Erdgas - die umweltfreundliche alternative wird billiger
Katja Kreinberg
Erdgas - Die umweltfreundliche Alternative wird billiger
Das Münchner Ifo-Institut meldete am 26.10.95 einen Anstieg des deutschen Erdgasverbrauchs um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Allein in den neuen Ländern verkaufte sich Erdgas um ein Drittel besser als noch 1994, obwohl der Erdgaspreis im Ostteil Berlins über 82% des Erdölpreises liegt. Im Schnitt zahlt der Endverbraucher einen Aufpreis von 50%. Nirgendwo in Europa zahlt man soviel für das Erdgas wie in Deutschland bis zu 40% Preisnachteil gegenüber dem Ausland.
Jedoch wird es mit den teuren Preisen bald vorbei sein, da sich immer mehr Anbieter von Erdgas aus den wichtigsten Lieferländern auf den deutschen Markt drängen. Viele dieser Anbieter haben sich in den letzten Jahren übernommen, sie haben neue Gasfelder erschlossen und Pipelines gebaut, ohne sich genügend Abnehmer zu sichern. Das führt zu Preiskämpfen und Discountangebote, so daß die Importeure in den kommenden fünf Jahren bis zu 30% billiger kaufen können.
Bleiben die Spannen im Zwischenhandel weiterhin bestehen, könnten die Endverbraucherpreise (derzeit bei 35 Pf/Kubikmeter) um zehn Prozent sinken, bei scharfen Wettbewerb sogar um 25%.
In 70% der Neubauten werden umweltfreundliche Gasheizungen eingebaut. Auch große Industriebetriebe wie BASF setzen auf den Energieträger Gas.
Haushalte und Industrie denken, daß die Erdgaspreise sinken werden, womit sie recht haben, denn die großen Lieferländer umwerben sie, um die riesigen Fördermengen los zu werden.
Norwegen will seine Gesamtförderung auf 80 Milliarden Kubikmeter ausdehnen. Drei neue Pipelines sollen das Gas nach Westeuropa bringen. Nur ein Teil der großen Menge ist durch die im Gasgeschäft üblichen langfristigen Lieferverträge gedeckt. Zwar will RUHRGAS-Chef Klaus Liesen, wichtigster Kunde der Norweger, Teile der Überproduktion übernehmen, aber die Restmenge sucht immer noch der Kunde: Auch aus Großbritannien kommen überflüssige Gasmengen auf den deutschen Markt. Dort finden sie auch nicht genügend Abnehmer für ihr Gas, dennoch setzen sie auf nicht vorhanden Kunden und erschlossen neue Felder auf der Nordsee.
Um den Überfluß loszuschlagen, müssen die Firmen ihre Preise um 50% senken. Wie RUHRGAS will WINTERSHALL-Chef Herbert Detharding einen Teil der überflüssigen Mengen von Markt nehmen.
Ab 1998 wird eine neue Pipeline im Ärmelkanal bis zu 20 Milliarden Kubikmeter auf das Festland fördern.
Zwei Jahre später konnte bereits 35 Milliarden Kubikmeter aus den Gasfelder Sibirien nach Deutschland fließen im Jahre 2005 52 Milliarden Kubikmeter. Doch für diese Gasmengen haben sie noch keine Abnehmer gefunden. Lediglich WINTERSHALL hat sich verpflichtet, ab Jahr 2005 rund 23,5 Milliarden Kubikmeter abzukaufen.
Der Rest sucht noch westeuropäische Abnehmer.
Auch aus inländischen Quellen geraten die Preise unter Druck. Der deutsche Gasmarkt ist durch ein feinmaschiges Netz erlaubter vertraglicher Absprachen gekennzeichnet. Das heißt: Wo RUHRGASPIPELINES liegen, halten sich etwa THYSSENGAS oder BAYERNGAS zurück.
BASF-Tochter WINTERSHALL ignoriert diese Absprache und baut ein bundesweit gehendes Verteilernetz auf. Das hat zwar Unruhe in den Markt gebracht, hat aber bisher das Preisniveau kaum beeinflußt.
Kartellamt und Minister wollen jetzt die Gebietsmonopolisten zwingen, ihr Rohrleitungssystem der Konkurrenz zur Verfügung zu stellen. Stehen die Rohre erst allen Lieferanten offen, haben die deutschen Hochpreisanbieter schlechte Karten. Die Lieferländer könnten dann auf die Dienste der Importeure als Zwischenhändler verzichten, sich direkt an Kunden wenden und sie über die Netze von RUHRGAS & Co. beliefern.
Branchenexperten schätzen, daß der europäische Gasmarkt völlig umstrukturiert wird:
Die langfristigen Verträge zwischen Förderer und Importeure verschwinden zwar nicht, werden aber ergänzt durch kurzfristige, verfügbare Gasmengen. Das Gas könnte dann, wie derzeit Öl über Spottmärkte, zu täglich wechselnden Preisen gehandelt werden.
Region
Ölpreis*
Gaspreis*
Aufpreis*
Dortmund
1370
1738
27%
Hannover
1418
1851
31%
Frankfurt am Main
1268
1673
32%
Kiel
1320
1800
36%
Nürnberg
1375
1928
40%
München
1385
1955
41%
Bremen
1218
1739
43%
Leipzig
1368
2038
49%
Hamburg
1264
1900
50%
Düsseldorf
1271
1929
52%
Köln
1264
1940
53%
Stuttgart
1371
2151
57%
Dresden
1321
2111
60%
Rostock
1223
2042
67%
Berlin (Ost)
1213
2210
82%
Berlin (West)
1389
2979
114%
Bundesschnitt
1295
1921
48%
*Die Preise in DM gültig für 3000 Liter Heizöl bzw. von Heizwert identische Kubikmeter Gas inklusive Mehrwertsteuer. (Stand 15.9.1995)
Quelle: Focus
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