Gegenströmungen zum naturalismus
Gegenströmungen zum Naturalismus
(1890 – 1920)
Prägende Ereignisse dieser Zeit sind die Anexion Bosnien-Herzegowinas, der sich durchsetzende Nationalsozialismus sowie der Fortschritt (2te industrielle Revolution). Um 1890, zur Blütezeit des Naturalismus, erscheinen die ersten Werke von Stefan George (München), Hugo von Hoffmansthal(Wien), Arthur Schnitzler, Frank Wedekind und Rainer Maria Wilke. Diese Schriftsteller vertreten die Gegenströmungen zum Naturalismus, die eigentlich zum Grossteil Parallelströmungen sind, da sie immer zumindest einen Aspekt mit dem Naturalismus gemeinsam haben. Neben Berlin entwickelten sich München und Wien, wo um die Jahrhundertwende eine Bevölkerungsexplosion stattfindet, zu wichtigen kulturellen Zentren.
Die Autoren stammen grossteils aus bürgerlicher Schicht, verurteilen aber deren Lebensstil. Auf Grund ihrer finanziellen Absicherung leben sie bewusst als Künstler.
Während die künstlerischen Verfahrensweisen des Naturalismus von wissenschaftlichen Grundsätzen geprägt sind, sind die Vertreter der Parallelströmungen Gegner der Naturwissenschaften. Sie sprechen sich gegen die fortschreitenden Technisierung und Industrialisierung aus, sie wenden sich gegen Verstädterung und die damit verbundene Vermassung. Sie wehren sich gegen wirtschaftliche und politische Expansion und fühlen sich eng verbunden mit ihrer Geschichte und Tradition, so greifen George, Hoffmannsthal und Rilke auf antike und romantische Formen zurück, die Romantik wird in der Neuromantik wiederbelebt.
Die Meisten Autoren kritisieren den Fortschrittsglauben auf reagieren darauf auf unterschiedliche Weise:
Durch den Weltschmerz am Ende des Jahrhunderts (Hoffmannsthal)
Durch die Psychoanalyse des Wiener Adels (Schnitzler – beeinflusst von Freud)
Durch den Rückzug in das Innere (Rilke)
Durch die Propagierung des herrschenden Menschen, der sich gegen den Massenmenschen wendet (George)
Durch den Rückgriff auf die cristliche Religiositäat des Mittelalters, durch Neubelebung des Mysterienspieles und des Welttheaters (später Hoffmanstal)
Sprachskepsis: Auffallend ist bei vielen Autoren und Philosophen der immer stärker
werdende Zweifel an der Fähigkeit, die Wirklichkeit überhaupt zu erkennen und sie mit Hilfe von Sprache darzustellen (dieses Phänomen nennt man Sprachskepsis). Die traditionelle Aufgabe der Sprache, wahre Aussagen zu machen und zur Kommunikation zu dienen, wird fragwürdig. Besoders die Dichter des jungen Wiens machen diese Problematik zum Thema vieler Werke.
Sie stehen der Alltagssprache skeptisch gegenüber, sie entziehen sich der Politik, der Geschichte und der sozialen Verantwortung. Die schaffen sich isoliert von der Gesellschaft eine Gegenwelt (zB George). Hoffmansthal fühlt sich als Künstler schuldig, dass er sich der Gesellschaft verweigert, oft kritisiert er sich selbst. Ein Beispiel für die Sprachskepsis ist der „Lord-Chandos-Brief“ von Hoffmannsthal.
Sigmund freund und die Psychoanalyse: Der Arzt und Psychologe Sigmund Freud liefert durch die Methode der Psychoanalyse neue Möglichkeiten der Menschendarstellung. Die
Vorstellung des Menschen als einheitliche Persönlichkeit gerät ins Wanken.
Freud teilt die Psyche in Es (unbewusste Triebe), Über-Ich (Gebote, Gewissen, Moral) und das Ich (Vermittler zwischen den beiden). Freud’s Traumdeutungen werden als Angriff auf die herrschende Moral und Ordung gewertet. Freud’s Methoden beeinflussen die Schriftsteller der Epoche maßgeblich (zB Schitzlers „Leutnant Gustl“).
Die Zuweisung einzelner Autoren zu den einzelnen Strömungen ist sehr schwer, da es ein Nahezu unüberschaubare Anzahl von einzelnen Strömungen gibt: Symbolismus, Neuromantik, Jung-Wien, Decadence, Satanismus, Fin de siecle, Jugendstil, Impressionismus, Nervenkunst.
Symbolismus:
Er hat seine Wurzeln in Frankreich, besonders bei Charles Baudelaire. Die Gedichte verlieren jede Zweckhaftigkeit, sie sind nicht kritisch in politischer oder moralischer Hinsicht, sie wirken auch nicht appellativ in sozialer oder weltanschaulicher Sicht.
Klangliche und rhythmische Mittel werden oft mit mathematischer Genauigkeit eingesetzt. Zu diesen Mitteln gehören der Reim, Assonanzen (= Halbreim, wie z. B. sagen - haben), Lautmalereien,
Farben- und Lautsymbolik. Die Autoren ziehen sich bewußt von der Wirklichkeit zurück. Sie schaffen eine Welt der Schönheit, die aus einzelnen Teilen montiert wird.
