Maria stuart
Maria Stuart
1. Inhaltsangaben mit jeweiligen Interprätationen
1.1 Aufzug 1
1.2 Aufzug 2
1.3 Aufzug 3
1.4 Aufzug 4
1.
5 Aufzug 5
2. Nähere Analyse der Personen
2.1 Elisabeth
2.2 Maria
2.3 Mortimer
2.4 Leicester
2.
5 Burleigh und Srewsbury
3 Die Szene III/4 und die Struktur des Trauerspiels
1.1
Erster Aufzug
Ort: Ein Zimmer im Schloß Fotheringhay
In diesen Auftritten wird die Hilflosigkeit Marias gegenüber ihrer
Gegenspielerin und ihren Gehilfen, die ohne jegliche Rücksicht und mit Gewalt
die Gefangene belästigen, deutlich. Es werden Vorgriffe auf das folgende
gemacht; so wird die Begegnung beider Rivalinnen um den englischen Thron schon
angedeutet. Paulet, der Wächter Marias, deutet das tragische Ende der Maria
bereits an.
Maria selber erscheint leidend und zugleich voller Schuldgefühle. Ihre bewegte,
lasterhafte Vergangenheit wird ausgebreitet, auch ihr Anteil am Mord ihres
ehemaligen Liebhabers Darnley wird deutlich.
Sie zeigt zwar von Anfang an ihre
königliche Würde, ist jedoch über ihr Schicksal noch nicht erhaben, was später
ein wesentlicher Inhalt des Dramas wird.
Wesentliche Attribute Marias sind ihre Schönheit und Jugend, die nicht den
historischen Wirklichkeiten entsprechen. Von der Schönheit ist auch Mortimer,
eine von Schiller erfundene Person, verzaubert. Maria erfährt vom Urteilsspruch
(Tod durch das Schafott), und durch Mortimer wird ihr jegliche Hoffnung auf
Rettung genommen. Das alles aber geschieht nur, damit Mortimers Plan gegen
Elisabeth als einzige und letzte Möglichkeit der Rettung erscheint.
Maria sieht jedoch noch einen Hoffnungsschimmer: Ein Brief an Graf Leicester,
den allmächtigen Günstling Elisabeths, dem sie zudem noch ein Bild von sich
beilegt.
Elisabeth hatte Leicester selbst einmal zur Vermählung mit Maria
vorgeschlagen, so daß eine tiefere Neigung Leicesters zu Maria vorauszusetzen
ist.
In den letzten beiden Auftritten wird die Überlegenheit Marias deutlich. Lord
Burleigh teilt ihr als Gesandter des Gerichts den Urteilsspruch mit, den sie
bereits kannte. Sie widerlegt in allen Einzelheiten dieses Urteil und beweist
die Unzuständigkeit des Gerichts. Burleigh kann nicht kontern, da er zum einen
die Ungerechtigkeit selber sieht, zum andern der Maria aber auch unterlegen ist.
Im Gespräch mit Paulet wird Burleighs Gesinnung deutlich.
Er denkt nur daran,
Elisabeth in ihrer Not zu helfen. Diese Not aber ist: entweder auf ihrem Thron
immerfort zu zittern oder die blutsverwandte Königin zu töten. Aus diesen
Gründen versucht er, Paulet zu einem Meuchelmord zu überreden. Dieses Versuch
fruchtet jedoch nicht.
\"Alles liegt in diesem ersten Akt zusammen: die einfache Auseinandersetzung der
Geschichte und die ganze Tiefe ihrer Bedeutung, der Kreis der Menschen, die um
die große Frage: Leben oder Tod, zusammengestellt sind. Marias harte Haft, ihre
wirkliche Schuld, ihre stille Ergebung, die neue Lockung und Hoffnung, die
Gewalt, die in der Form des Rechtes kommt, die Niedrigkeit der Mächte, die an
der Arbeit sind.
