Karl wienand und das gescheiterte konstruktive misstrauensvotum gegen willy brandt
Das MisstrauensvotumWilly Brandt wird am 18. Dezember 1913 in Lübeck unter dem Namen Herbert Ernst Karl Frahm geboren. Erzogen wird er von seinem Großvater, einem Lastwagenfahrer und Anhänger der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung, in der er auch aufwächst. Als Jugendlicher schließt er sich dann der sozialistischen Jugendbewegung "die Falken" an. 1927, im Alter von 15 Jahren, erhält Herbert Frahm nach Abschluss der Realschule als begabter Schüler ein Stipendium am Lübecker Realgymnasium. Er entwickelt sehr schnell ein Interesse an politischen Fragen und veröffentlicht noch im selben Jahr Beiträge im sozialdemokratischen "Lübecker Volksboten".
2 Jahre später tritt er der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) bei und im Jahr darauf der SPD, entfernt sich aber mit der Zeit immer mehr von ihr, da sie ihm im Kampf gegen den Nationalsozialismus nicht kämpferisch genug erscheint. Daher schließt er sich der 1931 gegründeten SAP an, die eine Einheitsfront aufbauen will, jedoch eine Splitterpartei bleibt. Durch den Austritt aus der SPD verliert Willy Brandt ein in Aussicht gestelltes Universitätsstipendium und wird von der Mitarbeit am "Lübecker Volksboten" ausgeschlossen. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 stimmt dieParteiführung der SAP für eine Selbstauflösung; der linke Parteiflügel setzt seine Arbeit aber im Untergrund fort. Da die Verfolgung zunimmt, müssen die Mitarbeiter als Grundvoraussetzung für eine konspirative Arbeit Decknamen annehmen.Herbert Frahm wählt den Namen Willy Brandt.
Im März 1933 wird auf einem illegalen Parteitag der SAP der Aufbau von Stützpunkten für die Untergrundarbeit in Oslo, Berlin und Paris beschlossen. Im April 1933, im Alter von 19 Jahren, verlässt Brandt Deutschland und seine Familie. Brandt immatrikuliert sich an der Königlichen Frederiks-Universität Oslo, um seinen Aufenthalt zu legalisieren. Von September bis Dezember 1936 hält er sich illegal als norwegischer Student unter dem Namen Gunnar Gaasland in Berlin auf, wovon er unerkannt wieder nach Oslo zurückkehrt. Außerdem wird er 1937 nach Barcelona, in dem seit 1936 Bürgerkrieg herrscht, geschickt, um dort eine internationale sozialistische Jugendkonferenz vorzubereiten. 1938 wird Willy Brandt vom NS-Regime die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen, wodurch er staatenlos wird und die norwegische Staatsbürgerschaft beantragt und sie auch erhält.
Als am 10. April 1940 deutsche Truppen Norwegen überfallen, flieht er nach Schweden, leitet dort dann das schwedisch-norwegische Pressebüro und tritt wieder der SPD bei. Im Mai 1945 kehrt er nach der Kapitulation Deutschlands nach Oslo zurück und reist im Oktober als Berichterstatter zum Hauptkriegsverbrecherprozess nach Nürnberg. Am 6. September 1946 tritt er das erste Mal wieder öffentlich in Deutschland auf und kehrt im folgenden Jahr in sein Heimatland zurück. Am 1.
Januar 1948 wird er als Nachfolger von Erich Brost SPD-Parteivorstand in Berlin.Er gehört zu den Berliner Vertretern im 1.Deutschen Bundestag und wird zu einem engen Vertrauten des Westberliner Oberbürgermeisters Ernst Reuter. In den folgenden Jahren legt er das Amt des Vertreters des SPD-Vorstandes in Berlin ab und hat dann einen Sitz im Berliner Abgeordnetenhaus inne, das er auch zwei Jahre als Präsident leitet. Außerdem wird er zum Vorsitzenden der Berliner SPD gewählt und am 3. Oktober 1957 zum regierenden Bürgermeister Berlins.
Allerdings muss er im August 1961 tatenlos zusehen, wie die Berliner Mauer errichtet wird. Im selben Jahr bestreitet Willy Brandt die Bundestagswahl als Kanzlerkandidat der SPD. Trotz eines Wahlkampfes nach dem Vorbild des Präsidenten der USA, John F. Kennedy, bleibt der erhoffte Machtwechsel aus. Vier Jahre später, nach der nächsten Bundestagswahl, ist Brandt enttäuscht, weil die SPD zwar das beste Wahlergebnis seit ihrer Gründung vorweisen kann, jedoch nicht an der Regierung beteiligt ist. Bei der Bundestagswahl 1969 kommt es zu einer sozial-liberalen Koalition aus SPD und FDP mit einer Mehrheit von nur 6 Sitzen.
