Archibald douglas
1. Der Autor - Theodor
Fontane
1.1. Lebenslauf von Theodor
Fontane in Stichworten
geboren 1819 in Neuruppin
stammte einer eingewanderten
Hugenotten - Familie ab
zunächst Apotheker in Berlin
Kontakt mit den literarischen
Kreisen Berlins
Heirat (1849), Aufgabe des
Apothekerberufs
nun Journalist in England
(1855 - 1859)
während der Bismarck - Ära
auch als Kriegsberichterstatter tätig
schließlich Theaterkritiker
der berühmten Vossischen Zeitung" für das Königliche Hoftheater (1870 -
1890)
verhalf vielen jungen Dichtern
des Naturalismus zum Erfolg
zunächst schrieb er im
Realismus, später im Naturalismus
gestorben 1898 in Berlin
1.2. Werke
Erzählungen
Wanderungen durch die
Mark Brandenburg" (1862)
Romane
Vor dem Sturm"
(1878)
L Adultera"
(1880)
Schach von
Wuthenow" (1882)
Cécile" (1886)
Irrungen,
Wirrungen" (1887)
Frau Jenny Treibel"
(1892)
Seine Romane begründeten den
Typus des modernen Gesellschaftsromans", der einen traditionsreichen , in
bindenden Konventionen lebenden Stand verherrlicht und sich der drängenden politischen
und ethischen Zeitprobleme annimmt.
Fontane entfaltet sich ohne große Geste, in ruhiger
Sachlichkeit. Die Art, wie er sich dabei in seine Personen hineinlebt, ist etwas völlig
neues in der deutschen Erzählkunst. Milieuschilderung, Charakterzeichnung und Phantasie
verbinden sich aufs engste miteinander und in eigenartiger Weise.
Die Entstehungsgeschichte
eines seiner Hauptwerke, Effi Briest" (1895), gewährt einen interessanten
Einblick in Fontanes Art des Gestaltens:
Eine Freundin erzählte dem
Dichter von der unglücklichen Ehe eines gemeinsamen Bekannten, eines Offiziers. Die
Geschichte wird der Keim zu einem neuen Roman. Aber noch fehlt Fontane das anschauliche
Bild für die gegebene Grundsituation.
Er empfängt es auf ähnlich zufällige Weise. Aus
dem Weinlaub des Gartens kommt die Stimme der spielenden Kinder - ganz wie im Roman
geschildert - Effi, komm!" Eine besondere Situation ist jetzt da, ein Bild, das
sich dem Dichter einprägt, und an das sich Hunderte anderer Einzelbilder reihen werden.
Aber immer noch ist Effi eine farblose Phantasiegestalt. Da begegnet Fontane auf dem
Balkon eines Harzhotels ein englisches Geschwisterpaar; das Mädchen ist etwa 15 Jahre
alt, trägt ein Kleid aus blau - weiß gestreiftem Kattun und einem Matrosenkragen. Drei
Schritte von ihm an die Brüstung gelehnt, kann sie der Dichter genau beobachten. Er weiß
jetzt, wie Effi Briest aussehen wird.
Er kann jetzt mit der Niederschrift des Romans
beginnen.
Fontanes Erzähltechnik, seine
Gestalten und Gedanken nicht zu schildern, sondern im lebendigen Dialog sich selbst
darstellen zu lassen, ungefärbt, ganz in der Sprechweise der jeweiligen Person, ist eine
weitere Eigentümlichkeit des Fontaneschen Stils; was der Dichter dadurch erreichte, war
vor allem die größtmögliche Unmittelbarkeit, die den Leser sofort an die Phantasie des
Dichters bindet.
Novellen und Balladen
Auch als Novellist und
Balladendichter hat Fontane Bedeutendes hervorgebracht. Die Kriminalnovelle Unterm
Birnbaum" (1885) erzählt von einem Mord in dem Oderbruchdorf Tschechin und seinen
Folgen für den Täter; die historische Novelle Grete Minde" (1880) vom
Schicksal einer Frau, die an der Lieblosigkeit ihres leiblichen Bruders zugrunde geht und
ihre Kinder mit in den Tod nimmt. In der Liebesnovelle Stine" (1890) hat
Fontane noch einmal sein Lieblingsthema der Mesalliance aufgenommen: Allen Standesgesetzen
zum Trotz will Graf Waldemar von Haldern, Stine, eine Bürgerliche, heiraten; aber das
Mädchen lehnt ab: Ich käme mir albern und kindisch vor, wenn ich die Gräfin
Haldern spielen wollte." Die Ablehnung trifft Waldemar tief, er wählt den Freitod.
