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  Maturarede

MATURAREDE    Acht Jahre Streben. Acht Jahre Selektion. Acht Jahre Reifezeit. Das Ziel ist erreicht. Ist es das wirklich? Was erwartet mich jetzt? Bin ich auf die vielfältigen Anforderungen der Zukunft vorbereitet? Weiß ich, welchen Platz ich in der Leistungsgesellschaft aufgrund meines Könnens, meiner Neigungen und meiner Fähigkeiten einnehmen kann? Bin ich reif für die Welt? Kenne ich die Welt? Sind unsere Professoren denn kompetent, uns das Bild der „wirklichen Welt“ zu vermitteln, oder kennen sie diese selbst nur aus ihren Büchern? Ja, jetzt bin ich „reif“. Ich habe das Ziel erreicht, auf das ich als Gymnasiast jahrelang hingearbeitet habe.

Doch was ist die Matura? Doch nur ein Stück Papier, das mir bescheinigt, dass ich eine Prüfung bestanden habe. Aber die größte Prüfung steht noch vor mir: Mein Leben. Und bin ich darauf vorbereitet worden? Bestand die Überprüfung meines Wissens nicht nur aus der Abfragerei vorgekauter Fakten? Ist mein Wissen nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch anwendbar? Weiss ich jetzt, welchen Berufsweg ich einschlagen werde, wo ich doch nie einen Einblick in die Arbeitswelt bekommen habe? In fast jedem Beruf heißt es, Teamarbeit und Kreativität werde gefordert. Doch wo habe ich dies erlernt? Bin ich nicht zum Einzelkämpfer herangebildet und so gezwungen worden mich mit der Ellenbogentechnik durchzuschlagen? Wo blieben in meiner schulischen Erziehung die personalen Kompetenzen wie Verlässlichkeit, Rücksicht, Solidarität, Toleranz und das Übernehmen von Verantwortung für mich selbst, meine Mitmenschen und die Umwelt? Setzten meine Professoren denn Priorität auf die Vermittlung und Repräsentation dieser Werte? Stützten sie sich nur auf ihre Amtsautorität oder waren sie für mich Autoritäten aufgrund ihrer Persönlichkeit, ihrer Kompetenz, ihres Charismas, ihrer ansteckenden Begeisterung über ihren Unterrichtsgegenstand und ihres Verhaltens uns Schülern gegenüber? Sind wir von ihnen alle gleich behandelt worden, unabhängig von unseren Leistungen, unserer sozialen Herkunft und dem Status unserer Eltern? Oder hatten sie vor manchen Eltern vielleicht sogar Angst und ließen sich von ihnen beeinflussen? Oder hielten sie sie für lästige Frager, Eindringlinge und Störenfriede, die sie so schnell wie möglich wieder loshaben wollten? Sahen sie die Erzieher denn nicht als Partner, die sie in ihrem Erziehungsauftrag unterstützen sollten? Sahen sie die Schule als Dienstleistungsunternehmen für die Schüler oder als sicheren Arbeitsplatz für sich selbst? Wurden wir von ihnen als menschliche Wesen, als Individuen gesehen, oder als das „Genügend in Mathematik“ oder gar als Sammelbegriff „Klasse“? Honorierten die Professoren selbständiges Denken und nahmen sachliche Kritik an, oder gereichte uns eine ihnen nicht angepaßte Denkweise zum Nachteil und machten sie so „Duckmäuser“ aus uns? Oder versuchten sie krampfhaft, uns in die Zwangsjacke der Intellektualität zu stecken? Erzogen sie uns so zur unüberlegten Kritik aller bestehenden Systeme, ohne fähig zu sein konstruktive Verbesserungsvorschläge einzubringen? Jeder von uns besitzt verschiedene Intelligenzen. Wurde auf diese gebührend eingegangen, bzw. wurden sie überhaupt gesehen? Oder wurde eher mit Argusaugen darauf geschaut, was wir nicht konnten? Durften wir Fehler machen, um aus ihnen zu lernen, oder erwartete der Rotstift schon unsere Ausrutscher? Toleranz.

Integration. Teamwork. Kommunikation. Das Lexikon deklariert diese Begriffe als Fremdwörter. Unsere Schule auch? Ist nur das Gebäude alt oder auch die Unterrichtsmethoden, Denkweisen, Einstellungen, Grundsätze und Ziele in seinem Inneren? Erstreckt sich das Wort „Schulklima“ nur auf das Schmücken der Gänge mit Schülerzeichnungen und Werbungen und auf das Aufstellen einiger Grünpflanzen? Oder spürt man Sympathie und gelungenen Kommunikation zwischen Schülern und Schülern, Schülern und Lehrern oder gar zwischen Lehrern und Lehrern? Welche Maßnahmen werden von der Schule getroffen, diese mehr oder weniger vorhandenen Kontakte in Gang zu halten? Wurden wir Schüler in die Entwicklung eines Leitbildes integriert? Existiert denn so etwas überhaupt im Gymnasium? Über welches Programm verfügt die Schule? Wo werden Schwerpunkte gesetzt? In zwanzig Jahren, wenn wir alle voll im Leben stehen, mit welchem Gefühl werden wir auf unsere Schulzeit zurückblicken? Woran werden wir uns letztlich erinnern? Was werden wir dann vom Gelernten als für unser Leben brauchbar empfinden?Schließlich bedanke ich mich bei den Professoren und Professorinnen, die frischen Wind in das alte Gemäuer des Gymnasiums Freistadt gebracht haben, die mich für ihre Unterrichtsgegenstände begeistert haben und die mir den Freiraum gelassen haben, meine Persönlichkeit zu entfalten, ohne mich dabei in irgendein vorgegebenes Klischee drängen zu wollen. Denn genau sie sind es, die mich nachhaltig geprägt haben, die einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen haben und denen ich weiterhin großen Respekt zollen werde.


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