Im Untergrunde von dem allen wilde Schicksale, Freveltaten und
Sühnung, und dahinter die von den Gegensätzen empörte Welt, scharfe
Charakteristik der wenigen, aber wichtigen Gestalten, bedeutendes Menschenleben
auseinandergelegt, ein hinreißender Strom des Geschehens und, wo es hingehört,
auch der Beredsamkeit. Der Akt ist eine kleine Welt.\" (Eugen Kühnemann)
1.2
Zweiter Aufzug
Ort: Palast zu Westminster
Elisabeth wird umworben von einer französischen Brautwerbung. Dies berührt
natürlich auch die Interessen Marias, die im Falle einer Kinderlosigkeit
Elisabeths sofort nach deren Tode Thronfolgerin werden würde und damit das
katholische Geschlecht der Stuarts. Ihr widerstrebt jedoch eine Verbindung mit
dem Herzog von Anjou; sie will ihre Jungfräulichkeit bewahren, begründet dies
mit dem Dienst am Volke.
Die wahren Gründe liegen jedoch in der Bewahrung ihrer
Macht und der Günstlingswirtschaft, für die Leicester stellvertretend erscheint.
Betont wird zudem die extreme Eitelkeit Elisabeths, die für den weiteren Gang
der Handlung noch an Wichtigkeit gewinnt.
Die \"Staatsratsszene\" macht die Positionen der Berater Elisabeths deutlich:
Aus Burleigh spricht die überpersönliche Staatsräson. Er stelle die Stimme des
Volkes in den Vordergrund und ist somit für die Vollstreckung des Urteils.
Sowohl Shrewsbury als auch Leicester versuchen Elisabeth zu bewegen, das
Todesurteil nicht zu unterschreiben, wenn auch aus anderen Motiven. Shrewsbury
entwickelt die Rechtswidrigkeit des Urteils, wie wir sie bereits aus dem
Streitgespräch Burleigh-Maria kennen.
Zudem appelliert er auch an die Milde und
beruft sich auf die gnadenvolle Entscheidung der Königin. Aber zu einer freien
Entscheidung ist Elisabeth nicht fähig.
Leicester, der aus rein persönlichen Gründen argumentiert, sucht Marias
Gefährlichkeit zu verharmlosen und Elisabeths Stellung schmeichlerisch zu
erhöhen. Er versucht Elisabeth zu einer Begegnung mit Maria zu bewegen. Dies hat
außer persönlichen vor allem rechtliche Gründe: Nach altem englischem Recht kann
ein zum Tode verurteilter Verbrecher nicht mehr hingerichtet werden, wenn er das
Antlitz des Königs gesehen hat. Darum ist es im Sinne Burleighs, die Begegnung
zu verhindern.
Elisabeths heuchlerischer Charakter kommt zum Ausdruck, als sie
um Marias Schicksal Tränen vergießt, Mortimer in der folgenden Szene jedoch zu
einem Meuchelmord zu veranlassen sucht.
Im folgenden gelangt das Spiel der Täuschung, das mit dem Auftauchen Mortimers
im 4. Auftritt bereits einsetzte, zu seinem Höhepunkt. Mortimer, der sich Marias
Rettung verschrieben hat, läßt sich von Elisabeth zum Meuchelmord drängen; er,
der Maria begehrt, gewinnt die Gunst Elisabeths. Während sich die Heuchlerin
enthüllt, wird sie selbst von einem Heuchler hintergangen. Diese Szene endet in
einem Monolog Mortimers, in dem er Elisabeth entlarvt und seine Leidenschaft zu
Maria zum Ausdruck bringt.
Mortimer ist ein typischer Vertreter der jungen
Helden Schillers.
Erst als der ehrliche Sir Paulet wieder in Erscheinung tritt, gewinnen wir
wieder festen Boden unter den Füßen, allerdings nicht mehr als ein Inselchen in
diesem Meer von Heuchelei und Laster. Der nächste Auftritt bringt die beiden
\"Falschspieler\" Mortimer und Leicester zusammen und charakterisiert sie
ausführlich. Während Leicester sich immer noch abwartend zurückhält und Maria
nur retten will, um ihre Person für sich \"gefangen zu nehmen\", bricht aus
Mortimer der ungebändigte Drang aus, der stürmische Eifer, wohl auch, um
Leicester zuvor zu kommen.
