Medea (franz grillparzer)
Medea (Franz Grillparzer)
Autor: Franz Grillparzer
MEDEAS VORGESCHICHTE:
„Medea“ ist der letzte Abschnitt der Trilogie „Das goldene Vlies“. Damit man die Zusammenhänge besser verstehen kann, soll hier der Inhalt der ersten beiden Teile kurz wiedergegeben werden. In dem ersten Trauerspiel, „Der Gastfreund“ , landet der Grieche Phryxus mit dem, aus einem Tempel gestohlenen, kostbaren goldenen Vlies, einem Widderfell, dem magische Eigenschaften zugeschrieben werden, bei den Kolchern und erbittet von deren König Aietes, Medeas Vater, den Schutz des Gastrechtes. Aietes jedoch tötet Phryxus, weil er sich das goldene Vlies aneignen will, und verletzt dadurch das Gebot der Gastfreundschaft. Sterbend verflucht der Grieche die Kolcher.
In dem zweiten Stück, „Die Argonauten“ wird Jason, ein griechischer Fürstensohn, der in Korinth aufgewachsen ist, von seinem Onkel Pelias ausgeschickt, das goldene Vlies zu beschaffen.
Falls dem Jüngling dies gelingen würde, sollte er das Reich seines Vaters wieder zurück bekommen. Bei den Kolchern gelandet, verliebt sich Jason in Medea und sie sich in ihn. Sie verhilft ihm mittels der von ihrer Mutter Hekate erlernten Zauberkünste zu dem Vlies. Auf der Flucht werden sie von Medeas Bruder aufgehalten, Jason treibt diesen aber in den Selbstmord. König Aietes verflucht seine Tochter und ihren Geliebten und gibt sich selbst den Tod. Was seit der Abfahrt aus Kolchis wichtiges passiert ist, erfahren wir im Stück „Medea“ in Form von Rückblenden.
Zurück in Griechenland liefert Jason seinem Onkel das goldene Vlies ab und beansprucht das Reich seines verstorbenen Vaters für sich. Pelias stirbt in der darauffolgenden Nacht im Fieberwahn. Medea nimmt das Vlies wieder an sich. Das Volk und Pelias’ rachsüchtige Verwandte geben Jason und insbesondere seiner fremdländischen Begleiterin die Schuld an dem Tod des Fürstens. Jahrelang irren die beiden mit ihren zwei Söhnen durch die Lande, werden aber nirgends aufgenommen, da man Verbrechern kein Gastrecht gewähren will. Vor allem ist den kultivierten Griechen die wilde und schroffe Art der dunkelhäutigen Medea suspekt und zuwider.
MEDEA - INHALTSANGABE:
Medea und ihre Familie lagern vor den Mauern vor Korinth. Kreon, der König dieser Stadt, ist einst Jasons väterlicher Freund gewesen und hat schon vor Jahren die Hoffnung gehabt, den Fürstensohn mit seiner Tochter Kreusa zu verheiraten. Jason hofft hier nun endlich Asyl finden. Der König ist auch bereit, ihm und seinen Söhnen dieses zu gewähren, nicht aber Medea, der Ausländerin. Da sich Jason jedoch verpflichtet fühlt, die Gastfreundschaft nicht ohne seine Gefährtin annehmen zu können, läßt sich Kreon erweichen und lädt auch sie in seine Burg ein.
Das Leben bei Hof gefällt Jason, und er ist endlich die Sorgen und das rastlose Umherziehen los.
