Goethes leben in den jahren 1786-1832
Als Goethe nun 1788 wieder aus Italien
zurückgekehrt war, erlebte er zahlreiche Enttäuschungen. Zwar hat er von Rom aus
versucht, seine Freunde in Deutschland - speziell in Weimar - nicht nur an seinen
äußeren Erlebnissen teilhaben zu lassen, sondern auch an seinen inneren, menschlichen
Erfahrungen. Doch es gelang ihm dabei kaum, seine früheren Beziehungen und Kontakte
wieder aufzunehmen - er fühlte sich isoliert. Herzog Karl August - zu dem er den Kontakt
vielleicht am schnellsten wieder aufnehmen hätte können, war aufgrund seiner
Verpflichtung als preußischer General viel außer Landes. Herder meinte, daß er seinen
früheren Einfluß auf Goethe verloren hatte - deswegen zog er sich voll Mißmut zurück.
Charlotte von Stein war ihm aufgrund seiner heimlichen Abreise nach Italien vor knapp 2
Jahren auch noch immer beleidigt.
Goethe versuchte zwar, das ganze mit ihr wieder ins
Reine zu bringen - aber vergeblich: Anfang 1789 kam es zum Bruch mit ihrer Freundschaft.
Deswegen versuchte Goethe, nun Kontakte zu ihm wohlwollenden Menschen der Universität
Jena zu knüpfen - teils mit Erfolg, denn er begegnete dort des öfteren Schiller. Auch
lernte er im Jahre 1788, kaum einen Monat nach seiner Heimkehr nach Weimar, die erst
23jhrige Christiane Vulpius kennen, die ihn durch ihre "naturhafte
Persönlichkeit" anzog. Bald darauf wurde sie zu seiner Geliebten und dauerhaften
Hausgenossin. Mit den Worten "Ich bin verheiratet, nur nicht durch Zeremonie"
charakterisierte er selbst diese Verbindung, in der er wider allen gesellschaftlichen
Verleumdungen, große Beglückung fand: - nunja, ein Jahr später wird sein erster Sohn
August geboren. Er blieb ihm als Einzigster von weiteren 4 Kindern mit Christiane.
Zu
dieser Zeit entstanden auch die "Römischen Eligien", in denen er seine
Zuneigung zu ihr dichterisch fest hielt.
Seine Aufgaben als weimarischer Staatsbeamter übernahm Goethe nach 1788 nur noch in
beschränktem Umfang. Er konzentrierte seine Aufmerksamkeit fast nur noch ausschließlich
auf die wissenschaftlichen und künstlerischen Anstalten des Herzogtums. Ein besonderes
Auge legte er dabei auf das 1791 begründete Weimarer Hoftheater, welches er binnen
weniger Jahre zu einer der angesehensten deutschen Bühnen werden ließ - allerdings nur
bedingt durch selbst geschriebene Werke, denn die Zuschauer damals wollten nur unterhalten
werden, als daß sie seine Dichtkunst interessierte. Deswegen entstanden in dieser Zeit,
also nach der Rückkehr aus Italien, nur wenige Werke. Goethe trieb es aber dafür um so
mehr in Richtung Naturwissenschaften.
Unermüdlich stellte er Versuche zur Anatomie, Optik
und Botanik an - selbst als er 1790 wieder nach Italien fuhr, entwickelte er seine
naturphilosophischen Gedanken weiter: als er bei Lido ein Schafgerippe fand, kam er auf
die Entdeckung, daß bei Tieren wie bei Menschen sämtliche Schädelknochen aus verwandten
Wirbelknochen entstanden. Von hier aus war es dann nur noch ein kleiner Schritt zu seiner
in den kommenden Jahren umfassend ausgebildeten Lehre von der Morphologie, nach der alle
Gestalt "ein Bewegliches, ein Werdendes ein Vergehendes ist: Gestaltungsllehre ist
Verwandlungslehre".
In etwa zur gleichen Zeit fand auch die Französische Revolution statt. Goethes Haltung zu
diesen Vorgängen im Nachbarland war im Grunde durch die Überzeugung festgelegt, daß
sich alle Veränderungen in der menschlichen Gesellschaft wie auch in der Natur durch
Evolution vollziehen müssen. Doch er war von der Gefahr erschüttert, die durch
revolutionäre Gesinnungen auf die geistige Kultur einging. In verschiedenen Dramen, wie
im "Groß-Cophta", "Der Bürgergeneral" oder "Die
Aufgeregten", die alle zwischen 1791 und 1794 entstanden, distanzierte er sich von
dem Gedanken, politische Mißstände durch gewaltsamen Umsturz zu beseitigen.