Die Wendung zu den früheren Eheromanen ist bezeichnend. Ein selbstbewußtes Bürgertum
hat seinen eigenen Wert entdeckt und löst die Standesprobleme der Bismarck - Ära auf
seine Weise.
Als Balladendichter hat sich
Fontane vor allem an der älteren geschichtlichen Ballade des Österreichers Moritz Graf
von Strachwitz (1822 - 1847) und an Übersetzungen der englisch - schottischen
Volksballade gebildet. Seine bekanntesten Balladen sind Archibald Douglas",
Gorm Grymme", Die Brücke am Tay" und John Maynard".
2. Kurze Übersicht über
das Stück Archibald Douglas"
In der Ballade Archibald
Douglas" von Theodor Fontane, die zur Epoche des Realismus geschrieben wurde, geht es
um das Thema Vergebung".
Die Geschichte handelt von
einem Edelmann, dessen Verwandte den König Jakob V. von Schottland verraten haben, und
der deswegen - obwohl er selber unschuldig ist - seit sieben Jahren verbannt ist. Nach
einer erregten Bittsprache, in der Douglas den König überzeugen will, ihn in die Heimat
zurückkehren zu lassen, da er diese so liebt, und des Königs Seneschall und Kindesfreund
war, gibt der König nach und erhebt ihn in seine alte Stellung zurück.
Ort der Handlung ist das alte
Schottland in der Gegend um Linlithgow, Zeit das spätere Mittelalter, um 1550 herum.
3. Interpretation
komplette Interpretation von
Archibald Douglas" nach Karl Moritz, Deutsche Balladen", Schöningh
Verlag, Seite 138 ff.
:
3.1. Theodor Fontane:
Archibald Douglas
Fontane wurde in seinem
Balladenschaffen stark beeinflußt von Bischof Percys Reliques of ancient English
poetry" und Walter Scotts Ministrelsy of the Scottish border", zwei
Bücher, die auf Jahre hin meine Richtung und meinen Geschmack bestimmten".
In letzterem findet sich die
von Scott auch anderswo erzählte Anekdote von dem Grafen Archibald Douglas von
Kilspindie, der von dem schottischen König Jakob V. mit dem ganzen Geschlecht der Douglas
verbannt wurde, obgleich dieser an dem alten Waffenmeister und Gefährten seine Jugend in
großer Liebe hing. Als Douglas hochbetagt in seine Heimat zurückkehrte, um des Königs
Gnade zu erflehen, wurde er abgewiesen, mußte ins Exil zurückkehren und starb in
Frankreich an gebrochenem Herzen".
Der englische König Heinrich VIII.
mißbilligte das Verhalten seines Neffen mit dem alten Reimspruch: A kings face
should give grace.
Diese kleine Douglas
Geschichte machte großen Eindruck auf mich, und da ich ganz der Ansicht von Heinrich
VIII. war, so modelte ich den Stoff in dem entsprechenden Sinne. Die Ansprache des Douglas
und die Antwort des Königs darauf schrieb ich noch am selben Abend, und zwar auf dem
kalten, weißgetünchten Vorflur des königlichen Schauspielhauses. Ich sehe mich noch
stehen, wie ich ein kleines Blatt nach dem anderen an den Wandpfeiler legte, um mit dem
Bleistift, der keine rechte Spitze mehr hatte, besser zu schreiben oder doch das Nötigste
festzuhalten".
- Am 3.12.1854 wurde die Ballade beim Stiftungsfest des Tunnels"
unter dem Titel Der Verbannte" mit Beifall vorgetragen. Der erste Druck
erfolgte in der Argo, Album für Kunst und Dichtung", 1857.
Aufbau
Eine klare Gliederung ergeben
die Erzähl- und Redestrophen, wobei letztere das größere Gewicht haben.
I - III: Die Ballade
beginnt mit einem Selbstgespräch, das eindrucksvoll die Entschlossenheit des Sprechers
spürbar macht, seine seelische Last nicht länger zu ertragen.
Das Was und Warum wird in
dem zweifachen es" (I) und dem sein" und er" (II
u. III) angedeutet, aber erst im weiteren Verlauf geklärt.
IV - VII: Die vier
folgenden Erzählstrophen beenden die Exposition. In die bedrückende Einsamkeit des alten
Grafen bricht der lärmende Jagdzug des jungen Königs. Unerwartet Schnell ist der Wunsch,
vor den König zu treten, in Erfüllung gegangen. Die Unterschiede in Haltung und
Verhalten deuten auf die Unterschiede, die beide Männer trennen.