Außerdem ist da die junge, schöne Kreusa, die er schon als Kind gekannt und die ihn schon damals verehrt hat. Die Kolcherin Medea bemüht sich sehr, die kultivierten Sitten und Gebräuche der Korinther anzunehmen, doch fällt ihr dieses sehr schwer. Es erscheint ein Herold, abgesandt vom Altgericht der Amphiktyonen aus Delphi und verkündet, daß ein Bann und Rachespruch gegen Jason und seine Familie verhängt worden ist. Sie sind des Mordes an König Pelias, Jasons Onkel, schuldig befunden worden und müssen deshalb Griechenland verlassen. Der Rat hat außerdem beschlossen, daß derjenige, der ihnen Unterschlupf gewährt, mit Tod oder gegebenenfalls Krieg zu rechnen habe. Kreon ergreift Jasons Partei, erklärt, daß er ihm Kreusa zur Frau geben werde und auch willens sei, für seinen zukünftigen Schwiegersohn zu kämpfen.
Medea ist in seinen Augen die einzig Schuldige und soll sich sofort dem Bannspruch beugen.
Die Kolcherin fordert Jason auf, ihr zu folgen, doch dieser sagt sich endgültig von ihr los. Als liebende Mutter will Medea ihre Söhne mitnehmen, doch auch das wird ihr verwehrt. Erst nach eindringlichem Flehen gewährt ihr Jason, einen der beiden Knaben behalten zu dürfen. Sie kniet vor ihren Kindern nieder und fragt sie, welches von ihnen bereit sei, ihr zu folgen. Doch keines möchte, sich von der lieblichen Kreusa trennen und das mühevolle Los der Mutter teilen.
Der Abend bricht herein, und wir finden Medea im Vorhof von Kreons Burg. Der König erscheint, fordert das Vlies und befiehlt ihr, Korinth zu verlassen. Erst hier kommt Medea der Gedanke, daß sie ja Mittel und Macht hat, fürchterliche Rache zu nehmen. Kreon läßt die Kinder von einer Sklavin rufen, damit sie von ihrer Mutter Abschied nehmen können. Als „Dank“ dafür schickt Medea Kreusa ein Prunkgewand und eine Schale mit einer kostbaren Salbe als Hochzeitsgeschenk. Die Knaben erscheinen, Medea spricht mit ihnen, und danach schlafen die Kinder erschöpft ein.
Der Gedanke, daß die beiden Kreusa ihr vorgezogen haben, ergrimmt Medea derartig, daß sie ihre Söhne aus Enttäuschung, Eifersucht und Schmerz erdolcht. Die Burg brennt lichterloh, und ein Feuerschein erhellt den Himmel. Entsetzt stürzen Kreon und Jason herbei. Medeas Brautgeschenk an Kreusa, das die Kolcherin dank ihrer Zauberkünste hergestellt hat, hat bewirkt, daß ihre Nebenbuhlerin beim Öffnen des Gefäßes verbrannt ist. Der gebrochene König verstößt Jason aus Korinth und will ihn nie wieder sehen. Auch Medea will nichts mehr von ihm wissen.
Sie wird das goldene Vlies nach Delphi bringen und sich den Priestern stellen. Verzweifelt ziehen beide getrennt ihrer Wege.
CHARAKTERISTIK:
MEDEA ist eine Frau, die bereit ist, für den Mann, den sie liebt, die größten Opfer zu bringen. Als Medea jedoch von dem Mann, für den sie all diese Opfer gebracht hat, enttäuscht, betrogen, verstoßen und sogar von den eigenen Kindern abgelehnt wird, kennt ihre Rache keine Grenzen mehr.. Medea steht jedoch zu ihren Verbrechen.
Sie stellt sich zwecks Buße den Priestern in Delphi.
JASON: Der gutaussehende, charmante und gebildete Fürstensohn ist ein typischer Egoist: Er nützt Medeas blinde Hingabe schamlos aus, um zu bekommt, was er will. Nicht einmal am Ende, sieht Jason seine Schuld ein; er fühlt sich vielmehr verraten.