Deswegen
warf man Goethe auch vor, daß er kein Interesse an der Sache der Freiheit vorwies. Dies
zeigte sich auch in seinem Verhalten. Als er 1792/93 auf Bitte von Herzog Karl ihn auf
einen Feldzug nach Frankreich begleitete, galt etwa bei der Schlacht um Verdun nicht sein
Interesse dem Kriegsgeschehen, sondern einem mit Wasser gefüllten Erdtrichter, in dem
durch kleine Fische prismatische Farbeffekte entstanden. Als aber dann gegen Ende eines
Kriegstages die Niederlage der Verbündeten offenbar wurde, war gerade er es, der die
politische Entwicklung bis zum Zusammenbruch des Heiligen Römischen Reiches klar
voraussah.
Nachdem Goethe die Kriegsgeschehen auf sich wirken hat lassen - sie brachten ihm viel
innere Unruhe -, konnte er sich in Weimar wieder mehr geistigen Arbeiten widmen. Nach
einer Sitzung der Jenaer "Naturforschenden Gesellschaft" ergab sich aus Zufall
ein tiefgreifendes Gespräch mit Schiller, er an der Universität Jena unterrichtete.
Schiller beschäftigte sich damals intensiv mit Schriften des Philosophen Immanuel Kant.
Dies vollzog in ihm - ähnlich wie nach Goethes Italienreise - eine innere Wandlung, die
über die Gegensätze zwischen ihm und Goethe waren, hinwegzog. Das Kantstudium bildete
somit den Grundstock für eine sehr gute Freundschaft zwischen zwei bedeutenden Menschen
der damaligen Zeit. In ihrem gehaltvollen Briefwechsel versuchten die beiden Freunde sich
Klarheit über ihre eigene geistige Position zu verschaffen. Goethe mäßigte in diesem
regen Gedankenaustausch Schillers Hang zum Extremen und seine Tendenz zu
"philosophischen Spekulationen". Schiller hingegen brachte Goethe wieder weg von
seinen Naturwissenschaftlichen Studien hin zu wieder mehr dichterischen Produktion.
So
schrieb er bereits 1794 für Schillers "Horen" "Die Unterhaltungen
deutscher Ausgewanderten". Als die "Horen" dann jedoch nur schwache
Resonanz fanden, verfaßten beide Dichter zusammen nahezu 1000 Epigramme, die Xenien, in
denen sie ihren Unmut über das Publikum und mißwollende Rezensenten freien Lauf ließen.
Goethe Schloß während dieser Zeit um 1795 "Willhelm Meisters Lehrjahre" ab.
Wilhelm Meister wurde auch als Musterstück des formstrengen Epos bezeichnet. Der Entwurf
des Willhelm Meister reicht wiederum in die Sturm-und-Drang-Zeit zurück; und wie der
Faust wurde dieser Entwurf erst auf Schillers Drängen hin nach Goethes Italienreise
weiterbearbeitet.
Schiller gab seine Professur in Jena auf und siedelte dann 1799 nach Weimar über.
Vor
allem Goethes Tätigkeiten im Hoftheater fanden dadurch neue Impulse. Die Aufführung der
"Maria Stuart" oder des "Wilhelm Tell", sowie weitere Werke gaben
Gelegenheit, die gemeinsam entwickelten klassizistischen Stilisierungsprinzipien auf der
Bühne zu erproben. Nicht zuletzt durch diese Bemühungen gewann die kleine Residenzstadt
Weimar damals immer mehr Ansehen als Zentrum der deutschen Kultur. Leider fand diese
fruchtbare Zeit im Jahr 1805 schon ein jähes Ende. Sowohl Goethe als auch Schiller waren
schon seit Januar an krank - ihr gewohnter Gedankenaustausch war somit unmöglich
geworden. Goethe konnte sich wieder genesen - Schiller jedoch nicht.
