Deutschland
Bundesrepublik Deutschland
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EINLEITUNG
Bundesrepublik Deutschland, Land in Mitteleuropa, grenzt im Norden an die Nordsee, an Dänemark und an die Ostsee, im Osten an Polen und die Tschechische Republik, im Süden an Österreich und die Schweiz und im Westen an Frankreich, Luxemburg, Belgien und die Niederlande. Die amtliche Bezeichnung lautet Bundesrepublik Deutschland (BRD). Die Gesamtfläche des Landes beträgt 356 970 Quadratkilometer. Hauptstadt und zugleich größte Stadt Deutschlands ist Berlin.
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LAND
Die maximale Ausdehnung beträgt von Norden nach Süden circa 880 Kilometer und von Westen nach Osten rund 750 Kilometer.
2.
1
Physische Geographie
Deutschland gliedert sich in drei geographische Großräume - das Norddeutsche Tiefland, die Mittelgebirgszone und die Alpen mit Alpenvorland. Das Norddeutsche Tiefland wurde während der Eiszeiten des Pleistozäns überformt und wird von Moränen, Niederungen und Heidelandschaft (Lüneburger Heide) geprägt. Die Nordseeküste ist eine ausgesprochene Wattenküste; ihr sind zahlreiche Inseln vorgelagert, darunter die Ost- und die Nordfriesischen Inseln sowie Helgoland. Die Küste wird durch die Mündungen mehrerer Flüsse (u. a. Elbe, Weser und Ems) gegliedert.
An das die Nordseeküste säumende Marschland schließt landeinwärts sandige Geest an. Die Ostseeküste ist im Bereich von Schleswig-Holstein als typische Fördenküste, weiter nach Osten hin als Boddenküste entwickelt. Rügen ist mit einer Fläche von 927 Quadratkilometern die größte Insel Deutschlands. Die Jungmoränenlandschaft im Hinterland der Ostseeküste umfasst im Westen zahlreiche Moore. Der nach Osten hin anschließende Mecklenburgische Höhenrücken, eine kuppige Grundmoränenlandschaft, ist überaus seenreich; einen besonders eindrucksvollen Landschaftsraum bildet die Mecklenburgische Seenplatte. Nach Süden geht dieser Landrücken in die Märkische Tiefebene über, zu der ausgedehnte Niederungen wie Spreewald, Oderbruch und Havelland gehören.
Eine Altmoränenlandschaft (u. a. mit Niederlausitz, Fläming und Altmark) schließt an diese Niederungen nach Süden an. Das Norddeutsche Tiefland endet im Süden in der Bördenzone; sie umfasst mehrere vor den Mittelgebirgen gelegene lößbedeckte Gebiete (u. a. Niederrheinische Bucht, Magdeburger Börde und Leipziger Tieflandsbucht).
Die Mittelgebirgszone reicht vom Rheinischen Schiefergebirge im Westen über das Hessische Bergland, das Weser- und das Leinebergland, den Harz, das Thüringer Becken und das Fichtelgebirge bis zu den Sudeten im Osten. Vom dicht bewaldeten Fichtelgebirge gehen nach Nordwesten der Frankenwald und der Thüringer Wald, nach Nordosten das Erzgebirge und in südöstlicher Richtung der Böhmerwald mit Oberpfälzer Wald und Bayerischem Wald aus. Im südwestlichen Deutschland war der Einbruch des rund 300 Kilometer langen Oberrheingrabens von entscheidender Bedeutung für die Ausprägung der Landschaftsformen. Im Zuge der Grabenbildung entstand westlich des Rheins der Pfälzer Wald, auf der Ostseite kam es zur Bildung von Spessart, Odenwald und Schwarzwald. Das aus Schwäbischer und Fränkischer Alb bestehende Schwäbisch-Fränkische Schichtstufenland weist aufgrund des verbreitet auftretenden Kalkgesteins typische Verkarstungserscheinungen auf.
Die Donau markiert die Grenze zwischen der Schichtstufenlandschaft und dem südlich anschließenden Alpenvorland.
In den Niederungen der nördlichen Bereiche dieses Naturraums sind stellenweise Moorgebiete wie das Donaumoos und fruchtbare Lößgebiete (z. B. Hallertau) entwickelt. Nach Süden hin prägen im Zuge der pleistozänen Eiszeiten entstandene Schotterflächen, Moränen und Seen das Landschaftsbild. Im äußersten Süden hat Deutschland Anteil an den Nördlichen Kalkalpen. Die Zugspitze ist mit 2 962 Metern der höchste Berg des Landes.
2.2
Flüsse und Seen
Mit Ausnahme des Rheins, dessen Quellgebiet in den Schweizer Alpen liegt, entspringen die längsten Flüsse Deutschlands in der Mittelgebirgszone. Auf deutschem Gebiet ist der insgesamt 1 320 Kilometer lange Rhein der längste Strom; er durchquert das Land im Südwesten und Westen auf einer Länge von 865 Kilometern. Auch die anderen Hauptströme wie Elbe, Donau und Oder sind für die Schifffahrt von großer Bedeutung. Die Süddeutschland von Westen nach Osten durchziehende Donau mündet in das Schwarze Meer, während die anderen Hauptflüsse nach Norden strömen und in die Nordsee bzw. die Ostsee münden.
Ems, Weser, Elbe und Oder werden durch ein stellenweise fein verzweigtes Kanalsystem miteinander verbunden. Der Nord-Ostsee-Kanal stellt eine Verbindung zwischen beiden Randmeeren her. Der umstrittene Main-Donau-Kanal ist Teil des Binnenwasserstraßensystems zwischen dem Schwarzen Meer und der Nordsee.
Viele Seen in Deutschland sind im Zuge der Tätigkeit von Gletschern und Inlandeismassen der letzten Eiszeiten entstanden. Seenreich sind vor allem Holstein, Mecklenburg (Mecklenburgische Seenplatte) und Vorpommern sowie das östliche Alpenvorland. Die durch vulkanische Aktivität entstandenen Maarseen der Eifel stellen eine landschaftliche Besonderheit dar.
Größter See des Landes ist der insgesamt 540 Quadratkilometer große Bodensee, der auch auf das Staatsgebiet von Österreich und der Schweiz übergreift; er erstreckt sich in Deutschland über 305 Quadratkilometer.
2.3
Klima
Deutschland liegt im Übergangsbereich zwischen dem ozeanisch beeinflussten Klima Westeuropas und dem kontinentalen Klima des östlichen Europa. Die nördlichen Landesteile sind aufgrund der Nähe zu Nord- und Ostsee maritimer geprägt als der Süden, in dem die Temperaturunterschiede im Jahresverlauf größer sind. Die durchschnittliche Jahrestemperatur liegt landesweit bei 9 °C. Im Januar beträgt die mittlere Temperatur im Norden um 0 °C, im Süden etwa -2 °C; im Juli liegen die Werte bei 17 °C bzw.
19 °C. Am Funtensee im Nationalpark Berchtesgaden wurde am 25. Dezember 2001 mit -45,9 °C die tiefste Temperatur in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen registriert.
Charakteristisch für das Klima in Deutschland sind das Vorherrschen von Westwetterlagen und die Unbeständigkeit des Wetters. Aufgrund der relativ geringen Höhenlage und der Abschirmung durch Mittelgebirge ist das obere Rheintal klimatisch begünstigt.
Niederschläge fallen zu allen Jahreszeiten, Hauptregenzeit ist jedoch der Sommer.
Die Jahresniederschläge reichen von etwa 500 Millimetern in den Leelagen der Mittelgebirge bis zu mehr als 2 000 Millimetern in den Hochlagen der Alpen. Im Norddeutschen Tiefland werden circa 700 Millimeter erreicht, in den windexponierten Lagen der Mittelgebirge 800 bis 1 400 Millimeter. Eine Besonderheit im Alpenvorland ist der Föhn, ein warmer Fallwind aus südlichen Richtungen.
2.4
Flora und Fauna
Das Gebiet des heutigen Deutschland war vor Beginn der Siedlungstätigkeit des Menschen fast ausschließlich von Wald bedeckt; zu den wenigen unbewaldeten Lebensräumen gehörten (neben den Gewässern) Moore, Flussauen und Hochgebirgsregionen. Heute ist die natürliche Vegetation weitgehend zerstört.
Wälder, die hinsichtlich Baumartenzusammensetzung und Altersklassenstruktur der Bäume mit den ursprünglichen Naturwäldern nur wenig zu tun haben, nehmen rund 31,6 Prozent der Landesfläche ein (2000); die größten Waldanteile gibt es in Bayern und Baden-Württemberg. Etwa zwei Drittel der Waldfläche sind von Fichten, Kiefern und anderen Nadelbäumen bedeckt, der Rest von Laubbäumen wie Buchen, Birken und Eichen.
