Lessing, gotthold ephraim, emilia galotti - typische gerschlechter- / standesrollen ?
Gliederung
A) Aufarbeitung des Motivs der Virginia
B) Charaktere typisch für ihren Stand und ihr Geschlecht?
I. Prinz
1. Keine typische Geschlechterrolle
a) Unfähigkeit selbst zu denken
b) Verhalten
2. Typische Standesrolle
a) Despotischer Herrscher
II. Orsina
1. Keine typische Geschlechterrolle
a) Emanzipiertes Auftreten
b) Selbstständiges Denken
2.
Typische Standesrolle
a) Vertreten des egoistischen Denkens des Adels
III. Appiani
1. Typische Geschlechterrolle
a) Streit mit Marinelli
b) Pflichterfüllung als Ehemann
2. Keine typische Standesrolle
a) Bürgerliche Moralvorstellungen
b) Verlassen des Hofes
IV. Emilia
1. Typische Geschlechterrolle
a) Hilflosigkeit
b) Naivität
2.
Typische Standesrolle
a) Bürgerliche Moralvorstellungen
b) Bereit aus Überzeugung zu sterben
V. Lessings Dramentheorie
C) Wirkung des Werks
D) Literaturverzeichnis
E) Erklärung
Lessing hat in seinem bürgerlichen Trauerspiel "Emilia Galotti" das auf den antiken Historiker Livius zurückgehende Motiv der Virginia wieder aufgearbeitet, indem er am tragischen Ende den Vater seine eigene Tochter Emilia umbringen lässt, da beide davon überzeugt sind, dass diese nur so vor der Verführung durch den Prinzen, der Emilia kurz vor ihrer Hochzeit um jeden Preis zu seiner Geliebten machen will, geschützt werden und damit ihre Unschuld bewahren kann. Lessing wählte jedoch eine bürgerliche "Virgina" für sein Stück.
Das Drama handelt also von Personen, die aus zwei gegensätzlichen sozialen Schichten stammen, dem Bürgertum und dem Adel. Doch inwiefern sich diese Charaktere ihrem Stand und auch ihrem Geschlecht gemäß verhalten und inwiefern nicht, möchte ich im Folgenden an dem Beispiel von zwei zentralen weiblichen und zwei zentralen männlichen Figuren darlegen.
Als erstes werde ich mich einer der zentralsten Personen widmen, dem Prinzen.
Meiner Meinung nach entspricht dieser keiner typischen Geschlechterrolle. So fleht er, ziemlich am Anfang des Werks, seinen Kammerherrn Marinelli an: "Liebster, bester Marinelli, denken Sie für mich." , wobei nach Gräfin Orsina eigentlich den Frauen vorbehalten ist, nicht selbstständig zu denken .
Außerdem verhält er sich an gleicher Stelle eher wie ein Kind bzw. ein Teenager und nicht wie ein Mann, wie er so verzweifelt und hilflos die Hilfe seines Kammerherrn ersucht und wie er theatralisch behauptet, er sei verloren , weil Emilia noch am selben Tag den Grafen Appiani heiraten will.
Auch am Ende des Stücks steht der Prinz nicht seinen Mann.
Er gibt Marinelli die ganze Schuld, schickt ihn in die Verbannung und bezeichnet ihn sogar als Teufel. Daran, dass er an der ganzen Tragödie eine Mitschuld trägt, denkt der Prinz erst gar nicht.
Seiner Standesrolle wird der Prinz jedoch gerecht. Ich denke, dass er ein ziemlicher Despot ist, also "ein Herrscher, der seinen Staat u[nd] seine Untertanen wie sein Eigentum, d.h. willkürl[ich] u[nd] ohne gesetzl[iche] Einschränkung, beherrscht.
Im Gegensatz zur Monarchie ist die Despotie an keine ethischen oder gewohnheitsrechtl[ichen] Schranken gebunden u[nd] entbehrt vor allem jeder Achtung vor dem Recht u[nd] der Würde des Menschen" . Die Willkür des Prinzen erkennt man vor allem, als er einer gewissen Emilia Bruneschi eine Bittschrift gewährt, nur weil diese auch den Namen Emilia trägt und als er "recht gern" ein Todesurteil unterschreiben will, ohne sich überhaupt Gedanken darüber zu machen . Des weiteren versucht er mit allen Mitteln seine Ziele zu erreichen, gleichgültig, ob es nicht rechtmäßig ist. So lässt er z.B. sogar die Kutsche, in der sich Emilia befindet, überfallen, wobei sogar Menschen ums Leben kommen .
Eine weitere zentrale Figur ist die Gräfin Orsina, die ehemalige Geliebte des Prinzen. Ich finde, dass Orsina keine typische Frau der damaligen Zeit darstellt, denn diese scheint schon recht emanzipiert zu sein. Sie durchschaut das Geschehen, weiß was sie will, nämlich Rache am Prinzen, der kein Interesse mehr an ihr zeigt, und versucht diese zu bekommen, indem sie den Vater Emilias, der ebenfalls alles andere als gut auf den Prinzen zu sprechen ist, geschickt um den Finger wickelt. Dies zeigt auch, dass Orsina eine kluge Frau ist und es sehr wohl gewohnt ist, selbstständig zu denken, obwohl sie selbst meint, dass "[e]in Frauenzimmer, das denkt, [...
