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  Interviews mit sterbenden

Interviews mit SterbendenElisabeth Kübler-Ross     Die Angst vor dem Tod Die 1. Phase: Nichtwahrhabenwollen und Isolierung Die 2. Phase: Zorn Die 3. Phase: Verhandeln Die 4. Phase: Depression Die 5. Phase: Zustimmung Hoffnung         Die Angst vor dem Tod   In der frühen Vergangenheit haben Epidemien und Seuchen viele Menschenleben gefordert.

Doch in den letzten Jahrzehnten hat sich die Medizin stark gewandelt und Impfungen haben viele gefährliche Krankheiten ausgerottet. Die Zahl der älteren Menschen steigt und somit auch ihre bösartigen und chronischen Leiden. Heute sind es nicht die lebensbedrohenden Situationen, die dem Arzt Sorge bereiten, sondern die wachsende Zahl von Patienten mit psychosamtischen Störungen und Schwierigkeiten in Anpassung und Verhalten. In den Wartezimmern sitzen mehr Menschen mit seelischen Problemen als je zuvor. Aber auch immer mehr ältere Menschen müssen sich mit ihren schwindenden körperlichen Kräften abfinden und sind noch dazu ängstlich und einsam.     Die 1.

Phase: Nichtwahrhabenwollen und Isolierung   Von den über 200 Patienten, die befragt worden sind, hatten auf die Erkenntnis ihrer bösartigen Erkrankung mit „ ich doch nicht, das ist ja gar nicht möglich „ reagiert. Ein typisches Beispiel: Der Patient deutet auf eine womöglich vertauschte Röntgenaufnahme hin, welche mit einem falschen Namen versehen worden ist. Er sucht verschiedene Ärzte auf und verlangt ständig neue Untersuchungen, obwohl er genau weiß, dass die erste Diagnose stimmte. Mit solchem gequältem Nichtwahrhabenwollen reagiert der Patient vor allem dann, wenn er unvermittelt und zu früh durch jemanden informiert wird. Fast alle Kranken versuchen ihre Krankheit abzuleugnen, und nicht nur am Anfang, sondern auch später immer wieder. Obwohl der Kranke sein Ende als Möglichkeit anerkannt hat, muss er sie ab und zu leugnen, um das Leben überhaupt fortsetzen zu können.

Meistens greift der Kranke in einer späteren Phase zur Isolierung als zur Leugnung; dann redet er über seine Gesundheit und seine Krankheit, seinen Tod und seine Unsterblichkeit, als wären es Geschwisterpaare, die nebeneinander existieren können.     Die 2. Phase: Zorn   Nach der ersten Reaktion „ Nein, mit mir kann das nichts zu tun haben „ folgt die zweite Reaktion „ O doch, es betrifft mich, ich bin es selbst“. Es folgen Zorn, Wut und Neid. Oft stellt sich der Patient die Frage „Warum denn gerade ich? Warum denn nicht der?“ Viele Menschen werden zum Ziel des zornigen Patienten, jedoch trifft es am ehesten die Schwestern, denn alles was sie anfassen, ist falsch. Wohin der Patient auch blickt, findet er Anlaß zum Zorn.

Im Fernseher sieht er junge Leute die tanzen, während er im Bett liegen muss. Der Kranke wird laut und will beachtet werden „Ich lebe noch, noch bin ich nicht tot“. Leider reagieren wir gesunden Menschen auf den Zorn eines Kranken, als sei er persönlich gegen uns gerichtet; dabei bestimmt meistens der Zufall gegen wen er sich entlädt.               Die 3. Phase: Verhandeln   Diese Phase ist eher flüchtig und weniger bekannt, jedoch ist sie für den todkranken sehr wichtig. Das Unvermeidliche wird durch eine Art Handel hinausgeschoben: Erst ist der Patient wütend denn je, will leben und schreit nur vor sich herum, dann besinnt er sich und versucht mit Ruhe auf Gott einzugehen und hofft für sein Wohlverhalten belohnt zu werden.