Dem Waldschadensbericht 2001 zufolge sind 42 Prozent der Bäume leicht und 22 Prozent stark geschädigt. Von den Schäden betroffen sind insbesondere Eichen und Buchen, von denen nur 21 bzw. 25 Prozent als gesund gelten. Seit 1996 ist der Zustand der Waldbäume trotz deutlicher Reduktion des Schwefeldioxidausstoßes praktisch unverändert.
Durch die Zerstörung natürlicher Lebensräume wurde auch die Fauna stark beeinträchtigt. Die großen Raubtiere Braunbär und Wolf wurden bereits vor Jahrhunderten ausgerottet, in neuerer Zeit sind Wölfe allerdings in geringer Zahl wieder nach Ostdeutschland eingewandert. Versuche, Luchse und Biber wieder einzubürgern, waren gebietsweise erfolgreich. Die landbewohnende Säugetierfauna besteht zudem aus den für Mitteleuropa charakteristischen Arten von Paarhufern (Reh, Rothirsch, Wildschwein), Raubtieren (Rotfuchs, Wildkatze, Dachs und andere Marderarten), Nagetieren (Eichhörnchen, Bilche, Feldhamster, Mäuse, Wühlmäuse), Fledermäusen, Insektenfressern (Igel, Maulwurf, Spitzmäuse) und Hasentieren (Feldhase, Wildkaninchen). Aus anderen Faunenregionen sind Waschbär, Marderhund und Bisamratte eingewandert bzw. wurden eingebürgert.
In der Nordsee leben Seehunde und Schweinswale.
In Deutschland sind über 250 Vogelarten als Brutvögel nachgewiesen, von denen mehr als ein Drittel gefährdet sind. Insbesondere Großvögel wie Weißstörche, Kraniche, Großtrappen, Auerhühner oder Seeadler sind nur noch selten anzutreffen, wenngleich Schutzbemühungen - etwa beim Uhu - durchaus Erfolge zeigen. Im Kulturland häufig zu beobachten sind Amsel, Buchfink, Bachstelze, Kohlmeise, Star, Haussperling, Hausrotschwanz, Ringeltaube, Stockente, Mäusebussard und Turmfalke. Eine arten- und individuenreiche Vogelwelt u. a.
aus Möwen, Enten, Gänsen und Watvögeln stellt sich insbesondere zur Zugzeit an den Meeresküsten ein.
Die relativ artenarme Reptilienfauna Deutschlands besteht vor allem aus Eidechsen (u. a. Waldeidechse und Zauneidechse), Blindschleichen und Schlangen (u. a. Ringelnatter und Kreuzotter).
Eine auffallende Amphibienart ist der Feuersalamander, weit verbreitet sind Grasfrösche, Wasserfrösche, Erdkröten und Molche. In den Küstengewässern von Nord- und Ostsee leben die wirtschaftlich bedeutenden Heringe, Dorsche und Schollen. Aale, Welse und Forellen bewohnen zumeist Fließgewässer, in Weihern und Seen finden sich Hechte, Karpfen und andere Speisefische.
3
BEVÖLKERUNG
Die Einwohnerzahl von Deutschland beträgt rund 82,40 Millionen (2003). Die mittlere Bevölkerungsdichte liegt bei 231 Einwohnern pro Quadratkilometer. Die Bevölkerungsdichte in den Gebieten der ehemaligen DDR ist insgesamt niedriger als die im westlichen Teil Deutschlands.
Der Anteil ausländischer Bewohner liegt bei rund 9 Prozent. Die stärkste Gruppe unter den 7,3 Millionen Ausländern stellen Türken mit etwas mehr als zwei Millionen; außerdem leben circa 750 000 Bürger aus dem ehemaligen Jugoslawien, etwa 600 000 Italiener, rund 360 000 Griechen, etwa 280 000 Polen sowie Staatsangehörige zahlreicher weiterer Länder in Deutschland. Mehr als die Hälfte der Ausländer lebt bereits länger als zehn Jahre in Deutschland. Die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein (etwa 60 000 Menschen), die Friesen in Nordfriesland, Schleswig und Niedersachsen (etwa 12 000 Menschen) und die Sorben in Brandenburg und Sachsen (etwa 60 000) genießen bestimmte Sonderrechte (z. B. politischen Minderheitenschutz, Schulunterricht in der eigenen Sprache).
Erstmals seit der Wiedervereinigung stieg die Zahl der Geburten im Vergleich zum Vorjahr im Jahr 1996 wieder an (um 3,8 Prozent). Besonders stark war diese Zunahme in den neuen Bundesländern. Die Wachstumsrate der Bevölkerung liegt bei 0,04 Prozent im Jahr (2003). Die Lebenserwartung liegt für Männer bei 75,5 Jahren und für Frauen bei 81,5 Jahren (2003).
3.1
Wichtige Städte
Die Urbanisierungsrate ist sehr hoch; 88 Prozent der Bevölkerung leben in Städten (2001).
Die Hauptstadt Berlin ist mit 3,38 Millionen Einwohnern (2001) größte Stadt des Landes. Eine ganze Reihe von Regierungsbehörden hat allerdings immer noch ihren Sitz in der früheren Hauptstadt Bonn (302 000 Einwohner), einer alten Universitätsstadt am Rhein. Die größten Städte Deutschlands neben Berlin sind Hamburg (1,72 Millionen Einwohner), München (1,21 Millionen), Köln (963 000), Frankfurt/Main (647 000), Essen (595 000), Dortmund (589 000), Stuttgart (584 000) und Düsseldorf (569 000).
3.2
Sprache
Die deutsche Sprache mit ihren zahlreichen Mundarten gehört zu den indogermanischen Sprachen. In einigen Regionen Schleswig-Holsteins ist Dänisch Schulsprache; in der Lausitz lebt eine Sorbisch sprechende Minderheit.
Das Friesische wird im Bereich der Nordseeküste heute wieder vermehrt gesprochen.
3.3
Religion
Die Mehrzahl der Deutschen ist katholisch (vor allem im Süden des Landes) bzw. protestantisch. Daneben gibt es verschiedene kleinere, vornehmlich christlich ausgerichtete Glaubensgruppierungen. Etwa 30 Prozent der Bevölkerung sind konfessionslos.
Formal sind Kirche und Staat strikt getrennt; die großen christlichen Kirchen sind allerdings u. a. an Schulen und Universitäten, aber auch in Radio und Fernsehen mit eigenen Sendungen präsent und genießen innere Autonomie. Der Staat übernimmt die Einziehung der Kirchensteuer.
Durch den großen Anteil türkischer Arbeitnehmer und deren Familien bilden die Muslime inzwischen eine große Glaubensgruppe; daneben gibt es etwa 47 000 Juden in Deutschland.
3.
3.1
Feiertage
Gesetzliche Feiertage in Deutschland sind Neujahr (1. Januar), Ostern, der Tag der Arbeit (1. Mai), Pfingsten, Christi Himmelfahrt, Fronleichnam, der Tag der Deutschen Einheit (3. Oktober), Allerheiligen (1. November) und Weihnachten, das vom Heiligen Abend bis zum zweiten Weihnachtstag dauert.
Daneben gibt es Festtage, die je nach Region variieren. Der Karneval bzw. die Fastnacht oder der Fasching werden besonders im Rheinland und in Süddeutschland, vor allem im schwäbisch-alemannischen Raum, gefeiert.
3.4
Soziales
Deutschland verfügt über ein umfassendes System von staatlichen Sozialversicherungen, darunter eine gesetzliche Krankenversicherung sowie Unfallversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung. Finanziert werden sie durch anteilige Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie durch Zuschüsse des Bundes.
Die Mitgliedschaft in den staatlichen Versicherungen ist für die große Mehrheit der Arbeitnehmer verpflichtend. Um den Standort Deutschland attraktiver zu machen, versuchte der Staat ab Mitte der neunziger Jahre, die Wirtschaft von Lohnnebenkosten zu entlasten und dadurch die Massenarbeitslosigkeit zu bewältigen. Dies führte zu einem partiellen Abbau der Versicherungsleistungen und gleichzeitig zu einer wachsenden Belastung der Arbeitnehmer durch gestiegene Sozialabgaben; Letztere reduzieren das Bruttoeinkommen eines Arbeitnehmers gegenwärtig um rund 20 Prozent.
Ende 1997 gab es rund drei Millionen Bezieher von Sozialhilfe; davon waren etwa 56 Prozent weiblich und rund 44 Prozent männlich. In den neuen Bundesländern stieg die Zahl der Sozialhilfeempfänger im Vergleich zum Vorjahr stärker als in den alten. Im Februar 1998 erreichte die Arbeitslosenzahl mit circa 4,8 Millionen den höchsten Stand seit Kriegsende.
Das Arbeitslosengeld wurde auf rund die Hälfte des letzten Nettoeinkommens reduziert; gleichzeitig wurden die Zumutbarkeitsregelungen für die Annahme einer Arbeitsstelle weiter verschärft. Im Rahmen verschiedener Gesundheitsreformen führte die Regierung u. a. Zuzahlungen beim Erwerb von Medikamenten ein.
