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  Textanalyse von "kleine fabel" von franz kafka

Textanalyse Franz Kafka, KLEINE FABEL Der Text beginnt mit einer klagenden Feststellung ( "Ach", Aussage im Präsens "wird enger"); diese bezieht sich auf etwas Bedrohliches: das "eng"-Werden, bei dem man die Konnotation hat, dass einem die Luft ausgeht. Das Bedrohliche ist zweimal gesteigert: einmal durch den Komparativ "enger", zum anderen durch das Zeitadverbial "mit jedem Tag", das wie ein Countdown wirkt. Gleichzeitig erhebt der Satz einen allgemeingültigen Anspruch: "die Welt". Allerdings bleibt zunächst offen, was mit der "Welt" gemeint sein kann, denn es handelt sich um den Horizont einer kleinen "Maus", die die Feststellung mit einem Erfahrungsbericht in rückblickender Perspektive vom Anfangspunkt aus ( "zuerst") im Präteritum belegt: Die Welt "war [...

] so breit". In diesem Bericht zeigt sich, dass von Beginn an ein Bedrohungsgefühl da ist, und zwar aus einer völlig entgegengesetzten Erfahrung heraus: nicht bedrohlich eng, sondern "so breit, dass ich Angst hatte". Die Maus lebt und bleibt nun nicht in der "breiten Welt", sondern die Angst treibt sie: "ich lief weiter". Das Weiterlaufen führt sie in einen "glücklich[en]" Zustand. Worin das Glück besteht, wird in dem Inhaltssatz angegeben: "endlich rechts und links [..

.] Mauern". Das zeigt, dass mit dem "breit" vom Anfang ein "grenzenlos" gemeint war. Denn die Begrenzung durch die Mauern befriedigt, die Unbegrenztheit machte Angst. Allerdings gilt der Vorteil der Begrenzung nur so lange, wie die Mauern "in der Ferne" nur zu sehen sind, solange also noch ein Spielraum bleibt. Hier nun erfolgt eine doppelte Zäsur.

Das "aber" und der Tempuswechsel vom Präteritum zum Präsens zeigen eine Veränderung an. Dabei wird in einer naiven Perspektivverschiebung dargestellt, dass die "Mauern [...] so schnell aufeinander zu" eilen. Dabei wird die Sinnestäuschung der perspektivischen Wahrnehmung von am Horizont zusammenlaufenden Parallelen wörtlich genommen: das Zusammenkommen der Linien im optischen Eindruck wird in einer Personifikation als eine Tätigkeit der Mauern hingestellt ( "die Mauern eilen").

Hierdurch wird ein neues Bedrohungsgefühl hervorgerufen: Am Ende ist der Weg "zu"; die Maus hat die Bewegung auf das "zu" hin ebenfalls vollzogen, denn im folgenden Konsekutivsatz zeigt sich das Ergebnis ihrer Bewegung: "im letzten Zimmer", "im Winkel", "die Falle, in die ich laufe". Die perspektivische Einengung wird noch durch die Abfolge der Lokalangaben "Zimmer", "Winkel" und "Falle" betont. Die Maus selbst also und die Umgebung ( "Mauern") bewirken den tödlichen Endzustand. Der gesamte Vorgang, der im ersten Satz kurz behauptet wurde, ist im zweiten Satz in einer langen Syntax, die aus vier Hauptsätzen, drei Konjunktionalsätzen ( "dass") und einem Relativsatz besteht, entwickelt worden. Am Endpunkt der Reihe steht die "Falle", der das "ich" nur noch in einem Relativsatz untergeordnet ist. Am Anfang steht der Zustand der breiten Welt, am Ende die Ursache für die Katastrophe: "ich laufe".

