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  Im anfang war das wort

Im Anfang war das Wort (Joh. 1,1)  Die Fischreuse existiert wegen des Fisches. Wenn man den Fisch gefangen hat, kann man die Reuse vergessen. Die Kaninchenfalle existiert wegen des Kaninchens. Wenn man das Kaninchen gefangen hat, kann man die Falle vergessen. Die Wörter existieren wegen ihrer Bedeutung.

Wenn man die Bedeutung begriffen hat, kann man die Wörter vergessen. Wo finde ich einen Mann, der die Wörter vergessen hat, damit ich mit ihm sprechen kann? - Chuang Tzu   Facharbeit aus Deutsch von Torsten G. Greimel, 8b 1999   bei OStR Prof. Mag. Elisabeth Kurzmann     Vorwort   Selbst auf die Gefahr hin, daß diese Zeilen dasselbe Schicksal erleiden könnten, das so viele Vorworte trifft, nämlich nicht gelesen zu werden, habe ich mich dazu durchgerungen, es zu Papier zu bringen. Bei dem geneigten Leser, der sich die Mühe macht, den Prolog nicht zu überspringen, entschuldige ich mich also zu Beginn für meine Exkurse in andere Wissenschaftsbereiche als den der Literatur, die das primäre Thema dieser Facharbeit vielleicht nur am Rande tangiert, die ich aber für eine umfassende Darlegung des äußerst interessanten und spannenden Gebiets der Sprache für unverzichtbar halte.

Auf den ersten Blick ist kaum abzuschätzen wieviel Psychologie in der Sprache, wieviel Physik in der Psychologie, wieviel Religion in der Physik, wieviel Philosophie in der Religion oder wieviel Mathematik in der Philosophie gefunden werden kann. Doch werden Sie mir recht geben, wenn ich vorsichtig genug behaupte, daß keine Lehre, keine Disziplin, keine Wissenschaft ohne den Draht zu anderen Wissensbereichen überleben kann. Es ist eine abscheuliche Angewohnheit des neuzeitlichen Computer- und Technikfreaks, bloß in Kästen, Kästchen, Schubladen, Karteien und Unterteilungen zu denken, wodurch ihm einerseits der große Genuß des überblicksmäßigen Erkennens und vorallem der des ansatzweise Durchschauens der ewig gleichen Maschinerie hinter dieser Welt, die sich uns in spärlichen vier Dimensionen offenbart, entgeht. Es ist dieser Genuß, diese Freude, dieser "schöne Götterfunke" der Motor, der die Menschen immer wieder näher an die großen Ewigen Ideen Platons heranführt, die es dann doch verstehen, sich wieder irgendwo hinter den Schleiern der Welt geschickt zu verstecken. Ohne jene Überschneidungen, Überlappungen und Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Wissenschaften, an deren Trennung sich die Fanatiker des aristotelischen Denkschemas, das unsere westlich-linke Hemisphäre so sehr geprägt hat, schuldig gemacht haben, würde uns selbst das zarte Strohhälmchen, das wir überheblich "Erkenntnis" um die Welt nennen, unwiederbringlich entgleiten; die Gemeinsamkeiten sogar zu ignorieren, würde dem Entziehen jedwedes festen wissenschaftlichen Bodens unter den Füßen gleichkommen. Gerade auch in der Sprache liegt mehr Wissen und Wissenschaft des betreffenden Genpools als man vielleicht vermutet.

Keine der von mir erwähnten und zitierten Personen ist in irgendeiner Weise für meine Übertreibungen, Ansichten und Interpretationen verantwortlich zu machen, doch sind diese so gestaltet, daß die Zitierten keinen Grund dafür haben werden, sich im Grabe umzudrehen, sofern sie schon in einem ihre ewige Ruhe gefunden haben. Es ist direkt beängstigend, wie relativ alles, aber wirklich alles um uns herum ist, wie leicht Standpunkte widerlegt, andere bestätigt, Theorien aufgestellt und zerstört, Hypothesen vertreten und belächelt werden können, und dennoch ist immer irgend jemand von jeder beliebigen Theorie überzeugt, bzw. überzeugt gewesen. Mißverständnisse, Paradoxa, Interdependenzen, mißlungene Kommunikation und der seit Jahrtausenden unverrückbare Glaube, die eigene Meinung sei die einzig gerechtfertigte und spiegle als einzige die absolute "Wahrheit" wider, haben gepaart mit "Dummheit [...

] mehr Genies (und normale Menschen) eingekerkert und umgebracht, mehr Bücher verbrannt, mehr Völker ausgerottet und den Fortschritt nachdrücklicher verzögert als jede andere Kraft in der Geschichte." Zu ertragen, daß die Wahrheit nicht gefunden werden kann, ist zugegebenermaßen nicht leicht, von etwas überzeugt zu sein, und dies als die Wahrheit zu interpretieren, dafür umso leichter. Nicht umsonst hat Pilatus auf Jesu Aussage, er sei gekommen, um Zeugnis für die Wahrheit abzulegen, geantwortet mit der Frage: "Was ist Wahrheit?". Mag sein, daß Sie mir in vielem nicht recht geben; mag sein, daß Sie mich durch irgendeine gefinkelte philosophische Schliche widerlegen, mag sein, daß diese gefinkelte philosophische Schliche selbst ein Beispiel für die Relativität unserer Welt und Sprache ist und mich nicht widerlegt sondern stärkt; mag sein, daß sich hier die Katze in den Schwanz beißt, aber leicht werde ich es Ihnen sicher nicht machen, mich zu widerlegen. Trotz der teilweise sehr persönlichen Elemente (die als solche erkennbar sind), trotz der direkten Ansprache an meinen geschätzten Leser, die – es ist mir bewußt – höchst ungewöhnlich für solch einen Text ist, mag diese Arbeit in keiner Weise der wissenschaftlichen Grundlage entbehren, was mir selbst in höchstem Maße zu wider wäre. Allerdings ist es dieser Arbeit völlig unmöglich den Anspruch auf Vollständigkeit zu stellen, denn soviel Papier, wie man dafür bräuchte, existiert auf dieser kleinen Welt nicht.


Den vielen Denkern, die sich in sicher harter Arbeit vor mir den Kopf zerbrochen haben, und in deren Schatten ich demütig stehe, sei für ihre indirekte Hilfe von Herzen gedankt. (Hinweis: bei der online-Ausgabe dieser Arbeit fehlen die Endnoten und der Anhang!)   Urgeschichtliches Verzeihen Sie mir, daß ich ganz am Anfang beginne, aber ich möchte bloß sicherstellen, daß Sie sich über die zeitlichen Verhältnisse, über die ich in Kürze schreiben werde, auch im klaren sind. Führt man sich die Jahrmilliarden, die sich diese unsere Erde schon dreht, die unfaßbaren Ereignisse, die die Welt schon gesehen hat, das Wunder der Natur, daß jedes Atom "weiß" wo es sich wann, wie und weshalb zu welchem Ding, lebendig oder nicht, fügt, vor Augen, so kann durchaus ein kleiner, meist uneingestandener Schauer über den Rücken laufen, zumindest ergeht es mir in mancher stiller Stunde so. Tatsächlich faßt man nicht mehr von der Welt als ein Babyfläschchen von den Sieben Weltmeeren. Vor zehn bis 15 Milliarden Jahren entstand unser Universum, vor fünf Milliarden Jahren unsere Erde, und es mußten doch tatsächlich weitere 1,6 Milliarden Jahre vergehen, um erstes Leben erscheinen zu lassen; soweit die Fakten, die den meisten bekannt sein dürften. Seit der "Kambrischen Explosion des Lebens" allerdings – vor 570 Millionen Jahren – schreitet die Evolution mit einer immer höheren Beschleunigung, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt schon beinahe unfaßbare Dimensionen angenommen hat, voran.