4
BILDUNG UND KULTUR
Die Kulturhoheit wird in der Bundesrepublik Deutschland von den Landesregierungen ausgeübt; sie sind für das Bildungssystem verantwortlich. Länderübergreifende Gremien wie die Kultusministerkonferenz stellen sicher, dass Schulsysteme und Anforderungen einander in zentralen Punkten entsprechen.
4.1
Bildungswesen
In Deutschland besteht für Kinder und Jugendliche eine neunjährige allgemeine Schulpflicht; der Schulbesuch ist grundsätzlich kostenlos. Der (nicht verbindliche) Besuch eines Kindergartens ist ein ergänzendes pädagogisches Angebot zur sozialen und geistigen Vorbereitung auf den Schuleintritt - und im Übrigen eine deutsche Erfindung, die in vielen Ländern Nachahmung fand.
Die Kinder besuchen ab dem festgelegten Einschulungsalter von sechs oder sieben Jahren zunächst vier Jahre lang die Grundschule. Nach Abschluss der Grundschule im Alter von etwa zehn Jahren gehen fast die Hälfte der Schüler fünf Jahre lang auf eine Hauptschule. Darauf folgt eine dreijährige Berufsausbildung, bestehend aus Lehre oder Praktikum und begleitendem Unterricht an einer Berufsschule.
Circa ein Fünftel der Kinder besucht nach der Grundschule sechs Jahre lang eine Realschule mit Schwerpunkt auf kaufmännischen und berufsvorbereitenden Fächern. Nach der Realschule ist der zweijährige Besuch einer Fachoberschule möglich. Ungefähr einer von vier Schülern besucht nach der Grundschule ein Gymnasium; das dort zu erwerbende Abitur berechtigt zur Aufnahme eines Universitätsstudiums.
In den siebziger Jahren eingeleitete Reformen haben die strenge Unterscheidung zwischen den drei Schultypen gelockert, so dass einige Schüler während der Ausbildung von einem Schultyp zum anderen wechseln können. Das ebenfalls in dieser Zeit entstandene Konzept der Gesamtschule vereinigt alle drei Ausbildungswege in einer jederzeit durchlässigen Struktur. Im Schuljahr 2001/02 besuchten rund 9,9 Millionen Schüler allgemein bildende Schulen.
Eine lange Tradition hat das Hochschulwesen: die Heidelberger Ruprecht-Karls-Universität (gegründet 1386) gehört zu den ältesten Universitäten Europas. Andere führende Universitäten Deutschlands sind u. a. in Berlin, Bonn, Erlangen, Frankfurt/Main, Freiburg, Göttingen, Hamburg, Leipzig, Marburg an der Lahn, München und Tübingen ansässig. Außerdem gibt es in Deutschland zahlreiche pädagogische Hochschulen, Kunsthochschulen, Musik- und Filmhochschulen, theologische Seminare sowie die Fernuniversität Hagen.
1999 lag die Zahl der Hochschulen in Deutschland bei 335; davon waren 159 Universitäten und 176 Fach- und Verwaltungshochschulen.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes erreichten die Ausgaben aller (öffentlichen und privaten) Hochschulen Ende 1995 rund 48,7 Milliarden DM. Die Beschäftigtenzahl lag bei 522 000, darunter waren 37 700 Professoren. Die bisher höchste jemals in Deutschland ermittelte Studentenzahl wurde im Wintersemester 2002/03 erreicht, als 1,945 Millionen Studenten an Hochschulen immatrikuliert waren. Davon waren circa 358 000 Studienanfänger; der Frauenanteil unter den Erstsemestern lag bei rund 44 Prozent.
1997 einigten sich Bund und Länder auf eine Hochschulreform, die kürzere Studienzeiten ermöglichen soll. Die Zuweisung staatlicher Mittel wird künftig daran geknüpft, wie Forschung und Lehre der Hochschule beurteilt werden.
Eingeführt wurden ferner die international üblichen Bachelor- und Master-Grade.
Am 1. August 1998 trat in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine Rechtschreibreform in Kraft. Bereits im Vorfeld kam es zu einer heftigen öffentlichen Kontroverse; Reformgegner konnten die vorgezogene Einführung der Reform in einzelnen Bundesländern durch Gerichtsentscheide stoppen.
4.2
Kulturelle Einrichtungen
Anders als in England und Frankreich, wo sich das geistige und kulturelle Leben überwiegend in London und Paris abspielt, gibt es in Deutschland traditionell viele solcher Zentren.
Sie waren jahrhundertelang die Hauptstädte der zahlreichen unabhängigen deutschen Staaten, deren Herrscher Kunst, Musik, Theater und Gelehrsamkeit als Ausdruck ihrer Macht förderten. Berlin war von 1871 bis 1945 die kulturelle und politische Hauptstadt des geeinten Landes und hat diese Rolle seit 1990 wieder inne.
Institutionen wie Museen, Bibliotheken, Opernhäuser, Theater und Orchester werden von den entsprechenden Städten oder Bundesländern subventioniert. Die Ausgaben der öffentlichen Haushalte für Kunst und Kulturpflege erreichten 1999 rund 15 Milliarden DM, darunter allein 6,4 Milliarden DM für Theater und Musik sowie etwa zwei Milliarden DM für Museen und Sammlungen.
4.3
Museen und Bibliotheken
Im 2.
Weltkrieg wurden viele Museen, Bibliotheken und historische Gebäude beschädigt oder zerstört, doch viele Kulturschätze blieben erhalten. Das wieder erwachte Interesse an der deutschen Geschichte vor dem 20. Jahrhundert führte zum Aufbau und zur Pflege alter Gebäude, die die Altstädte in vielen deutschen Städten neu belebten.
Die herausragenden Kunstsammlungen der Könige von Preußen befinden sich in Berlin. Die Staatlichen Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz beherbergen u. a.
Sammlungen ägyptischer Kunst, Gemälde alter Meister und des 19. und 20. Jahrhunderts. Die Sammlungen der bayerischen Herrscher sind in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München (Alte Pinakothek, Neue Pinakothek) untergebracht. Das Bayerische Nationalmuseum in München enthält kunsthandwerkliche Exponate und Sammlungen der Volkskunst. Das Römisch-Germanische Museum in Köln stellt antike römische Funde aus.
Ein führendes Museum im Osten Deutschlands sind die Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden, früher im Besitz der Herrscher von Sachsen. Zu ihnen gehören eine weltberühmte Galerie alter Meister und eine schöne Porzellansammlung, beide im Zwinger, und die kunsthandwerkliche Sammlung im Grünen Gewölbe. Die Sammlungen mit antiker, nahöstlicher und islamischer Kunst der preußischen Könige gehören zu den Staatlichen Museen des ehemaligen Ostberlin. Weitere Kunstschätze befinden sich im Privatbesitz der Kirche oder adliger Familien. Bedeutende naturwissenschaftliche Sammlungen beherbergen das Naturmuseum Senckenberg in Frankfurt/Main (sehr viele Ausstellungsstücke stammen aus der Grube Messel bei Darmstadt), das Technische Museum in Dresden und das Deutsche Museum in München, eines der bedeutendsten technischen Museen der Welt. Die Städtischen Museen in Frankfurt beherbergen Kunst- und Volkskunstsammlungen und eine Auswahl archäologischer und historischer Exponate.
Weitere bedeutende Museen sind das Wallraf-Richartz-Museum und das Museum Ludwig in Köln mit seiner bedeutenden Sammlung moderner Kunst sowie das Museum Fridericianum in Kassel, zentraler Austragungsort der documenta.
Wichtige Forschungsbibliotheken sind die Bayerische Staatsbibliothek in München, die Deutsche Staatsbibliothek in Berlin und die Deutsche Bibliothek in Frankfurt/Main. Außerdem gibt es überall in Deutschland hervorragende Universitätsbibliotheken und zahlreiche städtische und kirchliche Leihbüchereien. 1995 gab es in Deutschland 3 982 Museen und 13 032 öffentliche Bibliotheken.
4.4
Theater und Musik
Deutschland besitzt eine große Theater- und Konzerttradition.
Herausragende Opernhäuser befinden sich in Berlin, Köln, Leipzig, Dresden, Hamburg, München und Stuttgart. Das Stuttgarter Ballett ist weltbekannt. Repertoiretheater, Freiluftbühnen und Kabaretts gibt es in vielen deutschen Städten; dazu gehört das Deutsche Theater in Berlin ebenso wie die Münchner Kammerspiele oder das Berliner Ensemble. Weltberühmt sind die Berliner, die Münchner und die Bamberger Symphoniker, das Gleiche gilt für die Rundfunkorchester von München, Köln und Hamburg. Internationale Besucher erscheinen in großer Zahl zu Festspielen wie den Bayreuther Wagner-Festspielen und den Bachfestivals in Ansbach und Leipzig. 1996 engagierten sich rund 2,5 Millionen Bundesbürger in Gesangsvereinen.
