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  Ökologische probleme als nord-süd-konflikt

Nach den Ergebnissen des »Brundtland Reports« von 1987 können die heutigen ökonomischen und ökologischen Probleme nur noch im Rahmen einer gemeinsamen globalen Politik bewältigt werden. Besonders im ökologischen Bereich gibt es jedoch eine Reihe von Intere ssendifferenzen, die zur Zeit gegen eine solche einvernehmliche Zusammenarbeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern sprechen. Diese Konfliktpunkte sollen im folgenden erläutert werden. Zudem soll anhand einiger konkreter Fallbeispiele die Komplexitä t des Problems verdeutlicht werden. Zunächst einmal muß man bedenken, daß die finanziellen Möglichkeiten für die Durchführung von Umweltprogrammen oder Umweltprojekten bei den EL und IL als grundlegend verschieden an zu sehen sind. Während sich die IL die Bevölkerung der IL in Wohlstand und Reichtum »sonnt«, ist die der EL größtenteils verarmt.

Es ist daher verständlich, daß es das primäre Ziel der EL ist, den Wohlstand soweit wie möglich zu verbessern. Entsprechend werden alle verfügbaren Mittel für die den Aufbau der Wirtschaft eingesetzt u nd ökologische Aspekte treten vollkommen in den Hintergrund. Die EL leiten aus ihrer schlechten Situation ab, daß primär die IL die Verpflichtung übernehmen müssen, sich um den Umweltschutz zu kümmern und diesen auch zu finanzieren. Sie unterstreichen dies mit dem Argument, daß die heutigen ökologischen Probleme in Hinblick auf Umwelt und Naturressourcen großteils auf einem in der Geschichte der Menschheit bislang nicht gekannten Ausmaß an wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung vor allem in den nördliche n Industriestaaten beruhen. Seit Beginn dieses Jahrhunderts hat sich nämlich weltweit der Verbrauch fossiler Energieträger um den Faktor 30 und die industrielle Produktion um den Faktor 50 erhöht; die Bevölkerungszahl hat sich mehr als verdreifacht; etwa 4 /5 dieser verschiedenen Wachstumsprozesse haben allein seit dem Jahr 1950 stattgefunden. In den nördlichen Industriestaaten, die das Phänomen der Bevölkerungsexplosion bereits im 19.

Jahrhundert erlebt haben, und wo heute dennoch weniger als ¼ der Weltbevö lkerung leben, sind die Umweltbeeinträchtigungen in erster Linie auf ein ständig steigendes materielles wirtschaftliches Wachstum zurückzuführen. Mehr als 3/4 der Weltbevölkerung lebt im Süden, in den Entwicklungsländern. Hier nimmt zwar die armutsbedingte Umweltschädigung ständig weiter zu. Allerdings sind die Industriestaaten für mehr als 3/4 der Verschmutzung der Umwelt verantwortlich. Beim Energieverbrauch sind es sogar 4/5. Diese Tendenzen gefährden die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme weltweit, aber auch die Gesundheit der Menschen und überdies ihre zukünftige soziale und politische Sicherheit.

Letztlich ist die Überlebensfähigkeit der Menschheit und der Erde selbst bedroht. Mit dieser Argumentationskette versuchen die EL zu verdeutlichen, daß ausschl ießlich die IL für die heutige ökologische »Misere« verantwortlich sind. Ebenso versuchen die EL auf diese Weise ihre bis heute immer noch relativ passive Einstellung gegenüber dem Umweltschutz zu rechtfertigen. Die EL sind im allgemeinen nur bereit, ökolo gische Aspekte zu berücksichtigen und bestimmte Umweltschutzmaßnahmen durchzuführen, wenn sie dafür von den IL Ausgleichszahlungen erhalten. Die IL werten dies natürlich als Erpressung und stellen entsprechende Gelder nur in den seltensten Fällen zur Verfü gung. Ein neuer Konfliktmotor könnte zudem in der fortschreitenden Industrialisierung der Entwicklungsländer liegen.

