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MÄRCHEN    Begriffsdefinition   Der Begriff "Märchen" stammt vom mittelhochdeutschen Wort „maere" ab. "Maere" bedeutet ursprünglich "Nachricht, Kunde, Erzählung.   Heute wird das Märchen definiert als phantastische Erzählung, in der die Grenzen zur Wirklichkeit; als Erzählung ohne Bindung an individuelle Personen oder an bestimmte Orte aufgehoben sind. Hier wird das Unglaubwürdige und Unwahrscheinliche im Gegensatz zu "maere" angesprochen.   Alter und Ursprung des Märchens   Das Märchen ist eine der ältesten Überlieferungen der Menschheit überhaupt. Die ältesten heute bekannten Vorformen des Märchens stammen aus dem Orient.

Dies sind zum einen die Etana-Erzählung - entstanden um 2000 v. Chr. - und zum anderen die Gilgames-Epen - entstanden um 1800 v. Chr. Erst durch die berühmteste Märchensammlung der Welt "Kinder- und Hausmärchen" (1812-15) von den Brüdern Jacob und Wilhelm Grimm erlangte das Märchen auch im europäischen Raum höchste Popularität. Das Märchen wird allgemein in zwei Hauptgruppen unterschieden, nämlich in das Volksmärchen und in das Kunstmärchen.

Die Ursprünge des Märchens liegen im Mythos und im Epos. Das Märchen hat große Ähnlichkeit mit der Sage, zum Teil auch mit der Fabel, der Legende und dem Schwank. Die "modernisierte" Form des Märchens wird als Sciencefiction und Fantasy bezeichnet. Das älteste Märchenbuch ist die über 300 Stücke umfassende arabische Sammlung "Tausendundeine Nacht", die ins 10. Jh. zurückdatiert.

Die erste europäische Übersetzung legte der Orientalist Jean-Antoine Galland 1704 bis 1717 vor. Diese französische Version war über hundert Jahre der einzige für den europäischen Leser verfügbare Text. Die erste deutsche Übersetzung erschien 1823.Übergeordnete Einteilung von Märchentypen   Volksmärchen:   Bei ihnen agiert das Volk als kollektiver Erzähler, es sind jedoch Spuren individueller Bearbeitung zu entdecken. Das volkstümliche an diesen Märchen sind einfache, nicht komplexe Strukturen, Formelhaftigkeit, typenhafte Gestalten, leicht verständlicher, bildhaft anschaulicher Stil. Das Volksmärchen nimmt die Perspektive des Glück- und Erfolglosen ein, der nach den ihm verwehrten Dingen strebt und diese schließlich auch erreicht.

Die Herkunft aus unteren sozialen Schichten ist bei diesem Märchentyp schon allein durch die Hoffnung spürbar, die ausgedrückt wird.   Kunstmärchen:   Sie stammen meist aus der Epoche der Romantik und haben individuelle Verfasser wie z.B. Brentano, Tieck, Hoffmann, Hauff, Mörike, Andersen und andere. Dadurch zeichnet sich auch der literarische Individualstil des Autors sowie dessen eigene Aussageabsicht in den Erzählungen ab. Kunstmärchen verkörpern zwar das Wunderbare, durchkreuzt von der Wirklichkeit, jedoch begegnet man dieser mit einer gewissen Skepsis.

Ihre Inhalte, Motive und Symbole entspringen der Imagination der Autoren. Das Kunstmärchen drückt unerfüllbare romantische Sehnsüchte aus. Während die Verwirklichung des Glücksstrebens beim Kunstmärchen scheitert, endet das Volksmärchen meist mit erfülltem Glück. Im Gegensatz zu den Volksmärchen, die sich an den unteren Schichten orientieren, gibt das Kunstmärchen umfassende, existentielle und gesellschaftlich-geschichtliche Problemstellungen wieder, die in komplexen Strukturen dargestellt sind. Untergeornete Einteilung von Märchentypen   Die Märchen wurden über Jahrhunderte hinweg in verschiedene Kategorien eingeteilt. Die heutige Forschung arbeitet mit dem von dem finnischen Märchenforscher Antti Aarne erfundenen Typensystem, welches Märchen wie folgt unterscheidet:   Tiermärchen und ihre Untergruppen   Eigentliche Märchen und ihre Untergruppen   Zauber- und Wundermärchen   legendenartige Märchen   novellenartige Märchen   Märchen vom dummen Teufel oder Riesen   Schwänke   Schildbürgerschwänke   Schwänke von Ehepaaren   Schwänke mit männlicher oder weiblicher Hauptperson   Lügenmärchen     Merkmale von Märchen   Absicht: Belehrung   Handlungsstruktur: Dreigliedrigkeit: Ausgangssituation Handlungsteil Endsituation   Märchenmotive: Armut, Wunsch nach Reichtum, Magie, (Zaubersprüche, verwunschener Prinz, Hexen, Feen, Zwerge, Riesen, magische Zahlen (3,7.