4.5
Literatur und Kunst
Siehe deutsche Literatur; deutsche Kunst und Architektur
5
VERWALTUNG UND POLITIK
Die staatliche Grundordnung Deutschlands wird durch das Grundgesetz festgelegt, das am 24. Mai 1949 in Kraft trat und im Lauf der Zeit mehrmals abgeändert bzw. ergänzt wurde. Das Grundgesetz definiert die Bundesrepublik Deutschland als "demokratischen und sozialen Bundesstaat". Staatsform ist die parlamentarische Demokratie.
Mit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 wurde der Geltungsbereich des Grundgesetzes auf die neuen Bundesländer ausgedehnt.
5.1
Exekutive
Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland ist der Bundespräsident. Er wird von der Bundesversammlung, bestehend aus den Mitgliedern des Bundestages und einer gleichen Anzahl von Personen, die von den Länderparlamenten bestimmt werden, für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Der Bundespräsident schlägt den Bundeskanzler vor, der der Bundesregierung vorsteht.
Der Bundeskanzler, der seine Kabinettsminister ernennt, muss anschließend vom Bundestag mit absoluter Mehrheit bestätigt werden.
5.2
Legislative
Das deutsche Parlament besteht aus zwei Kammern - dem Bundestag und dem Bundesrat. Beide wurden 1990 erweitert, um Vertreter der östlichen Bundesländer aufzunehmen. Die Mitglieder des Bundestages werden in allgemeinen Wahlen für eine Amtszeit von bis zu vier Jahren gewählt; wahlberechtigt sind alle Bürger ab 18 Jahren. Die Hälfte der Parlamentarier wird als Direktkandidaten einzelner Wahlkreise gewählt, die andere Hälfte nach den Grundsätzen der Verhältniswahl; eine Partei kann nach gegenwärtigem Wahlrecht nur dann in den Bundestag einziehen, wenn sie mindestens fünf Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigt oder wenigstens drei Direktmandate erringt.
Die Mitglieder des Bundesrates werden von den Länderregierungen benannt. Die Zahl der Delegierten, die die einzelnen Länder entsenden, variiert entsprechend der Einwohnerzahl des jeweiligen Landes zwischen drei und sechs.
Gesetze werden im Allgemeinen durch einfache Mehrheit im Bundestag verabschiedet. Gesetze von speziellem Länderinteresse müssen dagegen auch vom Bundesrat gebilligt werden. Der Bundesrat kann gegen vom Bundestag verabschiedete Gesetze sein Veto einlegen. Der Einspruch kann allerdings zurückgewiesen werden, wenn der Bundestag das Gesetz erneut verabschiedet; bei manchen Gesetzen muss die Zurückweisung mit derselben Mehrheit erfolgen, mit der der Einspruch im Bundesrat erfolgte.
Für Änderungen des Grundgesetzes ist eine Zweidrittelmehrheit von Bundestag und Bundesrat notwendig; bestimmte elementare Bestandteile des Grundgesetzes dürfen nicht geändert werden.
5.3
Judikative
Das höchste Gericht ist das Bundesverfassungsgericht mit Sitz in Karlsruhe. Es ist die höchste Instanz bei der Auslegung des Grundgesetzes in allen Streitfällen. Daneben gibt es sechs weitere Bundesgerichte - den Bundesgerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht, den Bundesfinanzhof, das Bundesarbeitsgericht, das Bundessozialgericht und das Bundespatentgericht. An der Spitze der Landgerichte eines Bundeslandes steht das jeweilige Oberlandesgericht.
5.4
Verwaltungsgliederung
Deutschland ist in 16 Bundesländer gegliedert: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein sowie Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die Regierungen der Bundesländer verfügen über umfassende Kompetenzen, darunter das Recht, Steuern zu erheben, die Ausgestaltung einer eigenen Bildungs- und Kulturpolitik und die Aufsicht über die Polizei. Jedes Bundesland besitzt ein in allgemeinen Wahlen gewähltes Parlament, das einen Ministerpräsidenten oder Ersten Bürgermeister (Hamburg, Bremen und Berlin) als Vorsitzenden der Landesregierung bestimmt. Die Bundesländer sind in Regierungsbezirke, Landkreise, kreisfreie Städte und Gemeinden gegliedert.
5.
5
Politische Parteien
Zu den wichtigsten Parteien in Deutschland gehören die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), die Christlich-Demokratische Union (CDU), die Christlich-Soziale Union (CSU), Bündnis 90/Die Grünen, die Freie Demokratische Partei (FDP) und die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS).
Die konservative CDU ist in Bayern nicht vertreten; dort ist stattdessen die eng mit ihr verbundene CSU aktiv. Beide Parteien wurden 1945 gegründet. Im Ahlener Programm der CDU wurden zunächst dezidiert sozialistische Grundsätze formuliert (betriebliche Mitbestimmung, Verstaatlichung von Schlüsselindustrien), nach 1947 setzten sich die konservativen Kräfte in der Partei durch. Die 1875 gegründete SPD vollzog 1959 mit ihrem Godesberger Programm die endgültige Abkehr von marxistischen Idealen und wandelte sich zu einer mehrheitsfähigen Volkspartei.
Ausschlaggebend für die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag war oft die 1948 gegründete FDP.
Die FDP hat mit CDU und CSU von 1949 bis 1953 und von 1961 bis 1966 Koalitionsregierungen gebildet, mit der SPD von 1969 bis 1982. 1982 ging sie wieder mit CDU und CSU zusammen und war an den nach den Wahlen von 1983, 1987, 1990 und 1994 gebildeten Regierungen beteiligt. Zum ersten Mal im Bundestag vertreten war 1983 die aus den zahlreichen Bürgerprotesten der achtziger Jahre und der Friedensbewegung hervorgegangene Partei der Grünen, zu deren Programm der Umweltschutz, die Ablehnung der Atomenergie und pazifistische Ziele gehörten. Nach den Bundestagswahlen von 1998 bildeten die Grünen mit der SPD eine Koalitionsregierung, die nach den Wahlen von 2002 fortgesetzt wurde.
Nach dem Zusammenbruch der Regierung der DDR 1989 bildete sich als Nachfolgeorganisation der Sozialistischen Einheitspartei (SED) die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) heraus. Sie konnte sich als Oppositionspartei profilieren und in den neuen Bundesländern Wahlerfolge erzielen.
5.6
Verteidigung
Im Zuge der Westintegration der Bundesrepublik wurde 1955 die Bundeswehr gegründet und in die Streitkräfte der NATO integriert. Die Bundeswehr kann laut Grundgesetz auch gegen innere Unruhen eingesetzt werden. Ihren ersten Auslandseinsatz hatte die Bundeswehr im Januar 1965, bei einer internationalen Hilfsaktion für Algerien. In der DDR bestand bis 1989 die Nationale Volksarmee (NVA) die ihrerseits in den Warschauer Pakt eingebunden war. Es besteht eine allgemeine Wehrpflicht.
Wehrpflichtig sind alle Männer zwischen 18 und 28 Jahren, der Wehrdienst dauert seit dem 1. Januar 2002 neun Monate (vorher zehn Monate). Daneben gibt es die grundgesetzlich garantierte Möglichkeit, den Dienst mit der Waffe aus Gewissensgründen zu verweigern; anerkannte Kriegsdienstverweigerer sind zu einem Ersatzdienst verpflichtet, der in der Regel soziale Aufgaben in öffentlichen Einrichtungen umfasst (Zivildienst).
Am 2. Januar 2001 traten erstmals in der Geschichte der Bundeswehr Frauen den Dienst mit der Waffe an. Vorher durften Frauen bei der Bundeswehr nur im Sanitäts- und Militärmusikdienst arbeiten.
Im Dezember 2000 hatten Bundestag und Bundesrat die gesetzlichen Grundlagen für den gleichberechtigten Einsatz von Frauen in der Bundeswehr in allen Waffengattungen geschaffen.
Die internationalen Abkommen, auf deren Grundlage 1990 die Vereinigung Deutschlands erfolgte, koppelten den allmählichen Rückzug der sowjetischen Streitkräfte aus dem Osten Deutschlands an die Verpflichtung der NATO, dort keine eigenen Truppen zu stationieren.
6
WIRTSCHAFT
Mit der Wiedervereinigung von West- und Ostdeutschland im Oktober 1990 wurde auch der Zusammenschluss der beiden unterschiedlichen Wirtschaftssysteme (Planwirtschaft, soziale Marktwirtschaft) eingeleitet. Die erforderlichen Umstrukturierungen brachten zum Teil schmerzliche Prozesse in Gang. Allein der massive Stellenabbau im Zuge der Privatisierung ehemals staatseigener Betriebe hatte eine stark anwachsende Arbeitslosigkeit zur Folge, ein Problem, das in den neuen Bundesländern bis dahin nicht bekannt war. Weil die Eigentumsfrage für bestimmte Liegenschaften nicht geklärt war, kam es zur Verzögerung notwendiger privater Investitionen - in manchen Fällen blieben sie sogar ganz aus.
