Die quoten-idioten - stellungnahme zum artikel von jens jessen
Meinungsäußerung zu dem Auszug aus dem Artikel "Die Quoten-Idioten. Warum ARD und ZDF die Zuschauer verachten" von Jens Jessen, publiziert in "Die Zeit" vom 31.8.2000, Seite 1
Jessen führt in seinem Artikel aus, dass die ARD im Rahmen eines Optimierungspapiers beschlossen habe, zur Hauptsendezeit nur Quoten sicherndes Programm senden zu wollen. Dies ist bei einem Blick auf das normale Wochenprogramm der ARD nicht eingetreten. Selbst ohne Berücksichtigung der dritten Programme strahlt die ARD zur prime-time unverändert auch Reportagen oder politische Magazine aus.
Zustimmen kann ich Herrn Jessen dagegen in der im folgenden Absatz geäußerten Ansicht, dass die öffentlich-rechtliche Sonderstellung nicht mehr gerechtfertigt sei, wenn sich das Programm in keiner Weise mehr von dem der Privatsender unterzeichnet. ARD und ZDF haben durch den Rundfunkstaatsvertrag nach wie vor einen Bildungsauftrag, der erfüllt werden muss - zumindest so lange im Rahmen der Zwangsgebühren eine Subventionierung erfolgt. Dass mit aufwändigen Reportagen, Magazinen oder Bildungsprogrammen wie auch dem Telekolleg nicht die Einschaltquoten erzielbar sind, die eine Spielshow oder ein reißerischer Thriller erzeugen, darf nicht dazu führen, dass ARD und ZDF von Bildung, Information und Unterhaltung hin zur nur noch Unterhaltung mutieren.
Soweit der Autor von einer Abkehr von jeder verantwortlichen Programmarbeit spricht und davon ausgeht, dass das Publikum über den Programminhalt entscheidet und die Sender nicht bereit seien, auch unbeliebte Wahrheiten im Fernsehen zu veröffentlichen, kann ich dem in dieser verallgemeinernden Form nicht zustimmen - s. auch oben meine Ausführungen zur tatsächlichen Programmarbeit am Beispiel der ARD.
Hierzu kann man auch die aktuellen Thesen der Wirkungsforschung heranziehen, aus denen klar hervorgeht, dass keine Allgemeinaussagen möglich sind.
So führt beispielsweise der Professor für Medienpädagogik und Kommunikationswissenschaften Andreas Büsch in einer Zusammenfassung der wichtigsten Thesen aus, dass es keine Medienwirkung an sich gibt, vielmehr wird jede Fernsehsendung für den Konsumenten erst dadurch bedeutsam, dass er ihr subjektive Bedeutung zumisst, also als für sich und sein Leben relevant ansieht. Während die einen also "Gute Zeiten - Schlechte Zeiten" oder "Big Brother" für relevant halten, gibt es auch andere, die "Report", "monitor", das "Auslandsjournal" oder "Das literarische Quartett" für wichtig halten.
Interessant finde ich in diesem Zusammenhang, dass zunehmend auch Privatsender teilweise "Bildungsprogramme" aufbauen, wenn auch in Spielshows verpackt. So wurde die im ZDF als "knoff-hoff" bekannte Sendung, mit der den Zuschauern biologische, chemische oder physikalische Reaktionen vermittelt wurden, jetzt durch einen Privatsender adaptiert - nur mit dem Unterschied, dass Prominente den jeweiligen Ausgang der Experimente erraten müssen. Es gibt bei den Privatsendern Ratesendungen (z.B.
Quotenrenner "Wer wird Millionär"), Buchstabier- oder Rechensendungen! Man wird aber sicher nicht den Privatsendern vorwerfen wollen, dass sie den öffentlich-rechtlichen Sendern das "Monopol der Bildung" streitig machen wollen. Offenbar wird jedoch auch eine Sendung, die zumindest ansatzweise eine gewisse Bildung vermittelt, dadurch für die breite Masse interessanter, wenn sie entsprechend dem jeweiligen Zeitgeist verpackt ist.
Klar ist ‑ so auch Prof. Büsch -, dass die Medien die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen thematisieren. Letztendlich wird es daher für alle Sender immer wieder erforderlich sein, die Programminhalte auf den Zuschauergeschmack auszurichten. Damit einhergehen darf aber nicht, dass die Sender bei sinkenden Quoten ein noch flacheres Programm bieten - es muss auf jeden Fall durch die öffentlich-rechtlichen Sender, aber natürlich auch gerne durch Privatsender, gewährleistet sein, dass das Fernsehprogramm eine ausgewogene Mischung aus Information, Bildung und Unterhaltung bietet, die jeden Nutzer die Möglichkeit geben, etwas für sein Interesse zu finden.
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