Zum Schluß des Aufzuges wird die Begegnung Elisabeth-Maria von Leicester, in
listiger Weise auf Elisabeths Eitelkeit und Neugier zielend, vorbereitet.
Hiermit wird der Grundstein für die wichtigste Szene des Dramas gelegt.
\"Was von Maria als freie Tat des Großmuts erfleht worden war, die Zusammenkunft
der Königinnen, wird gewährt in geschickt genutzter Laune, um den Triumph
weiblicher Eitelkeit und Rachsucht zu genießen, um dem Geliebten eine
vermeintliche Kränkung zu lindern. So tut sich, um Elisabeth bewegt, die ganze
Welt der Mächtigen vor uns auf in ihrem allzu wirklichen Spiele. Und dabei
handelt es sich doch um Leben und Tod\" (Eugen Kühnemann).
1.3
Dritter Aufzug
Ort: Gegend in einem Park
In dem Park, in dem Maria Elisabeth treffen wird, flackert in der Gefangenen ein
Hauch von Freiheit auf; die Natur, das Grün stimulieren sie.
Dann die Begegnung, der Höhepunkt des Dramas.
Die dramatische Steigerung der in
zwei Aufzügen vorbereiteten Begegnung der beiden Königinnen ergibt sich aus dem
schrittweisen Sichtbarwerden und Durchbrechen der unverhüllten, von keiner
politischen oder königlichen Rücksicht mehr gehemmten Weiblichkeit: Die
Königinnen begegnen sich in ihrer nackten Existenz. Sie reizen sich gegenseitig
bis zum Höhepunkt, bis Maria zu dem letzten und tödlichen Gegenstoß ausholt,
tödlich für Elisabeth in moralischem Sinne, für Maria, indem sie damit ihr
Schicksal besiegelt. Sie trifft Elisabeth in ihrem persönlichsten Bereich,
ausgerechnet vor ihrem Liebhaber Leicester, und besiegt sie dadurch.
Der Weg, den beide Frauen zum dramatischen Höhepunkt gehen, ist verschieden.
Elisabeth gelangt sofort zu sich selber, greift Maria politisch und vor allem
persönlich an, die Schönheit Marias scheint am meisten zu Aggressivität zu
verleiten, es ist jene Schönheit, die sie Maria neidet - eine fast geradlinige
Steigerung.
Anders ist der Weg Marias.
In einer für sie übermenschlichen, fast
unmenschlichen Beherrschung versucht sie durch Unterwürfigkeit, Berufung auf
Edelmut und Verwandtschaft, das Herz Elisabeths zu erreichen. Sie ist sogar
bereit, auf alle politischen Ansprüche zu verzichten. Erst nach wiederholter
Erniedrigung durch Elisabeth gelangt sie zu sich selber und greift ihre
Gegenspielerin schließlich auf allen Gebieten an. Ihr Haß bricht durch, doch
selbst dabei behält sie ihre Würde. Es ist jedoch noch keine Erhabenheit über
ihr Schicksal; man kann sie eher dem Pathetischen Schillers zuschreiben.
Sie ist Weib und Königin, Schönheit und Würde, Leidenschaft und Adel, alles in
einem Augenblick der Größe vereint, wie sie uns von den germanischen Helden
(Nibelungenlied) her vertraut ist.
\"Der 5. Auftritt ist mit der ganzen Schillerschen Lust an der Antithese und
radikalen Umkehr gestaltet. Elisabeth kam, um den Triumph über Maria, von der
sie als Weib so oft verletzt ward, zu kosten - Maria kam, um sich zu demütigen
vor der, die ihr nach dem Leben steht. Und die triumphieren will, wird
gedemütigt; die sich demütigen will, triumphiert, und zwar als Weib über das
Weib.\" (Eugen Kühnemann)
Im weiteren erfahren wir, daß außer Leicester auch Mortimer das Gespräch der
Königinnen belauscht hat. Er sieht in Maria nicht mehr die Königin, sondern nur
noch das Weib, das er zu besitzen begehrt.