Trotz einiger Anstrengungen (z. B. Transferzahlungen, Steuerbegünstigungen) ließ sich in den neuen Bundesländern ein wirtschaftlicher Aufschwung im erhofften Maß nicht verzeichnen. Vor allem auf dem Arbeitsmarkt bestehen zwischen den alten und den neuen Bundesländern große Unterschiede. Nach Angaben des Bundesamtes für Arbeit lag die Arbeitslosenquote 1997 in den alten Bundesländern bei 11 Prozent, in den neuen Bundesländern dagegen bei 19,5 Prozent.
Die Arbeitslosenquote für die gesamte Bundesrepublik befand sich im Februar 1998 mit mehr als 12 Prozent auf dem absoluten Höchststand seit 1945.
Damit waren in Deutschland offiziell 4,8 Millionen Menschen ohne Arbeit, zuzüglich einer erheblichen Dunkelziffer aus erwerbswilligen, aber nicht gemeldeten Personen. Nachdem im Sommer die Vier-Millionen-Marke unterschritten worden war, stieg die Zahl der Arbeitslosen bis Dezember 1998 wieder auf rund 4,2 Millionen an (Jahresdurchschnitt 1999: 4,1 Millionen, Quote: 9,3 Prozent). Im Dezember 2000 lag die Zahl der Erwerbslosen in Deutschland bei 3,8 Millionen (Quote: 9,3 Prozent), im Dezember 2002 bei 4,2 Millionen (Quote: 10,1 Prozent).
Im Westen wie im Osten Deutschlands führten Rationalisierungsmaßnahmen zum Phänomen des "jobless growth": Output und Unternehmensgewinne wachsen, ohne dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Gesamtzahl der Erwerbstätigen in Deutschland liegt bei etwa 41 Millionen. Davon sind 60 Prozent in Dienstleistungsunternehmen, 37 Prozent in der Industrie und 3 Prozent in der Landwirtschaft beschäftigt.
Trotz der dramatischen Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt und der hohen Staatsverschuldung (1998: rund 2,2 Billionen DM) gehört die Bundesrepublik nach wie vor zu den weltweit führenden Industrienationen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) beträgt 1 846 Milliarden US-Dollar (2001). Hiervon erwirtschaftet der Dienstleistungssektor 67,7 Prozent, das verarbeitende Gewerbe 24,04 Prozent, das Baugewerbe 4,41 Prozent und die Landwirtschaft 1,3 Prozent. Rechnerisch ergibt sich daraus ein BIP pro Kopf von 22 420 US-Dollar.
6.1
Landwirtschaft
Die Mehrzahl der Bauernhöfe im Westen des Landes sind relativ klein; rund 75 Prozent haben eine Fläche von höchstens 20 Hektar.
Sie werden von ihren Besitzern und deren Familien oft als Nebenerwerbsbetriebe bewirtschaftet. In der Landwirtschaft arbeiten rund 1,3 Millionen Menschen. Die gesamte landwirtschaftlich genutzte Fläche betrug 1996 circa 17,3 Millionen Hektar. Gut zwei Drittel der Fläche entfallen auf Ackerland, knapp ein Drittel auf Grünland. In den letzten Jahren stellten viele Betriebe wirtschaftlich erfolgreich auf eine biologisch-dynamische Produktionsweise um und schlossen sich zum Teil alternativen Vermarktungsorganisationen an.
Die besten Anbaugebiete befinden sich am Südrand des Norddeutschen Tieflands.
Angebaut werden hauptsächlich Zuckerrüben, Kartoffeln, Gerste, Weizen, Hafer und Roggen, Mais und Raps. In einigen klimatisch begünstigten Gebieten wird in Sonderkulturen Wein angebaut. Namhafte Anbaugebiete liegen u. a. in Franken, in Rheinhessen, an der Mosel und am Kaiserstuhl. Große Bestände an Rindern, Schweinen, Schafen und Geflügel werden zunehmend in spezialisierten Betrieben gezüchtet.
Deutschland nimmt in der EU den ersten Rangplatz als Milcherzeugerland sowie hinsichtlich der Produktion von Schweinefleisch ein. 89 Prozent des Nahrungsbedarfs können in Deutschland durch einheimische Produkte gedeckt werden.
6.2
Forstwirtschaft und Fischerei
Forstwirtschaft und Fischerei spielen in Deutschland eine beträchtliche Rolle. Bei der Aufforstung wurden schnell wachsende Nadelhölzer bevorzugt; heute bemüht man sich allerdings, die Anteile der ökologisch wertvolleren Laubhölzer zu erhöhen. Die wirtschaftlich bedeutendsten Ressourcen befinden sich in den großen Wäldern im Südwesten; über 70 Prozent davon sind Nadelholz.
Der seit den achtziger Jahren bekannte saure Regen verursachte zum Teil gravierende Waldschäden, welche die Existenzgrundlage der Forstwirtschaft lang- oder mittelfristig massiv bedrohen.
Die wichtigsten Fischereihäfen des Landes sind Bremen, Bremerhaven und Cuxhaven an der Nordsee und Kiel an der Ostsee. Die Fangmenge beläuft sich auf durchschnittlich 312 492 Tonnen (1999), der überwiegende Anteil davon sind verschiedene Seefische, besonders Heringe.
6.3
Bergbau
Deutschland verfügt über verschiedene Bodenschätze. Steinkohle wird u.
a. zur Energieerzeugung und zur Herstellung von Eisen und Stahl eingesetzt. Sie lagert vor allem in den Revieren des Ruhrgebiets und des Saarlands. Allerdings sind die Fördermengen im Lauf der Zeit stark zurückgegangen: Während 1987 noch rund 82 Millionen Tonnen Steinkohle pro Jahr gefördert wurden, waren es 1997 nur noch 47 Millionen Tonnen. Ein Grund für die sinkende Nachfrage nach Steinkohle ist der billigere Energieträger Erdöl. Nach UN-Schätzungen verfügt Deutschland über die fünftgrößten Braunkohlereserven der Welt.
Sie wird z. B. im rheinischen Revier (Köln/Aachen), in der Lausitz und im mitteldeutschen Revier (Halle/Leipzig) im großen Maßstab abgebaut. Allerdings wurden auch bei der Braunkohle die Fördermengen im Lauf der Zeit zum Teil stark reduziert. Hintergrund hierfür sind u. a.
die erheblichen Umweltbelastungen, die sowohl die Verbrennung (zur Energiegewinnung) als auch der Braunkohleabbau selbst mit sich bringen. Reiche Vorkommen an Kalisalzen gibt es vor allem im Südwesten um Freiburg, Steinsalzlagerstätten finden sich in Niedersachsen sowie in Bayern. Bescheidene Erdöl- und Erdgasvorkommen gibt es im Norden in der Nähe der Mündungen von Ems und Weser sowie östlich von Kiel. Deutschland besitzt darüber hinaus vergleichsweise kleine Lagerstätten an Blei- und Zinkerzen.
6.4
Industrie
Ein wichtiger Bereich der deutschen Wirtschaft ist die exportorientierte Industrie mit einer Vielzahl von Produkten.
Hergestellt werden vor allem Nahrungsmittel, Maschinen, chemische und elektrotechnische Erzeugnisse und Kraftfahrzeuge. In den alten Bundesländern konzentrieren sich große industrielle Unternehmen in verschiedenen Wirtschaftszentren. Der größte Industriestandort liegt in Nordrhein-Westfalen. Zu ihm gehören das Stahl produzierende Ruhrgebiet und weitere große Industriebezirke wie Aachen, Köln und Düsseldorf mit chemischer Industrie, Metallverarbeitung und Maschinen- und Kraftfahrzeugbau. Eine andere große Industrieregion liegt am Zusammenfluss von Rhein und Main. Zu ihr gehören die Städte Frankfurt, Wiesbaden, Mainz und Offenbach mit Metall verarbeitender Industrie, chemischer, pharmazeutischer, Elektro- und Autoindustrie.
Südlich davon erstreckt sich entlang des Rheins ein bedeutender Industriebezirk mit den Zentren Mannheim, Ludwigshafen und Karlsruhe mit chemischer Industrie, Maschinenbau und Baumaterialien. Stuttgart ist der Mittelpunkt einer Region mit Fahrzeug- und Maschinenbau sowie Elektro-, Textil- und optischer Industrie. In der Münchner Region sind Flugzeug-, Auto-, Rüstungs- und Bekleidungsindustrie, Genussmittelindustrie und zahlreiche Verlagshäuser beheimatet. Weitere Industriegebiete liegen im Nordwesten und Norden Deutschlands. Zu ihnen gehört die Region Hannover-Braunschweig mit Stahl-, Auto- und chemischer Industrie sowie die Seehäfen Hamburg, Bremen, Bremerhaven, Wilhelmshaven, Lübeck und Kiel, die als Umschlagplätze für nationale und internationale Wirtschaftsgüter zahlreichen Industrien (z. B.