Vor etwa fünf Millionen Jahren erfindet unser Vorfahr Homo habilis die Technik, also den Gebrauch einfacher Werkzeuge, zu dem auch andere Homiden fähig sind, und vor zwei Millionen Jahren Homo erectus etwas, das den Dingen auch einen Namen gibt: die Sprache. Sie ist ein wesentliches Element in der Evolution, vor allem, weil sachliche Information ab diesem Zeitpunkt beinahe uneingeschränkt verbreitet werden kann; dies bedeutet eine Ausweitung des Informationsflusses auf Generationen, Jahrtausende und gleichzeitig das Entstehen der Tradition. Das dokumentierte Weltwissen, welches sich seiner selbst bewußt geworden ist, ist entstanden, der erste Schritt in Richtung Globalisierung getan, und die Jung´schen Archetypen haben genauso wie die altindische Akascha-Chronik mit der Sprache ein neues Medium der Expression gefunden. Mit scharfer Kombinationsgabe und der Fähigkeit, Wissenschaften zu verbinden, meint Robert Anton Wilson dazu: "Der dritte oder semantische Schaltkreis hat mit Artefakten zu tun und entwickelt ein Muster (Realitätstunnel), das an andere weitergegeben werden kann, sogar über Generationen hinweg. Diese Muster oder "Karten" können Gemälde sein, wie Illustrationen, aber auch Worte, Konzepte, Werkzeuge (mit den dazugehörigen Gebrauchsanweisungen, die verbal übermittelt werden), Theorien, Musik, usw. Menschliche Wesen, (domestizierte) Primaten sind Geschöpfe, die mit Symbolen arbeiten.

Das bedeutet, daß die, die die Symbole kontrollieren, uns kontrollieren, wie schon einer der ersten Semantiker, Korzybski, beobachtete. [...] Marx und Hitler, Newton und Sokrates, Shakespeare und Jefferson "kontrollieren" auch heute noch Teile der Menschheit auf diese Art – durch den semantischen Schaltkreis." Die Bedeutung, die Wilson damit der Semantik und der Sprache des Menschen zuteilt, ist, denke ich, nicht zu hoch eingeschätzt.

Als einzige überlebende Art der Gattung Homo kommt uns als Homo sapiens sapiens die Ehre zuteil, die Erfindung unseres Vorfahrs bis ins Äußerste verfeinert, zerlegt, analysiert und verändert zu haben. Er allerdings – Homo erectus – hat irgendwann den außergewöhnlichen evolutionären Schritt getan, ein so großes, umfassendes Bewußtsein entwickelt zu haben, daß er sich selbst erkennt, Dinge unterscheidet, Symbole für Reales setzt und so schließlich zur Erfindung der Sprache kommt. Insofern kann auch eine Parallele zur fernöstlichen Zenphilosophie gezogen werden, man denke nur an so manches Zenrätsel – die übrigens alle allein den Zweck haben, den "semantischen Schaltkreis" Wilsons auszuschalten und den Geist für höhere Erkenntnisstufen bereit zu machen – wie etwa: Wie hört sich das Fallen eines Baumes an, wenn es niemand hört? Solche Rätsel beruhen auf dem Paradox der Beobachtung ohne Beobachter und auf der Tatsache, daß jede Beobachtung (ohne die laut Kurzweil weder Zeit noch Welt existieren würden, und für die die Sprache eine Ausdrucksform ist) für das real Existierende, sprich das Beobachtete (oder Platons letzte "Idee") ein Symbol setzt, um überhaupt zum "Erleben" des Beobachteten zu kommen. Ein Symbol für etwas real Existierendes zu setzten, ist eine Leistung, die in Ansätzen nur unsere nächsten Verwandten, die Zwergschimpansen oder Bonobos, deren Erbmaterial übrigens zu über 96% mit unserem übereinstimmt, zuwege bringen und bedeutet gleichzeitig die Erfindung des Wortes und den Startschuß für eine Entwicklung, die graphisch nicht dargestellt werden kann. Möchte man alle "herausragenden, sein Wesen verändernden oder seine Zukunft maßgeblich beeinflussenden Ereignisse" (und die Erfindung der Sprache gehört sicher dazu) zur Zeitachse auftragen, so ergäbe sich eine Kurve, die im allerletzten Teil fast parallel zur Wertachse verliefe. Es existieren zum gegenwärtigen Zeitpunkt Homide, die rein von der biologischen Technik, Kehlkopfbau, etc.

, fähig wären zu sprechen, doch sind sie, schlicht gesprochen, zu dumm dazu; wohl geben sie Laute von sich, doch fehlt das Setzten des Symbols "Wort". Daß die Evolution so rasant – und dennoch zufällig – verläuft, ist sicher mit das Verdienst der Sprache, die das Medium der Kommunikation und damit der zwischenmenschlichen Verständigung, ohne die die biologische Entwicklung dieses Grades nicht denkbar wäre, ist, denn Information – erlauben Sie mir den Exkurs in die Physik und Philosophie – oder Negentropie ist das ordnende Prinzip in unserem Universum und übertragen wird sie am schnellsten, aber auch am fehleranfälligsten, wie wir noch sehen werden, eben durch Sprache. Durch die Entdeckung der Sprache wurde ein Stein losgetreten, der den Informationsfluß unheimlich beschleunigte, somit die Entropie auf unserem Inertialsystem Erde verringerte und damit die biologische, psychologische und spirituelle Evolution in unbekannte Sphären schleuderte. Natürlich waren die Ursprachen des Homo erectus vor zwei Millionen Jahren primitiv, es dauerte weitere 1.994.000 Jahre, bis die ersten großen Städte blühten, doch die Zehnerpotenzen zwischen den herausragenden Ereignissen wurden, dank des immer größeren Informationsflusses, immer weniger.

  Kultisches Vor ca. 4000 Jahren schließlich ereignet sich, betrachtet man die Entwicklung der Sprachen, etwas Herausragendes: Der indogermanische Kulturkreis spaltet sich vom semitischen ab, indem die Urindogermanen, die anfangs in der Gegend des Schwarzen und Kaspischen Meeres lebten, in Wellen nach Südosten in den Iran und nach Indien, nach Südwesten nach Griechenland, Italien und Spanien, nach Westen durch Mitteleuropa nach England und Frankreich, nach Nordwesten nach Skandinavien und nach Norden nach Osteuropa und Rußland, wandern und somit sich die vorindogermanischen Kulturen unter der Dominanz der indogermanischen Religion und Sprache mit denselben vermischen. Noch heute läßt sich innerhalb dieses Kulturkreises ohne weiters "Spracharchäologie" betreiben: So verehrten die alten Inder beispielsweise den Himmelsgott "Dyaus", das Äquivalent zum griechischen "Zeus", zum lateinischen "Iupiter" (eigentl. "Iovpater", also "Vater Iov") und zum altnordischen "Tyr"; ergo sind die Namen Dyaus, Iov, Zeus und Tyr verschiedene Varianten – schließlich ist auch die Sprache einer Evolution unterworfen – desselben Worts. Solche Beispiele lassen sich massenhaft in unserem Kulturkreis finden: Die Götter der Wikinger, die Asen, finden ihre Verwandten bei den altindischen asura oder den iranischen ahura; ein weiteres Wort für Gott heißt auf sanskrit deva, auf iranisch daeva, auf altnordisch tivurr, und wer kennt nicht vom Lateinunterricht das Wort deus? Die nordischen Fruchtbarkeitsgottheiten, die Wanen, finden ebenfalls Entsprechungen bei der lateinischen "Kollegin" Venus oder dem altindischen Wort für "Lust" und "Begehren": vani. Alle Völker, die indogermanische Sprachen sprechen, also alle europäischen, außer der finnugrischen (Samisch, Finnisch, Estnisch und Ungarisch), außerdem noch die Basken, Inder und iranischen Völker haben ein zyklisches Weltbild mit wiederkehrenden "Welten", sich wiederholender Geschichte oder ähnlichen Philosophien und messen dem jeweiligen, in der Bedeutung veränderten Wort für "sehen" (lat.

video, sansk. vidya, griech. idé, engl. wise, wisdom, dt. wissen, norweg. viten) große Bedeutung zu und verbinden es mit Erkenntnis oder, um bei unserem Vokabular zu bleiben: Evolution.

