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  Interpretation von erich kästner´s gedicht "sachliche romanze"

Interpretation von Erich Kästners Gedicht „Sachliche Romanze“ 26.04.2004    Plötzlich oder schleichend – überraschend oder absehbar – mit dem schmerzlichen Gefühl, für den Partner nichts mehr zu empfinden, wurden schon viele auf die unterschiedlichste Art und Weise konfrontiert. Genau diese Situation stellt Erich Kästner in seinem Gedicht „Sachliche Romanze“ dar und beschreibt die Reaktion eines Paares auf die traurige Entwicklung ihrer Beziehung. Kästners populäres Werk, welches der Literaturepoche der „Neuen Sachlichkeit“ zuzuordnen ist, erreicht noch heute die Herzen vieler Leser durch seine zeitlose Thematik. Nur, wie schafft es der sonst mit Kinderbüchern zu Ruhm und Ehren gekommene Autor, mit diesem Gedicht sein diesmal erwachsenes Publikum zu beeindrucken? Im Folgenden soll analysiert und interpretiert werden, mit welchen Mitteln Kästner seine Leserschaft derart zu fesseln weiß.

  Schon in der ersten der insgesamt vier Strophen wird der Rhythmus des gesamten Gedichts vorgegeben: Kästner verwendet leicht verständliche Sätze, die oft in mehreren Versen aufgeteilt sind und „abgehackt“ wirken. Dennoch zieht sich, insbesondere durch den Gebrauch eines fünften Verses in der letzten Strophe (die vorangegangenen Strophen enthalten jeweils nur vier) das Gedicht in die Länge. Dieser Eindruck wird auch dadurch verstärkt, dass sich der Autor in der letzen Strophe auch von dem vorher angewandten Kreuzreim abwendet und einen offenen Reim einsetzt. Der Literaturepoche entsprechend verzichtet er auf die Verwendung von Metaphern, Symbolen und ähnlichen Stilmitteln. Es ist eine nüchterne, ja wirklich „sachliche“ Sprache.   Das eigentliche Problem, der Verlust der Liebe, wird dem Leser in der ersten Strophe aufgezeigt.

Die Reaktion des Paares auf diese Entwicklung wird daraufhin in der nächsten Strophe beschrieben. Mit der Erwähnung von ehemals unscheinbaren Nebensächlichkeiten zeigt die dritte Strophe den Versuch der beiden auf, die Schwierigkeiten zu ignorieren. Wie machtlos die beiden jedoch dem Ende Ihrer Liebe gegenüberstehen, zeigt schließlich die vierte und letzte Strophe des Gedichts.   Schon der Titel des Gedichts weckt zwiespältige Gefühle und lässt ahnen, dass es im Folgenden auch satirisch zugehen wird: Wie kann denn bitteschön eine Romanze „sachlich“ sein? Dieser humorvolle Aspekt findet in der ersten Strophe seine Fortsetzung, indem Kästner den Verlust der Liebe mit dem Verlust eines alltäglichen Gebrauchsgegenstands vergleicht. Durch die übertrieben höfliche Formulierung in Vers 2 (…man darf sagen…) lässt sich ebenfalls feststellen, dass der Autor das Geschehene durchaus überspitzt kommentieren will. „Purer Aktionismus“ – dies ist wohl die treffendste Zusammenfassung der zweiten Strophe.

Durch die Vielzahl an Verben wird deutlich, wie sehr das Paar danach strebt, durch Aktivitäten den Verlust der Zuneigung zueinander entgegenzuwirken und eine Lösung herbeizuführen. Dass dies nicht gelingt, erkennt man im letzten Vers dieser Strophe. Mit einem Punkt unterbricht Kästner den Satz vor dem Bindewort „und“ und visualisiert damit die endgültige Trennung – zum ersten Mal in diesem Gedicht werden die beiden Partner einzeln, in getrennten Sätzen genannt.   Der Aktionismus hilft also nicht, nun werden die Schwierigkeiten einfach ignoriert. So ist die dritte Strophe zu deuten, da Kästner nun Nebensächlichkeiten wie „zu Schiffen winken“ und „Klavier spielen“ hervorhebt. Außerdem zieht er damit das Gedicht schon „schmerzhaft“ in die Länge.

Dadurch wird klar, dass die Beziehung nur noch aufrechterhalten, also auch in die Länge gezogen wird, obwohl sie keine Substanz und damit keine Zukunft mehr hat. Doch vielleicht weckt der routinierte Alltag (Vers 2 und 3, das alltägliche „Kaffe trinken“) die ehemals so intensiven Gefühle? Das dieser Versuch jedoch hoffnungslos ist und dies auch dem Mann bewusst ist, lässt schon die Verwendung des Wortes „irgendwo“ (Vers 3) erkennen - damit wird nur seine Ratlosigkeit veranschaulicht.   Die letzte Hoffnung scheint der Rückzug in eine intimere Umgebung zu sein (Strophe 4, Vers 1, „kleinstes Café“). Doch auch dieser Versuch, durch eine vertraute Atmosphäre die Liebe wieder zurück zu gewinnen, scheitert. Durch belanglose Tätigkeiten (Vers 2) und die Verwendung der Worte „immer noch“ gelingt es Kästner, die Zeitspanne wieder unerträglich zu verlängern. Der Höhepunkt des Gedichts folgt mit dem letzten Teil des durch die zwei Verbindungswörter „und“ abermals gestreckten Satzes.


Das Paar sieht schließlich der Realität ins Auge – ihre Beziehung ist zu Ende. Voller Unglauben stellen sie sich die Frage, wie es soweit kommen konnte – und finden keine Erklärung (Vers 4).   Durchweg satirisch, wie der Titel und die erste Strophe vermuten lässt, ist dieses Gedicht nicht. Dazu ist es zu realistisch und, damit verbunden, einfach zu traurig. Durch die zeitlose Problematik erreicht Kästner es, dass in vielen seiner Leser Erinnerungen und Gefühle hervorgerufen werden. Gibt es ein größeres Lob für den Autor, mit seinem Werk solch intensive Emotionen zu wecken? Ich glaube nicht.

Ferner bezweifle ich, dass Kästner die Absicht verfolgt hat, seinen Lesern durch das Gedicht den Leidensweg einer langen Trennung ersparen zu wollen (indem sie zum Beispiel rechtzeitig die „Zeichen der Zeit“ erkennen und sich nicht quälen). Ich denke, der Autor möchte vor allem den emotional berührten Lesern zeigen, dass sie mit dieser leidvollen Erfahrung nicht alleine auf der Welt sind.

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