..), Hilfreiche und feindliche Märchenwesen, Gefahren    und Hindernisse, Belohnungen, Sprechende Tiere und Dinge   Sprache: Formelhaftigkeit (Es war einmal...Bis auf den heutigen Tag")   Zauberformeln: Eingreifen einer höheren Macht Die Brüder Grimm   Jacob Grimm (geb.

04.01.1785 in Hanau; gest. 20.09.1863 in Berlin)   Wilhelm Grimm ( geb.

24.02.1786 in Hanau; gest. 16.12.1859 in Berlin).

  Jakob Grimm war als Bibliothekar an verschiedenen Orten tätig bis er 1848 Abgeordneter im Frankfurter Parlament wurde. Weiters begründete er die moderne Germanistik. Er verfasste Standardwerke über Rechtsaltertümer, Literatur- und Sprachwissenschaft, Mythologie, Märchen und Sage und rief zusammen mit seinem Bruder das "Deutsche(s) Wörterbuch" ins Leben.   Wilhelm Grimm wurde ebenfalls in die Stellung des Bibliothekaren berufen. Er arbeitete stets eng mit seinem Bruder zusammen. Wilhelm Grimm trat besonders als Herausgeber der mittelhochdeutschen Dichtung und als Sagenforscher hervor.

  Zu Lebzeiten der Brüder Grimm erschienen sieben Ausgaben der "Kinder- und Hausmärchen“ Bis heute sind die "Kinder- und Hausmärchen" das bekannteste deutsche Buch.                             Bruno Bettelheim: Kinder brauchen Märchen     Bruno Bettelheim wurde 1903 in Wien geboren und emigrierte 1939 in die USA, wo er als Professor für Erziehungswissenschaften, Psychologie und Psychiatrie an der Universität von Chicago tätig war und verfasste Werke wie „Kinder brauchen Märchen“, „Ein leben für Kinder“ und andere. Noch heute gilt er als einer der bekanntesten Kinderpsychologen. Bruno Bettelheim verstarb 1990 in den USA.      Inhaltsangabe „Kinder brauchen Märchen“     In seinem Buch „Kinder brauchen Märchen“ beschreibt Bettelheim, welchen Einfluss Märchen auf die psychische und soziale Entwicklung eines Kindes haben. Wesentlich erachtet Bettelheim sowohl für Erwachsene als auch für Kinder, einen Sinn im Leben zu finden.

Dieser Sinn im Leben kann durch Märchen vermittelt werden. Warum ist nun das Märchen so wichtig für Kinder: Das Kind kann im Gegensatz zu einem erwachsenen Menschen nur sehr wenige Eindrücke, die es aus der Realität wahrnimmt, verarbeiten. Die so entstehenden Lücken werden mit Phantasie gefüllt, wobei innere Unruhen oder Verzerrungen dazuführen, die Ausschnitte je nach Gefallen misszudeuten, wodurch starke Ängste oder Sehnsüchte entstehen können. Diese Ängste oder Sehnsüchte sind später nicht mehr entwirrbar, da das Kind noch nicht nach dem "Wie und Warum" fragen kann, und hier tritt das Märchen in Erscheinung. Das Kind wird durch das Märchen geschult, das „Wie und Warum“ zu begreifen und nach Lösungen zu suchen.   Durch die bekannten Einleitungsformen „Es war einmal.

..“, „Vor langer Zeit ...“, „In einem anderen Land.

..“ werden die meisten Märchen eingeleitet, und damit wird angedeutet, dass die reale Welt verlassen wird. Es ist meist eine liebliche Einleitung, dadurch träumt das Kind vor sich hin, versetzt sich ins Unterbewusstsein, und nachdem die Geschichte das Kind in eine wundersame Welt geführt hat, holt sie es auf höchst tröstliche Weise zurück. Daraus lernt das Kind , dass es erlaubt ist, dass die Phantasie für kurze Zeit Überhand gewinnt, aber man darf nicht für immer darin verstrickt bleiben   Es ist wichtig, dass ein Kind, wenn es glaubt eine Prinzessin zu sein, wieder in die Realität zurückkehrt, wenn es die Mutter ruft, und somit weiß, dass sie keine Prinzessin ist. Nur allzu ausgefallene Märchen (wo der Vater ein halbverhungerter Holzhacker ist, die Mutter eine Königin) stiften beim Kind tatsächlich Verwirrung.

