Greenpeace aktuell
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Greenpeace-Hintergründe
Atomtransporte - mehr als nur ein Restrisiko
1. Sicherheitstest - beeidruckend aber nicht realistisch
Der anstehende Abtransport der abgebrannten Brennelemente aus dem AKW Philipps-
burg erfolgt in einem sogenannten Castor 2a-Behälter. Dieser Behälter, auch TYP
B-Behälter genannt, wurde für den Transport von hochradioaktiven abgebrannten
Brennelementen konstruiert. Die gesamte Sicherheitsphilosophie beim Transport
konzentriert sich hauptsächlich auf den Behälter. Der Behälter unterliegt zwar Si-
cherheitsauflagen und Sicherheitstests, stellt aber trotzdem ein immenses Gefahrenrisiko
beim Transport von hochradioaktiven Material dar. Denn die Sicherheitstests decken
einen plausiblen Unfall nicht ab.
Beim sogenannten Falltest wird ein Prototyp eines B-Behälters aus einer Höhe von 9
Metern auf einen harten Untergrund eine in Beton eingelassene Stahlplatte fallen
gelassen. Obwohl dieser Test beeindruckend wirkt und dabei wahrhaftig die Fetzen
fliegen, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Behälter bei diesem Aufprall
lediglich eine Geschwindigkeit von 48 km/h erreicht. Transportiert wird er aber in der
Praxis mit 100 km/h dem Doppelten der Testgeschwindigkeit!
Auch der sogenannte Feuertest entzieht sich jeglicher Realität. Dieser Test sieht vor,
daß der Behälter 30 Minuten lang einer Temperatur von 800 Grad Celsius ausgesetzt
wird, den der Prototyp in den Tests auch ohne Schaden überstand. Daß es sich bei
diesem Test zum Teil um Makulatur handelt, wird deutlich wenn man sich einen
realistischen Ablauf eines möglichen Unfalls mit Brandfolge anschaut: 13% der auf der
Bahn transportierten Güter sind Gefahrgüter. Davon sind 90 Prozent entzündbare
Stoffe, meistens Heizstoffe wie Benzin oder ähnliches.
Diese Stoffe können im
Brandfall weit höhere Temperaturen als 800 Grad Celsius erzeugen. Propangas, ein
häufig transportiertes Gut, entwickelt Hitze bis zu 2000 Grad Celsius.
Relativ unrealistisch erscheint auch die Annahme, ein Feuer infolge eines Zugunglückes
sei innerhalb von 30 Minuten zu löschen. Dies ist um so unwahrscheinlicher , je
abgelegener der Unfall auf freier Strecke passiert. Da erfahrungsgemäß weder die
Feuerwehren noch der Katastrophenschutz entlang der Strecke über diese gefährliche
Fracht informiert werden, ist anzunehmen, daß die Rettungsmannschaften über die Bri-
sanz der Fracht im Unklaren sind.
Entsprechend beschrieb Oberbürgermeister Andreas von Schöler in einem Antwortbrief
an Greenpeace vom März 1995 die Haltung der Stadt Frankfurt am Main: "Wir lehnen
die Atom-Transporte ab, da das Risiko für die Bevölkerung entlang der
Transportstrecke aus unserer Sicht nicht vertretbar ist.
. .Der Branddirektion liegen keine
Informationen vor, wann und wo Castor-Transporte durchgeführt werden sollen. Es
muß deutlich gesagt werden, daß Unfälle mit Castor-Behältern , die zum Freiwerden
von ionisierender Strahlung führen, nicht beherrschbar sind." (Unterstreichung im
Original)
Die Stadträte in Göttingen, Jena und Halle lehnten den Castor-Transport als unnötige
Sicherheitsgefährdung ab und beschlossen, sich bei Land und Bund gegen die
Verschickung des Atommülls aus dem Atomkraftwerk Philippsburg nach Gorleben
einzusetzen .
2.
Katastrophenschutz ohne Schutzwirkung
Am 22.August 1988 entging das niedersächsische Dorf Bodenfelde nur knapp einer
Katastrophe Durch menschliches Fehlverhalten kam es um 14:14 Uhr zu einem
Beinahe-Zusammenstoß zwischen einem Bahntransport mit hochradioaktivem Atom-
rnüll aus dem AKW Würgassen und einem mit Propangasflaschen beladenen Triebwa-
gen.
Dieser Vorfall gelangte zwei Wochen später durch Zufall an die Presse. Was da um ein
Haar zur größten atomaren Katastrophe in der BRD hätte führen können, kann sich zu
jeder Zeit wiederholen.
Grundsätzlich gilt, daß es für derartige Transportunfälle keinen Katastrophenschutz
gibt. Maßnahmen, die nach einem schweren Unfall durchgeführt werden, können nur
die Auswirkungen auf die Bevölkerung verringern, sie nicht aber verhindern.
Selbst die Behörden sehen dies in der Zwischenzeit Auf eine Anfrage zum Katastro-
phenschutz bei Atomunfällen hat der Bremer Senat im Oktober 1993 folgende Stellung-
nahme abgegeben: "Dem Senat ist bekannt, daß bei einem Unfallszenario entsprechend
der Fragestellung (sie bezog sich auf Atomtransporte mit Unfallfolge) , die Ein-
griffsmöglichkeiten des Katastrophenschutzes begrenzt sind. Gleichwohl wird die
betroffene Bevölkerung durch Polizei und Rundfunkdurchsagen gewarnt werden".
Die möglichen Auswirkungen eines Unfalls beim Transport hochradioaktiver abge-
brannter Brennelemente sind besorgniserregend bis katastrophal. So kamen die Wissen-
schaftler der Gruppe Ökologie Hannover in einem Gutachten für den Hamburger Senat
zur Sicherheit von Kernbrennstoff-Transporten auf dem Gebiet der Stadt Hamburg im
März 1990 zu dem Ergebnis: "Bei Transportunfällen mit bestrahlten (abgebrannten)
Brennelementen wird , unter günstigen Wetterbedingungen beim plausiblen ,
abdeckenden Unfall" der Störfallgrenzwert der Strahlenschutzverordnung in einem
Gebiet von 1 km bis mehr als g km vom Unfallort überschritten. Unter ungünstigen
Wetterverhältnissen findet eine deutliche Überschreitung noch in mehr als 10 km statt;
die Umsiedlung von Bewohnern und anschließende Dekontamination des überstrichenen
Stadtgebietes kann bis in einer Entfernung von mehr als 6 km erforderlich sein." Die
Fakten sprechen für sich.
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