Mit dem Tod Schillers sah Goethe selbst eine Epoche seines Lebens zu Ende gehen. Und die
nächste Epoche begann auch noch mit einem schlechtem Ohmen. 1806 geriet Goethe selbst in
den Strudel kriegerischer Auseinandersetzungen - Franzosen, die Weimar besetzten,
bedrohten ihn in seinem Haus. Wohl nur durch das energische Eingreifen von Christiane
Vulpius kam er mit dem Leben davon. Deswegen faßte er nun endlich den Entschluß:
"Ich will meine kleine Freundin, die so viel an mir getan und auch diese Stunden der
Prüfung mit mir durchlebte, völlig und bürgerlich anerkennen, als die Meine." Am
19.
Oktober, 5 Tage nach der Schlacht bei Jena, ließ er sich mit Christiane trauen. 1808
kam es dann zu einer Begegnung mit Napoléon, die von wechselseitiger Hochschätzung
bestimmt war.
1811, nach intensiven Vorbereitungen begann Goethe selbst über sein Leben zu schreiben.
Das Werk Dichtung und Wahrheit enthält den Versuch, die gelebte Wirklichkeit dichterisch
sinngebend nachzugestalten. Bereits im Oktober 1812 konnte er die beiden ersten Teile
abschließen, der dritte folgte ein Jahr später.
Goethe war es inzwischen zur Gewohnheit geworden, regelmäßig die böhmischen Bäder
aufzusuchen.
Manchmal zog es ihn damals für fast zwei Monate nach Karlsbad, Franzensbad,
Teplitz oder Marienbad. Neben den Trinkkuren, denen er einen heilsamen Einfluß auf seine
Gesundheit zuschrieb, waren seine Aufenthalte durch Arbeit und Forschung, aber auch viel
gesellschaftlichen Umgang bestimmt.
1814 machte er dann eine Reise in seine Heimat: er besuchte die Rhein - Maingegenden,
sowie seinen Geburtsort Frankfurth. Hier machte er Bekanntschaft mit Marianne von
Willemer. Durch ihre Schwärmerei wurde in ihm die fast verstummte Fähigkeit geweckt, in
Gedichten aus vollen Herzen sprechen zu können.
Hatte Goethe seine Reisen in die Rhein- und Maingegenden ähnlich wie früher die Reisen
nach Italien als eine Art von Wiedergeburt empfunden, so erlitt er in den folgenden Jahren
erneut Schmerz und Enttäuschungen.
Am 6. Juni 1816 starb seine Frau Christiane - und 1817
mußte er aufgrund von Intrigen mit einer Schauspielerin den Posten der Direktion des
Hoftheater aufgeben. Im Grunde war es aber in den beiden letzten Jahrzehnten in Goethes
Leben ruhig um ihn geworden. Es war weniger durch markante äußere Ereignisse geprägt,
sondern durch tägliches, regelmäßiges Arbeiten. Schließlich hatte er seit 1815 die
Oberaufsicht über die unmittelbaren Anstalten für Wissenschaft und Kunst in Weimar und
Jena" inne. Trotz Konzentration auf seine Arbeit isolierte sich der alte Goethe nicht
mehr, wie er es in früheren Jahren oft getan hatte, von seiner Umgebung.
Fast täglich
empfing er in seinem Haus Gäste. Je weniger er Weimar verließ - und das tat er damals
doch ziemlich oft - desto mehr öffnete er seinHaus der Welt. Seine Gäste waren dabei
nicht nur Schriftsteller und Dichter, sondern vor allem auch Naturforscher, Kunstgelehrte,
Erzieher und Politiker.
1821 veröffentlichte er dann die Fortsetzung des Wilhelm Meister mit seinen
"Wanderjahren".
1823 machte er die letzte Badereise nach Böhmen, und verliebte sich dort als 74-jähriger
in die 19-jährige Ulrike von Levetzow, um deren Hand er bat. Natürlich wurde aus dieser
fast jünglinghafter Liebe nichts.
Am 10. November 1830 erhält er die Nachricht, daß sein Sohn August Ende Oktober in Rom
verstorben sei. Kurz darauf erleidet er selbst einen Blutsturz, also einen Herzinfarkt.
1831 wird Faust II abgeschlossen; am 16. März 1832 erkrankte er, was ihm dann am 22.
März 1832 den Tod brachte.
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