Kultur in gefahr
KULTUR IN GEFAHR
Ein Kommentar von Julia Nösterer
Sehr detailliert, ausführlich und feinsinnig vermittelt Pierre Bourdieu in seinem Artikel die Situation der derzeitigen Kultur- und Kunstlandschaft und deren Entwicklung.
Es entspricht den Tatsachen: Mit Hilfe fortschreitender Technisierung wird der Masse des Volkes bzw. der Völker ein nivellierter, von Profitgier und Mediengeilheit geprägter Kulturbrei übergestülpt, der, um möglichst auch den „untersten Rand“ zu befriedigen, frei von moralischen, ethischen Grundsätzen oder Ansprüchen ist. Es soll Freiheit vermittelt werden. Freiheit, um von den Giganten berieselt und erschlagen zu werden mit von ihnen erstellten Maßstäben, -Einheitsgeschmack ist das erstrebte Ziel, - sie bestimmen wohin der Mensch geführt wird. Aber wer setzt die Maßstäbe? Die rasante Entwicklung der Technik steckt, trotz irrealer Geschwindigkeit, laut ihrer Erfinder erst in den Kinderschuhen.
Der Einzelne, so ist zu befürchten, kann jedoch aufgrund seiner biologischen Struktur und seiner begrenzten Lebens- bzw. geistigen Aufnahmezeit, in Kürze nicht mehr in der Lage, diese Entwicklung „mitzulaufen“, er wird von ihr förmlich überrannt. Kultur braucht Zeit zum Entstehen und zum „be-wirken“. Diese Zeit bleibt der Medienzeit nicht mehr. Öffnung durch Technik über alle Grenzen, -erwünscht, erstrebt, notwendig,- aber ein Kultur-Mikrokosmos wird im 21.Jahrhundert in jedem Staat, nicht völlig irreal, zumindest sein Ent- bzw.
Bestehen sehr schwierig werden.
Nicht direkt überzeugt Bourdieus` Meinung die Avantgarde verteidige die höchsten Werte, da deren Produkte zu den „abstraktesten“ und „reinsten“ zählen. Diese Anschauung kann nur in manchen Fällen gelten; es gibt genug dies wiederlegende Beispiele. Nicht richtig auch die Meinung bzw. innerliche Überzeugung vieler Künstler, ihre Werke, ob schriftlich oder bildnerisch, würden die Welt „weiterbringen“, „erklären“, „die Wirklichkeit wiederspiegeln“ oder „zu Erkenntnissen führen“. Vieles ist, wie zu allen Zeiten, einfach nur „Schund“ und „Verarschung“ ihrer Konsumenten.
Auch hier und besonders heute ist zu hinterfragen, welches Interesse bzw. welche Lobby, welche „Schmiere“ steht dahinter. Kunst ist nicht Kunst aufgrund der Überzeugung seines Produzenten. Kunst wird im Laufe der Zeit als solche erkannt und, um Bourdieu zuzustimmen, setzt häufig einen posthumen Rücklauf voraus. Kunst ist nicht Momentanes, sie braucht Zeit zur Entstehung, zur Entfaltung. Oft ist sie ihrer Zeit voraus, was wiederum die Zeit erfordert, ein Aufreger, weder in Literatur, Malerei, noch in Bildhauerei ist kein Kunstwerk, weil es ein Aufreger ist oder der Produzent ein Künstler ist oder sich als solchen bezeichnet.
Die Zeit ergibt, ob sich ein Werk als Kunst oder Wertlosigkeit entpuppt.
Letztendlich bleibt die Entscheidung über Erkennung eines Werkes als Kunst beim Einzelnen selbst. Kunst kann national oder global als solche erkannt, gewürdigt, vermittelt oder abgelehnt werden. Wer entscheidet? Sind nicht auch Kritiker Einzelpersonen? Geprägt oder geschoben? Beeinflusst? Wer sind die Produzenten? Wer entscheidet über ihr personelles Kunstverständnis? Wer verbietet die Vermittlung „ihrer“ Kunst? Wer entscheidet, was ist Kunst, was ist noch oder nicht mehr Kunst? Ist etwas nur Kunst, was logisch oder geschmacklich nicht mehr verständlich oder akzeptabel ist? Darf Kunst noch gefallen oder ist das plebäisch? Darf Kunst auch der Masse gefallen oder ist sie ab diesem Moment abzulehnende Massenware, Kommerzprodukt? Leidet nicht der heutige kulturschaffende Mikrokosmos sehr an seiner zur Schau getragenen „scheinbaren“ geistigen Elite? Ist nicht gerade diese Borniertheit oft der Grund für die Ermöglichung des leichten Einflusses, der „Kulturvermittlung“ und –verbreitung seitens der Mediengiganten?
Dazu kommt natürlich die Zensur des Geldes. Kunst braucht Mittel – je besser, desto höhere Produktionskosten, umgekehrt umso schlechtere Qualität. Medien und Technik ermöglichen Verbilligung, was wiederum kaum zur Förderung des Künstlers beiträgt.
Zusätzlich gilt das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Was nicht „geht“ wird nicht produziert. Also, was „geht“? Mediengiganten wissen um die Kosten, also wird international billig gekauft und mit weiteren Mitteln Geschmack eingeprägt. Gewalt und Sex. Billig in bezug auf Prägung und Produktionskosten. Wo sind die Kritiker? Wo waren schon so viele Jahre die Kritiker? Oder trifft das auch ihren Geschmack?
Hier werden Menschen vom Kleinkind auf geprägt und nicht nur berieselt, sondern auf Grund der Massenproduktion täglich förmlich „beschossen“.
Was sollen diese Menschen, sprich die Menschen meiner Generation, in 20 Jahren als „Kunst“ erkennen?
Wie notwendig wäre eine Pflege national erkannter und neuer Kunst für jeden Staat! Doch Kunst sollte auch heute in unserer Konsumgesellschaft aus „Können“ entstanden sein, nicht aus „Wollen“. Ist schließlich nicht jeder durch sein eigenes Konsumverhalten entscheidend verantwortlich für die Entstehung internationalen Kultur„abfalls?“
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