Der Gang der Handlung steigert sich im 8. Auftritt in eine tragische Ironie, da
in dem Augenblick, als Mortimer den Rettungsplan vor Maria entfaltet, er gerade
durch einen Mitverschworenen vereitelt wird. Es ist ein Franzose, der auf
Elisabeth einen Mordanschlag verübt, der allerdings mißlingt.
1.4
Vierter Aufzug
Ort:Erster bis vierter Auftritt - Vorzimmer
Fünfter und sechster Auftritt - Zimmer der Königin
Der vierte Aufzug setzt im Gegensatz zum vorherigen Aufzug an der politischen
Peripherie des Geschehens ein.
Die umtriebe Frankreichs sind entdeckt.
Burleigh entlarvt sowohl den
französischen Gesandten als auch das Doppelspiel Leicesters. Leicester, der sich
entlarvt sieht, verrät Mortimer, indem er ihn verhaften läßt. Mortimer entgeht
dem weiteren, indem er sich umbringt. Zum ersten Mal in diesem Drama zeigt eine
Person Erhabenheit über das Leben. Mortimer leistet hier, was Maria im fünften
Akt leisten wird: Sie enden als über das Leben Erhabene und himmlische
Verklärte.
Burleigh berichtet Elisabeth die Täuschung durch Leicester.
Diese, nachdem sie
im dritten Aufzug wortlos abgegangen war, zeigt sich sehr erregt, mehr noch
durch den Betrug Leicesters als durch den Triumph Leicesters. Burleigh kennt
Elisabeths weibliche Schwäche, wenn er jede weitere Begegnung Elisabeths mit
Leicester verhindern will.
Burleighs Ahnung erfüllt sich auch. Leicester gelingt es, zu Elisabeth zu
kommen, der seine Stellung im Herzen Elisabeths schamlos auszunutzen versteht.
Leicester erreicht in diesem Auftritt den ihm gemäßen Höhepunkt: Er spielt mit
Elisabeth um sein Leben, auf seine Weise. Er bringt die Verhaftung Mortimers vor
und gibt sogar Maria selbst preis, indem er für ihren Tod stimmt.
Nachdem Elisabeth nun schon zwei Beweggründe für die Hinrichtung hat (der Betrug
Leicesters, die Erniedrigung durch Maria), gesellt sich durch Burleighs
Vorschlag ein neuer hinzu: Leicester habe die Hinrichtung zu leiten. Elisabeth
sieht hierin einen Beweis, daß Leicester Maria nicht liebt.
Die Hinrichtung Marias scheint nun gesichert, doch Shrewsbury, der der Königin
zuvor beim Attentat das Leben gerettet hat, versucht auf geschickte Art und
Weise, die Vollstreckung zu verhindern, was ihm jedoch nicht gelingt.
Im Monolog Elisabeths macht Schiller deutlich, daß die Königin nur eine
Marionette seelischer und politischer Notwendigkeiten ist. Es ist ihr Schicksal,
dem sie erliegt, von dem sie sich jedoch durch Marias Hinrichtung zu befreien
versucht. Trotzdem zögert sie noch; sie ist nicht fähig, eine Entscheidung zu
treffen und versucht, sie auf Davison, einen Bediensteten, abzuschieben, dem die
Entscheidung obliegt, was mit dem unterschriebenen Urteil geschehen soll - bis
Burleigh ihm das Urteil entreißt und davoneilt.
\"Hier mangelt es völlig an dem großen Ernst des Rechts... Wo über ein Leben
entschieden wird, denkt jeder nur an sich und kämpft um den eigenen kleinen
Ehrgeiz rücksichts- und skrupellos, mit allen Mitteln, aber versteckt und ohne
Mut der Wahrheit. So Burleigh gegen Leicester, so mit wahrhaft abgründiger
Gemeinheit Leicester gegen Mortimer; dann folgt das Ringen der beiden ersten
Männer Englands um ihren Platz bei Elisabeth..