INTERPRETATION:
Das Trauerspiel „Medea“, dessen Uraufführung 1821 in Wien stattgefunden hat, ist die dritte Abteilung des dramatischen Gedichts „Das goldene Vlies“ von Franz Grillparzer. Die Handlung findet vor den Mauern von Korinth und in König Kreons Burg zu mythischer Vorzeit statt. Das Trauerspiel handelt vom Scheitern der bikulturellen Beziehung zwischen der Kolcherin Medea und dem Griechen Jason.
Sie werden von König Kreon aufgenommen, Medea wird jedoch wieder verjagt. Aus Rache für die Ungerechtigkeiten, die ihr widerfahren sind, tötet sie Kreons Tochter Kreusa, Jasons zukünftige Frau, und bringt dann das goldene Vlies nach Delphi zurück, um sich dem Urteil der Priester zu beugen. Zu einer Zeit, als seine Gesundheit stärker angegriffen war als je zuvor, seine rein künstlerischen Ansichten standen im geraden Widerspruch zu einer sich in Deutschland mehr und mehr verbreitenden Ideologie, blätterte Grillparzer bei einem Kuraufenthalt in Baden zufällig in Benjamin Hendrichs „Gründlichem Lexikon Mythologicum“, wo er auf den Artikel „Medea“ stieß. Obwohl er den Stoff schon kannte, war er davon sofort fasziniert, zumal er sich schon einmal, nach dem Tod seiner Mutter, mit dem Gedanken befaßt hatte, den Argonautenzug in einer Trilogie zu behandeln. Vor ihm hatten sich schon Dramatiker wie Lessing oder Wieland mit dieser griechischen Sage beschäftigt..
Bei einem Drama entwickelt sich aus der in der Vergangenheit liegenden Vorfabel (Exposition) und dem Handlungsablauf bis zum Wendepunkt (Peripetie) das in die Zukunft weisende Handlungsergebnis (Finale). Das Wechselspiel zwischen den Charakteren der Handelnden und den Ereignissen oder Zuständen ihres Lebens endet entweder mit dem Sieg des Helden (Schauspiel) oder seiner Niederlage (Trauerspiel, Tragödie). (Das neue Taschenlexikon „CD“; Bertelsmann Lexikon; Seite 335) Wenn man Grillparzers „Medea“ anhand dieses Grundmodells betrachtet, sieht man, daß der Dichter streng nach „Vorschrift“ gearbeitet hat. Als Exposition sind hier die Ereignisse der ersten beiden Abteilungen des „Goldenen Vlieses“, „Der Gastfreund“ und „Die Argonauten“, anzusehen.
Der Wendepunkt des Dramas tritt schon sehr früh, nämlich im zweiten Aufzug ein. Als Medea die Ehe retten und ein Lied für ihren Gemahl singen will, zeigt dieser kaum Interesse.
Erst auf Kreusas Bitten hin läßt sich Jason erweichen, die stolze Medea aber bricht die Leier vor lauter Wut und Verzweiflung entzwei. Das Finale ist Medeas große Abrechnung. Mit der Ermordung ihrer Söhne und Kreusas nimmt sie auch Jason alles. Um Medea nicht ohne Buße davon kommen zu lassen, läßt Grillparzer sie ihr eigenes Ende wählen.
Der Dichter macht die kulturellen Unterschiede auch in der Sprache der handelnden Figuren deutlich. Die vornehmen Griechen verwenden ausschließlich den Blankvers, einen ebenmäßigen Jambus; die Kolcher den freien Vers und einen polymetrischen Rhythmus.
Diese „freie“ Art des Sprechens verwendet Medea am Anfang des Trauerspiels, da sie sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht bemüht es den Griechen gleich zu machen und sich noch als „volle“ Kolcherin fühlt. In König Kreons Burg verwendet sie den freien Vers immer nur wenn Emotionen mit ins Spiel kommen. Diese Gefühlsströmungen erkennt man nicht nur daran daß sich sowohl Inhalt als auch Rhythmus ändern, sondern auch von der Optik her. Auf Seite 70 der Reclamausgabe ist ein gutes Beispiel dafür: Medea bringt ihre Kinder zu Bett, noch spricht sie im Blankvers (2120 - 2130). Sobald sie jedoch den Plan schmiedet ihre Söhne umzubringen, gleitet sie in den freien Vers ab (2131). All ihre Emotionen kommen nun ins Spiel: die Vorstellung, wie die Welt ohne ihre Kinder und ohne Jason sein wird, der Mord an Kreusa und die Vollendung ihres Plans.
