Dshamilja
Tschingis wurde 1928 im Dorf Sheker, Kirgisien, geboren. Mit fünfzehn
war er Sekretär des Dorfsowjets in Sheker. Genau in dieser Zeit spielt
das Werk „Dshamilja". 1946 studierte er an der Technischen Hochschule
in Dshambul Veterinärmedizin. Im Jahre 1956 geht Aitmatow an das Literaturinstitut
„Maxim Gorki" nach Moskau. Dort blieb er bis 1958.
Aitmatows Name repräsentiert - auch in der westlichen Welt - die beste
zeitgenössische Sowjetliteratur. Tschingis Aitmatow lebt heute in Moskau
und Frunse (Kirgisien).
Über das Werk
Im zentralasiatischen nordöstlichen Kirgisien, irgendwo im Tal des Kukureuflusses,
im Sommer des dritten Kriegsjahres, 1943, hat sie sich abgespielt, „die
schönste Liebesgeschichte der Welt" (so das Vorwort von Louis Aragon).
Said, der damals Fünfzehnjährige, erzählt die Geschichte seiner
jungen, verheirateten Schwägerin Dshamilja, und einem ehemaligen Soldaten,
Danijar, die sich ineinander verlieben. Er wußte damals nicht, wie Liebe
sich zuträgt und berichtet daher mit großem Erstaunen.
Handlungsverlauf
Die Geschichte spielt in einem kleinen Aul.
Dieses befindet sich im Nordosten
von Kirgisien, in einem Gebiet, das an Kasachstan grenzt. Während die Männer
in Kursk und Orel an der Front sind, arbeiten die jungen Burschen und die Frauen
auf der Kolchose.
Auf einem kleinen, flachen Hügel liegen zwei von einer dichten Ziegelmauer
umschlossene Gehöfte. Das sind die zwei Häuser, in denen Said, Dshamilja
und deren Familien wohnen. Die wenigen Männer, die es noch im Aul gibt,
nützen die Situation dazu aus, die Frauen verächtlich zu behandeln.
Es ist keine angenehme Zeit, weder für Frauen, noch für Mütter,
deren Söhne an der Front sind.
Said wurde wie alle Kinder zu strenger Ordnung
und Arbeitsliebe und zur Ehrfurcht vor den alten Leuten erzogen.
Zwischen Dshamilja und ihrem Schwager Said herrscht eine besondere Beziehung.
Sie sind die besten Freunde, wagen es jedoch nicht, sich mit dem Vornamen anzureden.
Said nennt sie Dshene, und Dshamilja nennt ihn, wie es der Brauch des Auls vorsieht,
Kitschine bala. Said ist sehr stolz darauf, der Schwager von Dshamilja zu sein,
und wie es der Adat verlangt, paßt er gut auf sie auf. Immer wenn ein
Mann Dshamilja belästigt, ist es Saids Aufgabe, ihn in die Flucht zu schlagen.
Eines Tages kehrt Danijar, ein Landsmann aus dem Aul, von der Front zurück
um zu arbeiten. Er ist von der Zeit im Krieg geprägt und daher sehr schweigsam
und verschlossen. Er hält sich abseits und nimmt am Leben des Auls keinen
Anteil. Schnell wird er dadurch zum Außenseiter. Wegen einer Verletzung
am Knie arbeitet er gemeinsam mit den jungen Leuten bei der Heumahd. Danijar
ist das genaue Gegenteil von Dshamilja: sehr introvertiert und für Said
erscheint er sogar geheimnisvoll.
Eines Abends, als alle um ein Lagerfeuer herum
sitzen, fordert Said Danijar auf, vom Krieg zu erzählen. Danijar schweigt
und scheint sogar etwas verärgert. Letztlich antwortet er „Vom Krieg
soll ich erzählen? Für euch ist es besser, wenn ihr nie etwas vom
Krieg erfahrt." Wegen seiner Andersartigkeit wird er zum Opfer von Dshamiljas
und Saids Streichen und Späßchen. Wenn sie gemeinsam mit dem Getreidewagen
durch die Steppe fahren, macht sie sich über sein Aussehen und seine Arbeitsweise
lustig. Danijar wehrt sich aber nie dagegen.