Erdölraffinerien, Nahrungsmittel, Schiffbau) als Standort dienen. In Wolfsburg befindet sich mit dem Volkswagenwerk der bedeutendste deutsche Automobilhersteller.
Die alten Industriestandorte in den neuen Bundesländern stellen mit ihrer immensen Umweltverschmutzung und industriell bedingten Altlasten ein großes Problem dar. So wurden beispielsweise schon kurz nach der Wiedervereinigung zahlreiche Betriebe aufgrund ihrer Umweltverschmutzung stillgelegt. Bedeutende Industriezentren befinden sich vor allem in den Bundesländern Berlin (Elektrotechnik), Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und im südlichen Brandenburg. Viele chemische Fabriken sind in der Region von Dessau, Halle und Leipzig (Schkopau, Wolfen, Bitterfeld, Leuna) konzentriert.
Eine große petrochemische Anlage in Schwedt an der Oder im Nordosten Deutschlands verarbeitet Erdöl, das über Pipelines aus Russland kommt. In zahlreichen Städten im Südwesten, vor allem in Sachsen, wird die Industrie durch den Maschinenbau geprägt. Zentren des Fahrzeugbaus sind die Städte Eisenach, Zwickau, Suhl und Ludwigsfelde. Optische Instrumente und Präzisionsgeräte werden in Jena und Görlitz hergestellt. Jena ist ein wichtiger Standort der Glasindustrie. In Rostock (Warnemünde), in Wismar und in Stralsund gibt es Werften.
6.5
Währung und Bankwesen
Währungseinheit ist seit dem 1. Januar 2002 der Euro zu 100 Cents, der die Deutsche Mark (DM) zu 100 Pfennigen als alleiniges Zahlungsmittel ablöste. In einer (freiwilligen) Übergangsphase wurde die Deutsche Mark vom Einzelhandel bis Ende Februar 2002 noch angenommen und von Banken kostenlos in Euro umgetauscht. Später konnte die DM nur noch bei den Filialen der Landesbank umgetauscht werden; die Deutsche Mark wird zum 1. Juli 2002 ungültig.
Noten- und Zentralbank der Bundesrepublik ist die Deutsche Bundesbank, ein von der Regierung unabhängiges Institut mit Sitz in Frankfurt/Main. Die größten der zahlreichen privaten Banken Deutschlands sind Aktiengesellschaften, so z. B. die Deutsche Bank, die Dresdner Bank und die Commerzbank. Daneben gibt es viele Sparkassen und kleinere private Kreditinstitute.
Die Europäische Zentralbank (EZB) mit Sitz in Frankfurt/Main löste im Juni 1998 ihren Vorläufer, das Europäische Währungsinstitut (EWI), ab.
Die EZB bildet zusammen mit den nationalen Zentralbanken - für die Bundesrepublik die Deutsche Bundesbank - das Europäische System der Zentralbanken (ESZB). Die Hauptaufgabe dieser Institution besteht darin, die Preisstabilität in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Währungsunion zu gewährleisten.
6.6
Außenhandel
Deutschland ist eine bedeutende Handelsnation und nach Statistiken der GATT-Organisation (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen) eines der führenden Exportländer. Von den frühen fünfziger bis Ende der achtziger Jahre hat der Erlös aus Warenexporten die Ausgaben für Importe in der Regel weit übertroffen. Die wichtigsten deutschen Exportartikel sind Maschinen, Autos, chemische Erzeugnisse, Eisen, Stahl, Textilien und Kleider.
Importiert werden vor allem Rohöl und Erdölprodukte, Maschinenteile, Nahrungsmittel, chemische Erzeugnisse und Zwischenprodukte, Kleider und Fahrzeuge. Deutschland ist ein wichtiger Handelspartner der Länder der Europäischen Union sowie der Europäischen Freihandelsassoziation (European Free Trade Association, EFTA), der Vereinigten Staaten, der Schweiz, der mittel-und osteuropäischen Saaten und des asiatischen Raumes - hier vor allem Japan.
6.7
Verkehrswesen
Deutschland besitzt ein hoch entwickeltes Verkehrssystem mit einem außergewöhnlich dichten Netz von Straßen und insbesondere Autobahnen. Das gesamte Straßennetz umfasst 230 735 Kilometer (1999). Im Jahr 2002 waren in Deutschland etwa 48 Millionen Personenkraftwagen zugelassen.
Das Schienennetz der 1994 aus der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn hervorgegangenen privatrechtlichen Deutschen Bahn AG hat eine Gesamtlänge von etwa 36 652 Kilometern (2000). Neben dem Personenverkehr kommt dem Gütertransport traditionell eine wichtige Rolle zu. Angesichts des dichten Straßennetzes werden jedoch tendenziell immer mehr Güter mit Lastwagen transportiert. Verbundsysteme in Form von Container-Terminals oder der "Rollenden Landstraße" (einem Huckepack-Verfahren für Schwerlastwagen) versuchen dem entgegenzusteuern. Neuartige Hochgeschwindigkeitszüge wie der ICE verkürzen in Verbindung mit neuen (teils ökologisch umstrittenen) Trassenführungen die Fahrzeiten im Personenverkehr auf langen Strecken erheblich und treten so teilweise in Konkurrenz zum Flugzeug.
Von nach wie vor großer Bedeutung für den internationalen Güterverkehr ist trotz der langen Transportzeiten die Schifffahrt.
Die Heimathäfen der deutschen Handelsflotte sind Hamburg, Wilhelmshaven, Bremen, Nordenham und Emden für die Nordsee und Lübeck, Wismar, Rostock und Stralsund für die Ostsee. Der größte Seehafen ist Hamburg. Die größte Binnenwasserstraße bildet der Rhein. Weitere Binnenschifffahrtswege mit hohem Güterverkehr sind u. a. Mosel, Main und Elbe.
An Kanälen sind beispielsweise der Nord-Ostsee-Kanal, der Mittellandkanal, der Dortmund-Ems-Kanal, der Elbe-Havel-Kanal und der Main-Donau-Kanal zu nennen. Der wichtigste und größte Binnenhafen ist Duisburg.
Der Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt ist der größte Flughafen Deutschlands; daneben gibt es noch weitere Großflughäfen, so z. B. in München, Berlin, Düsseldorf und Hamburg. Größte deutsche Fluggesellschaft ist die Deutsche Lufthansa AG, die zahlreiche Ziele im In- und Ausland anfliegt.
6.8
Energie
61,8 Prozent des Gesamtbedarfs Deutschlands an elektrischem Strom deckten 2001 Wärmekraftwerke. Hier werden in erster Linie Erdöl und Erdgas verfeuert. 29,9 Prozent der gesamten elektrischen Energie erzeugen Kernkraftwerke (siehe Kernenergie). Im Süden tragen Wasserkraftwerke an den großen Flüssen mit 4,2 Prozent zur Stromversorgung bei. Deutschland fördert zwar auch selbst Erdöl und Erdgas, importiert aber den größten Teil seines Bedarfs an diesen Energieträgern.
Deutschland ist weltweit führend bei der Stromgewinnung aus Windkraft, auch wenn die absolute Menge der durch Wind erzeugten Energie noch gering ist.
Am 11. Juni 2001 unterzeichneten Vertreter der Bundesregierung und der Energiewirtschaft eine Vereinbarung zum schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland. Danach sollen die 19 in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke über die nächsten 20 Jahre schrittweise vom Netz genommen werden.
7
GESCHICHTE
Zur deutschen Geschichte und zur Geschichte der DDR siehe deutsche Geschichte, Besatzungszeit in Deutschland und Deutsche Demokratische Republik.
Nach der Wahl zum ersten Deutschen Bundestag vom 14.
September 1949 bildete Konrad Adenauer eine Koalitionsregierung aus CDU, CSU, FDP und DP. Theodor Heuss wurde zum Bundespräsidenten gewählt. Während die SPD im Wahlkampf Planwirtschaft und Sozialisierung der Grundstoffindustrien gefordert hatte, leitete die Regierung Adenauer unter Wirtschaftsminister Ludwig Erhard eine Politik der sozialen Marktwirtschaft ein. Sie ermöglichte die wirtschaftliche Eingliederung der Vertriebenen und trug der CDU/CSU in den Bundestagswahlen von 1953 und 1957 hohe Stimmgewinne ein.
Eine selbständige Außenpolitik ermöglichten die Revision des Besatzungsstatuts (1951) und das Petersberger Abkommen vom November 1949, das die Errichtung konsularischer Vertretungen im Ausland und die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an internationalen Organisationen gestattete. 1951 unterzeichnete die Bundesregierung den Vertrag über die Montanunion.
7.1
Die Westintegration
Die von den USA gewünschte und von Adenauer angebotene Beteiligung der Bundesrepublik an der Verteidigung Westeuropas und damit die Aufstellung von westdeutschen Streitkräften führte zu scharfen innenpolitischen Auseinandersetzungen. 1952 wurde dennoch der Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) zusammen mit dem Deutschlandvertrag unterzeichnet. Nachdem die französische Nationalversammlung 1954 den EVG-Vertrag abgelehnt hatte, wurde das Problem des deutschen Verteidigungsbeitrags durch die Schaffung der Westeuropäischen Union gelöst. Zugleich erhielt die Bundesrepublik erweiterte Souveränitätsrechte, und es erfolgte ihre Aufnahme in den Nordatlantikpakt (NATO). Mit In-Kraft-Treten der 1954 unterzeichneten Pariser Verträge am 5.