Die optische Form des Monologes wird ungleichmäßig, die Sätze werden verschieden lang. Grillparzer idealisiert in der gesamten Trilogie weder Griechen noch Kolcher, obwohl er sie als Gegensätze darstellt. Die Griechen sind zart, kultiviert, hell und gebildet, die Kolcher wirken plump, wild, düster, dunkel und streng.
Er selbst wies auf zwei Dinge mit aller Deutlichkeit hin: auf sein psychologisches Interesse an der Charakterentwicklung der Medea, die von der liebenden Frau zur Rächerin wird, und auf das Schicksalssymbol des Vlieses, an dem der Fluch der bösen Tat haftet. Das goldene Vlies, das Ruhm, Macht und Glück verspricht, ist die Ursache allen Unheils. Es erweckt in dem Besitzer sowohl die hemmungslose Gier, es unter allen Umständen in seinen Besitz zu bringen, als auch die unermeßliche Angst, es wieder zu verlieren.
Tatsache ist, daß das Vlies keinem seiner Besitzer das Erhoffte, sondern nur Unglück gebracht hat. Angefangen bei der Ermordung des griechischen Tempelräubers durch den Kolcherfürsten (in „Der Gastfreund“), über Jason, der das Vlies stiehlt, bis zu Medea, die mit ihrem Gatten ruhelos von Ort zu Ort zieht und deren einzige Bindung an ihn nur noch ihr geteiltes Schicksal ist. Auch Kreon, der die beiden meiner Meinung nach vor allem aufgenommen hat, da er das Vlies in seinen Besitz bringen wollte, wird am Ende mit der Vernichtung seiner Burg und dem Tod seiner Tochter bestraft.
Es ist Grillparzer gut gelungen, die Seelenzustände der einzelnen Personen darzustellen. Nur die Triebe und der Zwang des Milieus sind für das Geschehen entscheidend. Obwohl Grillparzer das damals noch nicht wissen konnte, sprach er vor allem in „Medea“ einen Punkt an, der heute aktueller denn je ist, den Fremdenhaß.
Ausländer werden auch noch heute, hier in Österreich, nicht als gleichwertige Menschen angesehen. Wir belächeln ihre Art zu sprechen, „ekeln“ uns vor ihrer Hautfarbe und regen uns über ihre Sitten und Gebräuche auf. Wie oft höre ich nicht, wie sich zwei ältere Leute beklagen, daß Frauen, die dem Islam angehören, Kopftücher tragen, und das bei uns!! Meiner Meinung nach hat jeder das Recht, seinen Glauben so auszudrücken, wie er will, solange er damit nicht gegen ein Menschenrecht verstößt. Das bornierte Verhalten der Griechen gegenüber dem Anderssein der Medea ist beklemmend aktuell.
LITERATURNACHWEIS · Nachwort aus der Reclamausgabe des Trauerspiels „Medea“ · „Aus der Geschichte der Dichtung“: Band IV: Von der Romantik zum Realismus · „Geschichte der deutschen Literatur“: Band I: Von den Anfängen bis 1848 · „Einführung in die Literatur des deutschen Sprachraumes“: Von ihren Anfängen bis zur Gegenwart: II. Teil · Das neue Taschenlexikon „CD“; Bertelsmann Lexikon · Das neue Taschenlexikon „G“; Bertelsmann Lexikon + sehr ausführliches Referat mit langer Interpretation
- keine Dichterbiografie
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