Deutschsprachige Vertreter: Stefan George, Hugo von Hoffmansthal, Rainer Maria Rilke
Stefan George: Er vertritt einen Schöhnheits und Todeskult, er gründet einen eigenen Kreis mit Schülern und schreibt Dichtung. Er konzentriert sich nur auf den Schaffensprozess, ohne Rücksicht auf das Publikum. In seinem Kreis entstehen faschistische Gedanken, er selbst lehnt den Nationalsozialismus ab.
Hugo von Hoffmansthal: Er schreibt bereits mit 17 bedeutende Gedichte. Im Gegensatz zu George gibt er sich keinem Schönheitskult hin, er isoliert sich nicht selbst und lehnt eine Mitarbeit im George Kreis ab.
Rainer Maria Rilke: Er wird stark von seinen Russlandreisen beeinflusst, er befindet sich auf Identitätssuche.
Alltagserfahrungen werden bei ihm zu poetischen Impulsen, sie werden zu Symbolen und stehen als einzelne Gegenstände im Mittelpunkt eines Gedichtes (zB ein Kathedrale, eine Statue,... ). Rilke wendet sich von der für ihn nicht befriedigenden menschlichen Gesellschaft ab, er gibt sich betont unpolitisch, ist sich aber der Probleme seiner Zeit bewusst. Der erste Weltkrieg entfernte ihn von der Natur als Motiv seiner Dichtkunst.
Die Wiener Moderne:
Wien spielt zur damaligen Zeit eine exklusive kulturelle Rolle, geprägt durch die Prunkbauten der Ringstrasse. Nach der Jahrhundertwende hat es bereits 2 Mio Einwohner, davon etwas 9% Juden. Diese jüdischen intelektuellen prägen auch das kulturelle Leben in Wien: Kraus, Schnitzler, Freud, Mahler, Schönberg, Polgar. Die meisten jungen Autoren veröffentlichen ihre Werke in Deutschland, auch das Theater hat grosse Bedeutung.
Das Kaffeehaus wird in Wien zur kulturellen Institution. Hier treffen sich Leute aller Klassen, um zu lesen, zu träumen oder Konversation zu betreiben.
Die literarische Form, die dem „Kaffehausleben“ entspricht, ist das Feuilleton: ein Text über jedes beliebige Thema („Über nichts etwas schreiben“). Vertreter sind Arthur Schnitzler, Peter Altenberg, Hugo von Hoffmansthal und Hermann Bahr, der als Mentor der Kaffeehausliteraten gilt.
Arthur Schnitzler: Er stammt aus einer jüdischen Familie, sein Vater ist Arzt, denselben Beruf verfolgt Schnitzler auch. Für seine Werke bedeutend ist seine Naturwissenschaftliche Ausbildung sowie seine praktische Erfahrung als Arzt. Wie Freud interessiert er sich auch an psychischen Erkrankungen. Im Werken „Die Frage an das Schicksal“ macht er Hypnose und Traumdeutung zum Thema.
Im Cafe Grienstein entsteht um ihn die Gruppe Jung-Wien, zu der auch Hugo von Hoffmannsthal und Richard Beer-Hoffman zählte. Problematisch in Schnitzlers leben sind seine Beziehungen zu Frauen, er leidet unter Bindungsangst. Die Beziehung zwischen Mann und Frau ist auch immer das Hauptthema seiner Werke.
Impressionismus:
Der Begriff Impressionismus ist aus der Malerei entlehnt und wird auf Literatur und Musik übertragen. Von Frankreich ausgehen setzt er sich Ende des 19.Jh.
in ganz Europa durch.
Wichtigste Merkmale: Abkehr vom Naturalismus, Abwendung von der Politik, Rückzug auf
Subjektivismus und Individualismus, Detailtreue (wie im Naturlsistischen Sekundenstil). Wichtig ist vor allem der sinnlich. subjektive Eindruck, weniger die äußere Handlung. Die Dichter zeichnen sich durch gesteigerte Sensibilität und verfeinerte Wahrnehmungs- und
Reizempflindlichkeit aus. Ein Vertreter ist Ernst Mach, der auch der Philosoph des Impressionismus genannt wird.
Der Innere Monolog , der als Errungenschaft des Impressionismus gilt, ist ein Typikum dieser Literaturperiode. Beispiele dafür sind „Leutnant Gustl“ und „Fräulein Elise“ von Arthur Schnitzler.
Jugendstil:
Auch dieser Begriff ist aus der bildenden Kunst Entlehnt, hier steht das Ornament im Vordergrund, es ist wichtiger als der eigentliche Inhalt.
In der Literatur bedeutet der Jugendstil eine Abkehr von den der Eindruckskunst und von den genauen Details. Der Dichter lässt die Natur nicht mehr auf sich einwirken, er greift selbst in sie ein. Seltenes, exotischen, kurz alles, was fern vom Alltag ist, bietet für die Künstler eine Möglichkeit sich gegen die Industrialisierung zu wehren.
Der Jugendstil vertritt die Lebensfreude und den Genuss, er wendet sich gegen die Resignation und die Endzeitstimmung. Mit einem Teil ihre Werke gelte folgende Autoren als Jugendstilautoren: Rilke, Richard Dehmel, Hugo von Hoffmasthal, Gerhard Hauptmann und Ernst Stadler.
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