Mai 1955 wurde das Besatzungsstatut gegenstandslos; die Bundesrepublik Deutschland erhielt damit die weitgehende, allerdings durch einige alliierte Vorbehalte eingeschränkte Souveränität.
Die wirtschaftliche Integration der Bundesrepublik in den Westen erhielt mit der in den Römischen Verträgen (1957) beschlossenen Schaffung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) neuen Auftrieb.
7.2
Das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion
Das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur Sowjetunion und den Staaten des Ostblocks war durch die kontroverse Haltung in der Deutschlandfrage bestimmt. Die Angebote Stalins von 1952 (siehe Stalinnote), ein wieder vereinigtes, neutralisiertes Deutschland zuzugestehen und auch über freie, gesamtdeutsche Wahlen diskutieren zu wollen, fielen direkt in die Endphase der Verhandlungen über den EVG- und Deutschlandvertrag im Anschluss an die erfolgreich verlaufene Londoner Außenministerkonferenz (17.-19.
Februar 1952). Die Westmächte, die in Stalins Vorstoß nur eine taktische Variante sowjetischen Vormachtstrebens in Deutschland und Europa sahen, waren nicht bereit, die inzwischen fortgeschrittene Integration Westdeutschlands in das westliche Bündnis rückgängig zu machen und die Bundesrepublik zugunsten eines neutralen Deutschlands aufzugeben. Sie bestanden auf international kontrollierten Wahlen als Prämisse für die Bildung einer frei gewählten deutschen Regierung. Auch Adenauer vermutete, dass Stalin mit seinen Verhandlungsangeboten die erfolgreich begonnene Einigung Westeuropas behindern und die USA aus Europa verdrängen wollte. Er hielt es daher, im Unterschied zu Politikern der SPD, FDP und der eigenen Partei, in dieser Situation für ungünstig, über die sowjetische Offerte zu verhandeln, zumal die unter alliierter Vormundschaft stehende Bundesrepublik keine Mitsprachemöglichkeit besaß. Der Tod Stalins am 5.
März 1953 weckte Hoffnungen auf eine Entspannung der Lage in Europa, vor allem weil nach Ende des Koreakrieges mit dem Indochinakrieg neue Komplikationen in der Weltpolitik entstanden waren.
Die gewaltsame Niederschlagung des Volksaufstands in Ostberlin und verschiedenen Orten der DDR am 17. Juni 1953 durch die Rote Armee schien allerdings das Sicherheitsdenken der Bundesregierung zu bestätigen und führte zu einem großen Wahlerfolg der CDU bei der Bundestagswahl im September 1953. Als Antwort auf die Pariser Verträge und die damit erfolgte Einbindung der Bundesrepublik in das westliche Militärbündnis schlossen sich Mitte Mai 1955 acht Staaten des Ostblocks zu einem Militärbündnis unter der Führung Moskaus - dem Warschauer Pakt - zusammen. Ihm wurden 1956 auch die inzwischen geschaffenen Streitkräfte der Nationalen Volksarmee eingegliedert.
Die Sowjetunion ging nun von der Existenz zweier völkerrechtlich getrennter deutscher Staaten aus, die die Deutschlandfrage künftig in eigener Verantwortung zu lösen hatten.
Der Versuch Adenauers, Moskau von dieser Theorie abzubringen, gelang nicht. Immerhin aber konnte er die Freilassung der letzten knapp 10 000 deutschen Kriegsgefangenen sowie circa 20 000 Zivilinternierter aus der Sowjetunion erreichen und damit einen großen persönlichen Erfolg verbuchen. Als Gegenleistung musste der Kanzler der von Moskau geforderten Aufnahme diplomatischer Beziehungen zustimmen und den Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik aufgeben. Um zu verhindern, dass künftig auch andere Staaten außerhalb des Warschauer Paktes diplomatische Beziehungen zu Ostberlin aufnahmen, wurde im Bonner Auswärtigen Amt die nach dem Außenminister benannte Hallsteindoktrin entwickelt, die jede Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der DDR als "unfreundlichen Akt" gegenüber der Bundesrepublik betrachtete und mit dem Abbruch der Beziehungen beantwortete. Als Druckmittel galt die erstarkte westdeutsche Wirtschaft und die mit dem Aufbau der Bundeswehr erreichte militärische Gleichberechtigung.
7.
3
Parteienverbote
Im Interesse der im Grundgesetz verankerten "wehrhaften Demokratie" bestätigte das Bundesverfassungsgericht das Verbot zweier verfassungswidriger Parteien: 1952 wurde die 1949 gegründete neonazistische Sozialistische Reichspartei (SRP) und 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) verboten. Andere kleine Parteien verloren in den folgenden Jahren immer mehr an Stimmen.
7.4
Das Godesberger Programm der SPD
Die SPD konnte nach dem Tod ihres Vorsitzenden Kurt Schumacher (1952) mit dem Godesberger Programm von 1959 ihre innenpolitische Stellung verbessern. Die Partei löste sich von marxistischen Programmteilen, ohne ihren Anspruch auf einen demokratischen Sozialismus aufzugeben.
7.
5
Der Mauerbau
Mit der Errichtung der Mauer in Berlin durch die DDR am 13. August 1961 war jede Hoffnung auf eine Wiedervereinigung zerstört. Noch während des über Nacht begonnenen Baus kam es zu dramatischen Fluchtaktionen, teils sogar aus den Fenstern von Häusern, die sich genau auf der Grenze befanden. Die Berliner Mauer wurde zum Symbol des Eisernen Vorhangs zwischen Ost und West; der Versuch ihrer Überwindung kostete zahlreiche Menschen das Leben. In den folgenden Jahrzehnten baute die DDR ihre Staatsgrenze zur Bundesrepublik zu einem beinahe unüberwindlichen "Todesstreifen" mit Stacheldraht, Minen, Selbstschussanlagen und scharfen Wachhunden aus. Dennoch kam es immer wieder zu spektakulären, aber auch tragisch endenden Fluchtversuchen.
Zur Unterbindung der strafbaren (!) Republikflucht erließ die DDR-Führung schon bald einen Schießbefehl an die Grenzsoldaten.
Adenauer, der befürchtet hatte, dass sein sofortiges Erscheinen in der nun geteilten Stadt zu unkontrollierten Aufständen - besonders im Ostteil - führen würde, kam erst am 22. August 1961 nach Berlin. Dies kostete ihn und seine Partei in den folgenden Bundestagswahlen vom 17. September 1961 zahlreiche Stimmen. Zunehmende Differenzen mit seinen Ministern und seiner Partei führten am 15.
Oktober 1963 zu seinem Rücktritt. Sein Nachfolger im Amt wurde Ludwig Erhard. Mit seiner bisherigen Tätigkeit als Wirtschaftsminister hatte sich das so genannte Wirtschaftswunder verbunden, der rasche wirtschaftliche Aufschwung mit Vollbeschäftigung, dessen Grundlagen jedoch bereits durch den amerikanischen Marshallplan gelegt worden waren. Die von Erhard geführte Koalitionsregierung aus Unionsparteien und FDP wurde nach den Wahlen von 1965 erneuert. Mit der Friedensnote vom 25. März 1966, die das Angebot des gegenseitigen Gewaltverzichts beinhaltete, wagten Kanzler Erhard und sein Außenminister Gerhard Schröder einen ersten Schritt in Richtung auf einen Abbau der Konfrontation mit der DDR und eine Ausrichtung der deutschen Außenpolitik auf die Gegebenheiten der deutschen Spaltung.
Dagegen gelang es der Regierung nicht, die wachsende wirtschaftliche Rezession zu beheben und die u. a. dadurch entstandene Unruhe im Land zu beruhigen.
7.6
Von der großen Koalition zur sozialliberalen Regierung
Am 1. Dezember 1966 bildete Kurt Georg Kiesinger (CDU) eine große Koalition aus CDU/CSU und SPD, die u.
a. eine wirtschaftliche Neuorientierung einleitete. Die Tatsache einer großen Koalition verstärkte die Proteste der Jugend, besonders der Studenten, die seit Anfang der sechziger Jahre kritisch mit der nationalsozialistischen Vergangenheit ins Gericht gegangen war und die, beeinflusst durch die neomarxistische Frankfurter Schule, nach grundlegenden Reformen in Staat und Gesellschaft rief. Zahlreiche, zum Teil gewalttätige Demonstrationen in den westdeutschen Großstädten und die Bildung einer außerparlamentarischen Opposition (APO) waren die Folge. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen wurde 1968, gegen heftigen Widerstand insbesondere der Gewerkschaften und gegen die Stimmen der FDP und von 50 Bundestagsabgeordneten der SPD, eine Notstandsverfassung mit Vorschriften für den "Verteidigungsfall", für Spannungssituationen und für Katastrophenfälle beschlossen.