Die Wörter video, voir, videre, wissen, weise, Vision, Idee, idé, vidya, wise, wisdom, viten, visuell (und unzählige weitere) stammen also von einer im Indogermanischen wichtigen Wurzel. Daß sich derart sichtbar von Indien bis Skandinavien ein roter Faden in der Sprache, Religion und Kultur zieht, erscheint mit persönlich beinahe schon erschreckend unheimlich und schaurig-schön. Ich kann nicht umhin, einen Abstecher in die Psychologie zu wagen und Carl Gustav Jung zu erwähnen, der, perfektioniert in seiner Archetypentheorie, sich ebenfalls mit Sprachen beschäftigte und erkannte, daß sie praktisch der Kitt sind, der hilft, die einzelnen Errungenschaften von einer Generation zur nächsten weiterzuvererben (man bemerke die Parallele zu der oben erwähnten Negentropietheorie aus der Physik, und daß eine Wissenschaft allein nicht existieren kann), und daß sich Sprache sehr stark in den Archetypen widerspiegelt. Dieses Wissen, das sich von Indien bis England zieht, das tief in jedem von uns in unserem "Selbst" gespeichert ist, erscheint unerschöpflich, und zumindest ich versinke davor und vor dem Potential des Kollektiven Unbewußten in Staub. Daß Sprache ständig im Begriff ist, sich zu verändern, ist nichts Neues, faszinierend ist jedoch, daß man ganze Geschichten von Riesenvölkern über Zehntausende Kilometer und Jahre anhand der Sprache und der Wurzeln der einzelnen Worte verfolgen kann, was ein weiterer Beweis dafür wäre, daß Jungs Archetypen, Haeckels Auffassung von Onto- und Phylogenese und das "archäologische" Element in der Sprache prinzipiell dasselbe bedeuten. Ich habe zuvor schon kurz den semitischen Kulturkreis, der sich von dem indogermanischen wesentlich unterscheidet, angeschnitten, ihn aber dann vorerst beiseite gelassen, doch ist es der Mühe wert, ihn näher zu betrachten.

Die Semiten stammen ursprünglich von der arabischen Halbinsel und teilten sich, wie schon erwähnt, vor etwa 4000 Jahren von der indogermanischen Kultur; nun haben wir es aber bei den Semiten selbstverständlich mit ganz anderer Kultur, Religion und in weiterer Folge logischerweise auch mit anderen Sprachen zu tun – Kultur und Religion, Glaube, Weltbild und -philosophie sind immer engstens mit der entsprechenden Sprache verbunden. Wie der indogermanische hat sich auch der semitische Kulturkreis weit über den Globus verteilt, schon seit über 2000 Jahren leben Juden bedingt durch die Diaspora weit von ihrem ursprünglichen Vaterland entfernt und haben natürlich auch ihre Kultur mitgenommen. Interessant erscheint, daß die drei westlichen Religionen – Christentum, Judentum und Islam – einen semitischen Hintergrund haben, so sind beispielsweise der Koran und das Alte Testament in verwandten Sprachen verfaßt. Anders jedoch als die Indogermanen verfügen die Semiten über ein lineares Geschichtsbild, d. h. in grauer Urzeit schuf ein Gott die Welt, die auch einmal ihr Ende haben wird.

Ein weiterer "spracharchäologischer" Unterschied zu den Indogermanen besteht darin, daß die Semiten nicht soviel Wert auf das "Sehen", und somit auch nicht auf jenes Wort, sondern auf das Hören legen, nicht umsonst beginnt das jüdische Glaubensbekenntnis mit den Worten: "Höre Israel!", und nicht umsonst sind noch heute jüdische, christliche und moslemische Gottesdienste vom Vorlesen Heiliger Schriften geprägt.   Psychologisches Wenn nun unsere Sprache mit den Jung´schen Archetypen in Verbindung steht und damit in jenes Netzwerk eingreift, das sich aus den Verbindungen zwischen unseren "Selbsten", die Jung beschreibt, ergibt, und wenn nun Sprache einer Evolution unterworfen ist und ein bindendes Element zwischen den Generationen darstellt und mit der Phylogenese Hand in Hand geht, so muß sie folglich auch eine wichtige tiefenpsychologische und identifikationsbildende Rolle spielen. Und, glauben Sie mir, das tut sie auch! Jemandes Sprache durch den Dreck zu ziehen, hat eine sehr diskriminierende und starke Wirkung, einerseits, weil die Sprache Ausdruck des Selbstverständnisses eines Genpools ist, der von den einzelnen Individuen – getrieben durch den natürlichen Instinkt – weitervererbt, erhalten und vergrößert werden muß und dessen Erhaltung oberstes Ziel jedweder Absicht (sofern es soetwas gibt) hinter der Evolution ist; andererseits, weil Sprache auch Ausdruck der eigenen Persönlichkeit ist, eigene Meinungen widerspiegelt und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe anzeigt. Aus dieser Tatsache heraus entwickeln sich auch die verschiedensten Chargons, so spricht man beispielsweise als Angehöriger der "Zunft" der Obdachlosen anders als als gekröntes Staatsoberhaupt während eines Staatsbesuchs. Das Alter spielt natürlich auch eine wesentliche Rolle: Während sich die "Sprache" eines Neugeborenen anfangs durch Unvermögen von der eines Erwachsenen unterscheidet, ist die eines Jugendlichen meist bewußt, oder besser: halbbewußt, aus ideologischen Gründen von der eines Erwachsenen abgehoben. Ich komme für eine umfassende Sicht der Dinge nicht umhin, die Philosophie ein weiteres Mal zu Rate zu ziehen, drängt sich doch angesichts der Tatsache, daß jeder Jugendliche irgendwann einmal auch die Sprache eines Erwachsenen annimmt, die Frage auf, inwiefern sich hier wieder die Relativität unserer Welt zeigt: Wie sehr freiwillig verläuft der Übergang vom Jugendchargon zu den "erwachsenen Worten"? Ist er denn nicht von vornherein geplant, erwartet, nur eine Sache der Zeit? Wenn ja, dann leben wir in einer deterministischen Welt, in der die Zukunft jedes Teilchens und jeder Energie – also auch die Entwicklung eines Jugendlichen – durch momentanen Ort und Impuls vorherbestimmt, also determiniert ist.

Ich bin versucht, dieser Ansicht einiges abzugewinnen und bin sicher, daß sich Sir Isaac Newton und René Descartes darüber sehr freuen würden, doch andererseits hat schon zu Beginn dieses Jahrhunderts ein Genie namens Albert Einstein festgestellt, daß weder Raum, noch Zeit, noch Jugendliche absolut, sondern eben relativ sind, also wird wohl doch nichts aus dem althergebrachten Newton´schen Determinismus. Das soll jetzt aber nicht heißen, daß es nicht etliche hartnäckige Erwachsene gibt, die es verstehen, mit perfektem Atavismus selbst die Sprache eines Kleinkinds noch an Primitivität zu überbieten. Es ist die Sprache also eine wichtige Informationsüberträgerin und ein wichtiges Mittel zum Finden einer Identität, und eine Beleidigung auf diesem Gebiet kann sehr heftig ausfallen. Davon werden Sie spätestens dann überzeugt sein, wenn Sie versuchen, auf einem Treffen von ultrarechten Neonazis die "Internationale" in türkischer Sprache zu singen. Es gibt aber weit weniger lebensbedrohende Beispiele für die Bedeutung der Sprache, denken Sie etwa an die Wiener Gruppe, die als Reaktion auf die Borniertheit ihres Genpools die Sprache zerlegte, Wörter untersuchte, Sinninhalte vertauschte und (v. a.