Als Bundeskanzler setzt sich Willy Brandt vor allem folgendes zum Ziel:- Ausbau des Sozial- und Wohlfahrtsstaates- Verbesserung der Lebenssituation der Arbeitnehmer- Aussöhnung mit Polen, der UdSSR und der Tschechoslowakei- Knüpfen offizieller Kontakte mit der DDRIm Rahmen der Aussöhnung mit den Osten, unterzeichnet er 1970 sowohl den "Moskauer Vertrag" als auch den "Warschauer Vertrag".Für all seine Bemühungen wird Willy Brandt schließlich 1971 der Friedensnobelpreis in Oslo verliehen.Aber trotzdem bleibt seine Ost- und Deutschlandpolitik im Bundestag umstritten, was am 27. April 1972 damit endet, dass die Opposition ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Brandt stellt, das allerdings scheitert. Mehrere Abgeordnete der Koalition hatten seit der Bundestagswahl von 1969 die Seite gewechselt. Am Tag der Abstimmung besitzt der Kandidat Barzel gute Chancen, die nötige "Kanzlermehrheit" von 249 Stimmen zu erreichen.
Als Bundestagspräsident Kai-Uwe von Hassel das Ergebnis verkündet, brechen die Abgeordneten der Regierungsparteien in lauten Jubel aus, während Barzel konsterniert und kopfschüttelnd auf seinem Platz sitzt: Er hat nur 247 Stimmen auf sich vereinigen können. Von den Sozialdemokraten wird das Abstimmungsergebnis als großer Sieg in einem Kampf für eine richtige und wichtige Politik empfunden, der vom innenpolitischen Gegner mit teilweise unfairen Mitteln wie Verleumdungen, Unterstellungen, Abwerbung von Mandatsträgern und Medienkampagnen zur Verunsicherung der Anhänger des Regierungskurses geführt wurde. Im Nachhinein erhält das Gefühl des Sieges aber einen schalen Beigeschmack, als sich herausstellt, dass der CDU-Abgeordnete Julius Steiner gegen die Zahlung von 50.000 DM, welche er angeblich von Karl Wienand erhielt, seine Stimme für Barzel verweigerte. Weil noch eine weitere Stimme fehlte, war dies allein nicht entscheidend. Die Herkunft des Geldes konnte damals auch ein Untersuchungsausschuss des Bundestages nicht aufklären.
Nach dem Zusammenbruch der DDR und der Aufdeckung der Machenschaften ihres Ministeriums für Staatssicherheit wurde klar, dass das Geld von dort gekommen war. Von heute aus gesehen erscheint es, als ob die Geschichte der DDR-Staatssicherheit die gerechte Strafe erteilt habe: Durch die Bestechung half die Stasi mit, den Fortgang der Ostpolitik zu ermöglichen, die schließlich dazu führte, dass sich in den osteuropäischen Nachbarstaaten das Schreckbild eines aggressiven, revanchistischen Westdeutschland allmählich auflöste. Damit entfiel nach und nach eine der Klammern, die das Bündnissystem der Sowjetunion zusammenhielten, und eine Voraussetzung für den Zerfall des SED-Regimes und die Zerschlagung der Stasi war gegeben. Daraufhin stellt der Kanzler im September die Vertrauensfrage, und da die Abgeordneten der Regierungskoalition der Abstimmung fernbleiben, verweigert die Mehrheit ihr Vertrauen, und Bundespräsident Heinemann löst auf Vorschlag Brandts den Bundestag auf und beraumt Neuwahlen für den November 1972 an, aus der die SPD mit 45,8% erstmals als stärkste Partei hervorgeht. Da sich die wirtschaftliche Konjunktur ab 1974 auf einer Talfahrt befindet und Brandt den Forderungen der ÖTV nach Lohn- und Gehaltserhöhungen nachgibt, verlieren er und die Regierung anAutorität und Ansehen. Als dann im Mai außerdem der persönliche ReferentWilly Brandts, Günter Guillaume, als DDR-Spion enttarnt wird, tritt Brandtermüdet und deprimiert von seinem Amt als Bundeskanzler zurück, bleibt jedoch Vorsitzender der SPD.
Da er seine politische Tätigkeit nicht auf das Inland beschränken will, wird er zum Berater von Spanien, Portugal und von verschiedenen Ländern Lateinamerikas auf ihrem Weg zur Demokratie. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 darf Willy Brandt im Alter von 76 Jahren noch miterleben, wie eines seiner wichtigsten politischen Ziele verwirklicht wird: der Fall der Mauer; als dessen Voraussetzung seine Ost- und Deutschlandpolitik anerkannt wird. Im Vereinigungsprozess wird er zu einer Integrationsfigur für die Menschen in ganz Deutschland. Am 8.
Oktober 1992 stirbt Willy Brandt an einem Krebsleiden in seinem Haus in Unkel bei Bonn. Auf Anforderung des Bundespräsidenten wird er als erster demokratischer Staatsmann seit Gustav Stresemann 1929 mit einem Staatsakt im Berliner Reichstag geehrt.
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