Nun tanzen die Ratten im Geklirr.
(Else Lasker-Schüler)
Das Gedicht Mein blaues Klavier stammt aus einem Gedichtzyklus, der 1943 in Jerusalem erschienen ist.
Das Gedicht besteht aus vier Strophen, von denen die ersten beiden zwei, die dritte fünf und die letzte vier Zeilen besitzt. Die Zeilen reimen sich teilweise, es ist aber kein besonderer Rhythmus erkennbar.
Auffällig ist, dass die Dichterin ausschliesslich Verben in der Gegenwart verwendet, bis auf die Zeilen - die Mondfrau sang im Boote- und
Ich ass von bitteren Brote-
Beide Textstellen deuten daraufhin, dass sich etwas zum Negativen verändert hat. Die Mondfrau singt nun nicht mehr, das Boot ist versunken.
Typisch expressionistisch sind die Ausdrücke „blaues Klavier“ und „blaue Tote“, denn die Farbe blau hat im Expressionistischen eine besondere Bedeutung. Die Farbe „Blau“ deutet auf den Zusammenhang mit Göttlichem, Sakralen.
Ebenfalls bedeutend sind die Gegensätze, die in diesem Gedicht erscheinen:
Ich habe zu Hause ein blaues Klavier / und kenne doch keine Note.
(Es spielen Sternenhände vier / nun tanzen die Ratten im Geklirr)
Trauer und Resignation überwiegen, da die Dichterin auch in Jerusalem keine Heimat findet. Die Dichtung, hier symbolisiert durch das Klavier, die ihr bis jetzt Trost und Zuflucht ist, bringt keine Erfüllung mehr. Das Gefühl der Einsamkeit, der Sehnsucht nach dem Tod und nach Gott ist in diesem Gedicht deutlich zu erkennen.
Besonders die letzte Strophe macht deutlich, dass sich die Dichterin den Tod wünscht. Das Gedicht ist eine Klage und gleichzeitig eine Bitte, ihr schon jetzt die Himmelstür zu öffnen.
Ein anderer Interpretationsansatz wäre, das Gedicht allgemein auf das Schicksal der Juden umzulegen. Sie konnten sich wie Else Lasker-Schüler nie richtig zu Hause fühlen und vielen blieb am Ende nur noch der Tod.
Georg Trakl
Georg Trakl wird 1887 in Salzburg geboren. Er ist einer der Wenigen, der ein gutes Verhältnis zu seinem Vater hat.
Seine Mutter hingegen distanziert sich von ihm und seinen Geschwistern, nimmt Rauschgift und prägt so vermutlich Trakl und seine Schwester Grete, die beide später Drogen nehmen.
Trakl verlässt das Gymnasium, wo er sich immer deklassiert fühlt, vor Beendigung der 7. Klasse und beginnt eine Apothekerlehre. Dies tut er unter anderem auch, um leichter an Drogen heranzukommen. Trakl wird 1910 Magister der Pharmazie und lebt abwechselnd in Wien und Inssbruck. 1913 spricht er von einer „Kette von Krankheit und Verzweiflung“, er ist deprimiert und dem Alkohol ziemlich verfallen.
In diesem Jahr erscheint auch sein erstes Gedichtband. Seelisch total zerrüttet, rückt er 1914 als Sanitäter ein und als er in der Schlacht von Grodek 90 Schwerverwundete allein versorgen muss, erleidet er einenen Nervenzusammenbruch, dem ein Selbstmordversuch folgt.
Im November 1914 vergiftet er sich selbst und stirbt in einem Krakauer Krankenhaus an einer Überdosis Kokain.
Trakls Gedichte sind zum Grossteil Leidensprotokolle, sie sind die Biographie seiner inneren Existenz: Untergangsstimmung, Abbröckeln einer Epoche, Depressionen, Resignation. Sein Werk ist auch gekennzeichnet von seiner Suche nach Gott, andererseits aber auch von Gottferne. Er hat Schuldgefühle, seine persönliche Schuldhaftigkeit wird mit der allgemeinen Schuldhaftigkeit der Menschheit gleichgestellt.
Der Zustand der Welt wird identisch mit dem Zustand des Individuums, persönliche Erfahrungen werden zu Menschheitserfahrungen stilisiert, wie es für den Expressionismus typisch ist.
Die Darstellung der Natur ist schwermütig, wehmütig und ambivalent: Schönes und Hässliches, Gutes und Böses werden miteinander kombiniert. In Grodek prallt die poetische, persönliche Traumwelt mit dem Erlebnis des Krieges zusammen und Bilder konkreter Wahrnehmungen des Tötens und Sterbens vermischen sich mit traumhaften Versionen.
Grodek ist eines der bekanntesten Gedichte Trakls, er schrieb es während der Schlacht von Grodek in Galizien. (Grodek vorlesen)
Grodek
Am Abend tonen die herbstlichen Wälder
Von tödlichen Waffen, die goldnen Ebenen
Und blauen Seen, darüber die Sonne
Düstrer hinrollt; umfängt die Nacht
Sterbende Krieger, die wilde Klage
Ihrer zerbrochenen Münder.
Doch Stille sammelt im Weidengrund
Rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohnt
Das vergoßne Blut sich, mondne Kühle;
Alle Straßen münden in schwarze Verwesung.
Unter goldnem Gezweig der Nacht und Sternen
Es schwankt der Schwester Schatten durch den schweigenden Hain,
Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter;
Und leise tönen im Rohr die dunkeln Flöten des Herbstes.
O stolzere Trauer! Ihr ehernen Altäre
Die heiße Flamme des Geistes nähert heute ein gewaltiger Schmerz,
Die ungebornen Enkel.
(Georg Trakl)
Auffallend an diesem Gedicht ist auch die ausdrucksvolle Farbensprache. Einzelne Farben sind Chiffren, Geheimzeichen, denen auch in anderen Gedichten Trakls eine ganz bestimmte Bedeutung beigemessen werden kann. Blau steht in Beziehung zum Göttlichen, zum Jenseitigen, Weiss bedeutet Grausamkeit.
Weitere bedeutende Lyriker sind u.
a. Georg Heym und Gottfried Benn.
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