Sein Wunsch ist länger zu leben oder auch ein paar schmerzfreie Tage zu bekommen. Der Handel wird meistens streng und geheim mit Gott abgeschlossen.     Die 4. Phase: Depression   Wenn der Todkranke seine Krankheit nicht mehr verleugnen kann und er immer schwächer und elender wird, dann kann er seinen Zustand nicht mehr richtig kontrollieren. Die Patientin mit Brustkrebs grämt sich über das veränderte äußere und die Patientin mit Uteruskrebs fühlt sich nicht mehr als Frau. Krankenhausaufenthalte sind noch dazu mit hohen Kosten verbunden und meistens muss der Patient sein Hab und Gut verkaufen und/oder er verliert seinen Arbeitsplatz, weil er ihn nicht mehr ausfüllen kann.

Depressionen entstehen hier durch sogenannte „Verluste“. Letztenendes muss sich der Patient mit dem großen Schmerz der Vorbereitung auf seinen endgültigen Abschied von der Welt auseinandersetzen. Eine Verbesserung der Depression würde nur dann erfolgen, wenn man die Probleme des Kranken lösen würde (Familie, Haushalt, Beruf,etc..). Geistliche, Fürsorger und Psychiater sollen das Selbstbewusstsein der Angehörigen und auch des Kranken stärken.


Etwas was dem depressiven Patienten auch helfen würde, ist die Vorstellung wie die anderen Familienmitglieder fröhlich durchs Leben gehen.     Die 5. Phase: Zustimmung   Nachdem der Kranke seine Emotionen hat aussprechen dürfen, Neid auf die Gesunden und Zorn auf alle, die ihren Tod nicht so nahe vor sich sahen, sieht er sein Ende mit ruhigeren Erwartungen entgegen. Der Patient ist oft müde, schwach und hat das Bedürfnis, oft und kurz zu dösen/schlafen. Es ist ein anderer Schlaf als in der Zeit der Depression, er dient jetzt nicht zum Atemholen zwischen den Schmerzanfällen, sondern zum Ausdehnen der Stunden des Schlafes. Diese Phase soll nicht heißen, dass der Kranke aufgibt, aber auch nicht, dass er jetzt sein Los annimmt.

Sie ist kein glücklicher Zustand: Sie ist frei von Gefühlen und der Schmerz scheint vergangen zu sein- Der Kampf ist vorbei- die Zeit der „letzten Ruhe vor der langen Reise“ ist nun da. Es ist eigentlich eine Phase des Schweigens; er möchte weder von der Außenwelt noch von der Familie gestört werden. Verständigungen erfolgen meist durch Gesten und Handbewegungen. Viele Patienten gelangen leicht in die Phase der Zustimmung: Es sind die älteren Kranken, die gearbeitet und gelitten, Kinder aufgezogen und alle Aufgaben erfüllt haben; sie erkennen einen Sinn in ihrem Leben und blicken befriedigt auf die Jahre der Arbeit zurück. Weniger Glückliche können nur selten leicht in diese Phase gelangen; oft wird Hilfe benötigt, um sich durch die Phasen hindurchzukämpfen. Die Psychoanalyse sieht die erste Kindheit als Zeit der Passivität, als das Alter eines ersten Narzißmus, in dem wir das Selbst als das Ausschließliche erfahren – So wenden wir uns am Ende unserer Tage in die Phase zurück, von der wir ausgingen – Der Kreis des Lebens schließt sich.

    Hoffnung   In fast jeder Phase ist die Hoffnung vorhanden. Die todkranken Patienten, die sich mit ihren Schicksal abgefunden haben, glauben noch immer an eine besondere Heilung oder an die Entdeckung eines neuen Medikaments. Diese Art von Hoffnungsschimmer hilft dem Patienten über Tage, Wochen und Monate des Leidens hinweg. Diese Hoffnung hilft dem Kranken bei Verstand zu bleiben und alle Untersuchungen über sich ergehen zu lassen- verspricht eine Rechtfertigung des Leidens. Hoffnung kann auch eine flüchtige Periode des Ableugnens bedeuten. Patienten, die von Wunder sprechen, sterben binnen 24 Stunden „Ich bin bereit; ich fürchte mich nicht mehr“.

Hoffnung kann auch zu Konflikten führen: Ein großer Schmerz liegt darin, dass sich die Angehörigen an einen Hoffnungsschimmer halten, obwohl der Kranke schon bereit ist zu sterben.    

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