Ö3 Spezial
Einführung
Diese groß angelegte, immerhin doppelseitige, Artikelparade, ist angesichts des lächerlichen Gegenstandes eigentlich unangebracht. Ö3 bietet keine Diskussionsgrundlage mehr. Bemitleidendes Lächeln wechselt mit nur allzu vielsagendem Schweigen in den Reihen der jungen Generation, werden sie mit der Großvater-Modernität dieses sturmalten Senders (der sich noch immer als Jugendradio einschätzt) konfrontiert. Da hilft auch kein wöchentliches Face-lifting in Form von “brandneuen” Programmgestaltungen mehr.
Good bye, Ö3!
Zur Ästhetik eines “Hitradios”
oder: Die Suche nach einer Zielgruppe
Anhänger der volkstümlichen Musik werden wohl den Radioregler schon vor Jahrzehnten auf der Frequenz von Ö2 festgeschraubt haben, English citizen oder Anhänger der englischen Sprache werden an Blue Danube Radio Gefallen finden, die Jugend hat vor zwei Jahren endlich ein annehmbares Programm bekommen, FM4, und Ö1 dient der (politischen und kulturellen) Information und deckt den Bedarf an klassischer Musik im Lande. Welcher Zielgruppe stellt sich nun Ö3?
Wenn wir versuchen, von der Programmgestaltung auf die Zielgruppe rückzuschließen, ergeben sich bereits erste Probleme: Welcher Stellenwert ist der Werbung einzuräumen, die immerhin etwa ein Viertel der Gesamtsendezeit betragen dürfte? Würde der typische Ö3-Hörer darauf verzichten können? Und wie wichtig ist die “Werbung in eigener Sache”, also die breite Palette von Ö3-Melodien? (Man denke nur an das unglaublich harmonische “Hitradio - Öööö-drei”) Und warum werden diese so selten gespielt? Kann man dem durchschnittlichen Hörer zumuten, sich in der Zwischenzeit (die nach Hörensagen bis zu zwei(!) Minuten betragen kann) den Namen der Sendestation zu merken? Immerhin enthält dieser sowohl ein komplexes (aber wohlklingendes) “Ö” als auch noch eine Ziffer! Und wie verhält es sich mit den sogenannten “Hits”? “Macht” Ö3 die Hits, oder die Hörer? (Wohl eine Frage, wie die nach der Henne und dem Ei.
..) Und überfordert man das Publikum nicht mit der hohen Anzahl von verschiedenen Musiktiteln jeden Tag? Würden nicht zwei, drei Songs pro Tag genügen, die einander stets abwechseln? Es gibt zumindest schon dahingehende Tendenzen. Und erst die enormen Informationsfluten, die da stündlich, ja genaugenommen minütlich, über uns hereinbrechen! Politik, Wirtschaft, Kultur - puh! Gottseidank hat Ö3 vor einiger Zeit wenigstens das Mittagsjournal ein wenig entschärft und mit Musik aufgepeppt! Ach ja, mittlerweile gibt es ja “Mahlzeit” - ein Schritt in die richtige Richtung.
Aber es finden sich noch Schwächen: Kann man etwa diese unlösbar schweren Gewinnspiele, wie z.B.
den “Ö3er” (“Ö3-mal-drei”), den Menschen zumuten? Nach nur dreißig- oder vierzigmaliger Nennung der drei Musikstücke, soll man sich schon sämtliche Titel (und die Interpreten!) gemerkt oder aufgeschrieben haben! Und dabei handelt es sich jeden Tag um neue Musikstücke! Wenigstens wird das Spiel dann aber auch jeden Tag noch einmal erklärt.
Wir sehen also, daß es ungemein schwierig ist, allein von der Programmgestaltung auf die Hörerschaft zu schließen. Auffallend ist aber doch die souveräne Geradlinigkeit des Programmschemas - Ö3 kann also sicherlich nicht zu den Radiostationen gezählt werden, die versuchen, durch schnelle Anpassung an die Mainstream-Tendenzen eine möglichst hohe Hörerschaft zu erobern. Im Gegenteil, wie heißt es so schön: “Wir spielen die Hits der 80er und 90er!” - d.h. hier wird ebenso noch echt zeitlose Musik geboten, wie man auch Rücksicht auf künstlerische Experimentalmusik nimmt, die beim breiten Publikum leider keinen so großen Anklang gefunden hat.
God save Ö3Liebes Ö3, uns kannst Du nicht täuschen. Wir wissen, und haben schon vor Jahren bemerkt, daß es mit Dir eine ganz besondere Bewandtnis hat. Hinter dieser scheinbaren Oberflächlichkeit, dieser matten und flachen Strukturzusammensetzung von Werbung und den immer selben, schleimigen Liedern, verbirgt sich ein doppelter Boden. Ha! Und was für einer! Zunächst schwingt da nur ganz leise ein fremder Ton mit, aber wenn man erst mal einige Stunden ganz genau hinhört, dann explodiert dieser Ton zu einem augenblicklichen, großartigen Erkenntnis-Feuerwerk. Ich nenne diesen Zeitpunkt die “Ö3-Erleuchtung”. Auf einmal faßt man das gesamte, unglaublich komplexe Gefüge der hintergründigen Programmgestaltung.
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