Hans Carl Artmann) sich auch mit Dialekten, also sehr regionalen Ausdrucksformen der Identität, und mit fremden Sprachen und den Verbindungen zur eigenen und zu Kunstsprachen beschäftigte. Ein wunderbares Beispiel für die schockierende Wirkung ihrer Werke ist etwa das Gedicht "scheißen und brunzen" von Konrad Beyer und Gerhard Rühm. Viel hat sich seit 1958, als dieses Gedicht entstand, nicht getan, denn auch heute noch sind viele entsetzt über die vulgäre Sprache, die Kunstanspruch stellt, fühlen sich moralisch provoziert, schreiben Protestbriefe, gewahren sich wie Gockelhähne im Zweikampf – und das alles nur wegen einiger ordinärer Worte auf einem Blatt Papier, das vielleicht doch nicht so geduldig ist, sondern zumindest offiziellen Charakter besitzt. Da spielen wegen eines kunstanspruchstellenden "scheissvaters" die Freud´schen Über-Ichs in so manchen leicht braun gefärbten Hirnen verrückt und übersehen dabei, daß dies die eigentliche Absicht hinter dieser Kunst ist. Ein weiters Beispiel für die Möglichkeit der Zerlegung der Sprache liefert ebenfalls die Wiener Gruppe mir ihrem kongenialen Text "Abhandlung über das Weltall". Dabei handelt es sich zunächst um einen nüchternen, populärwissenschaftlichen Vortrag über unsere Milchstraße, dessen Inhalt völlig nebensächlich ist.

In der Vorbemerkung heißt es dazu: "an diesem grundtext wurden nun manipulationen vorgenommen [...]. nach einer aufstellung der statistischen häufigkeit der verschiedenen phoneme, die der grundtext enthält, saugen die häufigeren sukzessiv die selteneren auf, bis in dem übrigbleibenden "e" (dem häufigsten phonem der deutschen sprache) die maximale entropie erreicht ist – die sprache ist, adäquat der entwicklung des weltalls, gleichsam den wärmetod gestorben. [.

..] die handlung [ist] [...] trotz zunehmender entropie noch ziemlich lange verfolgbar.

zuerst störend im sinne des versprechens, dann immer einsichtiger das prinzip herausschälend, tritt eine semantische trübung ein. [...] aus dem kontext werden vom hörer [..

.] die entsprechenden korrekturen vorgenommen." Das gelingt allerdings nur solange, bis der Text komplett verschwimmt. Da es wenig Sinn hat, über solch einen Text zu schreiben, ohne ihn abzudrucken, ist er im Anhang beigelegt, wo Sie sich daran vergnügen können, Physik mit Literatur zu verbinden, indem Sie gleichzeitig die Sprache auseinander nehmen. An diesem Beispiel erkennt man, wie sehr man Sprache zerlegen kann, wie sehr man mit ihr als physisches Material arbeiten kann, was offensichtlich in der Tradition der Sprachskepsis (und des Skeptizismus eines Descartes) steht, auch Parallelen und Gemeinsamkeiten zum Dadaismus (dem Rückfall zum bewußten Symbolsetzen) und zur konkreten Poesie sind erkennbar. Daß man der Sprache nicht trauen kann, werden wir an späterer Stelle noch genauer beleuchten, für etliche Dichter folgt aus dieser Unvollkommenheit jedenfalls die Notwendigkeit der Zerlegung und des Transzendierens der Sprache.

Zum Exzeß getrieben hat dies sicher der irische Schriftsteller James Anton Aloysius Joyce, der mit dem Werk "Finnegans Wake" das wohl unübersetzbarste der Weltliteratur geschaffen hat. An diesem meisterhaften Text, der allein in Auszügen und in der deutschen "Übersetzung" schon schwierig genug zu lesen ist, haben sich Heere von Übersetzern die Zähne ausgebissen, da er das Material Sprache von innen her angreift und erstmals die Sprache der Seele, des Unbewußten, des Archetypen, die "Grüne Sprache", wie David Ovason sie in der Tradition der Astroalchemie nennt, salonfähig macht. In "Finnegans Wake" werden neue Worte geschaffen, indem Joyce alte Wortwurzeln, Wortfetzen verschiedener Sprachen und vieles mehr verbindet. Satzteile, Wörter, Buchstaben werden ausgelassen und hinzugefügt, es ergeben sich dadurch neue doppeldeutige Sinninhalte, neue Dimensionen tun sich auf, die Sprache selbst, das Medium wird zum Lebewesen, erhält Gestalt; Anspielungen auf Mythologisches, Psychologisches, Physikalisches und auf das große Weltwissen im allgemeinen reihen sich aneinander. Ich kann nicht anders, als Joyces Kunst hier nur unzureichend und beinahe lächerlich vereinfacht darzulegen, alles andere würde den Umfang dieser Arbeit sprengen, doch möchte ich zumindest eine besonders schöne Stelle zitieren, die mit der Freud´schen Vorstellung der bona dea, der Mutter, korrespondiert und sich die Form – wohl kaum übersehbar – aus dem Christentum gestohlen hat: Im Namen Annahs, der Allmächtigen, der Unsterblichen, der Trägerin höchster Pluralitäten, geheiligt werde ihr Nabel, ihr Laich glomme, ihre Fülle erstehe, wie im Strudel, also auch im Teich. Wunderschön ist auch Joyces Deutung der Schöpfungsgeschichte, die sich bei ihm wie folgt anhört: Flußfluß, furbay Eva' und Adams dahein, vom Klippenrand zur verschlungenen Bucht, und er bringt uns wieder in lässigem Circel zurück über Commodus und Vico nach Hoth Castle samt Einzugskreis.

Die Grammatik, die Syntax, die Orthographie scheinen aufgehoben, eigene Regeln, die das Unbewußte direkter ansprechen, als das die "normale", unzuverlässige Sprache vermag, entstehen, die Sprache wird zum Material und zum sinnlichen Erlebnis, das Wort wird zu einer neuen, umfassenden Bedeutung hingeführt. Morgenstern, Bremer, Jandl, Gominger stehen wie viele andere natürlich auch genau in dieser Tradition, wenn auch die Beweggründe eben Erwähnter sich untereinander und von jenen Joyces unterscheiden. An dieser Stelle möchte ich ein interessantes Phänomen erwähnen, das uns ab und zu von unserer weltbild- und sprachproduzierenden Hemisphäre untergejubelt wird: Manchmal nämlich geschieht es, daß uns die Bedeutung eines Wortes völlig entgleitet und das Wort als solches, schlicht als Material übrigbleibt. Man verwirrt vorerst etwas, doch schließlich trennt man den Begriff vom Wort(-laut) komplett, und je öfter man das Wort wiederholt, desto lächerlicher und unsinniger scheint es. Mir etwa ist es einmal so mit "Bleistiftspitzer" ergangen, einer Klassenkollegin mit dem Wort "Stoff". Wenn Ihnen also das nächste Mal die Zeit lang wird, probieren Sie es einfach aus und sagen Sie fünfzig Mal "Bleistiftspitzer" vor sich hin.

Erfolg garantiert! Nach den einleitenden prinzipiellen Betrachtungen und nachdem wir erkannt haben, wie ungenau Sprache definiert ist und wie sehr sie zerlegt, aufgebrochen oder verstümmelt werden kann, drängt sich die Frage, was denn Sprache nun eigentlich sei, direkt auf. Wir stehen vor dem Dilemma, daß ein Wort nie das ist, was es bezeichnet – in der Philosophie bekannt als "Geist-Körper-Problem". Der chinesische Philosoph Lao-tse erkennt also zu recht in seinem "Tao-Tê-King": "Könnten wir nennen den Namen,/ Es wäre kein ewiger Name./ Was ohne Namen,/ Ist Anfang von Himmel und Erde;/ was Namen hat,/ Ist Mutter den zehntausend Wesen".   Philosophisches Selbst die besten Köpfe dieser Welt werden noch ob der Frage zerbrochen, was in einem menschlichen Gehirn konkret vorgeht, wenn es den Befehl gibt: "Lippe, forme dich; Kehlkopf, hebe dich; Mensch, artikuliere dich!". Diese rätselhafte graue Masse versteht es glänzend, sich selbst nicht zu verstehen.