VIII -XII: Die breit
ausgemalte Erinnerung an gemeinsame Erlebnisse soll den harten Sinn des Königs
sänftigen. Anfang und Schluß der Ansprache weisen auf die Unschuld hin; nur um seines
Namens willen hat Douglas sieben Jahre gebüßt.
XIII - XV: Die
Erinnerungen sind nicht ohne Wirkung, vermögen aber nicht, den Entschluß des Königs zu
ändern. Erster Höhepunkt.
XVI - XVII erzählen,
wie der alte Graf sich nicht abweisen läßt und mühsam mit dem Pferde schritthält. Der
Handlungsgang wird schneller.
XVIII - XX: Zum
äußersten entschlossen, wird das eigentliche Anliegen (XIX 3/4) hervorgestoßen.
XXI: Die Heimatliebe
bewirkt die Sinnesänderung des Königs. In theatralischer Geste gewährt er die Bitte.
Kulminationspunkt der Ballade.
XXII - XXIII: Die
Schlußstrophen geben die Begründung und malen eine gemeinsame Zukunft aus.
Strophenbau und Sprache
Fontane verwendet die im
18.
Jahrhundert aus England übernommene Chevy-Chase-Strophe, eine straffe, einprägsame
Form von volksliedhaftem Charakter. Die vier im Kreuzreim stehenden Verse mit männlichen
Ausgängen haben einen regelmäßigen Wechsel von vier und drei Hebungen; die Senkungen
sind wie im Volkslied ein- oder zweisilbig. Eine starke Atempause verwirklicht rhythmisch
die fehlende Hebung am Ende der zweiten und vierten Zeile (stumpfe Kadenz).
Dieses Strophenschema wird
hier feinfühlig variiert und jeweilig dem Sprecher und der Situation angepaßt. Die
beiden ersten Sprechpartien des Grafen Douglas wirken umständlich, aber schlicht, und
charakterisieren mit ihren rhetorischen Parallelismen und Wiederholungen die Sprechweise
des alten Mannes (hab es getragen - kann es nicht tragen; - Denk nicht - Denk lieber
- Denk lieber - Denk lieber - O denk an alles"; zudem die vielfachen und").
Die kummervoll - schleppende Rückschau in I wandelt sich in II und III zur
festen Entschlossenheit mit langsam steigendem Spannungsbogen.
Die frohen Erinnerungen in X
und XI werden durch die o-Klänge verbunden und unterstrichen (Stirlingschloß -
Vaters Roß; Linlithgow - jagen froh). Ähnlich wird das Schwanken des Königs zwischen
Härte und Milde rhythmisch und klanglich gekennzeichnet. Das mühsame, stoßhafte
Sprechen beim Berganritt kommt zum Ausdruck durch die kurzen, mit Ich"
beginnenden oder durch und" verbundenen Sätze mit steigendem, zerhacktem
Rhythmus, der hinter jedem Vers in XX auch innerhalb der ersten und dritten Zeile
eine deutlich markierte Atempause nahelegt.
Die herannahende Jagd (V,
3/4 u. VI, 1/2) wirkt in Bild, Klang und Rhythmus auf Auge und Ohr. Die einfühlende
Gestaltung Fontanes zeigt sich oft an Feinheiten.
So an der Stellung und der Betonung
eines aber", doch" oder nicht", an der rhythmisch
wirksamen Akzentverschiebung (z.B. in XXI) oder einer plötzlichen Verlangsamung.
Er vermeidet die großen Effekte, die große Komposition, das reich Ornamentierte, das
große Gewebe von Klang und Farbe. Als Künstler arbeitet er immer rasch und mit kleinsten
Mittel.
Hinweise für den Vortrag
der Ballade
Diese Ballade spricht sich am
besten im Stehen [.
..]. Atemversammlung eher hoch, wenn auch der Ton immer voll und gut
gestützt bleiben muß [...
]. Liedmäßig - langsam das Ganze, aber rufmäßig - laut und
kraftvoll, jeweils ein Verspaar in weitgespanntem Bogen als einheitliche Aussage nehmend.
Die moderne Manier, den Redefluß in rasch dahingeworfene Bruchstücke zu zerhacken, die
das geprägte Dichterwort dem Gestammel der Alltagsrede annähert - für diese Ballade
wäre sie tödlich. Der Wortlaut steht vorwiegend auf den Vokalen. Dennoch kommen die
Mitlaute - und besonders die stimmhaften und die Auslaute - kräftig.
Balladencharakter
Durch die Umformung der
schottischen Anekdote, deren Handlungsführung zielstrebig auf den königlichen Eid
ausgerichtet ist und tragisch unversöhnlich endet, gab Fontane seiner Ballade eine
völlig andere Struktur, wenn auch viele Einzelheiten der Vorlage übernommen wurden.