Bisher versuchen die IL die von ihnen verursachte Umweltverschmutzung soweit wie möglich zu verteilen. So errichten beispielsweise Unternehmen a us Industriestaaten in EL's Produktionsstätten, um die strengen Umweltschutzbedingungen der IL zu umgehen. [Weitere Beispiele: Abholzung der Regenwälder für Rinder, deren Fleisch in den IL's verkauft wird. / Giftmülltransporte in die EL's usw.]. Man kann a lso sagen, daß die IL versuchen, die Umweltbelastungen soweit wie möglich zu externalisieren.

Dies wird in naher Zukunft vermutlich nicht mehr in diesem Umfang möglich sein. Auf der einen Seite sind nämlich die ökologischen Belastungsgrenzen vieler Entwick lungsländern bereits erreicht, auf der anderen Seite wird mit der zunehmenden Industrialisierung der EL's die Einführung von strengeren Umweltstandards einhergehen. Die Suche nach neuen »Mülldeponien« ist für die IL mit hohen Kosten verbunden. Zudem ergebe n sich z.B. politische Schwierigkeiten (Widerstand der Bevölkerung) bei der Errichtung von Wiederaufbereitungsanlagen im eigenen Land.

Die zunehmende Industrialisierung der EL weckt bei den IL zudem die Sorge, daß sich die natürlichen Ressourcen schneller erschöpfen könnten. Letztlich drückt sich hier die Befürchtung der IL aus, in Zukunft nicht mehr auf Kosten der EL leben zu können. In diesem Fall könnten sich die ökologischen Weltprobleme zu einem Kampf um Rohstoffe zuspitzen. Dies läßt sich beispielswei se am Vergleich des Wasserverbrauchs in den Entwicklungsländern und den Industrieländern verdeutlichen. Während ein Bürger eines Entwicklungsstaates pro Tag ungefähr 5,4 Liter reines Trinkwasser verbraucht, »verschwendet« ein US-Amerikaner am Tag satte 500 Liter Wasser. Mit der Industrialisierung der Entwicklungsländer wird ihr Wasserbedarf schnell auf ähnliche Größenordnungen ansteigen.


Ein ganz ähnliche Situation ergibt sich durch die fortschreitende Industrialisierung der Entwicklungsländer auch beim Kli maproblem. Bis 2005 beabsichtigen die Industrieländer den CO2-Ausstoß soweit zu regulieren, daß von Experten bis zum Jahre 2045 eine noch zu vertretende globale Erwärmung von 2,5° bis 3,0° Celsius erwartet wird. Bei einer zunehmenden Industrialisierung und Motorisierung der Entwicklungsländer ergibt sich jedoch ein völlig anderes Szenario. Demzufolge müssen die Bewohner der IL befürchten, daß die EL ihnen sowohl die Luft zum Atmen als auch das Wasser zum Trinken wegnehmen. Die Entwicklungsländer stellen als o das eigentliche Problem dar. Ihre nicht vorhersehbare zukünftige Entwicklung gefährdet jeden heute beschlossenen Umweltplan in seiner Wirksamkeit.

Die Industrieländer bezeichnen die Entwicklungsländer daher heute schon als den Hauptschuldigen für jede Ar t von ökonomischen Problemen. Gern weisen die IL in diesem Zusammenhang auch auf das immer noch hohe Bevölkerungswachstum in den EL hin und fordern die Bevölkerung in den EL auf, endlich Geburtenkontrollen durchzuführen und weniger Kinder zu kriegen. Dies sind jedoch gehaltlose Forderungen, weil in den EL zwar eine zunehmende Industrialisierung stattfindet, mit den IL vergleichbare Sicherungssysteme jedoch noch immer fehlen. Ebenso differenziert muß ein weiteres Argument betrachtet werden, das die IL gerne verwenden, um die Verantwortlichkeit der EL für die immer knapper werdenden natürlichen Ressourcen zu beweisen. So beschuldigen die IL die EL, sie würden Raubbau an Naturressourcen betreiben. Dabei muß man jedoch bedenken, daß die EL hoch verschuldet sin d und damit in starker Weise von den IL abhängen.

