Längstschnitt durch den fauststoff:
LÄNGSTSCHNITT DURCH DEN FAUSTSTOFF:
Einführung:
Es gibt in der deutschen Literatur keinen Stoff, der so oft bearbeitet worden ist wie der vom Doktor Faust, der durch einen Pakt mit dem Teufel magische Kräfte gewinnt, dadurch die menschliche Sphäre überwindet, und Einblick in andere Welten erhält.
Faust ein Bauernsohn, studiert in Wittenberg, trieb sich dann an vielen Universitäten Deutschlands herum und hielt Vorlesungen über Gebiete aus den damaligen Modewissenschaften Medizin, Astrologie und Alchemie. Schon zu seinen Lebzeiten gingen Gerüchte über ihn um: Er könnte Tote und Geister beschwören, die Zukunft prophezeien und habe und habe in Venedig einen Flugversuch unternommen. Damals wie heute beflügelte die unbändige Neugier der Menschen die Phantasie, in Bereiche einzudringen, die dem Menschen offenbar verschlossen sind. Bereits 47 nach Fausts mystifiziertem Tod- plötzlich soll ihn der Teufel geholt haben- wurden schon die ersten Volksbücher gedruckt, welches (ähnlich wie das vom Eulenspiegel) zwar kein Roman mit einer entwickelten Handlung, aber eine wirkungsvolle Sammlung einzelner in sich geschlossener Geschichten, die den Vorteil hatten, dass in den vielen späteren Drucken weitere Geschichten eingefügt werden konnten. Der Fauststoff in der Aufklärung:
Im 18.
Jahrhundert unternahm man den Versuch, neben dem vielen äußeren Geschehen in Fausts Legen eine innere Handlung einzubauen und Faut nach entsprechender Reue und Buße der Vergebung entgegenzuführen.
Gotthold Ephraim Lessing bemühte sich jahrzehntelang um eine Dramatisierung des Fauststoffes, den er vom Standpunkt des Aufklärers zu verfassen versuchte: Faust ist erfüllt von einem unbändigen Wissensdrang, was den Teufel ein willkommene Angriffsfläche bietet. Aber der Teufel triumphiert zu früh: „Die Gottheit hat dem Menschen nicht den edelsten Trieb gegeben, um ihn ewig unglücklich zu machen“ (Lessing). Faust träumte sein grausiges Geschick nur, der Teufel bleibt ein verführerisches Phantombild.
Von Lessings Faustdrama ist nicht viel erhalten. Eine Szene hat Lessing im Anschluss an den berühmten 17.
Literaturbrief, in dem er mit Gottsched abrechnete abgedruckt.
Goethes Faust:
Goethe arbeitete sechs Jahrzehnte- mit zeitweise jahrelangen Unterbrechungen- an seinem „Faust“. In seiner Sturm- und Drangperiode (zischen 1772 und 1775) entstanden einige Szenen, und zwar die „Gelehrtentragödie“ und „Gretchentragödie“, die noch unverbunden nebeneinander standen („Urfaust“).
Der erste Teil des „Faust“ wurde zwischen 1797 und 1806 fertiggestellt und 1808 gedruckt. Zu den Szenen des „Urfaust“ kamen unter anderem der Prolog im Himmel und die Paktszene, die das leitende Motiv der Wette zwischen Gott und Mephisto deutlich machen. Es ist die alte Vorstellung des Menschen als dem Wesen, um das Gott und Böse ringen, von der Erde als dem Schauplatz, auf dem der Kampf des Lichts gegen die Finsternis stattfinden.
Gott weiß, wie die Wette ausgehen wird:
Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab,
Und führ’ ihn, kannst du ihn erfassen,
Auf deinem Wege mit herab,
Und steh beschämt, wenn du bekennen musst:
Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange
Ist sich des rechten Weges wohl bewusst.
Die Parallelstelle, der Ausgang der Wette, findet sich am Ende des zweiten Teiles, nach Fausts Tod, als ein Chor der Engel verkündet:
Wer immer strebend sich bemüht,
den können wir erlösen.
Das durch beide Teile des „Faust“ sich durchziehende Thema wird damit deutlich: Das Böse gewinnt letztlich doch keine Gewalt über den Menschen, auch wenn dieser schwere Schuld auf sich lädt. Denn der Mensch ist ein Teil der göttlichen Weltordnung und wird durch die „Liebe von oben“ erlöst.
Lenaus Faust:
Das Werk entstand 1833 bis 1835 als Gegenstück zu Goethes „Faust“. Sprache und Versform sind zwar sehr stark von Goethe beeinflusst, doch die Figur des Faust ist anders gesehen, die Handlungsführung weicht in wesentlichen Punkten vom großen Vorbild ab.
So ist dieser Faust eigentlich ein Spiegelbild seines Schöpfers Nikolaus Lenau, der zwischen einem bitter empfundenen Atheismus und einem Pantheismus schwankte, den Zweifel verzehrten und der zeitlebens das Gefühl hatte, von aller Welt und allen menschlichen Bindungen ausgestoßen zu sein.
Thomas Manns „Doktor Faustus“:
Der 1947 erschienene Roman trägt den Untertitel: „Das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn, erzählt von einem Freunde.“ Leverkühn, ein moderner Faust, von der Kunst- und Kulturkrise seiner Zeit, den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, zutiefst erfasst, schießt, halb willig, halb genötigt, einen Pakt mit dem Teufel.
Goethes „Faust“ im Spiegel der Literaturgeschichte:
Ein Blick in literaturgeschichtliche Werke aus verschiedenen Zeiten zeigt, wie unterschiedlich die Gestalt des Faust in Goethes Drama gedeutet wird.
Die „Geschichte der poetischen Nationalliteratur der Deutschen“ von G.
G. Gervinus erschien in erster Auflage 1835 bis 1842. Der Autor steht auf dem Boden des bürgerlichen Liberalismus. Er meint, „dass der Mensch nur in der Nation wahrhaft stark und groß sich entwickelt“. Für Gervinus, der auch Historiker war und der als erster die Dichtung in engem Zusammenhang mit der historischen Entwicklung sah, lieht eine deutliche Parallele zwischen der Entstehungszeit des Volksbuches (zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts) und der Entstehung des ersten Teiles von Goethes „Faust“ (zweite Hälfte des 18.
Jahrhunderts) vor. In beiden Zeitaltern mischen sich Aberglaube und Aufklärung, in beiden war „die Möglichkeit gegeben, sich zur reinen Menschlichkeit hinanzubilden“. Von Goethes Werk heißt es dann: „Es leuchtet ein, dass Faust diesen Durchbruch (...) darstellt“.
Faust, der „aus dem dunklen Zustande des Individuums hervorgegangen“ ist, zeit also, wie sich der Mensch aus dem Aberglaube seiner Zeit löst und zu Freiheit und sinnvoller sozialer Tätigkeit fortschreitet.
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