. Nicht um ihrer vorgeblichen
Verbrechen will, um Leicester willen muß Maria fallen. Vergeblich sind
Shrewsburys klare und überzeugende Worte, vergeblich, daß die Volkswut durch
seine Stimme sofort besänftigt wird. Trotz aller Angst um Ruf und Welt, der
einfache psychische Haß läßt sich nicht bändigen - Elisabeth unterschreibt.
Aber immer noch soll die Verantwortung abgeschoben werden. Dem armen ratlosen
Davison bürdet sie die Entscheidung auf.
Diesem entreißt Burleigh das Dokument,
- nicht um England zu retten, sondern damit endlich sein Plan vollzogen wird.
Läge in dem allen der Nachdruck auf dem äußeren Geschehen, so wäre es ein
verletzendes Intrigenspiel.
Aber jeder Satz ist getränkt in der Ironie der tragischen Verdeutlichung des
Lebens. Hier ist die Tragödie in Wahrheit das große Gericht über Welt und
Menschen.\" (Eugen Kühnemann)
1.5
Fünfter Aufzug
Ort: Erster bis fünfter Auftritt - Zimmer des ersten Aufzugs
Elfter bis fünfzehnter Auftritt - Das zweite Zimmer des vierten Aufzugs
Das Schicksal der Maria ist nun besiegelt, und in ihr vollzieht sich nun, was
typisch für die Klassik ist.
Sie erlangt angesichts des bevorstehenden Todes die
Erhabenheit über die geschichtliche und physische Welt und triumphiert am
dritten Tage der Handlung nun also über das Schicksal. Die Begegnung mit ihrem
Hofmeister und den Dienerinnen geben uns ein Bild von der Verfassung Marias, die
nicht um ihr eigenes Schicksal weint, sondern um Mortimers und Paulets. Sie ist
sogar zu einem Schlaf vor ihrer Hinrichtung fähig. Sie stirbt als Heldin im
Schillerschen Sinne. Diese Wandlung ins Erhabene geschieht plötzlich, wie
Schiller es in seinem Aufsatz \"Über das Erhabene\" auch darstellt.
Diese Erhebung in die Freiheit der Geister ist eine idealistisch-metaphysische
Kernstelle des Dramas.
Die Wandlung Marias wird nicht dargestellt, jedoch ist
der Unterschied im Innern Marias im Verhältnis zum letzten Auftritt deutlich
herausgestellt. Verbunden mit der Verklärung Marias ist immer der christliche
Glaube, ohne den diese Erhabenheit der katholischen Maria bei Schiller nicht
möglich wäre. Hier steht er im Gegensatz zu Goethe. Das heißt aber keineswegs,
daß Schiller unbedingt auf der Grundlage des katholischen Glaubens steht,
sondern vielmehr, daß er der Wendung einen moralischen Anstrich geben wollte.
Elisabeth wähnt sich nun endlich nach der Hinrichtung, die Leicester schildert,
sicher und wälzt die Schuld für das vollstreckte Urteile auf Davison und
Burleigh ab; sie werden eingekerkert bzw. verbannt.
Shrewsbury verläßt
freiwillig das Land, so daß Elisabeth noch einsamer, noch unsicherer als zu
Anfang dasteht.
2.1 Elisabeth
Elisabeth ist eine der typischen Schillerschen Figuren, in denen das Böse in
seinen Dramen von Franz Moor bis Demetrius erscheint. Sie ist hier im Stück ein
Fürst im Sinne des barocken Herrschers, der den politischen Gegenspieler, ohne
sich von irgendeiner Moral binden zu lassen, besiegen will.
In II/3 verlangt Burleigh die Hinrichtung Marias. Elisabeth antwortet nicht
direkt, sondern fragt Talbot, welche Meinung er hat.