Statt Raubbau im eigenen Land zu betreiben, könnten die EL alternativ Rohstoffe nur aus den Industrieländern importieren. Dazu fehlen ihnen allerdings die finanziellen Mittel. Zudem schotten die Industrielä nder ihre Märkte fast vollkommen gegen Konkurrenz aus dem Süden ab, so daß von diesen Ländern hauptsächlich nur noch Primärrohstoffe wie Erze, fossile Energieträger, Kaffee und Futtermittel in die Industrieländer importiert werden können. Die Weltmarktprei se für diese Rohstoffe und Agrarprodukte sind jedoch sehr gering. Die EL haben damit gar keine andere Wahl als Raubbau zu betreiben, um den notwendigen Schuldendienst an die Industrieländer leisten zu können und die Verschuldung des Landes nicht noch weite r zu erhöhen. Die Industrieländer profitieren dabei sehr stark von den billigen Rohstoffen aus den Entwicklungsländern.

Insofern relativiert sich die von den IL ausgesprochene Beschuldigung, die EL betrieben Raubbau. Die Einstellung des Raubbaus würde näml ich die Volkswirtschaften vieler Industriestaaten in ernsthafte Kostenprobleme stürzen. Aufgrund der vielen Konfliktpunkte zwischen IL und EL scheint eine wirklich sinnvolle globale Umweltpolitik zur Zeit kaum möglich. Zudem scheinen bei der Kommunikation zwischen IL und EL nicht das Erarbeiten von gemeinsamen Lösungen für ökonomische Problem e sondern gegenseitige Schuldzuweisungen im Vordergrund zu stehen. Dies zeigen auch die geradezu lächerlichen Ergebnisse der Weltumweltkonferenzen von Rio und Berlin. In Rio wurden 1992 zwar Konventionen über den Schutz der Erdatmosphäre und die biologisch e Artenvielfalt verabschiedet, umgesetzt werden diese jedoch in der Praxis (und besonders in Deutschland) bisher nicht.

Da mag sich Helmut Kohl in seinen Sonntagsreden noch so oft wie er will zum Schutz der Erdatmosphäre bekennen; solange verbindliche Schu tzziele für Ökosysteme und konkrete „Fahrpläne“ für die Verringerung umweltbelastender Aktivitäten fehlen, sind solche Bekenntnisse vollkommen nichtssagend. Zudem scheint das notwendige Umweltbewußtsein sowohl in den Industriestaaten als auch in den Entwicklungsländern immer noch zu fehlen. Dafür ist vor allem die Dominanz ökonomischer Aspekte verantwortlich. In Deutschland hört man häufig von Wirtschaftspolitikern die Aussage, es herrsche ein internationaler Krieg des Wettbewerbes. Daran schließt sich dan n meist die Frage um die internationale Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft (Standortfrage) an. Welche Denkfiguren dieses fast schon grenzenlose Wettbewerbsdenken hervorbringt hat in Deutschland vor kurzer Zeit ein Verbandsfunktionär der deutschen Wirtschaft verdeutlicht.

Er bekräftigte, auch die Umwelt müsse ihren Beitrag zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland leisten. Kurz gesagt: Wenn die Wirtschaft boomen soll, dann möge man sie doch bitte nicht mit hinderlichen Umweltauflagen takt ieren, sondern ihr den Weg freimachen. Erst wenn man das Verhängnisvolle der zur Zeit vorherrschenden Maxime „Wirtschaft über alles“ erkennt und ökologische, soziale und demokratische Aspekte wieder mit ökonomischen gleichsetzt, wird man zu sinnvollen und wirksamen globalen Umweltprogrammen gelangen können. Dieser Grundsatz trifft auch für die Entwicklungsländer zu. Die Entwicklungsländer dürfen nicht die Fehler der heutigen Industrieländer wiederholen. Die alte Entwicklungsmaxime, zunächst ökonomischen Woh lstand zu erreichen und die sozialen und ökologischen Folgekosten später zu reparieren, ist hinfällig und zukunftsgefährdend geworden.

Eine Lösung des ökologischen Problems und damit auch des Nord-Süd-Konfliktes ist nur möglich, wenn man ein neues demateri alisiertes und energieschonendes Wohlstandsmodell entwickeln und in den Köpfen der Menschen verankern könnte.

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