- Vielleicht wäre eine Lösung, zu bleiben, zu beharren; dagegen aber stehen die angsterregenden Erfahrungen der Außenwelt, die in einem Widerspruch stehen: die Breite der Welt und die Enge der aufeinanderzulaufenden Mauern. Dieser Widerspruch scheint unauflöslich, die Katastrophe für die Maus somit unvermeidlich. - Da wird der in der Fabeltradition vorhandene Gegner der Maus, die Katze, ins Spiel gebracht, und zwar als eine Figur, die wie von außen alles beobachtet hat oder sogar in das Innere der Maus, in ihre Angstgefühle hineingehorcht hat. Denn sie nimmt das letzte Wort der Maus auf: "ich laufe" - "Laufrichtung ändern". Die Überlegenheit der Katze wird auch deutlich an ihrer Position, dass sie einen Rat geben kann (s. Modalverb "musst"), und an ihrer Einschätzung, dass die Bewegungsänderung eine Kleinigkeit wäre (s.

"nur"). Wieder im völligen Widerspruch zu ihrer Empfehlung steht das konkrete Handeln der Katze: "fraß sie". Offen bleibt, ob die Maus keine Reaktion zeigte, ob sie die Empfehlung nicht aufgreifen konnte, ob diese zu spät kam etc. Das Faktum ihres Todes steht am Schluss, und er war doppelt abgesichert: durch die Falle und durch die Katze; gleich in welche Richtung die Maus lief, sie lief wohl in den Tod. Diese Zwangsläufigkeit ist in der Abfolge des langen mittleren Satzes dieser dreigliedrigen "Kleinen Fabel" schon angelegt. Das Beharren, eine "Nulllösung", ist also auch keine Lösung, denn mit der Katze tritt eine Figur in Erscheinung, die nun - nach der seltsamen Eigentätigkeit der Mauern - tatsächlich selbst handeln kann und dies auch tut.

- Der Text gibt keine offensichtliche Fabel-Lehre und wendet sich dennoch an den Leser. Das zeigt sich am Erzählgestus des Textes: Ein Erzähler betrachtet ja alle Vorgänge im Text wiederum von außen und berichtet sie für ihn, den Leser: "sagte die Maus" und "sagte die Katze und fraß sie". Und es zeigt sich an der Analogie zur Fabelform mit der Einführung von Tierfiguren, die in Opposition zueinander stehen, mit dem Wechsel von Erzähler und Figurenrede, mit einem antithetischen Dialog und einer Pointe in der Handlungsebene, schließlich mit der erkennbaren Verschlüsselung, dass Handlungs- und Umgebungskomponenten aus der menschlichen in die tierische Welt verlegt wurden, so dass der Leser wieder rückübersetzen soll: Im Bild des tierischen Verhaltens würde das menschliche gespiegelt. Und traditionell sollte der Leser zu der Fabel eine "Lehre" finden, zumindest aber die Bedeutung des Verschlüsselten erschließen. - Die Bedeutung bei Kafkas ,kleiner Fabel' ergibt sich jedoch nicht durch einfache Übertragung vom tierischen in den menschlichen Bereich. Der Text mit seiner Situation und Handlung ist eher ein Gleichnis für eine Grunderfahrung des Menschen, eine Parabel, deren Sinn sich nur in einer "Deutung" erschließt.


► Hier beginnt nun die Interpretation, die aus einem bestimmten Standpunkt zu deuten versucht - Dazu muss es aber einen Bedarf für das Interpretieren geben. Mit entsprechenden Fragen - und Kafka-Texte bieten da genug Anlass - wird man sein Interpretationsinteresse schon entwickeln: Wo liegt nun der Grund für das zwangsläufige Untergehen? - Gibt es eine Lösung? - - Welche Bedeutung hat der Text für den Leser? - Wird eine bestimmte Welt- und Lebenserfahrung vermittelt, die zu einer bestimmten Zeit galt oder die allgemeingültig ist? - Wie ist die Entstehung des Textes aus Kafkas Biografie und seiner Zeit zu verstehen? - Was hat das mit mir zu tun? - Wie bewerte ich den Text? Und man kann aus einer bestimmten Perspektive, aus einem spezifischen Erkenntnisinteresse einen Text verstehen und deuten (s.u.): philosophisch/existenziell, soziologisch, psychologisch, theologisch, biografisch-historisch...

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