Als dieser für Maria
spricht, sagt Elisabeth, daß er \"zu sich selbst kommen\" solle. Sie will zwar die
Meinungen der Lords hören, aber das ist nur ein Trick, als ob sie wirklich die
Wahrheit oder auf die Stimme des Gewissens hören wolle. Vor ihren Lords weint
sie, als der pflichtbewußte, aufrichtige Paulet, dem sie den Auftrag gegeben
hatte, Maria heimlich zu töten, ihr den Brief Marias übergibt. Während sie
weint, denkt sie sich schon einen anderen Plan aus, nämlich den, den scheinbar
ruhmgierigen Jüngling Mortimer zu Maria zu senden. Sie sagt ihm: \"er verkürzt
sich seine Prüfungsjahre\" und läßt durchblicken, daß dies durch den Mord an
Maria geschehen könne. Sie zeigt ihm ihre innere Gesinnung.
Maria ist identisch
mit den barocken Fürsten, wenn sie sagt: \"Was man nicht aufgibt, hat man nie
verloren.\"
Es ist dasselbe, was auch im barocken Trauerspiel gilt. Die Figuren des barocken
Trauerspiels sind ebenso wie Elisabeth Realisten, die sich fragen, \"wozu eine
Sache gut sei?\" Die Realisten richten sich ganz nach der Zweckmäßigkeit in ihrem
Beben. Wenn wir Elisabeth als eine barocke Fürstin betrachten, so ist ihr
Verhalten keineswegs \"doppeldeutig\", sondern in jedem besonderen Fall wird sie
durch äußere Ursachen und durch äußere Zwecke bestimmt. Elisabeth als eine
barocke Fürstin will keine Verantwortung übernehmen, wenn sie zwar schwankt,
obwohl sie insgeheim schon nach Fortheringhay gehen möchte, sich aber von
Leicester überreden läßt. In diesem Gespräch schiebt Elisabeth Leicester alle
Verantwortung zu, falls etwas passieren sollte.
Sie spricht zu Mortimer nicht
direkt vom Meuchelmord an Maria. Mortimer muß diese Tat selber aussprechen, wenn
er Elisabeth richtig versteht. Sie kann dann später sagen, daß sie keinen Mord
angestiftet hat. Elisabeth zeigt nur indirekt ihre innere Einstellung. Sie
beherrscht die Redekunst, und somit wird alles im Unklaren gelassen. Sie zeigt
in IV/11 ihre Redekunst und zugleich ihre Ablehnung von Verantwortung, obwohl
sie in der vorgehenden Szene den Entschluß gefaßt hat, Maria zu töten.
Elisabeth
ist eine Königin, die den barocken Fürsten nahesteht, der sich in seinem
moralischen Handeln einer physischen Notwendigkeit ruhig und gleichförmig
unterordnet, da er durch die Notwendigkeit der Natur sich bestimmen läßt. Somit
verkörpert Elisabeth eine barocke Fürstin, die mit Maria konfrontiert wird.
2.2 Maria
\"Maria ist in dem Stück etwa 25 und Elisabeth höchstens 30 Jahre alt\", so
schreibt Schiller an August Wilhelm Iffland. Von der Reife ihres Geistes her
gesehen scheint Maria älter als 25 Jahre zu sein. Paulet nennt Maria \"die
ränkevolle Königin\", die \"den Christus in der Hand, die Hoffart und die Weltlust
in dem Herzen\" trägt.
Mit Beginn der Dramenhandlung zeigt sie sich nicht als
barocker politischer Mensch, sondern sie verzeiht die Unhöflichkeit Paulets. Sie
leidet nicht nur unter der gegenwärtigen Belastung Elisabeths, sondern auch
unter der vergangenen Schuld jener \"unglückseligen Tat\", als sie an der Macht
war. Doch hofft sie trotz des Leides zu überleben. Bezeichnenderweise kennt
Maria als ehemalige Fürstin das wahre Gesicht des Absolutismus, das in dem
Machtkampf der fürstlichen Hierarchie besteht. Kein Fürst kritisiert bei der
Fürstenkonfrontation den Gegner, wie Maria es tut. Der Unterschied zwischen dem
barocken und dem Schillerschen Fürsten hinsichtlich der Kritik an dem Gegner
liegt darin, daß als Kriterium für die Beurteilung nicht der eigene Zweck,
sondern die Gerechtigkeit gilt.