] ebenso ekel als ein Mann [ist], der sich schminkt" .
Auch Orsina ist anscheinend jedes Mittel recht um ihren Interessen nachzukommen und ist meiner Meinung nach deswegen auch eine typische Adelige, da es ganz so scheint, als wären Intrigen für das höfische Leben eine ganz normale Art um an seine Ziele zu gelangen, was Orsina sogar selbst erkennt, denn sie sagt: "Verdammt, über das Hofgeschmeiß! So viel Worte, so viel Lügen!" . Würde Orsina die bürgerliche Moral vertreten, würde sie außerdem Odoardo niemals dazu bringen wollen, den Prinzen zu töten.
Des weiteren entspricht der Bräutigam Emilias, Graf Appiani, wohl schon seinem Geschlecht, jedoch nicht seinem Stand. Er legt sich mit dem Kammerherrn Marinelli an, nennt ihn sogar einen "Affen" , was sich eine Frau niemals herausnehmen hätte können.
Außerdem nimmt er seine Pflichten als Bräutigam ziemlich ernst, da er, um die Hochzeit mit Emilia nicht verschieben zu müssen, sogar eine Aufgabe des Prinzen ausschlägt, die er eigentlich "mit Begierd ergri[ff]en" hätte.
Dies weist wiederum auch darauf hin, dass Appiani die bürgerlichen Moralvorstellungen, im Gegensatz zu Orsina, die, genauso wie er, auch zum mittleren Adel gehört, als sehr erstrebenswert empfindet. So schwärmt er von Emilias Vater, er sei "[d]as Muster aller männlichen Tugenden" und in dessen Gegenwart wäre sein "Entschluss, immer gut, immer edel zu sein, lebendiger" als nie zuvor, außerdem bewundert er an Emilia ihre Frömmigkeit , was ja auch ein Merkmal der bürgerlichen Moralvorstellungen darstellt.
Doch was wesentlich schwerer wiegt, ist die Tatsache, dass Appiani überhaupt eine bürgerliche Frau heiraten will, sogar sagt, die Hochzeit sei ihm "mehr wert als [s]ein ganzes Leben" und mit Emilia den Hof verlassen möchte, womit er also aus Liebe seine gesellschaftliche Stellung völlig aufzugeben bereit ist.
Nun komme ich zu der wichtigsten Person der Tragödie, Emilia Galotti. Ich bin der Ansicht, dass diese eine typische bürgerliche Tochter darstellt. Sie ist geprägt von der strengen Erziehung ihres tugendhaften Vaters und hat sich diesem brav unterzuordnen.
Ohne ihre Eltern scheint sie ziemlich verloren, z.B. ist sie vollkommen aufgelöst, ängstlich und verwirrt, nachdem der Prinz sie in der Kirche angesprochen hatte, und nur ihre Mutter kann sie wieder beruhigen . Dass Emilia aus der Kirche einfach vor dem Prinzen davon läuft, zeigt auch, dass sie alleine nicht zurecht kommen könnte, wenn sie es schon in einer solchen Situation mit der Angst zu tun bekommt.
Es zeugt auch von Naivität, dass Emilia in der Kirche einfach so tun will, als ob sie nicht hört, was der Prinz ihr ins Ohr sagt, obwohl klar ist, dass sie es hört, da der Prinz ja dicht hinter ihr ganz nah an ihrem Ohr sitzt .
Dass Emilia regelmäßig in die Kirche geht ist schon ein Zeichen dafür, dass sie nach den bürgerlichen Moralvorstellungen lebt.
Sogar der Prinz weiß, dass "das fromme Mädchen [pflegt] alle Morgen bei den Dominikanern die Messe zu hören" . Weiterhin empfindet Emilia die Geschenke ihres Verlobten als "verschwenderischen Großmut" , was zeigt, dass sie keinen Wert auf materielle Dinge legt und lieber sparsam und genügsam lebt.
Am Ende des Stücks wird gezeigt, wie großen Wert Emilia auf die Tugend legt, denn sie ist sogar bereit zu sterben um ihre Unschuld und somit ihre Ehre zu bewahren. Sie spürt nämlich, dass der Prinz in der Lage wäre, sie zu verführen, empfindet dies aber, auch auf Grund ihrer rigiden Erziehung, Sexualität wäre außerhalb der Ehe strengstens verboten und dürfte nur zur Erzeugung neuen Lebens dienen, als so schändlich, dass sie lieber stirbt.
Ziel der Tragödien Lessings ist es Furcht und Mitleid zu erregen. "Die Erregung von Furcht und Mitleid kann aber nur erreicht werden, wenn die [.
..] handelnden Personen in ihren Leidenschaften dem Zuschauer ähnlich sind. Ein nur edler Mensch ist langweilig." "Der Held muss nach Lessing einen gemischten Charakter haben: Der Gute muss auch negative Eigenschaften aufweisen, der Böse auch gute oder zumindest solche, die eine Identifikation durch Mitleid, Furcht und Schrecken ermöglichen und den Zuschauer dadurch von eben diesen Eigenschaften befreien." Wie ich meine, ist Lessing eben dies in "Emilia Galotti" nur zu gut gelungen.
"Heute zählt das Stück, das schon 1783 ins Französische, bald danach auch ins Englische, Russische und Polnische übersetzt wurde, wieder zu den meistgelesenen - und wird auch immer wieder gespielt."
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