Hierbei besteht die größte Schwierigkeit, dass das Kind nicht oder nur sehr schwer zwischen Realem und Irrealem unterscheiden kann. Wenn man einem Kind nun eine reelle Geschichte erzählt (eine Geschichte, die der Phantasie des Kindes widerspricht), so ist es der Meinung, man verstehe das Kind nicht. Geschieht dies öfters, so entfernt sich das Kind von seinem Inneren immer mehr, und dadurch entsteht nach einigen Jahren bei dem Kind eine Art Nachholbedarf, und es flüchtet erneut, trotz des fortgeschrittenen Alters, in die Phantasiewelt zurück. Erst wenn das Wunschdenken des Kindes in einer guten Fee verkörpert wird, oder wenn es seine destruktiven Wünsche einer bösen Hexe beilegen kann und dergleichen, dann kann das Kind endlich anfangen, seine widersprüchlichen Neigungen zu ordnen, und somit verringert sich die Gefahr, dass das Kind im völligem Wirr-Warr versinkt.    Analyse: „Der Froschkönig“   Bettelheim analysiert in seinem Buch auch anhand einiger bekannter Märchen die Auswirkungen und Eindrücke, die durch dieses Märchen entstehen. So z.

B. das Märchen Froschkönig.   Eine schöne Prinzessin spielt am Brunnen mit ihrer goldenen Kugel, die Kugel fällt in den Brunnen und die schöne Prinzessin ist darüber sehr traurig. Daraufhin taucht ein Frosch auf und fragt, warum sie so traurig sei. Daraufhin erzählt ihm die Prinzessin von ihrem Missgeschick und der Frosch bietet sich an ihr zu helfen. Als Gegenleistung soll die Prinzessin den Frosch an ihrem Leben teilhaben lassen, mit ihm gemeinsam essen, trinken und schlafen.

Die Prinzessin willigt ein, doch nur um ihre goldene Kugel wieder zu haben. Als der Frosch die Kugel bringt läuft die Prinzessin weg. Doch am nächsten Tag kommt der Frosch zum Schloss und fordert seine Gegenleistung ein. Immer wieder lehnt die Prinzessin ab und immer wieder wird sie von ihrem Vater aufgefordert, zum gegebenen Versprechen zu stehen. Am Ende soll die Prinzessin den Frosch mit ins Bett nehmen, doch sie ekelt sich so sehr, dass sie ihn fasst und an die Wand schmeißt. Daraufhin verwandelt sich der Frosch in einen Königssohn.

  Bettelheim sieht darin den Reifeprozess der Prinzessin klar dargestellt. Anfangs das kleine unschuldige Mädchen, dessen Vollkommenheit durch den Verlust der goldenen Kugel zerstört wird. Die goldene Kugel steht als Zeichen für eine noch nicht entwickelte narzisstische Psyche. Als sie verloren geht, geht auch die Naivität des Kindes verloren. Der hässliche Frosch versinnbildlicht das hässliche und komplizierte Leben.  Die Prinzessin macht Versprechungen, die sie nicht einhalten wird.

Durch das Auftauchen des Frosches wird sie in die Realität zurückgeholt. Sie versucht sich gegen den Frosch zu wehren, doch ihr Vater als Sinnbild ihres Über-Ichs greift ein. Je mehr die Prinzessin sich gegen den Frosch wehrt, desto vehementer tritt ihr Vater auf. Aus einem Spiel wurde plötzlich Ernst und die Prinzessin ist gezwungen, die Verpflichtungen, die sie eingegangen ist, zu erfüllen. Ein wesentlicher Aspekt dieses Märchens ist die sexuelle Entwicklung, die die Prinzessin durchläuft. Zuerst ist sie ein kleines Mädchen, das nur mit ihrem Ball spielt.