Gerechtigkeit wird im barocken Trauerspiel
deshalb nicht hervorgerufen, weil \"die geschichtlich-politische Welt insgesamt
ideenfern und ideenfeindlich dem selbstischen Naturtrieb und Naturgesetz allein
gehorcht\". Die Problematik der Fürstenkonfrontation liegt bei Schiller nicht nur
im Legitimations- und im Religionskonflikt, sondern vielmehr im Verhältnis von
Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit.
2.3 Mortimer
Schiller stellt den Charakter Mortimers sehr einheitlich dar. Erstens ist
Mortimer ein Kunstliebhaber. Seine Glaubensänderung geschieht nicht anders als
durch \"der Künste Macht\".
Sein Charakter gerät leicht durch das ins Schwärmen,
wovon sein Gefühl bewegt wird.
Mortimers Rettungsvorhaben und seine Verschwörung gegen Elisabeth werden nicht
durch politische und rein religiöse Gründe motiviert, sondern durch eine schöne
und leidende Frau. Mortimer versucht Maria zu retten, weil sie bildhaft schön
ist. Mortimer ist nicht idealistisch eingestellt, da er sie mit Gewalt um
seinetwillen befreien will. Maria willigt in diese Tat nicht ein, denn sie will
keine Gewalt und keine List. Sie gibt Mortimer den Auftrag, den einzigen Mann,
der die Tore öffnen kann, zu treffen.
In II/5 plant Elisabeth Maria zu töten. Zu
diesem Zweck wählt sie Mortimers jugendlichen Mut und weckt seinen Ehrgeiz.
Mortimer täuscht sie. Er wird mit Leicester konfrontiert in der Szene, in der
die beiden Freier um eine Frau werben. Der eine unter Einsatz seines Lebens, der
andere mit Täuschung. Mortimer zögert nicht, den listigen Leicester anzugreifen,
als dieser vorsichtig handelt.
Bevor Mortimer Marias Bild mit deren Schriftzügen
Leicester gibt, zweifelt dieser. Nur das Zeugnis weckt in ihn Vertrauen.
Mortimer glaubt Leicester, als dieser das Bild küßt. Auf der Bühne stehen zwei
unterschiedliche Charaktere.
Nachdem Maria und Elisabeth sich begegneten und die Begnadigung nicht erfolgte,
hält Mortimer an seinem Plan fest. Mortimer glaubt, daß Maria mit einer kühnen
Tat aus dem Gefängnis zu befreien sei.
Als Kennedy Maria und Mortimer, die
gerade miteinander sprechen, ankündigt, daß bewaffnete Leute kommen, ergreift
Mortimer den Degen, um sie zu beschützen. Leicester hätte an seiner Stelle
sicherlich Maria übergeben. Mortimers Plan der Ermordung Elisabeth ist
gescheitert. Sein Freund Okelly rät ihm zu fliehen. Aber er flieht nicht,
sondern geht nach London, um Elisabeth doch noch zu töten, weil dies der einzig
mögliche Rettungsweg ist. In dieser für Mortimer letzten Szene, die an
Elisabeths Hof spielt, werden die beiden Intriganten Mortimer und Leicester
konfrontiert, wobei der Mordplan Mortimers aufgedeckt wird.
Dieser steht zu
seinem Verhalten und gewinnt dadurch im Gegensatz zu Leicester menschliche, ja
einigermaßen idealistische Züge. Mortimer nimmt sich das Leben, da er keine
Möglichkeit mehr sieht, Maria zu befreien. Aber Leicester versucht durch Verrat
und Verhaftung Mortimers sein eigenes Leben zu retten. Er bleibt bis zuletzt ein
Intrigant, während Mortimer zum Helden wird.