Wie schafft es eine Unzahl von an und für sich lebloser Atome, sich so zu strukturieren, daß Leben und Bewußtsein entsteht, was muß geschehen, daß ein Mensch, wenn Information über elektromagnetische Wellen in sein Auge trifft, diese als elektrische über Nerven in sein Hirn fließt, denkt: "Vor mir liegt ein Buch!", ohne aber auch nur ein einziges dieser fünf Worte als solche zu denken? Ist Bewußtsein bloß eine Illusion und nur das Resultat komplizierter chemischer Verbindungen? Oder aber, weniger deterministisch gedacht, ist Bewußtsein per se existent, hat es die Natur also geschafft, atomare Verbindungen so aufzubauen, daß sie sich selbst erkennen und aus dieser Erkenntnis heraus etwas größeres, nämlich das Bewußtsein, erwächst? Die Wahrheit, so weit es sie objektiv überhaupt gibt, denn unsere Sinne gaukeln uns schließlich ständig eine Welt vor, die so nicht ist, wie wir sie "wahr"-nehmen, liegt wohl, wie oft, in der Synthese. Die Welt, und das ist eine der wichtigsten Erkenntnisse der modernen Physik und Philosophie, ist im höchsten Grade determiniert und der Wille frei zur gleichen Zeit (Doch was ist "Zeit"?). Schrödinger brachte ein interessantes Beispiel: Seine (imaginäre) Katze sitzt in einer Box, neben ihr befindet sich ein Glaskolben mit Blausäure und eine Apparatur, die dafür sorgt, daß dieser Kolben mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% zerbrochen wird, was den Tod der Katze bedeuten würde. Die Box ist undurchsichtig, und was würden Sie wohl sagen, wenn man sie Ihnen nun präsentieren, und Sie fragen würde, ob die Katze nun lebt oder nicht? Nun, Sie könnten mutmaßen, und mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% hätten Sie recht. Was ist aber nun die Wahrheit? Das stellt sich sicher erst heraus, wenn Sie die Box öffnen, dann aber kann die Frage "Was ist die Wahrheit?" nur mehr als "Was war die Wahrheit?" beantwortet werden. Während die Box geschlossen ist, so Schrödinger, ist die Katze objektiv halb tot und halb lebendig, sie existiert für Sie als menschliches Wesen mit Bewußtsein – das ist der springende Punkt – schlicht und einfach doppelt; eine Lösung, die eine Brücke schlägt zwischen Determinismus und freiem Willen.

Der Physiker Maxwell beglückte die Welt mit einer weiteren Paradoxie: Es handelt sich um eine imaginäre Kreatur, der das Öffnen der Verbindungstür zwischen zwei Behältern obliegt, die mit demselben Gas gefüllt sind. Dieser "Dämon" läßt nun mittels Öffnen und Schließen der Verbindungstür von Behälter 2 nur Moleküle mit hoher thermischer Bewegung in Behälter 1 und von Behälter 1 nur solche mit niedriger thermischer Bewegung in Behälter 2. Folglich würde in Behälter 1 die Temperatur unweigerlich steigen, obwohl das Gas ursprünglich in beiden Behältern die gleiche Temperatur hatte; das steht aber in glattem Widerspruch zum Zweiten Hauptsatz der Wärmelehre, und tatsächlich trieb "Maxwells Paradoxie" in der theoretischen Physik längere Zeit ihr Unwesen. Die geniale Lösung stammt von Léon Brillouin (gestützt auf einen Artikel von Leo Szilard, einem Kollegen Einsteins): Er erkannte, daß die Beobachtung der Moleküle eine Zunahme von Information innerhalb der Systems bedeutet, und genau der Temperaturzunahme entspricht, die der Dämon angeblich erzeugt hatte. Damit ist unweigerlich eine Brücke zwischen theoretischer Physik, der Kommunikations- und Informationstheorie und der Sprache geschlagen; auf diese Art und Weise kamen die Physiker zu wichtigen Einsichten in die Interdependenz zwischen Energie und Information. Ob die Kommunikations- und Informationstheorie nun glücklich ist über so neue Erscheinungen wie künstliche Intelligenz und elektronische Datenverarbeitung sei dahingestellt, für unseren Zweck sind sie jedenfalls gut zu gebrauchen.

Beim derzeitigen Stand der Technik ist zum zweifelsfreien Entschlüsseln und verstandesmäßigen Verstehen eines Satzes immer noch ein lebender Rechner, sprich ein Gehirn, nötig. Ich hege allerdings keine Angst vor der Explosion der technischen Evolution als Fortführung der biologischen, die Vernetzung menschlicher Substanz mit "Bits und Bytes", das Verschmelzen der Biologie mit der Physik halte ich für moralisch – wo ist in einer doppel- und vielbödigen Welt mit Mord und Totschlag eigentlich Moral? – unbedenklich. Computer mögen zwar für einen einzigen Satz 2 044 900 syntaktisch korrekte Interpretationen finden, aber verstehen können sie diese nicht. Ein Computer des "MIT Laboratory for Computer Science" lieferte 1981 diese Unmenge an Interpretationen für den Satz: "Welche Anzahl der Produkte der Produkte der Produkte der Produkte der Produkte der Produkte der Produkte der Produkte hatte die Anzahl der Produkte der Produkte der Produkte der Produkte der Produkte der Produkte der Produkte der Produkte?". Allerdings haben computerunterstützte Systeme zur Syntaxanalyse schwere Probleme bei der Interpunktion etwa folgenden Satzes: "Time flies like an arrow!" ("Die Zeit eilt wie ein Pfeil dahin!"). Es meinte doch tatsächlich in seiner berühmt gewordenen Antwort einmal ein Computer dazu, er sei sich nicht sicher, der Satz könnte bedeuten: "Die Zeit vergeht so schnell, wie ein Pfeil vorüberfliegt!" Die Aufforderung, Fliegen zu "timen", wie ein Pfeil sie time, also: "Time flies like an arrow would!".

Die Aufforderung, nur diejenigen Fliegen zu timen, die wie ein Pfeil aussähen, also: "Time flies that are like an arrow!". Die Aussage, daß die Fliegenart "Zeitfliege" eine Vorliebe für einen Pfeil habe, also: "Time-flies like an arrow!". Offensichtlich ist Wissen nötig, um die Ambiguität aufzulösen. Ein Mensch käme erst gar nicht auf die Interpretationen zwei bis vier, da wir wissen, daß Pfeile nicht die Fähigkeit besitzen, Ereignisse zu timen, daß keine Ähnlichkeit zwischen Fliegen und Pfeilen besteht und daß es keine "Zeitfliegen" gibt. Computer können also im Gegensatz zu uns Menschen Sprache zwar aufnehmen, neuerdings auch erstaunlich genau verarbeiten, sie scheinen Sprache verstehen zu können, interpunktieren sie, aber können sie nicht "erfassen". Leider gibt es noch kein Wort, das den Unterschied zwischen dem Prozeß des Aufnehmens eines Wortes durch einen Computer und dem Prozeß des Erfassen eines Wortes durch einen Menschen verdeutlicht.