Er ärgert sich zwar darüber,
läßt sie aber über sich ergehen. Die Arbeiter müssen bei
der Heumahd die Getreidesäcke zur Sammelstelle bringen und sie dort die
schmale Treppe hinauf in den Silo schleppen. Bei einer Fuhre nehmen hier die
Späße, die sich Dshamilja und Said mit Danijar machen einmal ein
jähes Ende: Unter den Getreidesäcken, die sie fahren müssen befindet
sich ein riesiger Zwei-Zentner-Sack, den sie immer zu zweit tragen, weil er
für einen zu schwer ist. Als Danijar den Sack beim Ausladen entdeckt und
einen Augenblick überlegt, was mit ihm zu tun sei, hänseln Dshamilja
und Said ihn wieder. Aus Trotz auf den Spott, stemmt Danijar den Sack auf seine
Schultern und geht damit auf den Speicher zu. Mit dieser Reaktion haben die
beiden nicht gerechnet.
Dshamilja versucht ihn aufzuhalten, als sie bemerkt,
daß er den Sack alleine tragen möchte. Doch Danijar geht die Treppe
hinauf. So setzt er einen Schritt vor den anderen, während Dshamilja und
die anderen ihm zurufen, den Sack fallen zu lassen. Dshamilja bemerkt, daß
er auf seinem verwundeten Bein stärker hinkt, als sonst. Jeder neue Schritt
verursacht ihm solche Schmerzen, daß er krampfhaft den Kopf schüttelt
und innehält. Je höher er die Treppe hinaufsteigt, desto stärker
schwankt er unter dem Sack.
Er muß weitergehen und es schaffen, den Sack
auf dem Speicher abzuladen, da hinter ihm die nächsten Leute mit ihren
Säcken kommen. Dshamilja, die sich nun schon ernstliche Sorgen um Danijar
macht, schickt Said auf die Treppe um ihm zu helfen. Doch Danijar nimmt Saids
Hilfe nicht an, und schafft es mit all seinen letzten Kräften den Sack
in den Speicher fallen zu lassen und die Treppe hinabzusteigen. Dshamilja schämt
sich und hat Mitleid mit Danijar, der jetzt noch mehr auf seinem Bein humpelt
als zuvor. Ab diesem Zeitpunkt verändert sich Dshamilja. Sie lacht nicht
mehr so wie früher, macht nicht mehr ihre Späße mit den Leuten
und ist Said gegenüber ganz verschlossen.
Dshamilja und Said versuchen
Danijar vorerst aus dem Weg zu gehen. Während sie jeden Tag zu dritt mit
dem Wagen durch die Landschaft fahren, beginnt sich langsam eine Beziehung zwischen
Dshamilja und Danijar aufzubauen. Während einer Wagenfahrt passiert etwas,
daß sich Dshamilja und Said nie gedacht hätten: Danijar singt! Sie
sind ganz fasziniert und lauschen jedesmal ganz aufmerksam der Stimme Danijars.
Danijar und Dshamilja kommen sich während der Kutschenfahrten immer näher.
Anfänglich empfindet Said Eifersucht deswegen. Doch Danijars Lieder sind
der Grund dafür, daß sich Saids Vorstellungen von Gut und Böse
umwerfen.
Er beginnt sich für Dshamilja zu freuen und will, daß sie
glücklich wird. Dshamilja und Danijar verlieben sich ineinander. Die Liebe
zwischen den beiden ist für Said ein Gefühl, das er nur durch das
Zeichnen ausdrücken kann, er nennt es eine Inspiration. Da Dshamilja ihre
Liebe zu Danijar im Aul verstecken müßte, beschließt sie, Abschied
zu nehmen und mit Danijar fortzugehen. Nur Said versteht, warum sie das Aul
verlassen. Das Bild, das er an jenem Tag von den beiden anfertigte, erinnert
ihn an diese Zeit und an Danijars Stimme.
Auch er verläßt das Aul,
um die Kunstschule und die Akademie zu besuchen. Das Bild wird seine Diplomarbeit.
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