2.4 Leicester
Leicester als Geliebter Marias ist ihre einzige Hoffnung.
Als Mortimer Maria die
Verbindungsmöglichkeit mit dem Hof schildert, bittet sie Mortimer mit ihm zu
sprechen. Leicester versucht in der Tat, Maria zu retten, obwohl er vor Gericht
seine Stimme \"zu ihrem Tod gegeben\" hat, aber im Staatsrat spricht er anders.
Scheinbar ist er ein politisch tüchtiger Mann, wenn er vom \"Vorteil\" spricht.
Damit ist er ein Zweck-Mensch, der im barocken Raum steht und zwischen den
Parteien als ein kluger Diplomat handelt. Leicester ist erbärmlich feige,
während Mortimer tollkühn ist und aus Egoismus handelt.
2.
5 Burleigh und Shrewsbury
Burleigh vertritt einen Politiker der Staatsräson, während Shrewsbury Weltbürger
ist, dar aus Gerechtigkeit handelt. Dieser zeigt sich bei der Konfrontation als
milder, warmherziger Untertan, der sich dem Druck des Fürsten nicht beugt. Ein
solcher Untertan ist bei Fürstenkonfrontationen vom Barock bis hin zu Schiller
sehr selten, da er sein Leben wagt. Aber man kann ihn kaum einen Weltbürger
nennen, weil er am Recht innerhalb des Absolutismus festhält. Er will der
gefährdete Anwalt für Maria sein. Er kennt den Charakter des absolutistischen
Fürsten.
Er dient zwar dem Fürsten, aber nicht im Sinne der Monarchie, sondern
im Sinne des Vernunftstaates.
Dagegen ist der Großschatzmeister Burleigh, der grundsätzlich das Fürstentum
verteidigt. Elisabeth kennt Burleigh und seine Loyalität. Bei der Konfrontation
mit Maria glaubt sie daran, daß sie Burleigh folgen muß, der ihr sagt, daß
Marias Leben ihr Tod sei. Burleigh hat veranlaßt, daß die Gerichtsverhandlung
ohne Zeugen durchgeführt wird, weil er nach dem geheimen Willen Elisabeth Maria
hinrichten lassen will. Das Ziel Burleighs ist die Verwirklichung des Willens
der Fürstin, die bei der politischen Konfrontation mit der anderen Fürstin ohne
Gewissen handelt.
3 Die Szene III/4 und die Struktur des Trauerspiels
Die Szenen der Fürstenkonfrontation werden in fast allen Trauerspielen bis zu
\"Maria Stuart\" in der Mitte des Stückes gefunden. Durch die Szene III/4
vollzieht sich eine Änderung in den beiden Königinnen. Im ersten Akt ist Maria
ohne Hoffnung. Sie muß die Verachtung des Richters Paulet ertragen. Im zweiten
Akt wird Elisabeth dargestellt: In der Fülle der Macht, prachtvoll, umgeben von
Schmeichlern, siegreich. Im dritten Akt kommt es zur Begegnung der beiden
Königinnen.
Hier, in III/4, kommt es zu einer Umkehrung in den Gefühlen: Maria
nämlich fühlt sich als Siegerin und Elisabeth als Besiegte:
Gleichzeitig wird auch in dieser Szene die Rolle des Richters vertauscht. Im
ersten Akt ist Maria die Verurteilte, die auf die Vollstreckung des Urteils
wartet, und im zweiten Akt spricht Elisabeth als Richterin. In III/4 enthüllt
sich, wer die eigentlich Richtende ist. Mortimer, der versteckt war und \"alles\"
gehört hat, sagt: \"Du hast gesiegt! Du tratst sie in den Staub/Du warst die
Königin, sie der Verbrecher.\"
Auch bei Schiller wird wie bei fast allen barocken Trauerspielen der Höhepunkt
in der Szene III/4 erreicht.
Anmerkungen: |
| impressum | datenschutz
© Copyright Artikelpedia.com