Wir würden unseren elektronischen Freunden (?) zuviel der Ehre zukommen lassen, würden wir behaupten, sie verstünden uns und hätten bereits ein Bewußtsein entwickelt. Nun, sie werden eines Tages eines entwickelt haben, und dies wird der Tag sein, an dem wir unsere Krone der Evolution von unserem Haupt auf das unserer vergeistigenden, intelligenten, realitätsschaffenden Technik setzten werden müssen; ein Tag, an dem die Evolution wieder einen einschneidenden Schritt gesetzt haben wird. Sehen wir ihm mit Erwartung und Interesse entgegen, doch sehen wir auch ein, daß zur Zeit unsere Computer von Sprache soviel verstehen, wie die Fische im Fluß von der Stadt, die an ihrem Fluß liegt. Daß die Grenzen der Welt die der Sprache seinen, meinte Ludwig Wittgenstein, und um ehrlich zu sein, gebe ich ihm nicht recht, oder besser: bezweifle zumindest, daß die Grenzen der Sprache notwendigerweise die der Welt determinieren. Ich erlebe ständig "Welt" und dennoch bin ich unfähig, einem anderen mitzuteilen, wie ich persönlich diese Welt erlebe, bin unfähig, unsere beiden Wahrnehmungen zu vergleichen und zu beweisen, daß etwa die Farbe, die ich als Rot erlebe, in seiner Welt nicht das ist, was ich als Grün erlebe; dennoch erleben wir beide etwas, das wir nicht ausdrücken können – Grenzen der Sprache: ja, Grenzen der Welt: nein. Versteht man Sprache aber umfassender als Medium zur Erhöhung der Negentropie in einem System, also nicht bloß verbal, nicht bloß auf den Menschen beschränkt, im Extrem nicht bloß auf Lebewesen beschränkt, so ergibt sich unter Umständen eine Rettung für den Wittgenstein´schen Satz: Wenn keine Information mehr fließt, hat die Evolution keine Möglichkeit mehr, aus dem sie umgebenden chaotischen System (Entropie), ein kleineres, offenes mit steigender Negentropie (Information, Sprache) wie etwa unsere Erde zu schaffen oder am Leben zu halten.

Das Chaos nimmt zu, das Universum stirbt den Wärmetod, und das wäre tatsächlich das Ende oder besser: die Grenze der Welt. Man sieht: einerseits ist es nicht einfach, einen komplexen Tatbestand in Worte zu fassen, andererseits sind alle Wissenschaftsbereiche im Kern miteinander verbunden und geben ein recht anschauliches Modell von dieser Welt, wenn auch bloß ein Modell. Was also nun ist Sprache? Umfassend könnte man demnach sagen, daß Sprache dem Fluß (nicht unbedingt dem Austausch) von Information, oder mehr physikalisch: dem Steigen von Negentropie gleichkommt. Eine Instanz I ist mittels der Sprache s im umfassendsten Sinn über einen Zustand z informiert worden und hat dadurch an Entropie verloren. Wenn ich die Relativität der Zeit übersehe, was eigentlich ein physikalisches Kapitalverbrechen ist, und auch jene kleinen Quälgeister, die man Tachyonen nennt und die erfolgreich ihr Unwesen in der Physik und in der Kommunikationstheorie treiben, unberücksichtigt lasse (vgl. Watzlawick, Wie wirklich ist die Wirklichkeit, S.

219 ff.), so postuliere ich, daß man ganz primitiv allgemein formulieren könnte: " I (s, z) : [SI (t2) < SI (t1)], t1 < t2. (t1 ... Zeitpunkt 1, t2 .

.. Zeitpunkt 2, I (s, z) ... Instanz I, die mittels der Sprache s über den Zustand z informiert wird, SI (t2) .

.. Entropie der Instanz I zum Zeitpunkt 2. Zusätzlich vergleiche man Wittgensteins "Allgemeine Form des Satzes": [r , x , N(x )], denn diese Definition verwendet ebenfalls mathematische Ausdrücke zur Bildung eines Modells für die Sprache! Jede genauere Betrachtung dieses spezifischen Themas mag höchst interessant sein, ist aber für diese Arbeit redundant.) Meine Definition klingt nun recht ordentlich und unantastbar, ist es aber nicht. Überlegen wir, daß die Sprache eines jener Medien, wenn nicht das einzige, so doch sicher das wichtigste neben der intrapersonellen Reflexion über einen Tatbestand und dem logischen Schluß, ist, über welche wir uns ein Weltbild, quasi ein Abbild der "Realität", einen Welteindruck (selbst) schaffen! Dr.

Joseph Murphy beispielsweise ist davon überzeugt, daß der feste Glauben an einen Tatbestand (berechtigt oder nicht) und das ständige Wiederholen eines entsprechenden Satzes (etwa: "Ich bin krank!") früher oder später Auswirkungen in der Realität haben wird (sprich, Sie werden tatsächlich krank). Sie haben sich also erfolgreich "eingeredet", krank zu sein. Da die Sprache also u. a. diese logisch-semantische, realitätsschaffende Aufgabe wahrnimmt, ist sie ein recht heikles Instrument, das nicht so einfach zu bedienen ist, wie das vielleicht scheinen mag. Es ist ein Paradox der Sprache, daß wir mit ihr nie zu hundert Prozent das ausdrücken können, was wir eigentlich meinen, dazu kommt dann noch, daß unser Gegenüber, der Empfänger vielleicht eine etwas andere Weltauffassung hat als wir, der Sender.

Von dem, was sich der Sender anfangs in seinem Hirn als Botschaft zusammengebraut hat, kommt also durch die verschiedensten Filter, einerseits durch die Unmöglichkeit, etwas 1:1 auszudrücken, andererseits, die eventuell verschiedenen Auffassungen der Beteiligten, mitunter nicht viel beim Empfänger an. Die beiden Aussagen (die gesandte und die empfangene) können im Extrem sogar einen glatten Widerspruch zueinander bilden, ohne daß aber unbedingt ein klares Mißverständnis vorhanden sein muß. So verwundert es also nicht, daß man große, sogar verheerende Wirkungen erzielen kann, wenn man mit nur sehr kleinen, geschickten Veränderungen, die an und für sich gar nicht als solche auffallen müssen, in die Sprache eingreift und deren Techniken durchschaut; die Mittel der Sprache in der Hand zu haben, bedeutet eine nicht zu unterschätzende Macht. Es gibt von Robert A. Wilson ein wunderbares Kommunikationsmodell, das Snafu-Prinzip (Situation normal – all fucked up), das die Macht der Sprache, so meine ich, recht gut darstellt. Im Prinzip handelt es sich dabei um eine Pyramide, deren Basis von all jenen gebildet wird, die sich ihrer Sprache eigentlich nur halbbewußt sind und sie nicht in voller Absicht anwenden.

Darüber plazieren sich dann, immer enger werdend, bis hinauf zur alles überwachenden und vollbewußten Spitze der Pyramide immer intelligentere Schichten, die der jeweils höheren Rechenschaft über die jeweils niedrigere schuldig sind. So müßte theoretisch die Spitze zu jeder Zeit über alle ihre "Untergebenen" informiert sein, doch teilen die einzelnen Schichten ihren "Vorgesetzten" aus Angst vor Bestrafung immer nur das mit, was diese ohnedies zu hören erwarten; so kommt es, daß verblüffenderweise die Spitze am meisten desinformiert und verwirrt ist (natürlich ohne es zu wissen, und im Glauben, über alle Macht und alles Wissen zu verfügen) und die Basis am wahrheitsgetreusten informiert ist. Man erinnert sich unweigerlich an Fjodor M. Dostojewskis Fürst Myschkin, den Idioten, der die Gesetzestafeln zerbricht und so plötzlich "in einer Welt lebt, in der alles wahr ist, auch das Gegenteil". Und man vergesse nicht Franz Kafkas Prozeß, denn das Gericht "entläßt dich, wenn du gehst."! Das schon erwähnte Paradox der Unausdrückbarkeit, wie ich es nennen möchte, äußert sich aber auch noch anders.