7.
7
Entwicklung zu einer entspannten Ostpolitik
1969 wurde Gustav Heinemann (SPD) zum Bundespräsidenten gewählt. Gewinner der Bundestagswahl vom 28. September 1969 wurde die SPD. Zusammen mit der FDP bildete sie unter Bundeskanzler Willy Brandt die neue Regierung, die antrat, eine neue Politik, vor allem im Verhältnis zur DDR, zu entwickeln. Die Staatlichkeit der DDR im Rahmen der deutschen Nation wurde akzeptiert und der Versuch unternommen, mit ihren Führern ins Gespräch zu kommen. Durch Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Moskauer Vertrags über gegenseitigen Gewaltverzicht und des deutsch-polnischen Warschauer Vertrags (beide 1970) über die Anerkennung der bestehenden polnischen Westgrenze an der Oder-Neiße-Linie (unter Vorbehalt) sowie den Abschluss des Berlinabkommens (1971) leitete Brandt eine neue Deutschland- und Ostpolitik ein.
Es folgten 1972 der Verkehrsvertrag und der Grundvertrag, der die Beziehungen der beiden deutschen Staaten zueinander auf eine vertragsmäßige Basis stellen sollte. Die Auseinandersetzungen um die vor allem von der CDU bekämpften Ostverträge bestimmten von 1970 bis 1973 die innenpolitische Diskussion.
Durch ein konstruktives Misstrauensvotum versuchte die CDU/CSU-Opposition am 27. April 1972 vergeblich, Brandt zu stürzen. Durch das Überwechseln von Abgeordneten der FDP und der SPD zur Opposition verlor die Regierung zwar Sitze, gewann dann aber in der vorgezogenen Bundestagswahl 1972, und die SPD wurde stärkste Fraktion im Bundestag.
Am 18.
September 1973 wurden die Bundesrepublik und die DDR in die Vereinten Nationen (UNO) aufgenommen. Die Auswirkungen der durch den Jom-Kippur-Krieg vom Oktober 1973 verursachten Ölkrise und der beschleunigten Inflation, große tarifpolitische Zugeständnisse der Regierung, innerparteiliche Kämpfe in der SPD und Spannungen mit dem Koalitionspartner, u. a. verursacht durch die Mitbestimmungsfrage, schwächten die Stellung Brandts. Dagegen konnte die CDU/CSU bei verschiedenen Landtagswahlen seit 1973 an politischem Terrain zugewinnen.
Nach der Enttarnung des DDR-Spions Günther Guillaume (siehe Guillaume-Affäre) im Bundeskanzleramt trat Brandt am 7.
Mai 1974 zurück. Kurz zuvor, am 2. Mai, hatten die Ständigen Vertretungen der beiden deutschen Staaten in Bonn und Ostberlin ihre Arbeit aufgenommen. Akkreditiert wurden am 20. Juni für die Bundesrepublik Günter Gaus und für die DDR Michael Kohl. Die DDR sagte im Gegenzug Verbesserungen im Besucher- und Reiseverkehr zu.
7.8
Bundeskanzler Helmut Schmidt
Am 15. Mai 1974 wählte die Bundesversammlung den FDP-Vorsitzenden Walter Scheel zum vierten Bundespräsidenten und einen Tag später der Bundestag Finanzminister Helmut Schmidt (SPD) zum neuen Bundeskanzler. Seinem Kabinett gehörten elf SPD- und vier FDP-Minister an.
Am 1. August 1975 endete nach zweijährigen Beratungen in Genf und Helsinki die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) mit der Unterzeichnung der Schlussakte durch Repräsentanten von 35 Staaten Europas - unter ihnen beide deutsche Staaten.
In der Folge wurde u. a. ein Renten- und Kreditabkommen mit Polen abgeschlossen und die Ausreise von 125 000 Deutschstämmigen in die Bundesrepublik in den kommenden vier Jahren vereinbart.
Im November 1975 verabschiedete die SPD auf dem Mannheimer Parteitag einen ökonomisch-politischen Orientierungsrahmen als Langzeitprogramm bis 1985, das, vom Godesberger Programm ausgehend, die Grundwerte des demokratischen Sozialismus präzisierte.
Bei der achten Bundestagswahl vom 3. Oktober 1976 wurde die CDU/CSU wieder stärkste Fraktion, doch behauptete die sozialliberale Koalition knapp die Mehrheit.
7.8.1
Organisierter Terrorismus
Ein Hauptproblem der Innenpolitik in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre ergab sich aus dem Auftreten des bewaffneten Terrorismus in Form der Baader-Meinhof-Gruppe und ihrer Nachfolgeorganisation Rote-Armee-Fraktion (RAF) mit mehreren Attentaten auf Politiker und einflussreiche Repräsentanten der Wirtschaft sowie der Diskussion um die Methoden der strafrechtlichen Verfolgung (Kontaktsperregesetz, Verteidigerausschluss).
Im Juni 1978 musste Innenminister Werner Maihofer (FDP) wegen Fahndungspannen im Entführungsfall Schleyer und des umstrittenen "Lauschangriffs" auf den der Kontakte zur Terrorszene verdächtigten Atomwissenschaftler Klaus Traube zurücktreten. Sein Nachfolger wurde Gerhard Baum (FDP).
7.
8.2
Die Beziehungen zur DDR Anfang der achtziger Jahre
Am 1. Juli 1979 übernahm Carl Carstens (CDU) das Amt des Bundespräsidenten. Trotz zunehmender Verhandlungsaktivitäten zwischen beiden deutschen Staaten und angeblich expandierender DDR-Wirtschaft nahmen DDR-Bürger nach wie vor große Risiken auf sich, um in die Bundesrepublik zu flüchten. Mitte September 1979 gelang acht DDR-Bürgern die Flucht mit einem Heißluftballon. Im August 1980 gab die Zentrale Erfassungsstelle der deutschen Länderjustizverwaltung bekannt, dass seit dem 13.
August 1961, dem Tag des Baus der Mauer in Berlin, 25 000 Fälle von Gewaltanwendung und Übergriffen von DDR-Organen registriert und 177 Menschen an der Mauer ums Leben gekommen waren. Ebenfalls im September 1979 befürwortete die Synode des Bundes der Evangelischen Kirche der DDR in Dessau den baldigen Zusammenschluss der Landeskirchen.
Die Beziehungen zur DDR wurden auf verschiedenen Ebenen ausgebaut. Im März 1980 beschlossen die Jungsozialisten in der SPD (Vorsitzender Gerhard Schröder), ihre Beziehungen zur Freien Deutschen Jugend (FDJ) zu vertiefen, und bei einem Gespräch mit Bundeskanzler Schmidt im April erklärte Günter Mittag, Mitglied des Politbüros und ranghöchster Wirtschaftspolitiker der DDR, seine Regierung wünsche einen systematischen Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen mit der Bundesrepublik. Außerdem wurde zur Verbesserung des Berlinverkehrs ein Abkommen unterzeichnet, nach dem sich die Bundesrepublik mit 507 Millionen DM an den Kosten beteiligen sollte. Aus Anlass des Tages der Deutschen Einheit am 17.
Juni 1980 betonte Kanzler Schmidt die Vordringlichkeit des Friedens; die deutsche Einheit sei nicht erzwingbar. Das brachte ihm die Rüge der Opposition ein, er betrachte die deutsche Frage nur als Pflichtübung.
Bei den Wahlen zum neunten Bundestag am 5. Oktober 1980 konnte Helmut Schmidt mit der sozialliberalen Koalition seine Mehrheit ausbauen. Gegenkandidat der Unionsparteien war Franz Josef Strauß (CSU). Die CDU/CSU blieb stärkste Fraktion im Bundestag, obwohl sie 4,1 Prozentpunkte eingebüßt hatte.
Als ihr Vorsitzender wurde für weitere vier Jahre Helmut Kohl wieder gewählt. Schmidt bekannte sich erneut zur NATO, EG und zur Partnerschaft mit den USA als Grundlagen westlicher Sicherheit. Ebenso plädierte er für den Erhalt und Ausbau der Beziehungen zur DDR wie auch zu den osteuropäischen Staaten. Zur Aufrechterhaltung des militärischen Gleichgewichts befürwortete er Rüstungskontrolle statt -wettlauf. Sicherung der Energieversorgung, Intensivierung des Wohnungsbaus und Integration der Ausländer waren weitere Ziele seiner Politik.
Am 9.
Oktober 1980 (vier Tage nach der Bundestagswahl) erhöhte die DDR die Mindestumtauschsätze für Westbesucher von 13 DM auf 24 DM pro Tag. Wenige Tage später forderte SED-Generalsekretär Erich Honecker die Anerkennung der DDR-Staatsbürgerschaft durch die Bundesrepu
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