Die neue Fassung des
Endes wirkt sogleich im Sinne eines organisierten Prinzips, welches das Ganze durchdringt
und die Substanz des Heldenbildes und die Struktur der Ballade von Grund auf
verändert."
Das auf wenige Augenblicke
geraffte Geschehen, bei dem die Erzählzeit fast ebenso lang ist wie die erzählte Zeit,
fließt allein aus dem Charakter der beiden Personen. Die äußere Handlung ist gering;
das Gewicht liegt auf den seelischen Vorgängen, die behutsam und spannend in den 16
Redestrophen entfaltet werden. Die sieben Erzählstrophen haben daneben nur regiehafte
Bedeutung. Das Rollenmäßig - Dramatische" wird jedoch durch die liedhafte
Strophenform und durch die weichen, gefühlhaften Partien lyrisch gemildert.
Der Aufbau der Ballade verrät
uns, wie alles auf den gehaltlichen Kern zuläuft.
Die Liebe zur Heimat prägt die Haltung
des alten Grafen, lenkt sein Tun und schenkt ihm die ergreifenden Worte, durch die der
junge König schließlich gerührt und gewandelt wird. Aus der Heimatliebe fließen Treue-
und Versöhnungsbereitschaft, wodurch die humane Du - Bezogenheit und der untragische
Ausgang ermöglicht werden. Damit änderte sich auch die Substanz des
Heldenbildes", das nicht mehr dem starren Heldentyp der nordischen Ballade
entspricht. Nicht der geschichtliche Hintergrund ist strukturbildend, der auch in der
stofflichen Vorlage nur anekdotenhaft zu verstehen ist. Es wäre deshalb sehr
vordergründig, sie als historische Ballade zu kennzeichnen. Wir können sie als
Ideenballade im historischen Gewand ansprechen, als ein Preislied" aus die
Heimatliebe.
Die Leiderfahrung des alten
Grafen sowie die Menschlichkeit der beiden Handlungsträger wird betont, wodurch
Feindschaft und Rache überwunden werden und der versöhnliche Ausgang erreicht wird.
3.2. Historischer
Hintergrund
Geschlecht der Douglas
Die Douglas sind ein
schottisches Adelsgeschlecht, das seit 1175 nachgewiesen werden kann. Die Familie spielt
seit dem Ende des 13. Jahrhunderts eine wichtige Rolle in der Geschichte Schottlands.
1338
erwarb sie die Würde eines Earl of Angus, 1553 die eines Earl of Morton. Die Hauptlinie
des Geschlechts, die schwarzen Douglas starben 1498 aus. Die Nebenlinie, die roten
Douglas, erbte die Herrschaft. 1857 fiel ihr Besitz durch Heirat in die Hände der Earls
of Home Bed.
Der in der Ballade erwähnte
Archibald Douglas lebte von 1489-1557. Er war der Vormund König Jakobs V von Schottland
und war Haupt der englischen Partei am schottischen Hof.
Er heiratete 1514 Margarete
Tudor, die Schwester Heinrichs VIII von England und Witwe Jakobs IV, von der er sich bald
wieder trennte. 1528 bis 1543 wurde er nach England verbannt. Was passiert als er nach
dieser Zeit zurückkehrt erzählt die Ballade.
Jakob V
Jakob V wurde am 10.April 1512
in Linlithgow geboren und starb am 14. Dezember 1542 in Falkland.
Er wurde 1513 zum König
gekrönt und war der Vater von Maria Stuart. Er stellte sich der Ausbreitung der
Reformation entgegen. Seine Ehen mit der Tochter von Franz I von Frankreich und mit Maria
von Schottland verstärkten die Spannungen zwischen England und Schottland. So daß er
1542 vor England kapitulieren mußte.
4. Ballade
Das Gedicht Archibald
Douglas" ist eine Ballade.
Der Begriff Ballade kommt von dem italienischen Wort
ballata" (= Tanzlied). Eigentlich ist es ein in den romanischen Ländern von
den Tanzenden gesungenes, kurzes und strophetisches Lied.
In England dagegen, woher auch
unser Gedicht stammt, übetrug man den Liedbegriff auf volksmäßige und leicht singbare
Gedichte, die sprunghaft unter Benutzung der dramatischen wirkenden Dialogform ein
auffallendes Ereignis, oft eine Heldentat, episch erzählten und zugleich in lyrische
Stimmung lösten, was sich auch in Archibald Douglas" zeigt.
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