Wo blieben denn bis jetzt in unseren Betrachtungen die Gefühle und Emotionen? Schließlich denkt man ziemlich selten bei dem Satz "Ich liebe dich!" an entropieverringernden Informationsfluß. Wir möchten also beispielsweise unsere Liebe zu jemanden gestehen, sagen dann aber doch nicht "Ich liebe dich!", sondern erwähnen bloß, daß wir unser Gegenüber schätzen und machen sonst noch ein paar Komplimente und schon ist nicht mehr das angekommen, was wir eigentlich wollten. Unser geliebtes Gegenüber kommt sich vielleicht auf den Arm genommen vor, und wir, nun wir stehen vor einem Dilemma. Diese fiktive Situation ist natürlich stark simplifiziert, doch das Prinzip dahinter entspricht durchaus der Realität. So ist für Emotionen und Gefühlsregungen, besonders in Beziehungssituationen, für alle zwischenmenschlichen Regungen schlechthin, die nonverbale Sprache wohl die geeignetere; überhaupt scheint mir, daß für zwischenmenschliche Beziehungen gilt, daß nicht der faktische Inhalt der Sprache, sondern vielmehr das Gehabe, das Vorurteil, einen Menschen ohnehin zu kennen, das "Wie" der Kommunikation, das Ambiente, das "D'rumherum", ausschlaggebend sind. So fängt sich ein Mensch seinen Nimbus nicht primär durch den Inhalt seiner Kommunikation, sondern durch sein, nennen wir es: "Auftreten" ein.

Die nonverbale Sprache also ist für das Ausdrücken von Emotionen und seelischen Regungen also besser geeignet als die verbale, die sie dabei allerdings selbstverständlich unterstützen kann. Darüber hinaus ist zu bemerken, daß die nonverbale Sprache eine viel zuverlässigere ist, seine Körpersprache gänzlich unter Kontrolle zu haben und sie zur Lüge zu zwingen, gelingt nur wenigen. Nicht umsonst verläßt man sich bei Lügendetektoren auch u. a. auf die "Äußerungen" unseres Körpers. In einer der letzten Ausgaben der Tageszeitung "Kurier" (November oder Dezember 1999, der genaue Tag ist mir leider inzwischen entfallen) wurde berichtet, daß man mittels einer Videoaufnahme, die man in Sequenzen von Sekundenbruchteilen zerlegt hatte, einen Politiker beim Lügen regelrecht zugesehen hat; die verräterische Sequenz: Genau zum Zeitpunkt der Lüge schloß der erwähnte Politiker für einige Hundertstelsekunden unbewußt und bei normalem Zusehen unbemerkbar die Augen, was die Studienautoren als eindeutiges Zeichen für eine absichtliche Lüge gedeutet haben.

  Fremdsprachiges Zu weniger absichtlichen, dafür umso folgenreicheren Lügen kann es bei einem weiteren Phänomen der Sprache kommen: der Übersetzung. Dem Vermittler, sprich dem Dolmetscher, kommt dabei, soweit er beide betreffenden Sprachen einwandfrei beherrscht, alle Macht, die die Sprache in sich birgt, zu. Watzlawick erwähnt, daß eine Landessprache nicht nur sachliche Information, sondern gleichzeitig auch die nationale Interpretation der Begriffe liefert. So hat das Wort detention (Verhaftung, Gewahrsam) im russischem Wörterbuch sicher eine andere Bedeutung als in dem der NATO. Eklatant wird die Situation eines Dolmetschers, der bei internationalen, wichtigen Konferenzen zu übersetzten hat, und wenn die Aussagen der Konferenzteilnehmer etwa vom Chinesischen zuerst ins Englische und dann weiter ins Französische übersetzt werden, so tritt eine Art "Stille-Post-Effekt" ein, von Mal zu Mal wird die Aussage etwas verändert. So geschehen ist dies auf der Genfer Konferenz 1954.

Begonnen hat alles als Paul Henri Spaak, der Vertreter der Vereinten Nationen, gegenüber Tschou En-lai, dem Vertreter der Volksrepublik China, kritisch Stellung betreffend der Unversöhnlichkeit Nordkoreas bezog. Im Original sagte er: "Cette déclaration est contenue dans notre texte" ("Diese Erklärung ist in unserem Text enthalten"), der Dolmetscher verstand aber "dans l'autre texte" ("im anderen Text") anstatt "dans notre texte" ("in unserem Text") und übersetzte in der Überzeugung, daß "l'autre" zu vage war, mit einem kleinen, aber folgenreichen Zusatz: "Diese Erklärung ist im Text des Waffenstillstandsabkommens enthalten". Tschou beschuldigte Spaak nun, eine falsche Tatsache in den Raum zu stellen, der Vorschlag Chinas sei eben nicht in das Waffenstillstandsabkommen aufgenommen worden. Dieser Vorwurf verwunderte andererseits nun Spaak sehr, denn von einem Waffenstillstandsabkommen hatte er schließlich in seinem vorigen Satz kein Sterbenswörtchen gesagt. Die Verwirrung war perfekt, der Streit groß und alle, die die chinesische Übersetzung gehört hatten, waren auf Tschous Seite, alle, die das französische Original kannten, auf Spaaks. Es dauerte einige Zeit, um die Situation aufzuklären, doch passierte bald darauf wegen der gespannten Atmosphäre ein weiterer Übersetzungsfehler.

Tschou sagte abschließend auf chinesisch: "Wenn die Erklärung der 16 UNO-Staaten und der letzte Vorschlag der Delegation der Volksrepublik China trotz einiger gewisser Unterschiede auf einem gemeinsamen Wunsch beruht [...]". Nun birgt eben zitierter Gliedsatz aber eine Gemeinheit in sich: Hört man ihn nämlich ohne die Worte "trotz einiger gewisser Unterschiede", so könnte der Eindruck entstehen, daß Tschou gerade dabei ist einzulenken, und den Vereinten Nationen in allem recht gibt. Genauso kam er aber bei Spaaks an, da der Dolmetscher in der Eile jene vier Worte ausgelassen hatte.

Spaaks war hocherfreut, den Vertreter Chinas anscheinend endlich zur Vernunft gebracht zu haben, er antwortete: "En ce que me concerne et pour éviter toute doute, je suis prêt à affirmer que j'accepte la proposition du délégué de la république chinoise" ("Was mich betrifft, und zur Vermeidung jedes Zweifels, möchte ich feststellen, daß ich den Vorschlag des Vertreters der chinesischen Republik annehme"). Die anwesenden Chinesen verstanden die Welt nicht mehr, da sie in Tschou plötzlich einen Verräter sahen, dieser konnte nicht verstehen, warum sich Spaaks aus heiterem Himmel so zufrieden gab, und so weiter. Das Chaos war ausgebrochen! Die vier Worte "trotz einiger gewisser Unterschiede" waren deshalb so wichtig gewesen, weil sie bei Nichtbeachtung eine Aussage, die den Kern der Konferenz betraf, ins Gegenteil umwandelten. Jedenfalls dauerte es 45 Minuten, bis sich alle Teilnehmer wieder beruhigt hatten und sich nicht ständig ins Wort fielen. Für den Konferenzbeobachter Robert Ekvall, der alle verwendeten Sprachen beherrschte, und wahrscheinlich als einziger die Situation völlig durchschaute, mußte sich diese Konferenz wie ein Kabarett angemutet haben; er berichtet darüber in "Faithful Echo". Die Italiener haben ein Sprichwort: "Traduttore, traditore", und es drückt einerseits die Schwierigkeit aus, originalgenau zu übersetzen, ist aber andererseits selbst ein Beispiel dieser Schwierigkeit.

Die sprachlich korrekte Übersetzung "Der Übersetzer ist ein Verräter" würde es nämlich seines paronomastischen Wertes bestehlen. Auch der von mir weiter oben verwendete Ausdruck "Stille-Post-Effekt" würde einen Übersetzter, der die Aufgabe hat, ihn in eine Sprache eines Landes zu übersetzen, dessen Einwohner das Spiel "Stille Post" nicht kennen, vor ein kleines Problem stellen; der Übersetzter müßte ihn wohl umschreiben oder ein anderes passendes Beispiel finden. Daß jede Sprache auch etwas von der Einstellung, dem Wissen und dem Charakter ihres Volkes beinhaltet (ich habe Carl Gustav Jungs Bedeutung an diesem Aspekt schon weiter oben erwähnt) läßt sich auch an folgendem Beispiel demonstrieren: Versuchen Sie doch den englischen Satz "We're glad, you're here!", eins zu eins ins Deutsche zu übersetzten! Sinngemäß heißt er so viel wie: "Wir sind froh, daß Sie hier sind!", nun stören aber bei dieser Übersetzung die vielen Worte, insbesondere das "daß". Der ursprüngliche Satz wurde seiner Eleganz, Einfachheit und, wer Englisch spricht, wird es bemerkt haben, auch teilweise seines Sinns entkleidet. Er bedeutet nämlich eigentlich mehr "Wir sind froh, weil Sie hier sind!", aber eben auch nicht ganz; man müßte eine Mischung zwischen "daß" und "weil" finden. Läßt man das Wort "daß" aber gänzlich aus ("Wir sind froh, Sie sind hier!", was der wörtlichen Übersetzung entspräche), so ist der Sinn komplett dahin.