Dann tritt der Frosch in Erscheinung. Zuerst spielt das Mädchen mit ihm, jedoch je näher er ihr körperlich kommt, desto mehr Ekel empfindet die Prinzessin.   Dieses Ekelgefühl wird von Angst, ja sogar Zorn abgelöst, der in Hass endet. Dieser Hass führt dazu, dass sie den Frosch mit aller Kraft an die Wand schlägt und indem sie sich so behauptet und Initiative ergreift, überwindet sie ihre Angst und ihr Hass verwandelt sich in Liebe.   Hier zeigt sich deutlich der Unterschied zu dem kleinen Mädchen, dass nur den Anweisungen des Vaters Folge leistet. Sie trifft selbst die Entscheidung und geht dabei sogar ein Risiko ein.

  Auf der anderen Seite zeigt das Märchen, dass die ersten erotischen Kontakte nicht lustvoll verlaufen werden, da sie doch sehr schwierig und mit Angst behaftet sind. Doch wenn man schrittweise Intimität zulässt, wird der Schock überwunden werden und die vollkommene Intimität kann die Schönheit der Sexualität enthüllen.   Der Frosch steht auch in anderen Märchen für sexuelle Beziehungen. Er soll aussagen, dass sich auch ein so feuchtkaltes und Abstoßung verursachendes Tier in etwas Schönes verwandeln kann, sofern der richtige Zeitpunkt abgewartet wird.   Dies sind nur einige Aspekte, die Bettelheim in der Analyse des Froschkönigs erwähnt.            Analyse: „Hänsel und Gretel“  Eine weitere Analyse erstellt Bettelheim von dem Märchen „Hänsel und Gretel“.

Hierbei geht es weniger um die sexuelle Entwicklung als vielmehr um das Loslösen von der Mutter.   Die Mutter, die als Nahrungsgeber für das Kind von Anfang an da ist, führt die Kinder in den Wald, da nicht genug Nahrung vorhanden ist, um diese zu ernähren. Hänsel streut Kieselsteine und dadurch wird es ihm und Gretel möglich, wieder nach Hause zu finden.   Aufgrund der Tatsache, dass die Kinder wieder nach Hause zurückkehren, ohne sich einer Weiterentwicklung zu stellen, machen sie einen Rückschritt in der Entwicklung durch.   Das zeigt sich darin, dass Hänsel, als sie erneut von der Mutter weggeführt werden, Brotkrumen streut, um den Heimweg wiederzufinden. Dabei hätte er doch wissen müssen, dass diese von den Vögeln aufgepickt werden und somit es für die beiden unmöglich wird, wieder zurückzufinden.

  Als Hänsel und Gretel am Lebkuchenhaus anlangen, nimmt der primitivste Trieb überhand, nämlich das sie das Haus, das ihnen Schutz und Sicherheit bietet, aufessen. Das Haus steht für die primitive Gier und dem Drang, dieser nachzugeben. Im Unterbewussten steht das Haus auch für die Mutter, die das Kind mit seinem Körper nährt und Schutz bietet.   Eine Lehre, die man aus diesem Märchen ziehen kann, ist, dass wenn man ungehindert seiner Gefräßigkeit nachgibt, Vernichtung droht.   Diese Vernichtung wird durch die Hexe dargestellt, die ja die Kinder fressen will. Dass am Ende die Hexe sterben muss und nicht die Kinder führt dieses Märchen noch auf eine andere Ebene: nämlich dass Kinder, die noch wenig Erfahrung und Selbstbeherrschung haben nicht mit dem gleichen Maßstab wie ältere Erwachsene gemessen werden dürfen.

Deshalb ist der Tod der Hexe ebenso gerechtfertigt wie die Rettung der erst maßlosen Kinder.   Die Edelsteine, die die Kinder von der Hexe erben, werden schlussendlich mit den Eltern geteilt und hier zeigt sich sehr deutlich die Weiterentwicklung von Hänsel und Gretel. Sie sind nicht länger von der Mutter abhängig, sondern können diese sogar unterstützen, dank ihrer Unabhängigkeit, die sie aufgrund der gewonnenen Erfahrungen, erlangt haben.   Dies sind nur einige Aspekte, die Bettelheim in seiner Analyse anspricht, doch zeigen bereits diese, wie wichtig Märchen für die Entwicklung eines Kindes sind.    Schluss   Abschließend kann ich nur sagen, dass es für mich eine besondere Erfahrung dargestellt hat, das Buch „Kinder brauchen Märchen“ zu lesen, zumal das oberflächliche Lesen von Märchen niemals diese Aspekte zu Tage bringt, wie Bettelheim sie beschreibt. Es bleibt nur zu hoffen, dass Eltern ihren Kindern in Zukunft auch Zugang zu diesen Geschichten bieten, damit deren Entwicklung auf angenehme Weise gefördert wird.

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