Außerdem heißt "glad" nicht wirklich "froh", sondern so etwas Ähnliches wie "zufrieden, glücklich", was es aber auch nicht ganz trifft. So schwer kann es sein, einen anspruchslosen, grammatikalisch äußerst einfachen Satz von einer Sprache in eine andere zu übersetzten. Ein weiteres Beispiel bietet ein berühmter Spezialagent: "Bond" bedeutet auf Englisch soviel wie "Übereinkommen". Nun stellen Sie sich aber vor, in den deutschsprachigen Kinos würde ab 10. Dezember 1999 statt James Bond, Die Welt ist nicht genug ein Film mit dem Namen Johann Übereinkommen, Die Welt ist nicht genug laufen. Lächerlich, nicht wahr?   Verwirrendes Abgesehen von der Unmöglichkeit originalgetreu zu übersetzten, den nationalen Differenzen in der Bedeutung eines Vokabels und dem Unvermögen der Sprache, die Welt einerseits so auszudrücken, wie sie ist und andererseits unsere wahren Gedanken zu transportieren, gibt es noch zwei weitere Phänomene der Sprache, auf die es sich lohnt, genauer einzugehen.

Es sind dies die persönliche Auffassung eines Wortes und die Einstellung ihm gegenüber auf der einen Seite und andererseits die Interdependenzen innerhalb unserer Kommunikation, die so gebräuchlich geworden sind, daß sie meist nicht mehr auffallen. Schon leichte Auffassungsunterschiede zwischen zwei Gesprächspartnern können zu totaler Konfusion und groben Mißverständnissen führen. Vor kurzem erst ist es mir selbst passiert, daß ich einen Klassenkollegen, mit dem ich in ein philosophisches Gespräch vertieft war, komplett mißverstanden habe und selbst mißverstanden wurde. Wir benötigten etwa eine Viertelstunde, bis wir herausfanden, daß wir eigentlich haargenau dasselbe meinten, aber deshalb aneinander vorbei redeten, weil wir unter etlichen Worten nicht dasselbe verstanden. Obwohl wir beide deutsch sprachen, kaum komplizierte Fremdwörter verwendeten und uns durchaus im klaren waren, welchen Sinn die einzelnen Sätze hatten, war die Desinformation perfekt. Um die weiter oben erwähnte Hypothese der notwendigen Negentropievermehrung durch Sprache/Information aufrecht erhalten zu können, tut es an dieser Stelle wahrscheinlich not, zu erklären, daß innerhalb des Systems des (Des-)Informationsempfängers selbst Desinformation als Information gedeutet werden muß, da erstens dieser die Desinformation nicht als solche erkennt (und wenn, dann ist sie keine mehr) und zweitens daher aus seiner Relativitätsebene heraus betrachtet, sehr wohl Entropie verringert wurde, auch wenn das dadurch entstehende Ordnungs-Informations-Kontinuum von außen betrachtet bloß ein scheinbares ist; Wahrheit existiert eben nie im Singular und die Wirklichkeit ist nichts weiter als ein Messer ohne Klinge, an dem der Griff fehlt.

Persönliche Färbung einzelner Worte kann also (oder besser: muß notwendigerweise) zu größeren oder kleineren Mißverständnissen der Gesprächspartner führen. Das ist auch mit ein Grund, warum die meisten philosophischen Texte auf Dutzende Seiten ausgebreitet werden. Man könnte nämlich sonst den Autor sehr leicht mißverstehen und der Text würde in hohem Maße angreifbar werden, es wäre also ungleich leichter, sein Gegenteil zu "beweisen", obwohl der Beweisführer unter Umständen der selben Meinung wie der ursprüngliche Autor ist. Mein Klassenkollege und ich kamen also zu keinem Konsens, weil wir mit unterschiedlichen Worten dasselbe sagen wollten. Aber vice versa ist es auch möglich, mit denselben Worten etwas ganz Unterschiedliches auszudrücken, was einerseits wieder zu Konfusion führen kann, andererseits ist es aber immer wieder amüsant, mittels dieser Möglichkeit unterschwellige Anspielungen und ironische Winke mit dem Zaunpfahl Richtung Gesprächspartner zu versenden. Die Interdependenz ist eine noch viel heiklere Angelegenheit.

Sie bezeichnet die Abhängigkeit von der Abhängigkeit von der Abhängigkeit und so weiter bis in alle Ewigkeit und kaum begeben wir uns in ihre Hände, fahren wir Schlittschuh auf sehr dünnem Eis, denn in dieser Welt dreht sich tatsächlich alles im Kreis. "Was denkt er, daß ich denke, daß er denkt, daß ich denke..." ist die prinzipielle Frage der Interdependenz. Was das aber nun für die Kommunikation bedeutet, liegt auf der Hand: Unsere Äußerungen werden von der Meinung über die Meinung unseres Gegenübers über uns selbst abhängen.

Meist kommt es nur zu drei oder vier Ausschlägen des "Interdependenzpendels", d. h. es gibt nur drei oder vier Interdependenzebenen, alles andere würde unserer semantischen linken Hemisphäre zu komplex und wird eher von der Intuition ver- und bearbeitet. Sehen Sie sich bloß einmal Menschen an, die über ihre Beziehung zueinander reden (dabei muß es sich gar nicht um gegengeschlechtliche Personen handeln): Da steigen der Puls und die Adrenalinkonzentration, die Körpersprache nimmt beinahe athletische Formen an und vor allem wird dann vor jedem gut abgewogen Satz, denn immerhin könnte er ja peinlich wirken oder mißverstanden werden, gedacht: "Was denkt er, daß ich denke, daß er...

". Daß eine gewisse Skepsis gegenüber der Sprache aufkeimen mag, wenn man sich all diese ihre Eigenschaften genauer vor Augen führt, ist, glaube ich, logisch und durchaus verständlich. Ihr ist nicht zu trauen, und dennoch ist sie ein schillerndes Mittel, um Menschen zu manipulieren und zu steuern. Das Ändern des Chargons, das plötzliche Leiserwerden, ein bedeutendes Schweigen, ein Emotionssturm in der Sprache, all dies veranlaßt Menschen zu akrobatischen, entlarvenden, faszinierenden Gebärden und Reaktionen. Wie Insekten erscheinen sie plötzlich, von ihren Instinkten getrieben steuern sie zielgerichtet auf ein Blüte zu und lassen sich dort zufrieden-emsig, flügelchenschlagend nieder. Man muß Menschen beim Reden zusehen, und man erlebt seine Wunder! Was wir allerdings brauchen, sind Menschen, die zu gepflegter, wortreicher Sprache fähig sind, was wir brauchen, sind Überredungskunst, das gewisse Etwas in einer Diskussion, die auf das übliche entbehrliche Geschwafel verzichtet, Kreativität und Mut zur Avantgarde.

Worte müssen an ihren Empfängern kleben bleiben können! So erschließt sich uns die Sprache, Erwartungen erfüllen sich von selbst, und wir kommen in den Genuß des Beobachtens. Es liegt mir im Gemüt, viel zu oft die Rolle des außenstehenden Beobachters zu spielen, und oft schon habe ich diesen Zug an mir verteufelt, doch ist er es, der mir immer wieder Einblicke in das System der vielen kleinen Räderchen erlaubt, die zusammengenommen unsere Welt ergeben.

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